Predigt über Jes 7,10-14 München, den

Transkript

1 Predigt über Jes 7,10-14 München, den Liebe Gemeinde, Vom Himmel hoch, da komm ich her, so haben wir gerade gesungen. In den ersten fünf Strophen dieses Liedes hat Martin Luther alles gesagt, was zu Weihnachten zu sagen ist. Über diese fünf Strophen ließe sich ein ganzes Buch, ja sogar mehrere Bücher schreiben. Jetzt will ich mich im Licht eines alten Prophetenwortes der Weihnachtsgeschichte zu-wenden und mich so auf einige Aspekte beschränken. Im 10. Kapitel des Propheten Jesaja lesen wir: Und Jesaja redete abermals zu Ahas und sprach: Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe! Aber Ahas sprach: Ich will's nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Der HERR selbst wird euch ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel. Krieg droht. Zwei benachbarte Völker wollen Judas König Ahas zu einer Koalition der Willigen gegen die mächtigen Assyrer bewegen. Ahas zögert. Der Prophet bringt einen ganz anderen Gesichtspunkt ins Spiel: Nicht die Politik, sondern die Religion, Gott, Jahwe und der Glaube an ihn wird s richten. So der Hintergrund dieser komplexen

2 2 Gesprächsszene, in die politische, militärische religiöse und psychologische Motive eingewoben sind. Liebe Gemeinde, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte hat in einer seiner Wissenschaftslehren einmal geschrieben: Als Abkürzung der Darstellung wähle ich die Sache selbst. Lassen Sie uns auch so vorgehen und lassen Sie uns die Frage stellen: Und was, bitte schön, hat dieses über 2700 Jahre alte Gespräch mit seinen politischen und religiösen Implikationen mit uns und mit Weihnachten zu tun? Ich sehe drei Zusammenhänge: Der erste betrifft die Psyche des Königs: Ahas schwankt. Er ist sich plötzlich gar nicht mehr sicher. Hatte er doch gerade noch die politischen Fakten sortiert: So ist das! Hatte er doch gerade noch seine Sicht der Dinge für überzeugend gehalten, so geriet ihm diese Gewissheit jetzt plötzlich ins Wanken. Hatte dieser Prophet nicht recht, dass hinter allem auch immer etwas Unverfügbares stand? Sollte er, Ahas, nicht doch besser auch mit dem Unvorhersehbaren rechnen? Sollte er, Ahas, nicht zugestehen, dass da möglicherweise viel mehr im Spiel war, als er augenblicklich überblicken konnte? Sollte er, Ahas, nicht besser so realistisch sein, dass er die Zusammenhänge bis ins Letzte gar nicht überschauen konnte. Weihnachten wird es da, wo wir entdecken, dass eben immer mehr im Spiel ist, als wir uns so denken und

3 3 vorstellen. Weihnachten wird es da, wo wir damit rechnen, das anderes, größeres hinzukommt: Vom Himmel hoch, da kommt etwas hinzu, zu unserem Leben, zu dieser Welt: Das Heilige, das, dem letzte Bedeutung zukommt. Der Prophet ist sich dessen gewiss, dass mit dieser Dimension zu rechnen ist. Daher fordert er: Verlange doch ein Zeichen, es sei aus der Hölle oder vom Himmel! So sind wir Menschen, wir glauben nur, was wir sehen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde dies ganz offen und selbstverständlich gefordert: Zeichen, Wunder, Belege. Mit dem Siegeszug der modernen Naturwissenschaften hat sich dieses Ansinnen verlagert, aber nicht aufgelöst. Verborgen suchen wir nach Zeichen, möchten Hinweise, am besten dann doch Beweise sehen. Doch wir können dies auch positiv wenden: Wir wollen überzeugt werden. Bei Ahas ist es nun so, dass er sich auf diese Forderung nach einem klarheitsschaffenden Zeichen gar nicht einlässt; nicht, weil er wie es heißt Jahwe nicht versuchen will, sondern, wieder ein psychologisches Phänomen, weil er weiß, dass dieses Zeichen dann auch wahr werden würde, und so fürchtet der König -, dass dieses Zeichen ihm dann schaden könnte. Das ist ein zweiter Aspekt: Weihnachten ist das Bild dafür, dass das Heilige, das Ewige, die Liebe hinzukommen will zu unserem Leben, zu dieser Welt. Und es ist klar, dass dies an die Wurzeln, an die Substanz gehen würde, an unsere und an die dieser Welt.

4 4 Doch wer möchte das schon? Wer möchte schon sein Leben und diese Welt im Licht der ewigen Liebe sehen. Die Schatten, die dieses Licht wirft sind nicht unerheblich für mein Leben und auch für diese Welt. Manches würde in einem neuen Licht erscheinen; einem Licht das nicht nur schmeichelt denken wir an die Verletzung der Würde von Menschen, etwa in Syrien oder im Iran denken wir aber auch an unsere Herzenshärtigkeiten wohl wahr: ein Licht, dass ans Licht bringt. Und doch ist das ein Licht, dass letztlich mit dem Mantel der Liebe umgibt, was mit Liebe oftmals leider so herzlich wenig zu tun hat. Und das dritte ist das vom Propheten beschriebene Zeichen: Dass eine junge Frau so die zutreffende Übersetzung einen Knaben zur Welt bringen wird. In älteren Kulturen hat man den letzten Ausruf einer Entbindenden wie übrigens den letzten Ausruf eines Dahinscheidenden auch als Omen gedeutet. Das Omen, dass die Entbindende ausstoßen wird und dass der Prophet ankündigt, heißt Immanuel und das bedeutet: Gott mit uns. Es ist unschwer zu erkennen, warum die christliche Tradition dieses Wort des Propheten seit Anbeginn mit der Geburt Jesu verbunden hat: Gott mit uns, so die Zusage des Propheten Jesaja und so die frohe, lebensgewinnende Botschaft der Geburtsgeschichte die wir jedes Jahr feiern, so die Botschaft von Weihnachten.

5 5 So merkt euch nun das Zeichen recht, das Zeichen, dass dafür steht, dass Eure Not, Eure ganz persönliche, die offene und die heimliche, die verborgene, die zugestandene und die geleugnete, dass alle diese Not ein Ende finden kann. Das Zeichen für diese Hoffnung ist das Bild, das der Evangelist Lukas von dieser Geburt gemalt hat. Es ist die Botschaft von Weihnachten, dass alle Verstrickung in Scheitern und Schuld, individuell und universell, nicht das letzte Wort hat. Es ist die Botschaft von Weihnachten, dass alle Selbstbezogenheit, alle Selbstherrlichkeit und aller Egoismus gewendet werden können an und mit dem, was mit Weihnachten in unser Leben und in diese Welt gekommen ist. Ja, es ist schließlich die Botschaft von Weihnachten, dass wir hier in unserem endlichen Leben auf dieser armen Erde selig werden können, weil unser Leben im Heiligen, in der ewigen Liebe selbst geborgen ist, hier und in alle Ewigkeit. Niemand und nichts kann und wird uns aus dieser Liebe herausreißen! So die Gewissheit, die uns auch an diesem Weihnachtsfest ergreifen möge und über die Paulus in der Sprache der Antike schreibt: Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe des Ewigen und Heiligen, der Liebe, die in Christus Jesus ist.

6 Amen. 6