Beschluss. vom 23. Januar 2001
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- Anton Salzmann
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1 Leitsatz: Das zuständige Haftgericht darf die Entscheidung über die Aufhebung oder Außervollzugsetzung eines Haftbefehls nicht dem Oberlandesgericht überlassen, wenn es selbst die besonderen Voraussetzungen für die ausnahmsweise über sechs Monate hinaus währende Untersuchungshaft nicht für gegeben erachtet. Es hat den Haftbefehl selbst aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen;(hier: vermeidbare, nicht nur kurzfristige Überlastung der Strafkammer.)
2 2 0berlandesgericht Dresden 2. Strafsenat Aktenzeichen: 2 Ws 27/01 1 KLs 103 Js 4412/99 LG Leipzig Ws-G 17/01 GenStA Dresden Beschluss vom 23. Januar 2001 in der Strafsache gegen geboren am wohnhaft Verteidiger: und 3 Andere wegen gewerbs- und bandenmäßiger Hehlerei u. a. hier: Haftbeschwerde 1. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 27. November 2000 (1 KLs 103 Js 4412/99) wird als unbegründet verworfen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.
3 3 G r ü n d e : I. Der Angeschuldigte wurde am 12. Juli 2000 festgenommen auf Grund des auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls des Amtsgerichts Leipzig vom gleichen Tage (2 ER 10 Gs 516/00), in welchem ihm gewerbs- und bandenmäßige Hehlerei in neunzehn Fällen, davon in zehn Fällen lediglich versucht, zur Last gelegt wurde. Nachdem die Staatsanwaltschaft Leipzig am 8. September 2000 (eingegangen beim Landgericht Leipzig am 18. September 2000) gegen ihn und drei weitere Mitangeschuldigte Anklage zum Landgericht Leipzig erhoben hatte, wobei dem Angeschuldigten nunmehr zehn Fälle der (gemeinschaftlichen) gewerbs- und bandenmäßigen Hehlerei, in neun Fällen in Tateinheit mit (gemeinschaftlichem) Betrug (im besonders schweren Fall) angelastet werden, hat die zuständige 1. Große Strafkammer auf die Haftbeschwerde des Angeschuldigten vom 15. November 2000 mit Beschluss vom 27. November 2000 den ihn betreffenden Haftbefehl aufgehoben, da auf Grund der Belastung der Kammer weder mit der Eröffnung des Hauptverfahrens noch mit einem Urteil in absehbarer Zeit zu rechnen sei, mithin die Sache nicht mit der in Haftsachen zu beachtenden besonderen Beschleunigung bearbeitet werden könne. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig, die sowohl eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes als auch eine Überlastung der Strafkammer in Abrede stellt. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den landgerichtlichen Beschluss aufzuheben und gegen den Angeklagten Haftbefehl im Umfang des Anklagesatzes der Anklageschrift zu erlassen.
