3 Ergebnisse und Diskussion
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- Jürgen Marcus Roth
- vor 5 Jahren
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1 3 Ergebnisse und Diskussion Unser Ziel war es, die Theory of Mind von straffälligen und nicht-straffälligen Patienten mit Schizophrenie unter Berücksichtigung ihrer neurokognitiven Leistungen und Psychopathologie miteinander zu vergleichen. Es bestanden keine Unterschiede in der Altersverteilung und des höchsten erworbenen Schulabschlusses der drei Gruppen, auch die Dauer der schizophrenen Erkrankung unterschied sich zwischen den Patientengruppen nicht. Es zeigte sich jedoch, dass die forensischen Patienten früher erkrankten (MD = 5,64; SE = 1,77; p = 0,006) und signifikant häufiger Drogen- oder Alkoholabusus in der Vorgeschichte beschrieben war (chi² = 8,803; df = 1; p = 0,003). Mit Ausnahme eines Probanden erhielten alle forensischen Patienten eine antipsychotische Medikation. Die durch die forensischen Patienten verübten Straftaten variierten in ihrer Schwere deutlich von wiederholten kleineren Vergehen [Behinderung von Polizeiarbeit (1), gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (1), Fahren unter Alkoholeinfluss (1)] bis zu Kapitalverbrechen [Diebstahl bzw. Raub (9), Brandstiftung (3), Nötigung (1), Körperverletzung (2), schwere Körperverletzung (10), Sexualdelikte (5) und Totschlag (9)]. 27 der 33 Patienten waren bereits verurteilt, sechs standen zum Zeitpunkt der Untersuchungen noch vor einer Verhandlung. Die forensischen Patienten unterschieden sich signifikant gegenüber der nichtforensischen Gruppe und der Kontrollgruppe im Bezug auf die Geschlechterverteilung mit einem deutlichen Überwiegen der männlichen Teilnehmer (Forensiker Kontrollgruppe: MD = 0,62; SE = 0,11; p < 0,001; Forensiker Nicht-Forensiker: MD = 0,50, SE = 0,10; p < 0,001). Die Geschlechterverteilung in der nichtforensischen und der Kontrollgruppe unterschied sich nicht signifikant (MD = 0,13; SE = 0,10; p = 0,645, n.s.). 7
2 Es wurden daraufhin alle Ergebnisse für rein männliche Gruppen berechnet, die sich jedoch nicht von denen der gemischtgeschlechtlichen Gruppen unterschieden, so dass wir im Weiteren die Ergebnisse aller Teilnehmer angeben. Die demographischen Daten der forensischen und nicht-forensischen Gruppen sind in den Tabellen A1 und A2 dargestellt. Es zeigten sich keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen im Hinblick auf verbale oder praktische Intelligenz und Exekutivfunktionen (außer Wiederholungsfehler im WCST, hier schnitten die forensischen Patienten schlechter ab (MD = -4,06; SE = 1,19; p = 0,003), ohne aber häufiger perserverierende Fehler zu machen (Mann-Whitney-U = 513, Z = -1,158, p = 0,247)). Die gesunde Kontrollgruppe schnitt in allen oben erwähnten Punkten wie erwartet deutlich besser ab. Bei der Einschätzung der Psychopathologie durch das Pflegepersonal wurde eine stärkere Ausprägung von Erregungs- und kognitiven Symptomen auf der Seite der forensischen Patienten mit Schizophrenie festgestellt (Erregung: MD = -2,13; SE = 0,46; p < 0,001; Kognition: MD = -2,13; SE = 0,80, p = 0,027). Die Positiv- und Negativ-Symptomatik sowie den Depressions- und Angstkomponenten wiesen keine Unterschiede auf. Um die Theory of Mind zu erheben wurden zwei computergestützte Tests durchgeführt. Zunächst musste eine Serie aus vier Bildern, in denen eine kurze Geschichte dargestellt war, in eine zeitlich und inhaltlich sinnvolle Reihenfolge gebracht werden. In diesen sechs kurzen Sequenzen wurden drei Typen von Geschichten unterschieden: Zwei Personen arbeiten zusammen (z. B. um einen Ausbruch über eine hohe Mauer durchzuführen), eine Person täuscht eine zweite und zwei Personen arbeiten zusammen, um eine dritte zu hintergehen. Danach wurde den Teilnehmern ein festgelegter Fragenkatalog zur Befindlichkeit der in den Geschichten dargestellten Personen gestellt. 8
