NEWSBOX Wirtschafts- und Steuerrecht Ausgabe 088, Datum
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- Paul Beckenbauer
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1 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitsnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Verfasser Prof. Dr. Tim Jesgarzewski FOM Hochschule für Oekonomie & Management ggmbh in Bremen KCW KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht Hamburg Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte Lange Str. 3, Osterholz-Scharmbeck Tel Fax Klassifizierung Rechtsprechung Arbeitsrecht Stichworte Arbeitsrecht Urlaubsanspruch Urlaubsabgeltungsanspruch Vererblichkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs Abstrakt Arbeitnehmer haben Anspruch auf Erholungsurlaub. Konnte der Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden, ist dieser in Geld abzugelten. Fraglich ist, ob dies für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt. Das Arbeitsverhältnis endet auch durch den Tod des Arbeitnehmers. Dadurch könnte der Urlaubsanspruch untergehen. Es könnte aber auch ein Abgeltungsanspruch entstehen, der dann auf die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers übergehen würde. Diese Frage wird vom Bundesarbeitsgericht und dem Europäischen Gerichtshof unterschiedlich gesehen. 088/2017 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Seite 1
2 I. Einleitung Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen jährlich. Praktisch wird dieser durch Arbeits- oder Tarifverträge sogar erheblich ausgeweitet. Der Urlaub kann naturgemäß nur solange beansprucht werden, wie das Arbeitsverhältnis besteht. Deshalb sieht das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vor, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehender (Rest-)Urlaub in Geld abzugelten ist. Fraglich ist jedoch, ob das für alle Fälle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gleichermaßen gilt. Eine Ausnahme könnte der Tod des Arbeitnehmers sein. Dafür könnte der Erholungszweck des Urlaubs sprechen. Schließlich kann sich ein Toter nicht mehr erholen. Stirbt der Arbeitnehmer, könnte der Urlaubsanspruch ersatzlos untergehen. Dagegen könnte jedoch der Zweck des deutschen und europäischen Urlaubsrechts sprechen, der ausdrücklich eine Abgeltung für alle Fälle der Vertragsbeendigung vorsieht. Bereits nach dem Wortlaut des 7 IV BUrlG ist der Urlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Beendigungstatbeständen findet nicht statt. II. Sachstand Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ist der noch vorhandene Urlaubsanspruch nach 7 IV BUrlG abzugelten. Die Formulierung der Norm ist genauso einfach und klar wie ihr Normzweck. Das Bundesarbeitsgericht hat diese gesetzliche Regelung lange Zeit dogmatisch mit der sog. Surrogatstheorie unterlegt und erst in der jüngeren Vergangenheit festgestellt, dass der Abgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch ist (BAG, Urteil vom 19. Juni AZR 652/10). Gedanklich daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch auch dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet und ein Anspruchsübergang auf die Erben stattfindet. Wenn der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch lebt, ist das Entstehen des Abgeltungsanspruchs unproblematisch. Stirbt der Arbeitnehmer anschließend, geht der bereits entstandene Abgeltungsanspruch als Bestandteil der Erbmasse nach 1922 BGB auf die Erben über. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG sollten weder Urlaubs- noch Urlaubsabgeltungsansprüche nach 7 Abs. 4 BUrlG ivm Abs. 1 BGB auf den Erben eines Arbeitnehmers übergehen, wenn dieser während des Arbeitsverhältnisses verstirbt (zuletzt BAG, Urteil vom AZR 532/11). 088/2017 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Seite 2
3 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 12. Juni 2014 (- C-118/13 - [Bollacke]) dagegen entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. III. Entscheidung des Gerichtes Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 18. Oktober AZR 196/16) hatte vor diesem Hintergrund über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden. Der Arbeitnehmer ist verstorben, wodurch das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Die klagende Witwe verlangt vom Arbeitgeber des Ehemannes, dass ihr als alleiniger Erbin der vorhandene Resturlaubsanspruch in Geld abgegolten wird. Das Bundesarbeitsgericht sah sich nicht zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage, da es Fragen zur Auslegung des Unionsrechtes hat. Diese können nur durch den EuGH geklärt werden, weshalb diesem die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt werden. 1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was nach 7 Abs. 4 BUrlG ivm Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist? 2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen bestand? Mit der Begründung des Vorlagebeschlusses macht das BAG deutlich, dass es einem Abgeltungsanspruch und dessen Übergang in die Erbmasse ablehnend gegenüber steht. 088/2017 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Seite 3