4 4 II. Der zulässigen Beschwerde ist in der Sache der Erfolg versagt. Im Ergebnis ist die Entscheidung der Strafkammer des Landgerichts Leipzig, den gegen den Angeschuldigten bestehenden Haftbefehl des Amtsgerichts Leipzig aufzuheben, nicht zu beanstanden. 1. Das Landgericht Leipzig, das nach Anklageerhebung gemäß 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständige Haftgericht, konnte nach der zutreffenden herrschenden Meinung (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., Rdnr. 13 zu 122 m.w.n.) bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des 121 Abs. 1 StPO den Haftbefehl nach 120 Abs. 1 StPO aufheben, da sich die Vorschrift des 121 Abs. 1 StPO bereits an den Haftrichter wendet und es ihm zur Pflicht macht, sich darüber schlüssig zu werden, ob er die Fortdauer der Untersuchungshaft ausnahmsweise über sechs Monate hinaus für erforderlich hält oder nicht. Hält er die besonderen Voraussetzungen der Vorschrift nicht für gegeben, muss er selbst schon den Haftbefehl aufheben oder gegebenenfalls außer Vollzug setzen und darf diese Entscheidung nicht dem Oberlandesgericht überlassen (so auch OLG Braunschweig NJW 1966, 790). 2. Die Kammer hätte den Haftbefehl des Amtsgerichts Leipzig nur dann aufrechterhalten dürfen, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund ein Urteil innerhalb von sechs Monaten ab Festnahme des Angeschuldigten nicht zulassen würde und deshalb die Fortdauer der Haft gerechtfertigt wäre, 121 Abs. 1 StPO. Hierbei sind die genannten Ausnahmetatbestände, wie aus dem Wortlaut ersichtlich ist und durch die Entstehungsgeschichte bestätigt wird, eng auszulegen (BVerfG NJW 1974, 307). Als anderer wichtiger Grund im Sinne des 121 Abs. 1 StPO kommt die Ü- berlastung des Gerichts dann in Betracht, wenn sie kurzfristig ist und weder voraussehbar noch vermeidbar war
5 5 (OLG Düsseldorf NJW 1996, 2587). Der Fall einer kurzfristigen Überlastung der Kammer lag hier aber nicht vor. Die zuständige 1. Große Strafkammer des Landgerichts Leipzig war im Jahre 2000 laut Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Leipzig sowohl für Schwurgerichtssachen als auch für Strafsachen als Große Strafkammer und darüber hinaus als Strafvollstreckungskammer tätig. Ferner war ein Mitglied des Schwurgerichts zugleich noch (mit einem errechneten Arbeitskraftanteil von 0,62 Pensen) Vorsitzender der 2. Strafvollstreckungskammer, obwohl in Schwurgerichtssachen gemäß 76 Abs. 2 GVG zwingend mit zwei Beisitzern verhandelt werden muss. Die sich bereits danach ergebende personelle Unterbesetzung der Kammer führte auf Grund der von ihr im Aufhebungsbeschluss vom 27. November 2000 und im Nichtabhilfebeschluss vom 18. Dezember 2000 mitgeteilten Arbeitsbelastung (u. a. 12 Schwurgerichtsverfahren, davon 9 Haftsachen mit 25 Inhaftierten; 10 Strafverfahren, davon 5 Haftsachen mit 6 Inhaftierten) zu einer deutlichen Überlastung, der auch mit einer Erhöhung der wöchentlichen Sitzungstage und Verzicht auf Erholungsurlaub nicht ausreichend und dauerhaft begegnet werden konnte. Auf diese Überlastung gerade auch der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Leipzig, das Erfordernis der Ausschöpfung aller organisatorischen Mittel und Möglichkeiten und die Nichthinnehmbarkeit von Verzögerungen, welchen durch Geschäftsverteilungsmaßnahmen hätte begegnet werden können, hat der Senat im Übrigen bereits in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 24. August 2000 (2 AK 101/00) in anderer Sache hingewiesen und hiervon sowohl den Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Leipzig als auch den Präsidenten des Landgerichts Leipzig durch Übersendung einer Ausfertigung bzw. einer Abschrift des Beschlusses in Kenntnis gesetzt. Mithin war bereits spätestens im August 2000 die übermäßig starke Belastung auch des hier zuständigen Spruchkörpers bekannt, weshalb es sich im November 2000 um keine kurzfristige bzw. unvorhersehbare und unvermeid-
6 6 bare Überlastung mehr handeln konnte, die vom Angeschuldigten hätte hingenommen werden müssen. Nach alledem liegen keine besonderen Gründe vor, die es rechtfertigen würden, die Haft vorliegend ausnahmsweise ( 121 Abs. 1 StPO) fortdauern zu lassen, so dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen war. Die Kostenentscheidung folgt aus 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO. Lips Maier Kubista Vorsitzender Richter Richter Richter am Oberlandesgericht am Landgericht am Landgericht
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