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1 Schlösser BADEN-WÜRTTEMBERG Vertriebskennzeichen E ISSN Jahresabonnement 26,00 Einzelverkaufspreis 6,80 Oberschwaben HIMMELSBOTEN Wo sich Putten in Kirchen, Klöstern und Schlössern tummeln Baden-Württemberg SAMMELLUST Die Chinamode eine Vorliebe barocker Fürsten und Fürstinnen Bruchsal WIEDERAUFBAU Wie das Schloss in Etappen nach 1945 neu entstand und noch entsteht

2 Inhalt 10 TYPISCH BAROCK: PUTTI + CHINAMODE 2 Besuch in Oberschwaben: Putti bevölkern in Kirchen, Klöstern und Schlössern Säulen, Orgeln und Wände 12 Fürstliche Vorlieben: Wo sich original chinesische Stücke mit Chinoiserien aus Europa mischen KARIKATUREN James Gillray: Satire mit dem Zeichenstift auch in Württemberg 40 AUSFLUGSTIPP Salem: Auf den Spuren des Künstlers J. A. Feuchtmayer 46 BLICK ÜBERN TELLERRAND Chinesisches Haus in Schloss Oranienbaum bei Dessau saniert 10 VITRINE Eine japanische Kanne aus Schloss Weikersheim 20 PORTRÄTKUNST In der Reichsabtei Schussenried gibt s eine Galerie der Chorherren SERVICE 42 VERANSTALTUNGEN Spannende Sonderführungen in den Schlössern und Klöstern des Landes 22 REISEN Die Markgräfin Karoline Luise bereiste Italien, Frankreich und Baden WIEDERAUFBAU Wie Schloss Bruchsal in Etappen neu entstand und noch entsteht 30 HELLE TÖNE Fassadensanierung Schloss Tettnang: Farben wie zur Erbauungszeit Titelbild Mit verträumtem Ausdruck: Der reizende kleine Putto befindet sich an der Dreifaltigkeitsorgel im Münster Salem 1

3 Der Honigschlecker aus dem Salemer Münster, geschaffen von Johann Georg Dirr Putten gehören zu Barock und Rokoko Ein Besuch in Kirchen, Klöstern und Schlössern Oberschwabens, wo die drallen Kinderengel Altäre, Säulen, Orgeln und Wanddekorationen bevölkern. Sie sind nicht nur dekoratives Beiwerk, sondern in die Bildprogramme eingebunden In diesem Jahr steht bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg das Zeitalter des Barock im Mittelpunkt. Aufmerksamkeit verdient haben in diesem Zusammenhang die Putten in den Kirchen, Klöstern und Schlössern Oberschwabens. Die überschwenglichen Dekorationen sollten möglichst alle Sinne ansprechen. Aber die Gläubigen sollten auch von dem Gesehenen ergriffen werden. Unzählige Engel, Heilige und Putten zeugen von einem vor Lebensfreude strotzenden Barock. 2 3

4 Schloss Mannheim: Teehaus in Form eines Pavillons aus Frankenthaler Porzellan. Auf dem Dach thront eine Chinesenfigur mit Schirm Detail aus der Rückwand eines Paradebetts von Schloss Solitude. Der Stoff besteht aus elfenbeinfarbenem Atlas, üppig mit exotischen Motiven bestickt Aufwendig bemalte Vasen aus Alabaster. Der Werkstoff ist weicher als Marmor, seine Oberfläche erinnert an Porzellan Bunter Vogel: Papagei aus der Porzellanmanufaktur Ludwigsburg. Um 1767 entstanden. Entwurf von Jean Jacque Louis Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz hatte dieses einzigartige Zylinderbüro mit China-Dekoren aus der Neuwieder Manufaktur Roentgen erworben Wasserspeier in Form eines Drachens von der Fassade des Schlosses Bruchsal Exotische Sammellust EINE AUSWAHL Nach chinesischen Vorbildern in Meißen hergestellt: Figuren des Weisen Laotse und der Göttin der Barmherzigkeit Guan Yin (Schloss Favorite) Lackkästchen aus Schloss Rastatt. Asiatische Arbeit mit Silbermontierungen des Augsburger Gold- und Silberschmieds Tobias Baur Bemalte Seidentapeten mit Paradiesvögeln und Chrysanthemen aus dem Schwetzinger Badhaus Fast modern anmutende Teedose aus Blech, die mit einem Dekor in Lackmalerei gestaltet ist (Schloss Favorite) 14 15

