Brandenburgisches Oberlandesgericht
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- Christin Frei
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1 10 UF 110/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht 10 F 10/06 Amtsgericht Fürstenwalde Anlage zum Protokoll vom 10. Juni 08 Verkündet am 10. Juni 2008 als Urkundsbeamte(r) der Geschäftsstelle Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil In der Familiensache des Herrn U K, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klägers und Berufungsklägers, g e g e n die Minderjährige I W, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Beklagte und Berufungsbeklagte, ZP 650 Urteil OLG allgemein - MEGA
2 - 2 - hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein für R e c h t erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 26. April 2007 unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils des Senats vom 26. Februar 2008 dahin abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte zu Händen der gesetzlichen Vertreterin in Abänderung des vor dem Amtsgericht Fürstenwalde geschlossenen Vergleichs vom 21. Oktober 2003 (9 F 487/02) - für die Zeit vom 6. Dezember 2004 bis zum 30. Juni 2005 und ab 21. November 2007 keinen Unterhalt, - für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005 nur noch monatlichen Unterhalt von 9 zahlen muss. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Senats vom 26. Februar 2008 aufrechterhalten. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5 zu tragen. Ausgenommen davon sind die Kosten, die durch die Säumnis des Klägers entstanden sind, diese hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Berufungswert beträgt G r ü n d e I. Die Parteien streiten um die Abänderung eines Vergleichs, aufgrund dessen der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten, seiner am geborene Tochter, Unterhalt zu zahlen. Der Kläger und die Mutter der Beklagten waren nicht verheiratet. Diese hat am Herrn R W geheiratet, der die Beklagte adoptieren will. Der Adoptionsantrag vom , dem die Mutter der Beklagten zugestimmt hat, ist zusammen mit der Einwilli-
3 - 3 - gungserklärung des Klägers vom am beim Amtsgericht Fürstenwalde (23 XVI 15/07) eingegangen. Der Kläger, der sich seit Anfang Mai 2003 in russischer Haft befand, verpflichtete sich durch Vergleich vom vor dem Amtsgericht Fürstenwalde (9 F 487/02), der Beklagten monatlichen Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags (Ost) der jeweiligen Altersstufe abzüglich des jeweils gemäß 1612 b Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergelds zu zahlen. Lt. Ziff. 3 und 4 des Vergleichs bestand Einigkeit, dass der Kläger wegen der Haft ab Juni 2003 leistungsunfähig war und für den Zeitraum der Haft eine Unterhaltsverpflichtung nicht bestehe. Der Kläger sollte die Zahlungen ab Haftentlassung wieder aufnehmen. Am wurde der Kläger aus der Haft entlassen. Er verließ Russland am , nachdem über seine Berufung gegen das Urteil, aufgrund dessen er sich in Haft befunden hatte, entschieden worden war. In Deutschland bezog der Kläger Arbeitslosengeld, seit Januar 2006 eine Unfallrente sowie eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Letztere wurde rückwirkend ab Oktober 2005 bewilligt, allerdings erst ab Februar 2007 ausgezahlt. Durch notariellen Vertrag vom verkaufte der Kläger das ihm gehörende Hausgrundstück zu einem Preis von Davon erhielt er bei Vertragsabschluss. Im Februar 2006 ging nach Abzug verschiedener Kosten ein restlicher Betrag von auf seinem Konto ein. Der Kläger hat behauptet, aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig und daher nicht leistungsfähig zu sein. Er hat die Abänderung des Vergleichs vom dahin begehrt, dass er keinen Kindesunterhalt mehr, hilfsweise nur noch solchen von 50, schulde. Das Amtsgericht hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers ein Sachverständigengutachten eingeholt. Auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H vom wird verwiesen. Durch das am verkündete Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
4 - 4 - Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er behauptet: Er sei erwerbsunfähig. Wegen seiner Erkrankung habe er erhöhte Ausgaben und müsse im Rahmen einer Therapie schwimmen gehen, wodurch ihm monatliche Aufwendungen für Eintrittsgeld und Fahrtkosten entständen. Vom restlichen Erlös aus dem Verkauf seines Hauses habe er folgende Zahlungen geleistet: Darlehensrückzahlung Mutter, Kostenfestsetzungsbeschluss vom , Schutzgeld an die russische Mafia für Schutz während der Haft in Russland, Privatdarlehen O S. Außerdem habe er für die Einrichtung seiner neuen Wohnung ausgegeben. Der Kläger hat zunächst beantragt, in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Fürstenwalde vom den Vergleich vom dahin abzuändern, dass er ab Mai 2003 keinen Unterhalt mehr zahlen muss. Nachdem der Kläger im Senatstermin vom nicht erschienen ist, hat der Senat seine Berufung durch Versäumnisurteil, das am zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Der dagegen gerichtete Einspruch des Klägers vom ist am selben Tag eingegangen. Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil aufzuheben und den Vergleich vom dahin abzuändern, dass er der Beklagten seit Haftantritt im Mai 2003 keinen Unterhalt mehr schuldet. Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und ist der Meinung, dass der Kläger leistungsfähig sei. Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
