Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG W W /6E Beschluss
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- Thomas Kuntz
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1 Gericht BVwG Entscheidungsdatum Geschäftszahl W Spruch W /6E Beschluss Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Elie ROSEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Jänner 2012, Zl. XXXX, beschlossen: A) I. In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ivm 34 Asylgesetz 2005 zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang Der Ehemann der Beschwerdeführerin reiste am 8. Juli 2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Verfahren zusammengefasst an, dass am 31. Mai 2005 maskierte Männer ihn mitgenommen und in einen Wald gebracht hätten. Sie hätten ihn geschlagen und misshandelt und wollten von ihm, dass er unterschreibe, zwei Beamte umgebracht zu haben. Danach sei er geflohen und habe sich längere Zeit außerhalb Tschetscheniens aufgehalten. Am 15. März 2011 seien maskierte Männer wieder in das Haus seiner Familie gekommen und hätten sie überfallen. Sie hätten ihn geschlagen, getreten mit Strom gefoltert und behauptet, dass er wissen müsse, wo sich ein Nachbar befinde. Dann hätten sie ihn gezwungen, ein Formular zu unterschreiben, mit dem er erkläre mit "ihnen" zusammenzuarbeiten und ihm eine SIM-Karte übergeben, damit er mit ihnen immer in Kontakt bleibe und verrate, wo sich tschetschenische Kämpfer befänden. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 23. November 2011 in Begleitung ihrer drei Kinder (Zahlen XXXX bis XXXX) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Gelegentlich ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23. November 2011 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie Staatsangehörige der Russischen Föderation sei, sich zum muslimischen Glauben bekenne und der tschetschenischen Volksgruppe angehöre. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie zuhause von russischen Soldaten immer wieder nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes befragt worden sei. Sie sei nicht geschlagen worden, habe aber diesen Druck nicht mehr ausgehalten und sei ihrem Mann nachgereist, um ihn in Österreich zu suchen. Bei einer Rückkehr hätte sie Angst vor den russischen Soldaten und sie hätte auch Angst um ihre Kinder. Ihre ganze Familie bekomme Schwierigkeiten. Seite 1 von 6
2 Die Beschwerdeführerin brachte eine russische Heiratsurkunde Nr. XXXX, ausgestellt am XXXX, in Vorlage. Gelegentlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28. November 2011 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie wegen ihres Ehemannes nach Österreich gekommen sei. Die russischen Soldaten hätten ihn gefoltert und "drangsaliert", weil sie auch schon seinen Bruder ermordet hätten. Irgendwann im März 2011, in der Nacht, seien sie gekommen, hätten die Beschwerdeführerin weggestoßen und ihren Mann mitgenommen. Es könne auch im Mai 2011 gewesen sein. Zwei oder drei Stunden später sei er zurückgekommen und daraufhin habe ihn sein Vater in Inguschetien versteckt gehalten. Ihr Mann habe sie noch zwei oder drei Mal besucht, dann sei er geflohen. Die Beschwerdeführerin habe auch wegen ihrer Kinder Angst gehabt, dort weiterhin zu leben. Die Beschwerdeführerin verweigerte die Zustimmung zur Einholung von Informationen im Herkunftsstaat, weil sie Angst habe, ihr älterer Bruder könnte dadurch Probleme bekommen. Am 29. Dezember 2011 wurde die Beschwerdeführerin erneut vor dem Bundesasylamt einvernommen. Sie gab an, dass weder sie noch ihre Kinder gesundheitliche Probleme hätten. Zum Vorfall vom "März oder Mai 2011" befragt, gab sie an, dass es in der Nacht gewesen sei. Sie sei damals schwanger gewesen. Ihr Mann und sie hätten Geräusche gehört und seien aufgestanden. Sie habe ihr Kleid angezogen und sei aus dem Schlafzimmer hinausgegangen, ihr Mann sei hinter ihr gewesen. Als sie die Zimmertür geöffnet habe, seien die Männer schon drinnen gewesen. Einer habe sie auf die Seite "geschubst" und sie hätten ihren Mann geschnappt. Ihre Schwiegereltern seien schon im Wohnraum gewesen. Die Beschwerdeführerin sei unter Schock gewesen und habe geschrien. Ihre Schwiegermutter habe sie in die Küche geschickt. Sonst habe sie nichts mehr mitbekommen. Nach zwei, drei Stunden sei ihr Mann nach Hause gekommen. Sein Vater habe ihn am Vormittag mit dem Auto nach Inguschetien gebracht. Einmal sei ihr Mann nach Hause gekommen und habe seine Sachen geholt. Sie sei auch drei Mal bei ihm in Inguschetien gewesen. Seit April oder Mai 2011 habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Die Beschwerdeführerin selbst habe keine Probleme. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe. Mit Bescheid vom 9. Jänner 2012, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß 3 Abs. 1 ivm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgf, ab (Spruchpunkt I.). Gemäß 8 Abs. 1 ivm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführerin gemäß 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte die Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin fest und traf umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat. Die Identität der Beschwerdeführerin habe mangels Vorlage eines nationalen Identitätsdokumentes nicht festgestellt werden können. Die Beschwerdeführerin selbst sei nicht verfolgt worden, sie sei nach Österreich gekommen, weil ihr Mann sich hier aufhalte. Ein Besuch von Sicherheitskräften, die etwas in Erfahrung bringen wollten, wäre nicht asylrelevant. Daher könne die Beschwerdeführerin problemlos zurückkehren. Das Verfahren ihres Mannes sei schon vom Bundesasylamt negativ entschieden worden. Auch im Zusammenhang mit den Aussagen der Beschwerdeführerin sei die Unglaubwürdigkeit ihres Mannes unterstrichen worden. So habe ihr Mann angegeben, als er aus dem Zimmer gegangen sei, seien auch seine Eltern herausgekommen. Hingegen seien diese nach der Darstellung der Beschwerdeführerin schon im beleuchteten Wohnraum gewesen. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, ihr Mann sei mit seinem Vater schon am selben Vormittag nach Inguschetien gefahren. Ihr Mann habe hingegen angegeben, er sei am nächsten Tag im Krankenhaus gewesen und habe sich behandeln lassen. Er habe stationär aufgenommen werden sollen, sei jedoch nicht [dort] geblieben sondern zu seinem Onkel nach XXXX gefahren. Auch hier werde ein anderslautender Geschehensablauf dargestellt, wodurch die Unglaubwürdigkeit hervortrete. Mit Verfahrensanordnung vom 9. Jänner 2012 wurde gemäß 66 Abs. 1 AsylG 2005 der Beschwerdeführerin die ARGE-Rechtsberatung, Steinergasse 3, 1170 Wien, für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof zur Seite gestellt. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2012 eine für die Beschwerdeführerin und ihre Kinder gleichlautende Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin nach der Flucht ihres Ehemannes im Frühjahr 2011 immer wieder "von Russen und Kadyrovsky" aufgesucht und über den Verbleib ihres Mannes befragt worden sei. Es seien zur Art und Intensität der Befragungen keine Ermittlungen durchgeführt worden. Das Bundesasylamt lasse sogar offen, ob Befragungen überhaupt stattgefunden hätten. Eine diesbezügliche Feststellung wäre jedoch Voraussetzung gewesen, um in weiterer Folge die Frage nach der asylrelevanten Intensität [der Befragungen] beantworten zu können. Das Bundesasylamt habe somit nicht den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellt. Seite 2 von 6
3 Sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann hätten gleichlautend gesagt, dass ihr Ehemann am dem Vorfall folgenden Tag nach Inguschetien geflohen sei. Ob ihr Mann sich, nachdem er aufgebrochen sei, noch kurz im Krankenhaus wegen seiner Verletzungen behandeln habe lassen, entziehe sich der Kenntnis der Beschwerdeführerin, weshalb sie darüber auch nichts habe angeben können. Die kurze Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid sei auf einer unzureichend ermittelten Grundlage erfolgt. Der Bescheid sei daher auch mit unrichtiger Beweiswürdigung belastet. In Gesamtschau werde deutlich, dass sich die Behörde nur unzureichend mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt habe und ihr überdies aktenwidrig Aussagen zugrunde lege, die sie nicht getätigt habe. So habe die Beschwerdeführerin entgegen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I (S. 56 des Bescheides) nicht vorgebracht, dass in der russischen Föderation die wirtschaftliche Lage sehr schlecht sei und es keine Aussicht auf Arbeit gebe. Es werde eine Beschwerdeverhandlung beantragt. Mit einer am 24. Mai 2012 beim Asylgerichtshof eingelangten Urkundenvorlage legte der Ehemann der Beschwerdeführerin ein handschriftliches Schreiben vom 3. April 2012 auf Russisch, samt einer Übersetzung in Deutsche, vor. Dabei handle es sich um eine Bescheinigung der Verwaltung seines früheren Aufenthaltsortes. Aus dessen Übersetzung gehe hervor, dass die Vorfälle vom 31. Mai 2005 und 15. März 2011 bestätigt würden. Am 10. Juli 2012 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundenvorlage ein. Diese enthielt neben bereits vorgelegten Urkunden einen weiteren Befund des Facharztes für Psychiatrie, Dr. Eugeni Dragov vom 20. April 2012 hinsichtlich des Ehemannes der Beschwerdeführerin mit der Diagnose einer mittelschweren depressive Episode (reaktiv) und einer gewissen Stimmungsaufhellung. Am 21. August 2012 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundevorlage ein, mit der der Ehemann der Beschwerdeführerin neben Urkunden, welche er bereits bei seiner Einvernahme am 1. September 2011 vor dem Bundesasylamt vorgelegt hatte, einen russischen Ausdruck vorlegte, der ein Bericht vom 11. Oktober 2011 von Memorial sei. Zudem legte er eine "Einstellungsbestätigung eines namentlich genannten Unternehmens vor, wonach er bei Erhalt einer "Arbeitsbewilligung" als Montagehelfer beschäftigt werde. Am 13. September 2012 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundenvorlage ein. Mit dieser legte der Ehemann der Beschwerdeführerin ein Schriftstück vor, das die Sterbeurkunde seines Bruders sei, sowie einen weiteren Befund des Facharztes für Psychiatrie, Dr. Eugeni Dragov vom 9. August Diesem zufolge leide der Ehemann der Beschwerdeführerin an einer mittelschweren bis schweren