5 Satire mit dem Zeichenstift Vor 200 Jahren starb der englische Karikaturist James Gillray ( ). Neben Napoleon nahm er auch die englische Königstochter Charlotte Mathilde und ihren württembergischen Gemahl Friedrich ins Visier The enthusiasm is indescribable when the next drawing appears; it is a veritable madness. You have to make your way in through the crowd with your fists. (Die Begeisterung ist unbeschreiblich wenn die nächste Zeichnung erscheint, es handelt sich wahrhaftig um Verrücktheit. Man muss sich seinen Weg hinein durch die Menschenmenge mit den Fäusten bahnen.) my of Arts, und zwar mit dem Ziel, Illustrator und Reproduktionsstecher zu werden, aber auch eigene Kompositionen zu verkaufen. In diesem Tätigkeitsfeld war ihm allerdings kein Erfolg beschieden. Ab 1786 wandte er sich endgültig der Karikatur zu war Gillray so erfolgreich, dass zwei der Londoner Grafikverleger um das exklusive Recht an seiner Bildsatire konkurrierten. Mrs. Humphrey, deren Leben er ab 1793 auch teilte, setzte sich hier durch. Ihr Geschäft in der St. James Street und mehrere eigene Blätter verewigte er 1808 in der Radierung VERY SLIPPY WEATHER (Sehr rutschiges Wetter). Vor dem Schaufenster drängen sich Vertreter verschiedener sozialer Herkunft, vom geschniegelten Gentleman über einen Offizier bis hin zum Gassenjungen. Hinter der Eingangstür sind Geistliche zu erkennen. Keiner von ihnen bemerkt den heftigen Sturz eines älteren Mannes, der auf dem eisigen Grund ausgerutscht sein dürfte, weil ihn die gezeigten Karikaturen abgelenkt haben. Diese Worte eines unbekannten Zeitgenossen veranschaulichen uns die Beliebtheit des Karikaturisten James Gillray, der vor 200 Jahren starb, und den Hype um seine Zeichnungen. Noch heute ist sein Rang unbestritten; neben Thomas Rowlandson ( ) und George Cruikshank ( ) gilt er als einer der bedeutendsten Vertreter des Goldenen Zeitalters der Karikatur in England ( ). Auch die Hochzeit zwischen der englischen Königstochter Charlotte Mathilde und ihrem württembergischen Bräutigam Herzog Friedrich II. gehörte zu den Themen, die Gillray mit dem Zeichenstift satirisch verarbeitete. James Gillray wurde am 13. August 1757 in Chelsea geboren. Im Alter von 14 Jahren begann er eine Lehre als Kupferstecher, der er sich jedoch nach einiger Zeit entzog, um sich einer wandernden Theatertruppe anzuschließen wurde er nach ersten Versuchen in der Karikatur Schüler der Royal Acade- Very slippy weather (Sehr rutschiges Wetter): Vor einem Schaufenster drängen sich Menschen, um Karikaturen zu betrachten. Keiner bemerkt den heftigen Sturz eines älteren Mannes Gillrays Erfindungen waren inhaltlich und technisch anspruchsvoller als die vieler seiner Mitstreiter, wodurch auch ein gehobenes und gebildetes Publikum angezogen wurde: Die Karikaturladen sind immer wie belagert, aber nur bei der Humphrey, welche Gillrays Sachen verkauft, sieht man Leute von Stande, Geschmack und Kenntnissen hineingehen. heißt es 1806 in dem Weimarer Magazin London und Paris. In der Publikation erschienen wiederholt Nachrichten über Gillray sowie Nachstiche seiner Werke. Abgesehen von der Existenz zahlreicher Verleger und Printshops sowie eines interessierten Publikums kamen weitere Umstände Gillrays Entwicklung zum Karikaturisten entgegen und ermöglichten ihm, mit der Produktion von Karikaturen tatsächlich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So gab es kaum rechtliche Einschränkungen für die Produzenten von Bildsatire und nur selten Konflikte mit Behörden oder Königshaus. Weiterhin konnte er auf Kuss nach württembergischer Art: Das beleibte Paar Charlotte Mathilde und der württembergische Thronfolger Friedrich hat sichtlich Mühe, sich näherzukommen 34 35