Psyche der Beschäftigten unter Druck
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- Sarah Küchler
- vor 5 Jahren
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1 Ihre Gesprächspartner/-innen: Dr. Johann Kalliauer Mag. a Dagmar Andree, MBA Präsident der AK Oberösterreich Leiterin der Abteilung Arbeitsbedingungen in der AK Oberösterreich Psyche der Beschäftigten unter Druck Pressekonferenz am Dienstag, 2. Juni, 11 Uhr Arbeiterkammer Linz
2 Psychische Erkrankungen aktiv verhindern Gesundheit am Arbeitsplatz muss gefördert werden Die aktuellen Zahlen verdeutlichen die Dramatik: Psychische Erkrankungen sind weiterhin auf dem Vormarsch. Im Jahr 2014 waren die Versicherten der Gebietskrankenkasse Oberösterreich in Summe Wochen aufgrund psychischer Erkrankungen im Krankenstand. Immer mehr Menschen nehmen Psychopharmaka, um dem Druck standhalten zu können. Psychische Belastungen wirken auf die Beschäftigten vor allem auch in der Arbeit ein. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer fordert deswegen ein schärferes Vorgehen gegen krankmachende Arbeitsbedingungen und einen Kündigungsschutz im Krankenstand Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen Die Daten der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zeigen die Problematik deutlich auf: Waren die oberösterreichischen Arbeitnehmer/-innen 2005 noch Tage aufgrund psychischer Krankheiten im Krankenstand, waren es 2014 schon Tage beinahe dreimal so viele. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr Krankenstandsfälle aufgrund psychischer Erkrankungen, von denen jeder im Durchschnitt 36,1 Kalendertage dauerte. Diese Langzeitkrankenstände beeinflussen die gesamte Krankenstandstatistik erheblich. Im vergangenen Jahr mussten wieder mehr Beschäftigte in Oberösterreich einen Krankenstand aufgrund psychischer Krankheiten antreten als in den Jahren davor. Die Zahl der Krankenstandstage war im Vergleich zum Jahr davor zwar leicht 2
3 rückläufig dies ist jedoch keineswegs ein Zeichen für Entspannung: Die Statistik zeigt lediglich, dass die Betroffenen früher an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Anstieg bei der Verschreibung von Psychopharmaka Ein Grund für den Rückgang bei den Krankenstandstagen könnte sein, dass psychische Erkrankungen kein Tabuthema mehr sind und sich einige Betroffene bereits frühzeitiger in Behandlung begeben. Ein anderer Grund könnte jedoch auch ein stärkerer Druck auf die Kranken sein, möglichst rasch wieder zur Arbeit zurückzukehren. In vielen Fällen nehmen Arbeitnehmer/-innen Psychopharmaka ein, um den Belastungen standzuhalten. Die Zahl der Verschreibungen ist in Oberösterreich von Packungen im Jahr 2005 auf im Jahr 2014 angestiegen. Die Kosten hierfür beliefen sich im vergangenen Jahr auf 13 Millionen Euro. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer sieht die Zunahme der Einnahme von Psychopharmaka mit Sorge: Diese Medikamente sind dafür gedacht, langfristige Therapien zu ergänzen, und nicht, um notwendige Krankenstände zu ersetzen. Man muss den Kranken für den Heilungsprozess Zeit geben. Wird stattdessen viel Druck ausgeübt, bekämpft man die Kranken und nicht die Krankheit. Ein Kündigungsschutz im Krankenstand würde die Betroffenen vor Verlust des Jobs schützen und die nötige Zeit zum Gesundwerden garantieren. Vor allem Zeitdruck belastet die Beschäftigten Die Auswertungen des Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigen, dass auf den Arbeitnehmern/-innen ein hoher Druck lastet. Vor allem Zeitdruck (48 Prozent), seelisch belastende und aufreibende Arbeit (27 Prozent), ständige Überwachung und Kontrolle (26 Prozent) und mangelnde Rückzugsmöglichkeiten (26 Prozent) belasten die Beschäftigten. Mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und überlange Arbeitszeiten sind weitere Belastungen in den Betrieben. 3
4 Psychische Belastungen wie Stress machen krank Arbeitsbedingter Stress ist die Folge von psychischen Belastungen der Beschäftigten. Immer mehr Arbeitnehmer/-innen haben das Gefühl, in derselben Zeit mehr und schneller arbeiten zu müssen, damit die Leistungsvorgaben erfüllt werden. Viele kommen da nicht mehr mit. Dauert der Zustand der Arbeitsüberlastung über einen längeren Zeitraum an, kann Stress zu seelischen, aber auch körperlichen Erkrankungen führen. Mittlerweile sind Erschöpfungszustände und Depressionen hinter Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats die zweithäufigste Ursache für arbeitsbedingte Erkrankung. Sowohl körperliche als auch psychische Belastungen können Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie Erkrankungen des Verdauungssystems verursachen und auch psychische Beeinträchtigungen in Form von chronischer Erschöpfung, Schlafstörungen, Depressionen und Ängsten usw. zur Folge haben. Nachfolgende Grafik zeigt, dass Personen mit hohen psychischen Belastungen häufiger an Muskelverspannungen, Kreuzschmerzen, Erschöpfung, Kopfschmerzen und Schlafstörungen leiden als Menschen, die niedrigen psychischen Belastungen ausgesetzt sind. 4
