Dr. Ralf Brauksiepe Mitglied des Deutschen Bundestages Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales
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1 Dr. Ralf Brauksiepe Mitglied des Deutschen Bundestages Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, Berlin (030) (030) ralf.brauksiepe@bundestag.de Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 93. Sitzung Berlin Donnerstag, den 24. Februar 2011 Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung legt Ihnen heute den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vor. Ich möchte einige Bemerkungen zu den wesentlichen Inhalten machen. Der Gesetzentwurf enthält Regelungen, in denen die Vorgaben der sogenannten europäischen Leiharbeitsrichtlinie umgesetzt werden. Es war das erklärte Ziel der Minister Müntefering und Scholz bei den Beratungen über diese Richtlinie, den Kernbestand der deutschen Regelungen zur Zeitarbeit bzw. zur Arbeitnehmerüberlassung auch durch die Richtlinie unangetastet zu lassen. Dieses von der Großen Koalition insgesamt getragene Vorhaben ist erfolgreich abgeschlossen worden. Das, was an Umsetzungsbedarf in nationales Recht gleichwohl besteht, wird mit diesem Gesetzentwurf geregelt. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf eine Regelung vor, die vermeidet, dass die Zeitarbeit als Drehtür zur Absenkung von Arbeitsbedingungen missbraucht wird. Nachdem ein eklatanter Fall von Missbrauch im letzten Jahr öffentlich geworden ist, (Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sie können es ruhig sagen: Es war Schlecker!) hat die Bundesregierung sehr sorgfältig geprüft, welcher gesetzliche Änderungsbedarf besteht angesichts des Umstandes, dass
2 dankenswerterweise die Tarifvertragsparteien auf die Situation reagiert und in den Tarifverträgen entsprechende Änderungen vorgesehen haben. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass gleichwohl ergänzender gesetzlicher Handlungsbedarf besteht; denn es geht hier um Fälle, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekündigt wurde, um sie dann als Zeitarbeitnehmer in ihrem ehemaligen Unternehmen zu schlechteren Bedingungen wieder zu beschäftigen. Ich sage für die Bundesregierung ganz klar: Wer Zeitarbeit in dieser Form zur Lohndrückerei missbraucht, der diskreditiert und missbraucht ein gutes Instrument der Arbeitsmarktpolitik. (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Sie lassen das zu!) Das ist mit der Bundesregierung nicht zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Zeitarbeit hat in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Arbeitskräftebedarf von Unternehmen flexibel zu decken, (Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Reguläre Beschäftigung auszutauschen!) Beschäftigungspotenziale in den Unternehmen zu erschließen und Wirtschaftswachstum schneller in mehr Beschäftigung umzusetzen. Man darf nie vergessen, dass Zeitarbeit gerade Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen eine Chance auf Beschäftigung bietet. Etwa zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren unmittelbar vor ihrer Beschäftigung in der Zeitarbeit nicht beschäftigt. Ein Drittel der Zeitarbeitskräfte hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das heißt, das Instrument bietet 2
3 Chancen; die wollen wir nutzen. Missbrauch gilt es mit aller Schärfe zu verhindern. (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Dann machen Sie doch mal!) Die positiven Beschäftigungseffekte werden auch durch den aktuellen Boom in der Zeitarbeitsbranche belegt. Der bereits seit April 2009 zu verzeichnende Anstieg der Zahl der Zeitarbeitnehmer hat sich auch im Jahr 2010 fortgesetzt. Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, über welche Dimensionen wir reden. Ende Juni 2010 lag der Anteil der Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei 2,6 Prozent. Unter den offenen Stellen ist der Anteil der Zeitarbeit deutlich größer; da liegt er bei knapp einem Drittel. Das heißt zweierlei: Die Zeitarbeit spielt nicht die überragende Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Arbeitsplätze werden nicht überwiegend in der Zeitarbeit geschaffen. Aber gleichzeitig reden wir über ein Segment, das so groß ist, dass man sehr behutsam über Änderungen reden und sie so justieren sollte, dass die Menschen faire Arbeitsbedingungen haben, dass aber die Zeitarbeit als Jobmotor nicht abgewürgt wird. Genau das ist es, worum es uns mit diesem Gesetz geht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Gegenruf der Abg. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Große Begeisterung! ) Ich bin froh, dass es gelungen ist, auch im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zum Sozialgesetzbuch II gemeinsam mit der sozialdemokratischen Opposition zu Vereinbarungen zu kommen, genauso wie beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dessen Regelungen betreffend die Löhne geändert werden sollen. In diesem Fall hilft sozusagen das Hartz-IV- 3
