Tarif- und Besoldungsrunden im öffentlichen Dienst 2015 und Tarifpolitik Öffentlicher Dienst

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1 Tarif- und Besoldungsrunden im öffentlichen Dienst 2015 und 2016 Tarifpolitik Öffentlicher Dienst

2 Übersicht 1. Tariflandschaft im öffentlichen Dienst 2. Beschäftigtenzahlen 3. Tarifbewegung Länder Tarifbewegung Bund und Kommunen

3 1. Tariflandschaft im öffentlichen Dienst Zum öffentlichen Dienst im engeren Sinne gehören die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Kommunen. Zum öffentlichen Dienst im weiteren Sinne zählen insbesondere auch die Sozialversicherungsträger (Rentenversicherung, gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung und gesetzliche Unfallversicherung). Die früher beschworene Tarifeinheit des öffentlichen Dienstes existiert schon lange nicht mehr. Es besteht eine Verhandlungsgemeinschaft zwischen dem Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Die zentralen Tarifverträge (insbesondere der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst [TVöD]) werden gemeinsam abgeschlossen. In der VKA haben sich die kommunalen Arbeitgeberverbände (KAVen), die in jedem Bundesland bestehen, 3 zusammengeschlossen.

4 1. Tariflandschaft im öffentlichen Dienst Zum Bereich der VKA gehören grundsätzlich auch die kommunalen wirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen, für die zum Teil eigenständige Tarifwerke abgeschlossen werden (insbesondere auf Bundesebene der TV-V für die Versorgungsbetriebe und auf Landesebene die TV-Ns für den Nahverkehr). Die Bundesländer mit Ausnahme Hessens haben sich zu der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zusammengeschlossen. Mit ihr ist insbesondere der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) abgeschlossen. Bund und VKA einerseits sowie TdL andererseits verhandeln grundsätzlich nicht gemeinsam. Die Lohnrunden mit regelmäßig zweijähriger Laufzeit wechseln sich von Jahr zu Jahr ab. 4

5 1. Tariflandschaft im öffentlichen Dienst Für die in der TgRV zusammengeschlossenen Rentenversicherungs-träger und für die Bundesagentur für Arbeit werden eigenständige Tarifverträge abgeschlossen, die sich an das Tarifrecht beim Bund anlehnen. Für die gesetzlichen Krankenkassen besteht kein einheitliches Tarifrecht. Das Tarifrecht für die Berufsgenossenschaften und deren Kliniken lehnt sich eher an das Tarifrecht bei den Ländern an. ver.di ist im öffentlichen Dienst Verhandlungsführerin für die DGB-Gewerkschaften GEW, GdP und IG BAU (bezüglich der Forstwirtschaft) und handelt zugleich in deren Namen. ver.di hat eine Verhandlungsgemeinschaft mit dem dbb beamtenbund und tarifunion verabredet. Die Tarifverträge werden getrennt, aber grundsätzlich gleichlautend abgeschlossen. 5

6 2. Beschäftigtenzahlen Bund und Kommunen In den Lohnrunden zum TVöD wird für rund zwei Millionen Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes der Kommunen und ihrer wirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen sowie für rund Tarifbeschäftigte des Bundes verhandelt. Dies schließt im Bereich der VKA auch die Beschäftigten im Sozialund Erziehungsdienst und im Pflegedienst mit den jeweiligen Sondertabellen sowie die Beschäftigten im Bereich der Spartentarifverträge für die Versorgungsbetriebe (TV-V) und z.t. für den Nahverkehr (landesbezirkliche TV-N) ein. Verhandelt wird auch für rund Auszubildende im Bereich der VKA und rund Auszubildende im Bereich des Bundes sowie rund Praktikantinnen und Praktikanten. 6

7 2. Beschäftigtenzahlen Indirekt erfasst werden weiter rund Tarifbeschäftigte von selbständigen Einrichtungen des Bundes in öffentlich-rechtlicher Rechtsform (Bundesanstalten). Darüber hinaus wird eine vielfache Zahl von Beschäftigten bei Arbeitgebern in privater Rechtsform mit Übernahmetarifverträgen oder arbeitsvertraglicher Inbezugnahme des TVöD erfasst. ver.di fordert stets die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die rund Beamtinnen und Beamten (einschließlich Anwärterinnen und Anwärter) sowie rund Versorgungsempfängerinnen und empfänger (Pensionärinnen und Pensionäre) im Bereich des Bundes. Auf die Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und empfänger der Kommunen finden die beamtenrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes Anwendung; sie sind daher nicht einbezogen. 7

