Verlag Hans Huber, Psychologie Lehrbuch. Bodenmann Lehrbuch Klinische Paarund Familienpsychologie

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2 Bodenmann Lehrbuch Klinische Paarund Familienpsychologie Verlag Hans Huber, Psychologie Lehrbuch Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich Prof. Dr. Dieter Frey, München Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen Prof. Dr. Hans Spada, Freiburg i. Br. Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.

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4 Guy Bodenmann Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie Verlag Hans Huber

5 Programmleitung: Tino Heeg Lektorat: Michael Herrmann, Corralejo Herstellung: Jörg Kleine Büning Umschlaggestaltung: Claude Borer, Basel Druckvorstufe: Claudia Wild, Konstanz Druck und buchbinderische Verarbeitung: FINIDR, Český Těšín Printed in Germany Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. 1. Auflage by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern (E-Book-ISBN[PDF] ) (E-Book-ISBN[EPUB] ) ISBN

6 5 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 11 Zur aktuellen Lage von Partnerschaft und Ehe 11 Sind feste Paarbeziehung und Ehe am Ende? 14 Familiäre Diversität und ihre klinisch-psychologische Bedeutung Klinisch-psychologische Bedeutung von Partnerschaft und Ehe 19 Heutige Einstellungen zu Partnerschaft und Ehe 20 Die Suche nach dem ewigen Glück 20 Suche nach Geborgenheit als Grundbedürfnis 21 Partnerschaft, um gesünder und länger zu leben 23 Wie gut funktionieren Partnerschaften? 23 Wie zufrieden sind Paare mit ihrer Beziehung? 23 Wie sieht der Verlauf der Zufriedenheit aus? 25 Voraussetzungen einer dauerhaft glücklichen Partnerschaft 27 Welche Rolle spielt die Liebe? 28 Was ist Liebe? 28 Neuere psychologische Ansätze zur Liebe 31 Neuropsychologie der Liebe 33 Liebe ist interindividuell unterschiedlich 35 Definition von Partnerschaftsstörungen 37

7 6 Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie 3. Psychische Störungen und Partnerschaft 41 Partnerschaftsstatus und Befinden 42 Partnerschaftsqualität und Befinden 45 Gesundheitsprobleme und Störungen eines Partners als «we-disease» 48 Partnerschaftsqualität und psychische Störungen 55 Partnerschaftsqualität und Depressionen 55 Dyadische Interaktion und Depression 57 «Expressed emotion» und Depression 58 Dyadisches Coping bei Paaren mit einem depressiven Partner 60 Sexualität bei Paaren mit einem depressiven Partner 61 Was kommt zuerst: Depression oder Unzufriedenheit in der Partnerschaft? 62 Partnerschaftsqualität und Essstörungen 63 Partnerschaftsqualität und Angststörungen Psychische Störungen bei Kindern und die Rolle der Familie 71 Prävalenz psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter 71 Störungsentstehung bei Kindern und Jugendlichen 75 Interaktion zwischen Anlage und Umwelt als Störungsdisposition 77 Die Familie als wichtigste Sozialisationsinstanz 78 Dimensionen familiären Funktionierens 85 Wichtigste familiäre Risikofaktoren für kindliche Störungen 86 Störungen der Eltern und kindliche Störungen 89 Tabuisierung und Loyalitätskonflikt 95 Parentifizierung 96 Bindung und Störungen bei Kindern und Jugendlichen 97 Schwerpunkte der Bindungsforschung 97 Die Rolle der Sensitivität bei psychischen Störungen 103 Bindungserfahrungen und emotionale Sicherheit 105 Häufigkeit der Bindungsstile 106 Zusammenhänge zwischen Bindungsstil und kindlichen Auffälligkeiten 107 Mechanismen der Bindungserfahrung und Psychopathologie 112

8 Inhaltsverzeichnis 7 Erziehung und Störungen bei Kindern und Jugendlichen 116 Ungünstiges Erziehungsverhalten 117 Ungünstige Erziehungseinstellungen und -stile 128 Erziehung, Medienkonsum und die Folgen 133 Wechselspiel zwischen Eltern und Kind 136 Partnerschaftskonflikte, Interaktionsstile und Kommunikation 140 Netter Umgang im Alltag 145 Positive emotionale Selbstöffnung 146 Konstruktive Konfliktkommunikation 147 Dyadisches Coping 148 Ursachen von Partnerschaftskonflikten 149 Folgen von Partnerschaftskonflikten 150 Folgen für Kinder und Jugendliche 151 Folgen für das psychische Befinden des Kindes 153 Folgen bei Gewalt zwischen den Eltern 155 Folgen für das Leistungsverhalten des Kindes 157 Folgen für das somatische Befinden des Kindes 159 Prozessmodell der Folgen für das kindliche Befinden 160 Reziprozität der Einflüsse Scheidung und ihre Bedeutung für die Familie 167 Modelle zum Verständnis von Scheidungen 167 Kognitiv-lerntheoretisches Scheidungsmodell 167 Austauschtheoretische Scheidungsmodelle 168 Sozialphysiologisches Scheidungsmodell 173 Stresstheoretisches Scheidungsmodell 175 Integrative Scheidungsmodelle 181 Empirische Befunde zu Risikofaktoren für eine Scheidung 183 Persönlichkeitsmerkmale 183 Kompetenzdefizite 186 Kommunikationsdefizite 186 Defizite der Problemlösekompetenz 188 Defizite im dyadischen Coping 190 Scheidungsfolgen für Erwachsene 191

