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2 in Pforzheim bei einem Konzert vor lauter Zeitungsredakteuren. Er kam danach zu mir in die Garderobe und meinte:»hätt' ich nie gedacht, was du alles drauf hast. Deine Sprüche zwischendurch waren noch geiler als deine Songs.«Oder neulich in einem Blues-Club in der Nähe von Lüneburg, Bleckede, an der Elbe: Der Veranstalter wollte mich gerade ansagen, aber er kam gar nicht mehr zu Wort. Die Leute schrien schon so laut, bevor ich überhaupt auf der Bühne stand, dass nix mehr ging. Ich steckte das Kabel in meine schwarzrot-goldene Gitarre, rückte das Mikro zurecht und ballerte los. Was ist also dran an diesem Gabriel, dass es sich lohnt, dessen Biografie zu veröffentlichen? Und dann auch noch drauf zu hoffen, dass die Leute das lesen wollen?

3 Irgendwas muss der erlebt haben, was andere nicht erlebt haben. Ich gebe zu, mein Leben war keine Märchenstunde, kein Zuckerschlecken. Mein Leben war eine einzige Katastrophe. Wenn ich nicht schon seit meinem dreizehnten Lebensjahr diese verdammten Tagebücher geschrieben hätte, was ich auch heute noch tue, wären die meisten Dinge wohl für immer aus meiner Erinnerung verschwunden. Weil ich einfach nicht gerne nach hinten glotze. Gewesen ist gewesen, vorbei ist vorbei. Aber jetzt musste ich da mal reingucken: Wie war denn das damals? Ach so, hätt' ich nicht gedacht. Und dann fing die Geschichte an zu rollen. Als meine Mutter starb, da war ich vier. Heute bin ich Ende sechzig und meine Mutter fehlt mir immer noch. Wer mit vier seine

4 Mutter verliert, entwickelt sich anders als jemand, der immer eine hatte. Das steht schon mal fest. Mein Vater war auch nicht gerade der beste Vater der Welt. Er kannte nur eins: prügeln. Auch dadurch entwickelt man sich anders. Der Tod begegnete mir einige Male in meinem Leben und ich war soweit, dass ich mich selber töten wollte. Was diesem Unternehmer Merckle passiert ist, nämlich so verzweifelt zu sein, sich vor einen Zug zu werfen, könnte mir heute nicht mehr passieren. Einfach weil ich diesen Satz verinnerlicht habe, der mir immer wieder geholfen hat: Egal was ist, am nächsten Morgen geht die Sonne trotzdem auf. So ein blöder, simpler Satz. Aber er stimmt. Wie ist es möglich, dass ich mit meiner ganzen Scheißvergangenheit, mit dieser trostlosen Kindheit, mit meinen harten

5 Lehrjahren als Schlosser und der aussichtslosen Zukunft trotzdem so viele tolle Lieder geschrieben habe und so erfolgreich war? Vielleicht gerade weil ich so viel in die Fresse gekriegt habe. Aber irgendwas muss ich auch richtig gemacht haben. Ich habe mich schon immer hinter Büchern verkrochen. Albert Schweitzer war mein erster Held. Ich habe schon als junger Bengel bestimmte Lieder geliebt, die mir wichtig waren. Pete Seeger und Lonnie Donegan waren meine Leuchttürme. Während andere Jungs hinter Mädchen her waren oder in Kneipen abhingen, habe ich mein Abitur nachgeholt, um meinem Vater zu imponieren. Und dann bitter zu erkennen, dass ihn das gar nicht interessierte. Ich habe in München bei Holzmann Kanalrohre verlegt, als ich achtzehn war. Im

6 italienischen Savonna habe ich Schrott auseinandergeschweißt auf 'ner Schiffswerft. In Hannover war ich Möbelpacker und Möbelfahrer. Ich habe gemacht, was ich machen musste, um Geld zu verdienen. Und ich habe es immer gerne getan. Ich habe immer gesungen und gelacht. Ich habe in alten Lagerschuppen zur Miete gewohnt. Bin mit LKW-Fahrern zusammengekommen, habe Getriebe aus- und eingebaut und habe doch immer geahnt, dass da noch was anderes kommen musste. Und das war dann die Musik, das Erfinden von Songs und das Erlebnis des Erfolgs. Und das alles habe ich gekriegt. Und ich habe es gekriegt, weil ich immer auf der Suche danach war und nie aufgehört habe. Und ich habe es auch gekriegt, weil ich einen Mann gefunden habe, der das verstanden hat. Und dieser Mann hieß