Vom Stakeholdermanagement zur koordinierten Kollaboration. Prof. Dr. Reinhard Riedl

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1 Vom Stakeholdermanagement zur koordinierten Kollaboration Prof. Dr. Reinhard Riedl

2 Das Obama-Problem Yes, we can! Really?

3 Bereits nach 4 Monaten eine Lame Duck? Bilanz Zweifel - Viele Versprechungen des ersten Wahlkampfs nie eingelöst - Tatenlos zugelassen, dass eigener Botschafter ermordet wurde - Steueramt zum Bespitzeln der Gegner benutzt - Wie erfolgreich kann eine Strategie des Ablenkens von Nicht-Erfolg sein? - Obama behandelte Wahlverlierer als Verlierer wird er dadurch selber zum Verlierer? 3

4 Soweit es von Schweiz aus beurteilbar ist, Obamas Problem liegen im Stakeholder-Management FRAGE: Wie macht man es besser?

5 Die grundlegenden zwei Fragen Wer kann den Erfolg meines Vorhabens verhindern? - In der Praxis viele falsche Annahmen - Z.B. Betroffene machen mit, weil das vernünftig ist - Z.B. Beteiligte wissen, worum es geht - Teilweise sogar bizarre Annahmen - Z.B. Betroffene stört es nicht, dass das Vorhaben ihnen schadet Wer könnte mein Vorhaben in der Krise unterstützen? - Auch hier oft falsche Annahmen - Z.B. Risikomanagement kann weitgehend geplant werden - Z.B. Es reicht, wenn ich mich dann um Unterstützung kümmere, wenn ich sie benötige 5

6 ES GIBT VIELE SUBJEKTIVE und oft genug auch OBJEKTIVE GRÜNDE FÜR WIDERSTAND!

7 Simpler Test: Denken sie an ihr aktuell wichtigstes E-Gov Vorhaben Wessen Arbeitswelt verändern sie wie? - Ist dies dokumentiert und analysiert Wem schaden sie damit subjektiv? - Durch Mehraufwand (jenen die es gern gemütlich haben) - Die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen (den Zauderern) - Unklarheiten und Risiken (denen die Klarheit oder Sicherheit schätzen) - Den Zwang Arbeitsabläufe zu ändern (denen die sich ungern ändern) - Weiterbildungsmassnahmen (denen die ungern dazulernen) - Ein die Schau Stehlen (denen, die sich selber gern inszenieren) Was sind die objektiven Kosten und bei wem fallen sie an? - Gesetzesänderungen, Kompetenzaufbau, 7

8 Der simple Test führt zum Werkzeug Wer (Gruppe oder Person) Art der Betroffenheit Einflussmacht Beeinflussbarkeit Wechselwirkung mit anderen Stakeholder-Profil Vorgehen = Für jeden Stakeholder ein Profil anlegen und testen + Handlungsoptionen in Bezug auf das Zusammenspiel der Stakeholder ableiten 8

9 OFT FEHLT BEFÜRWORTERN DAS COMMITMENT. WEIL SIE KEIN VERTRAUEN HABEN!

10 Anspruchsvoller Test: Denken sie an ein wirklich grosses Vorhaben Gibt es einen Konsens, dass die Verantwortlichen - Durch Erfolge in Vergangenheit bewiesen haben, dass sie komplexe Projekte zum Erfolg führen können - Die Fähigkeit besitzen, die breite Unterstützung derer zu gewinnen, die durch das Projekt etwas zu verlieren riskieren - Imstande sind, etwas erfolgreich durchzuführen, was nach allgemeiner Erfahrung an der Autonomie der Akteure scheitern wird Zwischen einer positiven Meinung über einen Akteur und einem echten Vertrauen in diesen Akteur ist ein sehr sehr langer Weg - Vertrauen muss verdient werden 10

11 Der anspruchsvolle Test führt zur Programmstrategie Vertrauen schrittweise aufbauen - Mit Quick Wins starten - Erfolgsgeschichten erzählen - Erfolgreiche Koordinationen autonomer Akteure sammeln - Fortschritt anhand von Zeichnungen kommunizieren - Ehrlich das Scheitern kommunizieren 11

12 Stakeholdermanagement trachtet danach Blockaden zu verhindern und Unterstützer und Vertrauen zu gewinnen!

13 Stakeholder-Management gegenüber Entscheidungsträgern heisst eine Bühne schaffen für den Erfolg eines wichtigen Vorhabens!

