Therapeutische Geschichten und Metaphern

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1 Therapeutische Geschichten und Metaphern Wahre Liebe (Quelle: Ortwin Meiss) Einst verliebte sich ein Frosch in eine Maus und auch die Maus fand an dem Frosch Gefallen und erwiderte seine Liebe. Beide hatten sehr verschiedene Arten zu leben und hatten sich viel zu erzählen. Des Abends wenn sie zusammensaßen, erzählte der Frosch von seinem tiefen Teich und all den Dingen, die es darin zu sehen und zu finden gab. Er erzählte von den Fischen und dem alten Seehecht, der auf dem Grund des Teiches lebte und all den Gefahren, die er schon durchgestanden hatte. Die Maus liebte diese Geschichten und fand sie faszinierend und spannend. Sie konnte ihm einfach stundenlang zuhören. Sie erzählte ihrerseits davon, wie man gefräßigen Katzen entkommt, wie man Vorräte für den Winter zusammensammelt, und wie man tiefe Gänge in die Erde gräbt, und das es gut ist, immer einen zusätzlichen Gang zu graben, falls der Hauptgang einmal verschüttet ist, oder gerade ein bedrohlicher Feind davor wartet. Manchmal ist es einfach gut, wenn man durch einen Hinterausgang verschwinden kann. Wie sie so erzählten kam der Frosch auf den Gedanken, die Maus könne ihm einmal durch den Hinterausgang entschwinden, und da er sie doch so sehr liebte, begann er zunehmend unruhiger zu werden. Dies merkte die Maus und fragte den Frosch, was ihn beunruhige. Der Frosch mochte nicht so recht erklären, was ihn so unruhig machte und sprach schließlich: "Weißt Du, manchmal bekomme ich Angst, wir könnten uns verlieren, und ich liebe Dich doch so!" "Ach diese Angst habe ich auch manchmal," sprach da die Maus, denn sie fürchtete, der Frosch könne ihr irgendwann entspringen und auf nimmer Wiedersehen in den tiefen Teich abtauchen. "Aber wir könnten doch unsere Hände zusammenbinden, dann könnten wir uns nie verlieren", sprach der Frosch und der Maus war es nur recht, und so banden sie ihre Hände zusammen, die Maus die rechte und der Frosch die linke. Nun fühlten sie sich schon wesentlich sicherer, nur zusammen zu gehen machte nun einige Probleme. So wollte der Frosch oft hüpfen und hatte Schwierigkeiten mit den kleinen Schritten der Maus, die ihrerseits durch den unregelmäßigen Gang des Frosches immer wieder aus ihrem Rhythmus kam und ins Stolpern geriet. Auch konnte die Maus nicht mehr in ihre Gänge schlüpfen, denn der Frosch war zu ungelenk, um sich durch die schmalen Gänge zu zwängen und war es ihm doch einmal gelungen, so stieß er fortwährend mit seinem Kopf an, da er das Hüpfen einfach nicht lassen konnte. Die Maus hielt das Hüpfen für eine schlechte Angewohnheit und meinte, daß es dem Frosch schon gelingen könne, anständig zu laufen. Er müsse nur ernsthaft den Willen haben, das Hüpfen aufzugeben, denn wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg. Und sie erzählte ihm, wie schwer es manchmal gewesen sei, sich 1