3 In der Sortieraufgabe zeigten die beiden Patientengruppen keine statistisch bedeutsamen Unterschiede, unterschieden sich jedoch deutlich von den Ergebnissen der Kontrollgruppe. Bei den darauffolgenden Fragen zeigte sich jedoch ein besseres Abschneiden der forensischen Patientengruppe mit Schizophrenie (Mann-Whitney-U = 386, Z = - 2,828, p = 0,005), weiterhin aber ein schlechteres als die gesunde Kontrollgruppe. Es stellte sich daraufhin die Frage, welchen Einfluss die Psychopathologie auf die ToM-Ergebnisse hat. Um das herauszufinden, führten wir eine erneute Berechnung der ToM-Leistungen durch, jedoch unter Berücksichtigung der Erregungs- und kognitiven Symptome der PANSS. Wir führten eine statistische Berechnung (sog. ANCOVA) durch, die diese Symptome herausrechnet und die Ergebnisse ohne den Einfluss der Psychopathologie neu bewertet. Es zeigte sich, dass nach Herausrechnen der Erregungssymptome die forensischen Patienten ein deutlich besseres Gesamtergebnis in der ToM aufwiesen als die nicht-forensischen Patienten (F = 5,152; df = 67; p = 0,026). Keinen Einfluss auf das ToM-Ergebnis hatten jedoch die Kognitionskomponente der PANSS und die Wiederholungsfehler des WCST. Weiterhin führten wir Korrelationsanalysen in den beiden Patientengruppen durch, die einen möglichen Zusammenhang zwischen den ToM-Ergebnissen und weiteren untersuchten Eigenschaften der Patienten darstellen sollten. In der forensischen Gruppe zeigte sich hier eine positive Korrelation zwischen den ToM-Ergebnissen und den Untersuchungen zur praktischen Intelligenz (Bilderergänzungsaufgabe des HAWIE). Eine negative Korrelation bestand zwischen den Wiederholungsfehlern des WCST und dem Zoo Map Test, als Ausdruck eingeschränkter Exekutivfunktionen. Die ToM-Gesamtpunktzahl stand ebenfalls in einem inversen Verhältnis zu der Erregungs- und der Kognitionskomponente des PANSS. 9
4 Keinen Zusammenhang mit der Theory of Mind der forensischen Patienten hatte der höchste erreichte Schulabschluss oder die Dauer oder das Alter zu Beginn der schizophrenen Erkrankung. In der Gruppe der nicht-straffälligen Patienten mit Schizophrenie zeigten sich weitestgehend ähnliche Ergebnisse, jedoch korrelierten andere Komponenten der PANSS negativ mit den ToM-Ergebnissen. In dieser Patientengruppe waren es die negativen Symptome und die kognitive Komponente, die Einfluss auf das Abschneiden der Patienten im Bezug auf die Theory of Mind hatten. Unsere Ergebnisse lassen einen möglichen Einfluss von Symptomen, die der Erregungskomponente des PANSS zugerechnet werden, auf das Erkennen und Verstehen von Gefühlslagen anderer nicht nur unter Testbedingungen sondern ebenfalls im täglichen Umgang miteinander vermuten. Unter diesen Punkt fallen Eigenschaften wie Feindseligkeit gegenüber der Umwelt, Gespanntheit, mangelnde Impulskontrolle, welche unkontrollierbare Gefühlsausbrüche nach sich ziehen kann, sowie Erregungssymptome. Übertragen auf den klinischen Alltag könnte ein gezieltes Training der Erkennung und des Verständnisses von Emotionen einen Einfluss auf soziale Beziehungen und das Miteinander nicht nur während des Aufenthaltes in der Klinik sondern möglicherweise ebenfalls auf die Zeit nach dem Klinikaufenthalt bzw. der Haft haben. Eine Untersuchung an von Schizophrenie betroffenen Patienten in stationärer Behandlung, die eine Gruppentherapie mit Schwerpunkt auf sozialer Kognition und Interaktion (engl.: SCIT (Social Cognition and Interaction Training)) erhielten, stellte eine Verbesserung der sozialen Beziehungen sowie ein Abnehmen von Feindseligkeit und Aggressionen während der weiteren stationären Behandlung fest (Combs et al., 2007). Diese Ergebnisse zeigten sich unabhängig vom sonstigen weiteren Krankheitsverlauf. Ein Training der ToM als Teil eines solchen Therapieansatzes könnte eine Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben nach einer Entlassung erleichtern. 10
5 Möglicherweise ist die eingeschränkte Theory of Mind sogar ein Marker für ein späteres Auftreten einer Schizophrenie bei bisher nicht auffälligen Personen (Biedermann et al., 2012). Hier wäre ein Überprüfen der ToM im Rahmen eines Screeningverfahrens beispielsweise bei familiär vorbelasteten, jedoch im Bezug auf eine schizophrene Erkrankung noch symptomfreien Personen denkbar. Wie bereits oben erwähnt, waren die forensischen Probanden fast ausschließlich Männer, fraglich ist also, inwiefern auch die ToM von Frauen durch ihre Psychopathologie beeinflusst wird. Auf Grund des deutlichen Überwiegens von männlichen forensischen Patienten in dem uns zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Verfügung stehenden Patientenkollektiv war eine Unterscheidung nach Geschlechtern nicht möglich. Weiterhin war es uns bei der Bandbreite der begangenen Verbrechen aber gleichzeitig kleinen Untergruppen nicht möglich, die ToM-Leistungen nach Verbrechen getrennt zu untersuchen. Eine statistische Auswertung schien nicht sinnvoll. Ein generelles Problem der vorliegenden Studie ist die insgesamt kleine Teilnehmerzahl, die sich ebenfalls aus dem insgesamt kleinen Patientenkollektiv der forensischen, an Schizophrenie erkrankten Personen ergibt. Unsere Ergebnisse sollten daher in größerem Rahmen verifiziert werden. 11
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