depressiven Episode. Am 16. November 2012 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundenvorlage ein, mit der der Ehemann der Beschwerdeführerin zahlreiche bereits zuvor vorgelegte Unterlagen erneut vorlegte. Er beantrage, den Asylakt seines Bruders "beizuschaffen". Am 17. Dezember 2012 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundenvorlage ein. Mit dieser legte der Ehemann der Beschwerdeführerin eine Teilnahmebestätigung vom 11. Dezember 2012 für einen Deutschkurs vor. Am 17. Jänner 2013 langte beim Asylgerichtshof eine Urkundenvorlage ein. Diese enthielt ein Unterstützungsschreiben einer Deutschlehrerin, welche in der Unterkunft der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und deren Kinder unterrichte. Alle sprächen und verstünden "schon ganz gut" Deutsch. Die Familie sei sehr gut integriert und neuen sozialen Kontakten aufgeschlossen. Sie würden oft unaufgefordert und unentgeltlich Arbeiten zum Wohl der Gemeinschaft erledigen. Die Beschwerdeführerin verwöhne mit ihren Kochkünsten die Bewohner des Hauses. Am 23. Juli 2013 langte beim Asylgerichtshof eine weitere Urkundenvorlage ein. Diese enthielt eine Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 8. Juli 2013, wonach der Ehemann der Beschwerdeführerin seit Mai 2012 regelmäßig bei ihr behandelt werde und einen auf russisch verfassten Text, der ein Bericht vom 11. Oktober 2011 von Memorial sei. Dieser Text langte mit einer weiteren Urkundenvorlage vom 12. August 2013 erneut beim Asylgerichtshof ein. Mit Beschluss vom heutigen Tag, Zl. W 190 XXXX, gab das Bundesverwaltungsgericht der im Verfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gemäß 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG statt und behob den bekämpften Bescheid. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: Seite 3 von 6
4 Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen. Gemäß 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idf BGBl. I 2013/122, geregelt ( 1 leg. cit.). Gemäß 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Zu A) 1. Gemäß 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von 28 Abs Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) 28 VwGVG Anm. 11). 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom , Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere Folgendes ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, Seite 4 von 6
5 weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der obersten Berufungsbehörde' beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung." Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden. 2. Gemäß 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat sowie für den gesetzlichen Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sind Familienangehörige im Sinne des 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005; die betreffenden Verfahren stellen sich daher als Familienverfahren gemäß 34 AsylG 2005 dar. Gemäß 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß 34 Abs. 4 AsylG 2005 Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese gemäß 36 Abs. 3 AsylG 2005 auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen ( 2 Abs. 1 Z 22) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. 3. Mit Beschluss vom heutigen Tag, Zl. W 190 XXXX, hat das Bundesverwaltungsgericht der im Verfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gemäß 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stattgegeben und den bekämpften Bescheid behoben. Das Asylverfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin ist somit wieder beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig. Da die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, deren Familienangehörigkeit im gegenständlichen Fall auch nicht vom Bundesasylamt in Zweifel gezogen wurde, Mitglieder einer Kernfamilie im Sinne des 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 sind, konnte im Lichte des 34 Abs. 4 AsylG 2005 (wonach die Verfahren unter einem zu führen sind) auch der den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz abweisende angefochtene Bescheid keinen Bestand haben (siehe auch Erkenntnis des VwGH vom , 2008/19/0278), zumal noch nicht feststeht, ob und welchen Schutz der Ehemann erlangen könnte, der Beschwerdeführerin aber der gleiche Schutzumfang zugutekommen muss. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Zu B) Gemäß 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung Seite 5 von 6
6 von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt A des mit dem heutigen Tag ergangenen Beschlusses hinsichtlich des Ehemannes der Beschwerdeführerin (Zl. W ) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor dem Bundesasylamt notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im Fall des Ehemannes der Beschwerdeführerin, sowie der Beschwerdeführerin selbst, liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil die Bestimmung inhaltlich 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine klare - im Sinne einer eindeutigen - Regelung (vgl. OGH , 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2014:W Seite 6 von 6
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