2 durch harten Boden einen Gang zu graben und das man, wenn man nur will, mit den scharfen Mausezähnen, die härtesten Dinge durchknabbern kann, und der Frosch versprach es wirklich ernsthaft zu versuchen. "Ja," sprach die Maus, "es ist wirklich schwierig in der Liebe, doch wenn man sich wirklich liebt, arbeitet man aneinander und versucht dem anderen zu helfen, damit er sich weiterentwickeln und seine schlechten Eigenschaften abstreifen kann." Der Frosch wiederum versuchte die Maus zu überzeugen, daß es ein Genuß sei, mit einem hohen Bogen in den Teich zu springen und durch die tiefen Fluten hinab zum Grund zu tauchen, um dort in alte weggeworfene Lederstiefel zu schlüpfen und die Fische an sich vorbeischwimmen zu lassen, doch die Maus hatte Angst vor dem Wasser. Der Frosch aber war der Ansicht: Wenn man nur wirklich bereit sei, die Angst zu überwinden, würde es schon klappen, denn aller Anfang sei schwer. Doch die Maus war nicht bereit ihre Angst zu überwinden. Dies alles tat ihrer Liebe jedoch keinen Abbruch, und sie liebten sich weiterhin inniglich. Nach einer Weile sprach jedoch die Maus: "Weißt Du ich kann Deine rechte Hand nicht sehen." Und in der Liebe sollte man sich doch alles sagen und ganz offen zueinander sein, und da sei es doch nicht in Ordnung, wenn man bestimmte Dinge voreinander versteckt. Der Frosch fand dies auch, denn in der Liebe möchte man an allem teilhaben und alles, alles wissen, was der andere tut, und so banden sie die anderen Hände auch noch zusammen. Das Gehen wurde natürlich noch beschwerlicher, aber wo wahre Liebe ist, erträgt man jegliche Unangehmlichkeiten, denn jede Schwierigkeit schmiedet einen nur fester zusammen. Das Leben wurde ein wenig eintöniger, denn der Frosch konnte nicht mehr von seinen neuen Erlebnissen im See erzählen und die Maus wußte auch nichts neues zu berichten, da sie nun alles zusammen machten. So erzählte der Frosch von früheren Zeiten, wo er noch im See umhergeschwommen ist, doch nach einer Weile kannte die Maus alle Geschichten und wurde zunehmend ungehalten, wenn der Frosch schon wieder mit seinen alten Seeerlebnissen anfing. Doch auch die Maus konnte nur noch von Dingen berichten, die sie früher erlebt hatte, und meist kannte der Frosch die Geschichte schon und hörte garnicht mehr richtig zu. "Nie hörst du mir zu, du beachtest mich überhaupt nicht mehr," beschwerte sich die Maus, denn wenn man sich wirklich liebt, schenkt man dem anderen alle Aufmerksamkeit. "Ach," sprach der Frosch, "es liegt wohl daran, daß ich in der letzten Zeit, so müde bin, es ist bestimmt das Wetter, es hat wirklich nichts mit Dir zu tun." Doch die Maus meinte: Wenn man jemanden wirklich liebt, hört man ihm auch zu, wenn man müde ist. Obwohl sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, liebten sie sich immer noch und die Maus meinte, daß wahre Liebe ist, wenn man zusammen schweigen kann und sich Verliebte auch ohne Worte verstehen, und der Frosch fügte hinzu: Gerade ohne Worte, denn Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Doch 2

3 bei aller Liebe und allem Bemühen wollte dem Frosch der gleichmäßige Gang nicht gelingen, und wer sich wirklich liebt, macht doch alles gemeinsam. Und da die Maus nicht aufhören wollte, das beständige Gehüpfe des Frosches zu bemängeln, denn sie wollte nur das Beste für den Frosch, und er andererseits ihr es doch wirklich recht machen wollte, denn wenn man jemanden liebt, möchte man dem anderen jeden Gefallen tun, kam der Frosch auf die Idee: "Wir könnten, doch auch eins unserer Beine zusammenbinden, dann können wir noch besser alles zusammen machen, und ist es in der Liebe nicht so, daß man alles gemeinsam tun will?" Gesagt getan und wie der Frosch es im Geheimen vermutet hatte, hatte es nun mit dem Hüpfen ein Ende. Zwar kamen beide nun nur noch unter großen Mühen und sehr langsam voran, aber sie wußten nun, daß sie richtig zusammengehörten und was ist schöner in der Liebe, als zu wissen, daß man wirklich zusammen gehört. "Laß uns das andere Bein auch noch zusammenbinden" sprach da die Maus. "Meinst Du wirklich wir sollten das tun?" fragte der Frosch, denn er war nicht mehr sicher, daß sie das Richtige taten. "Du liebst mich doch?" fragte die Maus. "Ja, ja natürlich" sagte der Frosch und sie banden die anderen Beine auch noch zusammen, und was ist schöner an der Liebe, als wenn man unzertrennlich ist. Aber das war nicht gut, denn nun konnten sie sich garnicht mehr bewegen. So verharrten sie starr und unbeweglich, und auch ihre heiße Liebe schien allmählich abzukühlen. Ja sie führten ein wahrhaft erbärmliches Leben, bis sie schließlich starben, und das war schon bald, denn als der eine starb, starb auch der andere. "Ja, ja" sagte der alte Waldbär, - und da hatte er verdammt recht. 3