4 Die seitens des neunten Senats formulierten Vorlagefragen seien jedoch erforderlich, weil der EuGH sich dazu noch nicht hinreichend zur Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs geäußert habe. Der EuGH habe noch nicht abschließend geklärt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch dann das Entstehen eines (vererblichen) Urlaubsabgeltungsanspruchs gebieten, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand und inwieweit zwischen Mindestjahresurlaub und weitergehenden Ansprüchen zu differenzieren sei. Aus dieser Begründung des Vorlagebeschlusses wird klar, dass das BAG inhaltlich an seiner bisherigen Überzeugung festhalten und folglich die europarechtlichen Grenzen dazu ausloten will. Nach der Auffassung des BAG bestehe mit dem Tod des Arbeitnehmers keine Möglichkeit einer positiven Wirkung des Urlaubs als Erholungszeit mehr, da der Erholungszweck des Urlaubs für den toten Arbeitnehmer denklogisch nicht mehr verwirklicht werden könne. Deshalb geht nach der Auffassung des neunten Senats der Urlaubsanspruch unter, so dass auch keine Abgeltung erfolgen könne. IV. Fazit Der Vorlagebeschluss des neunten Senats ist vor dem Hintergrund der klaren Haltung des EuGH überraschend. Die durch den EuGH deutlich formulierten Vorgaben des Unionsrechts werden seitens des BAG mit dem erkennbaren Ziel hinterfragt, Ausnahmen zu konstruieren. Für solche Ausnahmen hat der EuGH jedoch keinen Raum aufgezeigt, so dass die Vorlagefragen nur dazu führen dürften, dass der EuGH den bereits eingeschlagenen Weg nochmals bestätigt. Eine inhaltliche Differenzierung der Auslegungsgrundsätze wurde durch das Urteil Bollacke ausdrücklich nicht vorgenommen. Anzeichen dafür, dass solche Differenzierungen nach den hier beschlossenen Vorlagefragen nunmehr erfolgen werden, sind deshalb auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat der EuGH bereits klargestellt, dass die seitens des BAG angenommene Höchstpersönlichkeit des Urlaubsanspruchs einer Abgeltung nicht entgegensteht. Der neunte Senat begründet seine Vorlagefragen sodann auch mit Erwägungen des EuGH, die zu Fragen der Übertragbarkeit und des Verfalls von Erholungsurlaub angestellt wurden. Damit werden durch das BAG aber Argumentationsstränge miteinander kombiniert, die der EuGH seinerseits nicht in einen direkten Zusammenhang gestellt hat. Es ist deshalb auch nicht zu erwarten, dass der EuGH dies nunmehr tun wird. 088/2017 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Seite 4
5 Inhaltlich dürfte es deshalb auch hinsichtlich der nun aufgeworfenen Fragen bei den Ausführungen des EuGH zum Fall Bollacke bleiben. Danach spielt es für das Entstehen und den Übergang des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine Rolle, ob der Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses oder erst nach dessen Beendigung verstirbt. Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Beendigungstatbeständen findet nicht statt. Da das BAG nach der inzwischen richtigerweise erfolgten Abkehr von der Surrogatstheorie den Urlaubsabgeltungsanspruch als reinen Geldanspruch ansieht, können auch die erbrechtlichen Folgen der gesetzlichen Universalsukzession nicht mehr bezweifelt werden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch geht mit dem Tod des Arbeitsnehmers nach 1922 BGB auf die Erben über. Für die Praxis ist deshalb davon auszugehen, dass der EuGH die hier gegenständlichen Vorlagefragen inhaltlich genauso beantworten wird wie in der Entscheidung Bollacke. Beendet der Tod des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis, entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch genauso wie bei jedem anderen Beendigungstatbestand. Der Abgeltungsanspruch wird sodann Bestandteil der Erbmasse. Der Arbeitgeber hat diesen Anspruch folglich wie alle anderen Vergütungsansprüche auch abzurechnen und auszuzahlen. Der damit verbundene Aufwand dürfte in der Praxis genauso überschaubar sein wie die finanziellen Auswirkungen. 088/2017 Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Seite 5
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