5 Durchhalten bis zur Pension für viele kaum vorstellbar Vielen Arbeitnehmern/-innen fehlt mittlerweile der Glaube daran, dass sie ihre derzeitige Arbeit unter den gegebenen Arbeitsbedingungen bis zur gesetzlichen Pension durchhalten können. Laut Arbeitsgesundheitsmonitor der AK OÖ und IFES halten das nur 19 Prozent für sehr wahrscheinlich, 35 Prozent der Beschäftigten halten es für eher oder sehr unwahrscheinlich. 5
6 Lösungsansätze und Forderungen der Arbeiterkammer OÖ Flächendeckende Umsetzung der Evaluierung psychischer Belastungen und Umsetzung zielführender Maßnahmen Die Evaluierung psychischer Belastungen ist seit 2013 im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz explizit vorgeschrieben. Gefährdungserhebung und Maßnahmensetzung müssen Arbeitsaufgaben, Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation und Arbeitsmittel umfassen. Allerdings ist dies vielen Arbeitgebern/-innen nicht bewusst: Laut einer Umfrage des Instituts zur Evaluierung psychischer Belastungen wissen 40 Prozent der Verantwortlichen in den Klein- und Mittelunternehmen nichts von dieser gesetzlichen Vorschrift. Viele Unternehmen begreifen die Regelungen zum Schutz zur psychischen Gesundheit leider als bürokratische Zwangsbeglückung. Sie bieten aber die Chance, Arbeit gesund und zukunftsfähig zu gestalten und sind somit auch eine wesentliche Basis für den Unternehmenserfolg, sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer. Arbeitsumfeld ist gestaltbar Grundgedanke bei der gesetzlich vorgesehenen Anpassung der Arbeitsbedingungen ist, die Arbeit an die Beschäftigten anzupassen und nicht umgekehrt. Arbeitsaufgaben, Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation und Arbeitsmittel können auf betrieblicher Ebene jene Bereiche sein, in denen Stress verursacht wird. Oft sind es vermeintlich banale Dinge, die massiv belasten: Manche Informationen kommen regelmäßig zu spät oder in unpassender Form, ein EDV-Programm passt nicht zu den neuen Anforderungen, Aufträge werden nur unzureichend erklärt und müssen dann laufend nachgebessert werden, Besprechungen werden regelmäßig so gelegt, dass wichtige Arbeitsabläufe unterbrochen werden müssen usw. Beispiele aus der Praxis zeigen bereits, dass eine Änderung dieser Dinge eine massive Entlastung für die Mitarbeiter/-innen bewirkt. Das Strukturwandelbarometer von Arbeiterkammer Wien und IFES zeigt, dass sich die gesetzliche Evaluierung positiv in den Betrieben auswirkt. Ein Beispiel: Im Durchschnitt geben 40 Prozent der Befragten an, dass sich das Betriebsklima verschlechtert hat in Unternehmen, in denen bereits Maßnahmen aus der Evaluierung umgesetzt wurden, sagen dies nur 28 Prozent. 6
7 Mehr Ressourcen für das Arbeitsinspektorat und Einsatz von Arbeitspsychologen Die mäßige Umsetzung des Gesetzes nach mehr als zwei Jahren seit Inkrafttreten ist nicht zu akzeptieren. Die Arbeitsinspektion soll aus Sicht der AK hart durchgreifen, wenn Betriebe nicht im vorgesehenen Ausmaß tätig sind. Daneben ist es notwendig, Arbeitspsychologen/-innen als Präventivfachkräfte im Gesetz verankern. Führungskräfte sensibilisieren, Mitsprache der Beschäftigten ausbauen Auch die Rolle von Führungskräften wirkt sich maßgeblich auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten aus. Arbeitnehmer/-innen, die sich durch ihre Vorgesetzten belastet fühlen, leiden häufiger unter Schlafstörungen, Nervosität und Zerfahrenheit, Konzentrationsstörungen, Magen- und Verdauungsbeschwerden sowie an Herzrasen. Krank macht selten ein Faktor alleine. Stress in der Arbeit darf sein und wirkt sich nicht zwangsläufig negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus etwa dann nicht, wenn es im Anschluss Wertschätzung für den Einsatz und auch eine Erholungsphase gibt. Im europäischen Vergleich ist Österreich ein Land mit relativ hoher Arbeitsintensität (hohes Arbeitstempo, Termin- und Zeitdruck) und mäßigem individuellen Entscheidungsspielraum bei der Organisation der Arbeit. Dies wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Die Arbeiterkammer empfiehlt deswegen auch eine stärkere Mitbestimmung von Betriebsräten/-innen im Arbeitnehmerschutz. Dies muss auch die Arbeitszeitgestaltung, die Arbeitsorganisation und die Personalbemessung umfassen. Kündigungsschutz im Krankenstand Die AK fordert einen Kündigungsschutz im Krankenstand. Dies sichert den Betroffenen eine Perspektive und begünstigt somit die Rückkehr ins Arbeitsleben. Die stärkere Bindung von Erkrankten ans Unternehmen macht außerdem den Beitrag der Unternehmen zur Gesundheit der Beschäftigten klarer. Wer lange Krankenstände möglichst verhindern will, der kann durch die Gestaltung von gesunderhaltenden Arbeitsbedingungen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erzielen. 7
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