Psychotherapie suizidaler Patienten: Mythen vs. Fakten. PD Dr. Tobias Teismann
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- Erwin Beltz
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1 Psychotherapie suizidaler Patienten: Mythen vs. Fakten PD Dr. Tobias Teismann
2 Gliederung Risikoabschätzung Krisenintervention Psychotherapie 2
3 Mythos Suizide sind vorhersehbar. 3
4 Perfekte Vorhersage Risikofaktoren 1. Vorangegangene stationäre Behandlung 2. Suizidversuch in der VorgeschichteZufall 3. Suizidgedanken 4. Niedriger sozioökonomischer Status 5. Belastende Lebensereignisse 4
5 n = 3250 Cases vs. n = 1917 Controls 5
6 Interpersonale Theorie suizidalen Verhaltens (Joiner 2005) Todeswunsch Thwarted Belongingness (fehlendes Zugehörigkeitsgefühl) Perceived Burdensomeness (Wahrnehmung, eine Belastung für andere zu sein) Acquired Capability (erworbene Suizidfähigkeit) schwerwiegende Suizidversuche und vollendete Suizide 6
7 122 Studien, N = (93.4% Querschnittsuntersuchungen) PB Suizidgedanken; 79.1% theoriekonform TB Suizidgedanken; 54.3% theoriekonform PB x TB Suizidgedanken; 57.5% theoriekonform PB x TB x AC Suizidversuche; 23.5% theoriekonform Effect sizes were weak-to-moderate, suggesting modest clinical significance 7
8 (A) Massiver Anstieg suizidaler Absicht innerhalb weniger Stunden/Tage (B) Mindestens eines der folgenden Kriterien: - Soziale Entfremdung (massiver sozialer Rückzug, Abscheu gegenüber anderen, Eindruck, eine Last für andere zu sein) - Selbstentfremdung (Eindruck, sich selbst eine Last zu sein, Selbsthass) (C) Hoffnungslosigkeit bzgl. der Veränderbarkeit der genannten Aspekte (D) Zwei oder mehr Übererregungssymptome (z.b. Schlaflosigkeit, Alpträume, Agitiertheit, Reizbarkeit) 8
9 Was muss abgeklärt werden? Psychische Störung (akut/lifetime) Lebenssituation Krisenhafte Ereignisse Hoffnungslosigkeit Soziale Isolation Eindruck, eine Last zu sein, Eindruck, gefangen zu sein, Impulsivität, Selbstkontrolle, Furchtlosigkeit Suizidgedanken Suizidplan Suizidversuche Selbstverletzungen Schutzfaktoren Ressourcen 9
10 70% der Repeater als low risk klassifiziert 80% der Non-Repeater als high risk klassifiziert 10
11 11
12 Auf einer Skala von 1 bis 5, [ ], wie besorgt sollte Ihr Therapeut darüber sein, dass Sie sich in den nächsten zwei Monaten möglicherweise selbstverletzen? Entlassung 8 Wochen 15 Wochen AUC: 0.75 AUC: 0.72 N = 147 Psychiatriepatienten 12
13 Mythos Joiner, 2010 Suizide werden plötzlich und impulsiv vollzogen. 13
14 24%: weniger als 5 Minuten zwischen Entscheidung und Umsetzung 42.6% weniger als 10 Minuten zwischen Entscheidung und Umsetzung (Paashaus et al., submitted) ABER: Keine Gruppenunterschiede bzgl. Suizidgedanken, Suizidplänen, Suizidversuchen, Impulsivität, Alkoholkonsum 14
15 15
16 Mythos Joiner, 2010 Suizidale Personen berichten nicht von Zukunftsplänen. 16
17 N = 1016 Online-Sample 66.5% berichten internal suicide debate 94.1% der Hoch-Suizidalen berichten internal suicide debate 17
18 Widersprüchliche Aussagen & Verhaltensweisen haben in Sicherheit gewogen und entschiedeneres Vorgehen verhindert 18
19 19
20 Mythos Sonneck et al., 2012 Wenn man jemanden auf Suizidgedanken oder -pläne hin anspricht, bringt man ihn erst auf die Idee, sich umzubringen. 20
21 86.4% 72.3% 53.6% 28.0% 17.0% 9.5%: Fragen nach Suizidgedanken triggert suizidales Verhalten 21
22 5 x Tag 2 Wochen 2 Wochen Pause 6 Monate 1 x Tag 1 x Woche 1 x Monat Gruppe 1: (n = 129) Gruppe 2: (n = 119) mit 2 Suiziditems ohne Suiziditems Keine Unterschiede: Suizidgedanken Suizidversuche Selbstverletzungen 22
23 N = 306 Studierende mit lifetime Suizidgedanken n = 192 wurden jemals nach Suizidgedanken gefragt Akkurate Antworten bekamen Psychiater Psychologen Forscher Freunde Hausärzte p <.01 Familienmitglieder 23
24 Gliederung Risikoabschätzung Krisenintervention Psychotherapie 24
25 Mythos Sonneck et al., 2012 Wer sich wirklich umbringen will, ist nicht aufzuhalten. 25
26 64 Todesfälle (12.5%) in den folgenden 34 Jahren (49% natürlich,11% Unfall, 40% Suizid) 95% sterben in der Folge nicht an einem Suizid! 26
27 27
28 28
29 Welche Wirkung hätte eine Absperrung für die mehr als Menschen gehabt, die von der Golden Gate Bridge gesprungen sind? 34%: Alle hätten sich auf andere Weise das Leben genommen. 40%: Die meisten hätten sich auf andere Weise das Leben genommen. N =
30 Rational basiert auf zwei Prämissen: (1.) Suizidale Krisen sind oftmals nur von kurzer Dauer (2.) Personen präferieren Suizidmethoden, zu denen sie leichten Zugang haben 30
31 N = 130 Personen nach Suizidversuch 31
32 Gliederung Risikoabschätzung Krisenintervention Psychotherapie 32
33 Mythos Auf die Krisenintervention folgt die Behandlung der Grunderkrankung. 33
34 Unklar, ob Depressionsbehandlung Einfluss auf Suizidalität hat. Bisherige Datenlage wenig überzeugend. 34
35 35
36 AV: Suizidversuch N = 4114 PT > TAU: 9% vs. 16% Frauen Intensive Behandlung 36
37 CBT DBT 37
38 ASSIP (Gysin-Maillart & Michel, 2013) Erste Sitzung: Narratives Interview Erzählen Sie doch bitte, wie es zu dem Suizidversuch kam...? Zweite Sitzung: Video-Playback Dritte Sitzung: Klärung der Muster, die zur suizidalen Krise führen / Hope- Leporello / Notfallplan Vierte Sitzung: Mini-Exposition Briefkontakt 38
39 N = 120 Patienten (nach Suizidversuch) Alter ~ 38 Jahre 63% Depression ASSIP vs. TAU 3 Therapiesitzungen Suizidversuche: ASSIP = 5 (8%) vs. TAU = 16 (27%) 39
40 Mythos Suizidale Krisen müssen mit Antidepressiva behandelt werden. 40
41 41
42 42
43 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 43
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