8 2. Beschäftigtenzahlen Länder In den Lohnrunden zum TV-L wird für rund Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes der Länder (ohne Hessen) verhandelt. Verhandelt wird auch für rund Auszubildende im Bereich der TdL. Indirekt wird durch Übernahmetarifverträge, gesetzliche Verweisung oder arbeitsvertragliche Inbezugnahme des TV-L zusätzlich eine große Zahl von Beschäftigten insbesondere in Hochschulen, Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen erfasst. 8

9 2. Beschäftigtenzahlen ver.di fordert stets die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die rund 1,2 Millionen Beamtinnen und Beamten (einschließlich Anwärterinnen und Anwärter) sowie rund Versorgungsempfängerinnen und empfänger (Pensionärinnen und Pensionäre) im Bereich der Länder. Von dieser Forderung werden auch die Beamtinnen und Beamte sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger im Bereich der jeweiligen Kommunen erfasst. 9

10 3. Tarifbewegung Länder 2015 Forderungen Erhöhung der Tabellenentgelte um 5,5 Prozent, mindestens aber um 175 Euro monatlich bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Erhöhung der Ausbildungsentgelte und der Entgelte der Praktikantinnen/Praktikanten um 100 Euro monatlich. Verbindliche Übernahmeregelung für Auszubildende und Erhöhung des Urlaubsanspruchs für Auszubildende auf 30 Arbeitstage. Ausschluss sachgrundloser Befristungen. Der Nachtarbeitszuschlag für Beschäftigte in Krankenhäusern ist auf den für alle anderen Beschäftigten geltenden Satz von 20 Prozent anzuheben. Zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und empfänger der Länder und 10 Kommunen.

11 3. Tarifbewegung Länder 2015 Ablauf Kündigung der Entgelttabellen zum 31. Dezember 2014 Forderungsbeschluss am 18. Dezember 2014 Verhandlungsauftakt am 16. Februar 2015 Zweite Verhandlungsrunde am 26./27. Februar 2015 Dritte Verhandlungsrunde am 16./17. März 2015 Vierte Verhandlungsrunde am 28. März 2015 Vor der dritten und der vierten Verhandlungsrunde Warnstreikwellen mit jeweils rund Teilnehmerinnen und Teilnehmern Zustimmungsquote von 80,3 Prozent zum Verhandlungsergebnis in Mitgliederbefragung 11

12 3. Tarifbewegung Länder 2015 Inhalte Das Thema der Entgelterhöhung wurde durch zwei Sonderthemen überlagert: Die TdL machte ein Angebot zu Entgelterhöhungen von massiven Eingriffen in das Leistungsrecht der betrieblichen Altersversorgung (sogen. Zusatzversorgung bei der VBL) im Umfang von bis zu 40 Prozent abhängig. Begründung: Höhere Ausgaben durch steigende Lebenserwartung und geringere Einnahmen durch Niedrigzinsphase. ver.di schloss Leistungskürzungen aus. Es konnte keine Einigung über die erstmalige Tarifierung der Eingruppierung der Lehrkräfte erzielt werden. Bisher Eingruppierung aufgrund einseitiger Arbeitgeberrichtlinien. 12

13 3. Tarifbewegung Länder 2015 Ergebnisse Erhöhung der Tabellenentgelte ab 1. März 2015 um 2,1 Prozent und ab 1. März 2016 um weitere 2,3 Prozent, mindestens aber um 75,00 Euro monatlich, Mindestlaufzeit bis zum 31. Dezember 2016 Erhöhung der Ausbildungsentgelte und der Entgelte der Praktikantinnen und Praktikanten ab 1. März 2015 und ab 1. März 2016 jeweils um 30,00 Euro Verlängerung der Übernahmeregelung für Auszubildende um zwei Jahre Festlegung der Urlaubsdauer für Auszubildende und für Praktikantinnen und Praktikanten auf einheitlich 28 Tage Anhebung der Jahressonderzahlung im Tarifgebiet Ost in fünf Jahresschritten auf den Bemessungssatz im Tarifgebiet West Anhebung des Nachtarbeitszuschlags in Krankenhäusern wie im allgemeinen Teil des TV-L auf 20 Prozent 13

14 3. Tarifbewegung Länder 2015 Anhebung der Arbeitnehmerbeiträge zur betrieblichen Altersversorgung in den Jahren 2015 bis 2017 in drei Schritten jeweils ab 1. Juli im Abrechnungsverband Ost um jeweils 0,75 Prozentpunkte und im Abrechnungsverband West um 0,2/0,1/0,1 Prozentpunkte sowie grundsätzlich entsprechende Anhebung der Arbeitgeberbeiträge. Das Leistungsrecht des Tarifvertrages Altersversorgung (ATV) bleibt unverändert und der ATV ist frühestens zum 31. Dezember 2024 kündbar. Kein gemeinsames Ergebnis bezüglich der Tarifierung der Lehrkräfte-eingruppierung; das Angebot der TdL hierzu wurde vom Deutschen Beamtenbund (dbb) angenommen, nicht aber von der GEW. Die Einigung mit dem dbb beinhaltet weiterhin Ankoppelung an einseitig änderbares Beamtenrecht. Gesprächszusage zum Thema befristete Arbeitsverhältnisse 14

