Aggression und Gewalt von Patienten und Angehörigen gegen Pflegende am Arbeitsplatz Ursachen und Prävention

Transkript

1 Aggression und Gewalt von Patienten und Angehörigen gegen Pflegende am Arbeitsplatz Ursachen und Prävention Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München

2 Übersicht Bindung Aggression Prävention

3 Überlebenswichtige Systeme Bindung Physiologische Bedürfnisse Exploration Beziehung Sensorische Stimulation Selbstwirksamkeit Vermeidung von negativen Reizen

4 John Bowlby "Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet."

5 Bindung zum Überleben Bindung ist für das Leben so grundlegend wie Luft zum Atmen und Ernährung Die emotionale Bindung sichert das Überleben und die Entwicklung des Säuglings

6 Bonding - Attachment Bonding Pflegesystem der Helfer gewährt Sicherheit und Hilfe Attachment Schutzsystem der Patienten sucht Sicherheit und Hilfe

7 Bindungstheorie I Durch Angst wird das Bindungsbedürfnis aktiviert (Schmerz, Trennung) Durch körperliche Nähe zur Bindungsperson wird das Bindungsbedürfnis wieder beruhigt

8 Bindungstheorie III Das Bindungsbedürfnis steht im Wechsel mit dem Erkundungsbedürfnis Wenn das Bindungsbedürfnis beruhigt ist, kann der Säugling die Umwelt erkunden

9 Bindung im Krankenhaus Patienten kommen mit Angst Aktiviertes Bindungssystem Erwartung, dass Pflegepersonen durch Bonding = Pflegeverhalten ihr Bindungssystem beruhigen

10 Feinfühligkeit der Pflegeperson I Die Pflegeperson mit der größten Feinfühligkeit in der Interaktion wird die Hauptbindungsperson für den Säugling/Patienten große Feinfühligkeit fördert eine sichere Bindungsentwicklung des Kindes/Patienten

11 Feinfühligkeit der Pflegeperson Bindungsförderung II Verhalten in Interaktionen Sprache Rhythmus Blickkontakt Berührung

12 Persönlichkeit von Pflegepersonen hilfreiche Eigenschaften für die sichere Bindungsentwicklung von Kindern/Patienten Feinfühligkeit Emotionale Verfügbarkeit Verarbeitung von eigenen Stresserfahrungen/Traumata vor Pflege Ressourcen

13 Bindung durch Pflegeperson Ideal: Bezugspflege bindungsorientiert Realität: ständige Wechsel der Bezugs Bindungspersonen im Schichtdienst, Pflegenotstand Angst der Patienten Bindungssystem ist aktiviert bei Aufnahme und bleibt aktiviert!

14 Pflegenotstand Trotz extremer Anstrengungen des Pflegepersonals werden basale Bedürfnisse von Patienten teilweise extrem frustriert Frustration durch fehlende Betten, Pflegestellen, extreme Wartezeiten

15 Angst des Pflegepersonals Bindungssystem Attachment des Pflegepersonals ist aktiviert Suche nach Hilfe, Schutz, Sicherheit Frustration Wut, Aggression

16 Angst der Patienten Bindungssystem Attachment des Patienten ist aktiviert Suche nach Hilfe, Schutz, Sicherheit Frustration Wut, Aggression

17 Aggressives Verhalten der Patienten als normales Verhalten nach Bindungsfrustration Ignorieren, nicht beantworten, verleugnen von basalen Bedürfnissen der Patienten (Pflege, Schutz, Bindungssicherheit) Frustration, Stress, Wut, Aggression Fehlende Stressregulation besonders bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (Borderline-Störung, narzisstische Störung)

18 Prävention Verbesserung der äußeren Bedingungen für Pflegepersonal Bindungsberuhigung beim Personal Innerer und äußerer Raum für Bonding gegenüber den Patienten Deeskalationstraining Bessere Vor-Informationen der Patienten Basale Versorgung durch nicht pflegendes Personal (Essen, Trinken, Nähe, Zuhören, Körperkontakt)

19 Zusammenfassung Bindung (Bonding vs. Attachment) sichert das Überleben Bonding und Attachement bedingen einander Angst aktiviert das Bindungssystem bei Pflegepersonal UND Patienten Frustration der Bindungsbedürfnisse erzeugt Aggression bei Patienten UND Pflegepersonal Schwierigkeit der Stressregulation Äußere und innere Veränderungen für Prävention notwendig

20 Copyright Karl Heinz Brisch Alle Rechte vorbehalten.

21 Save the Date 18. Internationale Bindungskonferenz BINDUNG und GESCHWISTER September 2019 Congress Centrum Ulm - CCU

22 John Bowlby (1980) Emotionale Bindungen an andere Menschen sind der Dreh- und Angelpunkt im Leben eines Menschen, nicht nur in der Säuglingszeit oder im Kindergartenalter, sondern auch in der Schulzeit und Jugend sowie im Erwachsenleben bis ins hohe Alter. Aus diesen emotionalen Bindungen schöpft ein Mensch Kraft und Lebenszufriedenheit, und er kann hieraus auch wieder anderen Menschen Kraft und Lebensfreude schenken. Dies sind Themen, in denen sich die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und traditionaler Weisheit treffen und übereinstimmen. Wir hoffen daher, dass unser gegenwärtiges Wissen trotz aller Unzulänglichkeiten schon umfassend genug sein möge, um uns in unseren Anstrengungen zu leiten, denjenigen zu helfen, die bereits große psychische Schwierigkeiten haben und noch mehr andere Menschen davor zu bewahren, solche Schwierigkeiten erst gar nicht zu bekommen. In J. Bowlby (1980) Attachment and loss. Vol. III: Loss: Sadness and depression (pp. 442). New York: Basic Books.

23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!