4 Die Blume der Kaiserin (Quelle: Hypnotherapie-Verteiler) Einst lebte im alten China ein junger Prinz, der zum Kaiser gekrönt werden sollte. Zuvor jedoch musste er heiraten, weil es das Gesetz so vorschrieb. Da es darum ging, die künftige Kaiserin auszuwählen, musste der Prinz ein Mädchen finden, dem er blind vertrauen konnte. Dem Rat eines Weisen folgend, ließ er alle jungen Frauen der Gegend in seinem Palast zusammenrufen und sprach zu ihnen: Ich werde jeder von euch einen Samen geben. Diejenige, die mir in sechs Monaten die schönste Blume bringt, wird die zukünftige Kaiserin von China sein. Nun waren unter den geladenen jungen Frauen viele schöne und reiche zu finden, aber auch die Tochter des Palastgärtners, die den Prinzen schon viele Jahre heimlich liebte. Auch sie erhielt ein Samenkorn und ging glücklich damit nach Hause. Jeden Tag hegte und pflegte sie nun das Korn, sorgte für Dünger, Wasser, stellte es ins Sonnenlicht und nährte es mit all ihrer Hingabe und Liebe, die sie für den Prinzen empfand. Drei Monate vergingen, und nichts keimte. Die junge Frau versuchte alles, sprach mit vielen Gärtnern und Bauern, doch keiner der Ratschläge führte zum Erfolg. Ihre Liebe war indes so lebendig wie eh und je. Schließlich waren die sechs Monate vergangen und in ihrem Blumentopf war trotz all ihrer Bemühungen nichts gewachsen. Am Tag der erneuten Audienz erschien die junge Frau mit ihrem Blumentopf ohne Pflanze und sah, dass die anderen Bewerberinnen großartige Ergebnisse erzielt hatten. Jede hatte eine Blume und eine war schöner als die andere. Ihre Chance war gleich Null. Dann nahte der entscheidende Augenblick. Der Prinz kam herein und sah eine Bewerberin nach der anderen eindringlich an. Anschließend verkündete er das Ergebnis: Er zeigte auf die Tochter des Gärtners als seine zukünftige Frau. Die anderen Frauen murrten und fragten, weshalb er denn ausgerechnet jene erwählt hatte, der es nicht gelungen war, eine Pflanze zu ziehen. Da erklärte der Prinz ruhig seine Wahl: Sie war die einzige, die eine Blume gezogen hat, die sie würdig macht, Kaiserin zu werden die Blume der Ehrlichkeit. Alle Samen, die ich verteilt habe, waren unfruchtbar und konnten unmöglich Blumen hervorbringen. 4

5 Schneckenrennen (Quelle: Stefan Hammel) Die Schnecken veranstalten ein Wettrennen. Und ein paar Vögeln bleibt der Mund offen stehen, vielmehr ihr Schnabel, wie lange diese feuchten Wesen brauchen, um voranzukommen, und wie langsam sich der Schleim von ihnen löst, wenn sie den Grund befeuchten, auf dem sie gleiten. Sie kommen voran, aber es dauert lange Zeit, bis sie am Ziel sind. Dabei ist so ein Schneckenrennen für die, die sich die Zeit nehmen, eine schöne und lustige Sache. Es gibt viel zu sehen: Wie sie sich recken, um nach vorne zu kommen! Wie sie die glatten, festen Fühler aufrichten, wie sie sie ausstrecken zum Ziel! Wie sich ihre Seiten wellenartig bewegen, um sie voran zu schieben! Jemand sagte, wenn wir die Langsamkeit erspüren lernten, würden wir sehen, wie sich die Schnecken in die Kurven legen! Und es ist wahr: Wer sich die Schnecken schneller wünscht, der kann auch einfach selbst alles langsam wahrnehmen. Dann liegt er bei ihnen richtig. Dann sind sie schnell. Wenn die Schnecken ein Rennen machen, dann sind sie nämlich ganz Bewegung. Von den Fühlern bis zu den Schleimdrüsen und vom Mund bis zum Schwanz treibt alles nach vorne. Sie teilen sich ihre Kraft gut ein. Und wenn sie wollen, dann beschleunigen sie auf der Zielgeraden noch einmal bis sie am Ende schnaufend die Ziellinie durchlaufen. 5