5 - 5 - Der Senat hat zu der Frage, ob der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustands in der Zeit von Juli bis Dezember 2005 arbeitsfähig war, den Sachverständigen Dr. H ergänzend angehört. Dieser hat bekundet: Der Kläger leidet an einer durch die Haft entstandenen posttraumatischen Belastungsstörung, zeigt aber primär einer Persönlichkeitsstörung, die gleichermaßen Probleme bei der Aufnahme einer Arbeit verursacht. Die Erlebnisse in der Haft haben die bereits vorhandenen Probleme verstärkt. Da der Kläger in Russland keine Hilfe erhalten hat, war er bei seiner Rückkehr nach Deutschland ziemlich belastet und jedenfalls in der Zeit von Juli bis Dezember 2005 nicht arbeitsfähig. II. Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit der Unterhaltszeitraum vom bis zum und ab in vollem Umfang, für den Zeitraum vom 1.7. bis zum bis auf einen Betrag von 9 begründet. Für die Zeit von Mai 2003 bis zum und von Januar 2006 bis zum ist die Berufung unbegründet. Dementsprechend ist das Versäumnisurteil des Senats vom für die Zeiträume und den Umfang der Begründetheit des Berufungsbegehrens aufzuheben, 343 ZPO. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten, sodass es bei der Klageabweisung verbleibt. Ein Prozessvergleich, wie ihn die Parteien am geschlossen haben, kann nach den Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage geändert werden. Eine Anpassung an veränderte Umstände ist gerechtfertigt, wenn es einer Partei nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an der bisherigen Regelung festgehalten zu werden (vgl. dazu BGH, FamRZ 1983, 22, 24; FamRZ 1986, 790, 791). Danach kann der Kläger Abänderung des Vergleichs für diejenigen Zeiträume verlangen, in denen er leistungsunfähig war bzw. aus Rechtsgründen nicht mehr unterhaltspflichtig ist. In zeitlicher Hinsicht ist, weil die Schranke des 323 Abs. 3 ZPO für den Vergleich nicht gilt (vgl. BGH, FamRZ 1983, 22; Wendl/Thalmann, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., 8, Rz. 165), eine Abänderung auch für Zeiträume vor Klageerhebung möglich. Somit kann der Kläger die Abänderung des Vergleichs vom , wie nachfolgend dargestellt, verlangen.
6 - 6 - Eine Abänderung für die Zeit von Mai 2003 bis zum kommt nicht in Betracht. Denn die Parteien haben den Vergleich erst am abgeschlossen. Für die Zeit davor ist eine Zahlungsverpflichtung des Klägers nicht vereinbart worden, sodass insoweit nichts abzuändern ist. Für die Zeit vom bis zur Entlassung des Klägers aus der Haft am besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Abänderung. Denn die Parteien haben in dem Vergleich ausdrücklich erklärt, dass während der Haft Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Der Vergleich enthält für den Kläger also auch für diesen Zeitraum keine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt. Nach der Haftentlassung sollte der Kläger gemäß Vergleich vom die Unterhaltszahlungen zwar wieder aufnehmen. Da sich der Kläger aber weiterhin in Russland aufhielt, bis über die von ihm eingelegte Berufung entschieden war, war er außer Stande, Einkünfte zu erzielen, und muss sich auch im Hinblick auf die vorangehende Haftzeit keine Einkünfte zurechnen lassen. Ist der Kläger somit unverschuldet ohne Einkommen, ist er leistungsunfähig. Der Vergleich ist daher für die Zeit bis zur Rückkehr nach Deutschland am dahin abzuändern, dass der Kläger der Beklagten keinen Unterhalt schuldet. Für die Zeit danach bis einschließlich Dezember 2005 ist der Vergleich vom dahin abzuändern, dass der Kläger der Beklagten Unterhalt nur in Höhe von monatlich 9 zahlen muss. Denn eine weitergehende Leistungsfähigkeit des Klägers besteht nicht. Der Kläger bezog lediglich Arbeitslosengeld II, das sich nach den vorgelegten Bescheiden auf durchschnittlich 779 belief. Einen Wohnvorteil muss sich der Kläger trotz Wohnens im eigenen Haus nicht zurechnen lassen, da diesem seinem unbestrittenen Vortrag eine gleich hohe monatliche Belastung gegenübersteht. Da der dem Kläger zu belassende Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen 770 betrug (Nr der Unterhaltsleitlinien des Kammergerichts, Stand ), stehen monatlich noch 9 für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Weitere Einkünfte muss sich der Kläger auch nicht fiktiv zurechnen lassen. Ihn trifft zwar gegenüber seiner minderjährigen Tochter, der Beklagten, gemäß 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Dementsprechend muss sich ein Unterhaltsschuldner dann,