14 Alle sollen auf dieser Bühne auftreten Befürworter, Promotoren, Unterstützer Gegner, Bremser, Leidtragenden ALLE potentiell oder tatsächlich Betroffenen und die unabhängigen Experten Stakeholdermanagement organisiert den Dialog auf der Bühne Die Erfolgsgleichung dafür lautet (frei nach Howard Gardener): Erfolg = umfassende Fachkompetenz + integratives Denken + Kreativität + Respekt + Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen 14

15 Obamas Problem: Er will eine Bühne für sich und seine Fans!

16 2 entscheidende Techniken für die Bühne Vernunft - Ziel = inhaltliche Optimierung, die die Risiken minimiert - Vorgehen = das Vorhaben so umgestalten, dass es im Kern nicht beeinträchtigt wird, aber objektiv besser ist für die Stakeholder - Notwendig: Engineering-Kompetenz! Respekt - Ziel = die Betroffenen zum Zuhören und zum Mitdenken zu motivieren - Vorgehen = Demonstration des Respekts für Nicht-Mitmacher/Gegner damit subjektive emotionale Widerstände abgebaut werden - Notwendig: Emotionale Intelligenz! 16

17

18 Respekt muss man selber praktizieren, Vernunft kann man teilweise einkaufen!

19 WARNUNG: Pseudovernünftige Ideen sind beliebt, echte Vernunft ist unpopulär! 19

20 Drei inhaltliche Kompetenzen der Vernunft Erfolg = umfassende Fachkompetenz + integratives Denken + Kreativität + Respekt + Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen - Fachliche Kompetenz ist die Grundvoraussetzung, um beurteilen zu können, ob eine alternative Lösung äquivalent ist oder nicht - Sie schafft das Selbstvertrauen, um Kompromisse eingehen zu können - Zudem: Andersdisziplinäre Fachkompetenz ist wichtig, um Widerstände anderer Fachexperten inhaltlich verstehen zu können - Integratives Denken ermöglicht es, unterschiedliche Perspektiven zu einem Gesamtbild zusammenfügen zu können - Nur so kann man eine gemeinsame Lösung für unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Bedürfnisse finden - Kreativität ist dann gefragt, wenn es darum geht das gleiche Ziel mit anderen und besser akzeptierten Mitteln zu erreichen 20

21 Die grosse Frage: Wer muss wie viel können? Paul Feyerabend (u.a. ETH-Philosophie-Dozent) - Lebenserfahrung ist wichtiger für den Erfolg eines grossen Vorhabens als tiefe Fachkenntnis Howard Gardener (Harvard University) - Ist es möglich, junge Menschen direkt für interdisziplinäres Denken auszubilden, ohne vorhergehende Fachausbildung?? Praxiserfahrung - Projektverantwortliche können nicht das gesamte Fachwissen mitbringen - Sie sollten aber möglichst zügig ein multidisziplinäres Fachverständnis in genügender Tiefe erwerben - Ihre Hauptaufgabe ist integratives Denken und effektive = nutzenorientierte Kreativität 21

22 Kreativität Allgemeiner Konsens: Projektverantwortliche müssen nicht selber kreativ sein, Kreativität aber organisieren können Praxis: Probleme werden nicht erkannt und Kritikern wird nicht zugehört Kreativität wird nicht oder nicht professionell organisiert Paradoxon: Effektive Kreativität braucht einen Rahmen 22

23 Der Kreativitätsrahmen Viel wird über Geschäftsmodelle geredet Wirklich zählt aber anderes: - Bedürfnisse - Nutzen - Machbarkeit Die Strategie definiert die angestrebte Bedürfniserfüllung und den Nutzen - Rahmen für die Kreativität bei der Umsetzung - Technisch, organisatorisch, politisch 23

24 Die Aufgaben der Verantwortlichen sind: Strategischen Rahmen definieren + Probleme Verstehen + Kreativität Organisieren

25 Respekt & Verantwortung Erfolg = umfassende Fachkompetenz + integratives Denken + Kreativität + Respekt + Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen - Respekt verlangt Zuhören und Verstehen Wollen - Sympathie ist hilfreich, aber nicht ausreichend - Notwendig ist Einfühlungsvermögen - Ziel = Dialog, Ergebnis = Kompromiss, nicht umgekehrt - Die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen heisst - Probleme sehen zu wollen - Ursachen für das Scheitern nicht bei anderen suchen - Das Gefühl der Sicherheit vermitteln, um Dialog zu ermöglichen 25