15 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen 2016 Ablauf Die Entgelttabellen sind zum 29. Februar 2016 kündbar. Die ver.di-bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst (BTK öd) entscheidet auf ihrer Klausurtagung am 19./20. November 2015 über die Kündigung und führt eine Grundsatzdiskussion zur Tarif- und Besoldungsrunde. Am 18. Februar 2016 beschließt die BTK öd die Forderungen. Der Auftakttermin wird voraussichtlich Mitte März 2016 stattfinden. Es sind zwei weitere Verhandlungsrunden vorgesehen, die noch terminiert werden müssen. 15

16 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen 2016 Tarifliche Ausgangssituation Ab dem 1. März 2016 liegen die Entgelte des TVöD durchschnittlich um 0,84 Prozent unter denen des TV-L. Die Regelungen zur Übernahme der Auszubildenden laufen zum 29. Februar 2016 aus. Die Regelungen zum Neuabschluss von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen (Bund: TV FALTER, VKA: TV FlexAZ) laufen zum 31. Dezember 2016 aus. Durch Vereinbarung mit dem Bund von 2014 steht das Thema befristete Arbeitsverhältnisse auf der Tagesordnung. Die vom BMI und ver.di in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchung hierzu steht unmittelbar vor dem Abschluss. Im Rahmen der Tarifrunde soll über die im Bereich der VKA noch ausstehende Inkraftsetzung einer neuen Entgeltordnung entschieden werden. 16

17 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen 2016 Der Bund fordert die Übertragung der Einigung mit den Ländern über eine höhere Eigenbeteiligung der Beschäftigten an der betrieblichen Altersversorgung bei der VBL, die VKA fordert eine Absenkung der Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung bei den kommunalen Zusatzversorgungungskassen (ZVKen). Die noch im Bereich der VKA bestehenden Regelungen über ein zusätzliches Leistungsentgelt könnten ebenfalls auf die Tagesordnung kommen. 17

18 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen 2016 Wirtschaftliche Ausgangslage Konjunkturentwicklung Anstieg des Bruttoinlandsprodukts 2015 nach Prognosen des Statistischen Bundesamts voraussichtlich um 2,2 Prozent. Für 2016 wird ein Wachstum von 1,8 Prozent erwartet. Getragen wird die Konjunkturentwicklung vor allem vom privaten Konsum, aber auch von den Investitionen und dem Export. Preisentwicklung Der Anstieg der Verbraucherpreise betrug ,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2015 wird eine Inflationsrate von 0,2 Prozent erwartet. Für 2016 wird wieder mit einer deutlich höheren Inflationsrate von mehr als 1,0 Prozent gerechnet. Der verteilungsneutrale Spielraum könnte deshalb 2016 zwischen 2,5 und 3,0 Prozent liegen. 18

19 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen 2016 Steuern/Haushalte Im Juli 2015 lag das Steueraufkommen der öffentlichen Haushalte gemäß Monatsbericht August des Bundesfinanzministeriums um 8,6 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die Kommunen verzeichnen Mehreinnahmen von 6,2 Prozent gegenüber dem Juli In seiner mittelfristigen Finanzprojektion vom Juli 2015 geht das Bundesfinanzministerium von einer anhaltend positiven Entwicklung der öffentlichen Haushalte aus. Bund, Länder und Kommunen könnten mittelfristig weiterhin jeweils ausgeglichene Kernhaushalte erzielen. Für 2015 wird bei den Kernhaushalten der Kommunen mit einem Anstieg der Einnahmen und der Ausgaben um je 4,0 Prozent gerechnet, so dass sich ein Finanzierungsüberschuss in Höhe von 0,5 Mrd. Euro ergibt hatten die Kommunen mit einem 19 etwas geringeren Überschuss von 0,2 Mrd. Euro abgeschlossen.

20 4. Tarifbewegung Bund und Kommunen werden die Ausgaben der Kommunen mit 3,5 Prozent voraussichtlich etwas stärker ansteigen als die Einnahmen, so dass für 2016 anders als für 2017 und 2018 ausnahmsweise mit einem geringfügig negativen Finanzierungssaldo gerechnet wird. Die Finanzsituation der Kommunen ist jedoch sehr unterschiedlich. Risiken bestehen insbesondere aufgrund der Sozialausgaben für die Flüchtlinge. 20