7 - 7 - wenn er keine Arbeit hat, intensiv um einen Arbeitsplatz bemühen, und sich, wenn er dies nicht tut, diejenigen Einkünfte zurechnen lassen, die er tatsächlich erzielen könnte (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 724 ff.). Dem Kläger können fiktive Einkünfte nicht zugerechnet werden, weil er keine Arbeitsplatzbemühungen entfalten musste. Denn er war aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig. Wie der Sachverständige Dr. H in seinem Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung durch den Senat bestätigt hat, war der Beklagte aufgrund seiner psychischen Leiden außer Stande, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Er war, wie der Sachverständige dargelegt hat, wegen einer auf der Haft beruhenden posttraumatischen Belastungsstörung, die eine bereits vorhandene Persönlichkeitsstörung überlagert und verstärkt hat, jedenfalls in der Zeit von Juli bis Dezember 2005 nicht in der Lage, eine Arbeit aufzunehmen. Dieser verständlichen und in sich schlüssigen Beurteilung des Sachverständigen schließt sich der Senat an. Sie steht auch in Einklang mit der Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. C vom , die für die Agentur für Arbeit erstellt worden ist. Dieser Arzt kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger aktuell und voraussichtlich weitere sechs Monate lang aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung auf dem Arbeitsmarkt nicht eingesetzt werden könne. In der Zeit ab Januar 2006 ist der Kläger allerdings wieder leistungsfähig, sodass er eine Abänderung des Vergleichs vom nicht verlangen kann, und zwar unabhängig von dem tatsächlichen Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. der Renten knapp unterhalb des notwenigen Selbstbehalts. Denn dem Kläger ist aus dem Verkauf seines Hauses nach Abzug verschiedener Kosten ein restlicher Erlös von zugeflossen, davon bei Vertragsabschluss am und weitere Anfang Februar Dieses Geld konnte und musste der Kläger für den Unterhalt der Beklagten einsetzen. Im Verhältnis zu Kindern hat der Verpflichtete im Rahmen des 1603 Abs. 1 BGB grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einzusetzen. Einschränkungen der Obliegenheit zum Einsatz auch des Vermögensstammes ergeben sich nur daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., 1, Rz. 419).
8 - 8 - Danach musste der Kläger den Verkaufserlös, den er nach eigenem Vortrag vollständig ausgegeben hat, auch für den Kindesunterhalt verwenden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich verpflichtet war, die genannten Darlehen zurückzuzahlen, und ob er sich gegenüber der Unterhaltsforderung der Beklagten darauf berufen kann, das Geld für die Anschaffung neuer Möbel benötigt zu haben. Denn schon der Anteil von , den der Kläger nach seinen Angaben für die Zahlung von Schutzgeld ausgegeben hat, reicht ohne weiteres aus, um den Unterhalt für die Beklagte zu decken. Es stellt sich als unterhaltsrechtlich leichtfertig dar, dass der Kläger das Geld, so sein Vortrag, an die russische Mafia gezahlt hat. Er war jedenfalls im Hinblick auf die Verpflichtung seiner minderjährigen Tochter gegenüber gehalten, sich den staatlichen Behörden anzuvertrauen und deren Schutz in Anspruch zu nehmen, um so der offensichtlich rechtswidrigen Verpflichtung zu entgehen. Der Kläger muss sich daher jedenfalls so behandeln lassen, als hätte er den Betrag von nicht für den von ihm angegebenen Zweck ausgegeben. Dieses Geld reicht erkennbar zur Deckung des durch den Vergleich titulierten Unterhalts aus. In der Zeit von Januar 2006 bis zum waren dies (= 231 x 22 zuzüglich 231 x 2/3). Für die Zeit ab kann der Kläger Abänderung des Vergleichs vom verlangen, weil seine Unterhaltsverpflichtung entfallen ist. Am ist nämlich der Adoptionsantrag des Stiefvaters der Beklagten nebst Zustimmung ihrer Mutter und Einwilligung des Klägers beim Vormundschaftsgericht eingegangen. Dies führt, weil die Beklagte im Haushalt ihrer Mutter und ihres Stiefvaters lebt, gemäß 1751 Abs. 4, 1750 Abs. 1 Satz 3 BGB dazu, dass der Stiefvater und die Mutter der Beklagten vor den anderen Verwandten des Kindes unerhaltspflichtig geworden sind (s.a. Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., 1751, Rz. 8). Der Kläger muss daher vom an keinen Unterhalt mehr zahlen. Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Prof. Schael Dr. Liceni-Kierstein Berger
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