26 Formen des Respekts (1 & 2) Vorab-Einzelgespräche - Vorgehen = Eins-zu-eins-Gespräche mit allen Akteuren, bevor das Vorhaben spruchreif wird bzw. eine Entscheidung ansteht - Wirkung: Das direkte persönliche Gespräch kommuniziert Respekt & Befürchtungen können durch Frage und Antwort ausgeräumt werden Abholen von Einwänden und Wünschen - Vorgehen = Workshops mit Stakeholdergruppen abhalten und deren Positionen einander gegenüber stellen - Alternatives oder ergänzendes Vorgehen: Call for Concerns - Wirkung: Das Abholen bzw. Bedenkeneinholen mach emotional Betroffene zu emotional Beteiligten 26

27 Formen des Respekts (3) Reaktion auf Kritik im grossen Kreis - Vorgehen = auf Kritik respektvoll, kurz und klar antworten - Im Fokus sind nicht die Gegner, sondern die Zuschauer - Eine gute Vorbereitung des Vorgehens ist notwendig und möglich, denn Kritikpunkte sind systematisch antizipierbar (Kotter) - Kritiker sollen explizit eingeladen und zum Sprechen ermutigt werden - Wirkung: Grosse Unterstützung von Seiten der ambivalenten Akteure 27

28 Vielseitige Formen des Respekts (4) Konstruktiver Konfliktdialog - Problem: Die andere Seite reagiert mit Aggression ODER mit Schweigen - Eigenes Vorgehen = Schaffung von Sicherheit für den Gesprächspartner durch Betonung von Respekt und gemeinsamen Interessen - Keine natürlichen Schuldzuweisungen für das Verhalten der anderen + Suche nach einem möglichen guten Grund für dieses Verhalten - Z.B. es gibt gute Gründe, warum Parlament und Verwaltung Zeit brauchen, um Innovationen umzusetzen - Wirkung: Der andere hört zu! 28

29 Der Projektverantwortliche trägt die Verantwortung, dass alle Probleme erkannt und alle Gegner involviert werden.

30 Stakeholdermanagement gegenüber der breiten Masse heisst eine Epedemie starten!

31 Drei Gruppen von Schlüsselpersonen (nach Gladwell) Weak Links - Menschen mit vielen schwachen Beziehungen - Gut genug, um das Wissen und die Motivation des Links zu kennen - Aber auch zahlreich - Typischerweise Menschen, den gerne einen Abend im Gespräch mit einem/einer interessanten Fremden verbringen Experten - Menschen die Spezialisten für eine Domäne sind UND gerne nützliche Antworten auf Fragen geben Verkäufer - Menschen, die beim Verkauf zuallererst den Kunden glücklich machen wollen UND dies über ihre direkten Verkaufsinteressen stellen 31

32 Erfolgreiche E-Government-Projekten benötigen alle drei Weak-Links ohne Eigeninteressen - Aber mit Begeisterung für E-Government Experten ausserhalb des Projekts - Um Fragen von allen jenen zu beantworten, die nicht zu den Kernakteuren angehören Verkäufer ohne Missionierungswunsch - Um Vertrauen zu stiften 32

33 Das verlangt soziale Investitionen Experten und Verkäufer müssen langfristig aufgebaut werden - Objektivität und kritisches Denken bringt langfristigen Nutzen - Risikos sollten klar kommuniziert werden - Bedürfnisse und Nutzen sollten im Zentrum der Diskussion stehen Weak-Links sollten bewusst involviert werden - Sie positiv motivieren heisst viele positiv motivieren 33

34 Eine vierte wichtige Gruppe Feedback durch erfahrene Menschen ohne spezifischen Fachhintergrund - Erster Test ob die Geschichte stimmt und verständlich ist - Häufig präzise Zukunftsprognosen von Nicht-Experten! Ich persönliche prüfe Ideen gerne mit Alt UND Jung - Alte Manager - Junge Künstler 34

35 Zusammenfassung 2 Fragen: Mögliche Behinderer? Mögliche Unterstützer? 2 Tests: Stakeholderbild? Breites Vertrauen? 2 Techniken: Vernunft! Respekt! 4 projektexterne Schlüsselakteure: Weak Links, Experten, Verkäufer, unvoreingenommene Berater 35

36 Ausblick Für eine Kollaboration autonomer Behörden braucht es mehr - Gegenseitige Abhängigkeit erkennen - Gemeinsame Vision entwickeln - Vertrauen schrittweise aufbauen Der Nebeneffekt ist - Erfolgsgeschichten für andere Vorhaben 36

37 +++Der ideale Stakeholder-Manager+++?

38 Nein, denn Zusammenarbeit produziert bessere Resultate als der beste Spezialist doch sie braucht Moderation mit Fachexpertise!

39 Nur das Zusammenarbeiten ALLER Akteure liefert nachhaltigen Erfolg! Merci