Nico Schiefer. Schmetterlingsherzen. eine verbotene Geschichte

Transkript

1 Nico Schiefer Schmetterlingsherzen eine verbotene Geschichte kultverlag 1

2 Die folgenden Seiten sind dem Buch S-BAR: eine schlechtbürgerliche Küche entnommen. Copyright by Nico Schiefer Jede Verwendung, ausser die zum privaten Gebrauch des Lesens, ist ausdrücklich untersagt! Kein Teil dieses Auszuges darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages oder des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Jegliches Zuwiderhandeln wird strafrechtlich verfolgt. 2

3 Ich tauche ein, bepudert von rotem Muskatöl, in Kokablättern schwimmend. Noch nie zuvor fühlte ich mich wohl; in meinem Körper, meinem Kopf. Chuan bettet ihn sanft unter einen Polster, so merklos, dass ich sofort weiterschlafe. Ich spüre noch ein sanftes Gleiten von Stoff auf meiner Haut -ihr Atem, und ein Hauch von Küssen bedeckt mich. Ich bin im Schlafzimmer, falls du etwas brauchst, kommst du,...die letzten Worte sind mehr Traum als Wirklichkeit. Mitten in der Nacht erwachte ich. Ich war nicht erschrocken. Der Raum war mir vertraut, als wäre ich schon mal da gewesen. Ich gehe ans Fenster. Die Nacht ist lau, es weht kaum Wind, die Lichter der Grossstadt blitzen, zucken in allen Farben, wie ein Meer von LED-Lichtern eines Tonstudios. Ein Wogen, ein Pulsieren und eine Schachtel Parisienne, meine Lieblingssorte, liegt auf dem Fensterbrett, daneben eine Schachtel Zünder. Ich stehe eine Zigarettenlänge am Fenster, geniesse die Nacht, kann es nicht glauben,... Bin ich tatsächlich hier -in dieser Wohnung? Ich suche nach Chuan, suche ihre Haut, höre, lausche ihrem Atmen, Ebbe, Flut, sachtes, wogendes Leben,... Ich folge dem Geräusch auf Zehenspitzen. Als es lauter wird, lege ich mich flach auf den Boden, um nicht auf sie zu treten, robbe, taste mich vor, an ihr Haar, ihren Mund, küsse sie, lege mich neben sie. Ein Kirschblütenduft sucht meine Nase, ihre Hände streichen, suchen, gleiten tiefer. Ihr Körper bäumt sich über mich im stockdunklen Raum. Ich sehe ihre Augen nicht. Langsam küsst sie sich nach unten, 3

4 ihre Haare folgen dem Weg, reibt und leckt und nimmt mich auf. Begehrlicher noch, feiner als beim ersten Mal langt sie, nimmt sie mich hinein. Leise ist die Nacht, so still nur ihren Atem höre ich, der zuckt und wild und stockt und rauscht. Ausdauernd wechselt sie den Rhythmus, erkundet meinen Mund mit ihrer Zunge. Lassiesüss ihr Speichel, kommen wir, ihren Mund auf meinen gepresst, zugleich. Die Königin der Nacht, sie hat mich, berührt an allen Stellen, mein Körper, mein Geist, unsere Seelen sind Schmelz. Sie langt hinunter, legt sich neben mich, stellt ihren Seidenschenkel auf, ihre Macht, die mich erhebt, dann führt sie mich, ein, noch einmal, in ihr Geheimstes. Stunden vergehen, ich wache, ich schlafe, ich träume in ihr. Erst als die Nacht graut, schlafe ich. Am Morgen lag Min-Ji neben mir. Ich habe sie nicht kommen hören. Sie sieht mich wie durch Funkelsterne an, als ich meine Lider nach dieser Wundernacht aufschlug, erblickte ich ihr marmorfliessendes Gesicht. Min-Ji, was machst du denn hier? Erschrocken ziehe ich das Lacken über meine blanken Beine. Chuan ist einkaufen, antwortet sie. Ich dachte,...du bist bei deinen Grosseltern! War ich auch. Wie lange bist du denn schon hier? Min-Ji legt ihren winzigen Zeigefinger auf meine Lippen, hält mir die Augen zu und haucht einen samtenen Marshmellowkuss auf meine Wange. Ich wünsche dir auch einen schönen Morgen, Min-Ji -, Aber du hast meine Frage nicht beantwortet,... 4

5 Nico Schiefer, geboren am 11. April 1981, lebt zusammen mit seiner Frau in Manila. Der Grenzgänger schreibt von den Rändern der Gesellschaft. Bevor er damit begann, durch Asien und Europa zu reisen, verdiente er sich die ersten Sporen im erweiterten Feld des Journalismus: er arbeitete für eine Presseagentur in Wien, verkaufte Werbeflächen, schrieb für österreichische Lokalzeitungen und Underground-Magazine in Deutschland. Seine Umtriebigkeit und sein Gespür dafür, was hinter dem Sichtbaren brennt, bringt ihn ständig ins Gespräch - auch im Establishment. Die Presse nennt ihn das Untergrundgenie. 5