4 Vermittlungsverfahren, um Fehler zu korrigieren, die damals die Regierung Schröder bei Hartz I gegen die Stimmen der Opposition (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Jetzt wird es aber unverschämt, Herr Kollege! - Katja Mast (SPD): Sie waren doch dabei!) gemacht hat. (Beifall bei der CDU/CSU - Hubertus Heil (Peine) (SPD): Unglaublich, Herr Brauksiepe! Lügen, ohne rot zu werden, das ist das, was in dieser Koalition täglich stattfindet! Du sollst nicht falsch Zeugnis reden, Christdemokrat!) Ich stelle fest, dass diese Regelungen seinerzeit gegen die Stimmen der damaligen Opposition beschlossen worden sind. (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ihr wolltet es noch verschärfen! Ablenkungsmanöver! - Katja Mast (SPD): Die Verschärfungen wurden doch im Bundesrat durchgesetzt! Mit Schwarz-Gelb!) Es bedurfte bei diesem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz nicht der Zustimmung der Opposition. - Ich stelle fest: Der Kollege Heil bezeichnet das als Lüge. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Ich rede hier über Tatsachen. (Katja Mast (SPD): Alle Verschärfungen sind von Schwarz-Gelb so beschlossen worden!) Wenn wir über Hartz IV reden, Herr Kollege: (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das können wir gleich machen!) Das war ein zustimmungspflichtiges Gesetz. 4
5 (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ja!) Es hat auch die Zustimmung des Bundesrates gefunden, die Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung nicht; das war ein anderes Gesetz. (Ingrid Fischbach (CDU/CSU), an die SPD gewandt: So ist das! Sie schmeißen alles in einen Topf!) Ich bitte Sie, das noch einmal zu prüfen, damit wir bei der Wahrheit bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich finde es gleichwohl wichtig, dass wir uns gerade im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit den Herausforderungen stellen, die dort bestehen. Arbeitnehmerfreizügigkeit ist richtig. Es ist ein selbstverständlicher Bestandteil eines freien Europas, dass Menschen in einem anderen Land nicht nur Urlaub machen können, sondern auch arbeiten dürfen. Arbeitnehmerfreizügigkeit darf aber nicht für Lohndrückerei missbraucht werden. Darum geht es uns. (Beifall bei der CDU/CSU - Hubertus Heil (Peine) (SPD): Dann sieh zu!) Deswegen ist es wichtig, dass wir auch im Hinblick auf die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union für die sensible Branche der Zeitarbeit zu Regelungen kommen, durch die eine Lohnuntergrenze festgelegt ist. Diese Lohnuntergrenze gilt dann auch für all diejenigen, die zu uns kommen und in der Zeitarbeitsbranche tätig sein wollen. Es ist gut, dass im Rahmen des angesprochenen Vermittlungsverfahrens hierüber ein Konsens erzielt worden ist. Wir wollen eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit, die tariflich vereinbart ist und die für alle in der Zeitarbeit Beschäftigten im Inland und im Ausland gilt. 5
6 Ich bin dankbar, dass die Koalitionsfraktionen Entsprechendes im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens einbringen wollen. Ich habe die SPD bisher so verstanden, dass sie dabei mitmachen will. Ich hoffe, dass das keine unzutreffende Einschätzung ist. Ich finde nämlich, es ist wichtig, dass wir gemeinsam dafür sorgen, (Hubertus Heil (Peine) (SPD): Der schwächste Staatssekretär, seit es Schokolade gibt! Unglaublich!) dass die Zeitarbeit denjenigen Menschen Chancen gibt, die sie brauchen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen, die in der Zeitarbeitsbranche tätig sind, fair bezahlt werden, dass es dort faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen gibt. (Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das bedeutet aber Equal Pay!) Es muss dort gute Aufstiegschancen geben. Dazu leisten wir auch mit diesem Gesetzentwurf einen Beitrag. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht enden wollender Applaus bei der FDP!) 6
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