Europa à la carte? Das außenpolitische Journal
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- Christina Otto
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1 Nr. 130 August 2017 Das außenpolitische Journal Europa à la carte? Welche EU, welches Europa? Verschiedene Geschwindigkeiten Alternative Kerneuropa Die Linke und die EU: 11 Thesen Historie Deutsche und Stalins A-Bombe Marshallplan mit Afrika? Repliken auf Gerd Müller Der Weg zur Verteidigungsunion ISSN ,80 ISBN
2 Inhalt 4 WeltBlick 4 Brasilien ein Jahr Präsident Temer Joachim Wahl 8 Polen: Risse im Freiheitsverständnis Holger Politt 12 Abgelichtet: G20-Gipfel in Hamburg Christian Spicker 18 Nachruf: Zbigniew Brzezinski Klaus Larres 22 Zwischenruf: Drei Aufreger und ein Todesfall Calamity Jane 24 Thema: Europa à la carte? 26 Welche EU welches Europa? Petra Erler 32 Differenzierte Integration Heinz Kleger 38 Kerneuropa (k)eine Chimäre, (k)ein Trugbild? Wilhelm Ersil 44 Die europäische Integration und die Linke Joachim Poweleit, Wilfried Schreiber, Jochen Weichold und Lothar Winter WeltTrends Das außenpolitische Journal 116 Juni Jahrgang S. 2 3
3 Forum: Marshallplan mit Afrika? 50 Uwe Prüfer und Veye Tatah Historie: Deutsche und Stalins A-Bombe 58 Gerhard Barkleit Impressum 63 Bücherschau 64 EU auf dem Weg zur Verteidigungsunion 70 Ein Kommentar von Wort und Strich 72
4 Kommentar Die Europäische Verteidigungsunion kommt voran! Der Gipfel des Europäischen Rates vom 21. und 22. Juni hat den Durchbruch gebracht: Die EU hat die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) beschlossen. Eine der Hauptforderungen der SPD-Verteidigungspolitiker, für die wir noch vor wenigen Jahren als Utopisten belächelt wurden, ist Realität. Auf der letzten Erklärung des Europäischen Rates vom 22. Juni wurde festgelegt, dass sich die Mitgliedstaaten binnen drei Monaten erklären sollen, ob sie bei einer Verteidigungsunion dabei sein möchten. Es geht erstmalig um konkrete Projekte und Initiativen zur Unterstützung der PESCO. Darüber hinaus hat sich der Rat für die Finanzierung von EU-Militäreinsätzen zulasten der Gemeinschaft nach dem Athena-Mechanismus entschlossen. Das sind die ersten Schritte auf dem Weg zu einer tatsächlichen Europäischen Verteidigungsunion. Es wird auch höchste Zeit. Seit 2007 fordert die SPD mehr gemeinsame Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung. Seit der Unterzeichnung des Vertrages von Nizza, in dem wichtige Ziele darüber festgelegt wurden, sind fast 18 Jahre vergangen. Bis heute wurden wichtige Ziele nicht erreicht. Die Umsetzung der Fähigkeitskataloge basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Nur eine Minderheit der Mitgliedstaaten war und ist bereit und in der Lage, die nötigen Finanzmittel zum Schaffen der definierten Fähigkeiten bereitzustellen. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten sind unsere (noch) 28 nationalen Armeen zu teuer: 190 Milliarden Euro geben die Staaten der Europäischen Union gegenwärtig im Jahr für die Verteidigung aus. Da die Mitgliedstaaten ihre finanziellen Mittel nicht koordinieren, haben wir kostspielige Überschneidungen von Verteidigungsprogrammen: mehr als 20 Programme für gepanzerte Fahrzeuge, sechs verschiedene Programme für U-Boote, fünf Programme für Kampfflugzeuge usw. So verschleudern wir Steuergelder. Europäisch abgestimmte Systeme, Normen und Zulassungsverfahren sowie größere Beschaffungsmengen könnten einen Beitrag zur Kostensenkung, aber auch zur Interoperabilität der europäischen Streitkräfte leisten. Auch deshalb gerät die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen WeltTrends Das außenpolitische Journal 130 August Jahrgang S
5 Kommentar 71 Rüstungsindustrie zunehmend in den Fokus. Durch den Zwang zur Konsolidierung der nationalen Haushalte und die damit verbundenen knappen Mittel in allen europäischen Verteidigungshaushalten ist die Arbeitsteilung bei den militärischen Fähigkeiten ohne Alternative. Der Brexit und die America-First-Politik der USA haben den Druck auf die EU noch erhöht beides hat zu einem politischen Wandel beigetragen. Seitdem reagiert die EU mit rasantem Tempo. Für die kommenden Jahre hat die Europäische Union Verbesserungen bei vier Schlüsselfähigkeiten angekündigt. Künftig sollten nicht nur Kommandostrukturen und Fähigkeiten zusammenlegt, sondern auch Aufgaben geteilt oder gemeinsam erfüllt werden. Zudem wurde ein Europäischer Verteidigungsfonds beschlossen, aus dem gemeinsame Investitionen gesteuert werden. Das ist dringlich, weil bislang maximal 20 Prozent der Militärhaushalte in den Nationalstaaten für Investitionen ausgegeben werden. Denn politische Initiativen sind nicht gleichbedeutend mit militärischen Fähigkeiten. Und da sieht es schlecht aus in der Europäischen Union. Wir haben zusammengenommen zwar weltweit die zweithöchsten Militärausgaben, aber durch Redundanzen sind wir in puncto Effektivität auf Platz 15. Die Steigerung von Militärausgaben allein ist nicht gleichbedeutend mit der Steigerung von Sicherheit. Nur wenn es wie jetzt vorgeschlagen ein koordiniertes und abgesprochenes Vorgehen aller Mitgliedsländer gibt, welche Mittel wie ausgegeben werden, wird aus einer Europäischen Verteidigungsunion auch Wirklichkeit. Die Europäische Kommission ist mit ihren zivilen und militärischen Komponenten die prädestinierte Institution zur Konfliktbewältigung; sie verfügt über die nötigen Strukturen und Mittel. Hierin liegt die eigentliche Stärke Europas im Vergleich zur NATO. Wenn es der EU gelingt, auch außenpolitisch mit einer Stimme zu reden und dazu einen Prozess der Arbeitsteilung auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik zu organisieren, hätte die Union konkrete Möglichkeiten zur Lösung externer Konflikte. Dies wäre ein tatsächlicher Gewinn für die Sicherheit in der Welt. geb. 1950, seit 1998 Mitglied des Bundestags, seit 2002 verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
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