9 8 Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie Scheidungsfolgen für Kinder 195 Mediatoren der Scheidungsfolgen 200 Adaptationsanforderungen infolge einer Scheidung 202 Geschlechtsunterschiede bei Scheidungsfolgen 204 Altersunterschiede bei Scheidungsfolgen 204 Scheidungsfolgen abhängig von der Situation danach 206 Scheidungsfolgen und die Rolle der Väter 208 Die «positive» Scheidung 212 Längerfristige Scheidungsfolgen für die eigene spätere Partnerschaft 214 Scheidung bei zufriedenen Paaren Familiäre Gewalt 225 Formen von Gewalt in der Familie 225 Gewalt in der Partnerschaft 226 Definition partnerschaftlicher Gewalt 226 Prävalenz der Gewalt in Paarbeziehungen 227 Offene versus verdeckte Gewalt 230 Geschlechtsunterschiede in der Gewaltausübung 232 Ursachen für Gewalt in der Partnerschaft 234 Auswirkungen von Gewalt auf die Paarbeziehung 238 Gewalt zwischen Partnern und ihre Folgen für das Kind 239 Häusliche Gewalt gegen Kinder 240 Definition 240 Prävalenz 241 Ursachen 244 Folgen von Strafen Familie als Resilienzfaktor 251 Konstrukt und Definition der Resilienz 251 Individuelle und familiäre Resilienzfaktoren 252

10 Inhaltsverzeichnis 9 8. Prävention im Rahmen von Partnerschaft und Familie 257 Prävention oder Beziehungspflege bei Paaren 259 Gründe für Prävention bei Paaren 260 Präventionsformen und -programme bei Paaren 260 Prävention bei Paaren mit schweren Erkrankungen 263 Prävention bei werdenden Eltern 264 Prävention bei Patchworkfamilien 265 Prävention mittels DVD und Internet 267 Wirksamkeit von Präventionsprogrammen für Paare 269 Wirksamkeit von DVD und Internet 272 Wirksamkeit von Prävention bei Paaren mit einer schweren Krankheit 273 Prävention oder Beziehungspflege bei Familien 274 Förderung der elterlichen Sensitivität 275 Wirksamkeit von Trainings der elterlichen Sensitivität 276 Förderung von Erziehungskompetenzen 277 Triple P 278 Wirksamkeit von Elterntrainings Paartherapie 283 Paartherapie bei Partnerschaftsstörungen 284 Reziprozitätstraining Erhöhung der Positivität im Alltag 286 Kommunikations- und Konfliktlösetraining 287 Problemlösetraining 288 Kognitive Methoden 289 Akzeptierungsarbeit 289 Bewältigungsorientierte Interventionen 290 Wirksamkeit der Paartherapie 291 Paartherapie bei psychischen Störungen 293 Paartherapie bei Depressionen 293 Wirksamkeit der Paartherapie bei Depressionen 298 Paartherapie bei anderen psychischen Störungen 299 Paartherapie zur Behandlung somatischer Störungen 299

11 10 Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie 10. Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen 303 Merkmale der Verhaltenstherapie 304 Der Segeltörn als Metapher 307 Einbezug der Eltern und wichtiger Bezugspersonen in die Behandlung der Kinder 308 Wirksamkeit der Verhaltenstherapie 311 Literaturverzeichnis 313 Sachwortverzeichnis 351

12 11 1. Einführung In diesem Buch soll die Bedeutung von Partnerschaft und Familie für die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen in verschiedenen Facetten beleuchtet werden. Aufgrund der hohen Komplexität des Themas und der vielen Teilgebiete wird es allerdings nicht möglich sein, das Gebiet auch nur annähernd re - präsentativ darzustellen, geschweige denn es erschöpfend zu diskutieren. Vielmehr sollen einzelne wichtige Aspekte aufgegriffen, einige vertiefter dargestellt und ein Blick für die insgesamt hochrelevante Funktion von engen dyadischen oder familiären sozialen Beziehungen im Rahmen der Klinischen Psychologie geschärft werden. Ihre Bedeutung soll im Rahmen von Störungen bei Personen in Partnerschaft ebenso thematisiert werden wie für die Kinder. Es wird gezeigt, dass ein individuumzentriertes Störungsverständnis bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu kurz greift und dass die sozialen Aspekte des bio-psycho-sozialen Störungsmodells nach wie vor zu kurz (häufig nur in Bezug auf soziale Unterstützung) kommen und ihr Potenzial für das Verständnis von Störungen und deren Behandlung nicht ausgeschöpft wird. Doch betten wir die Thematik zuerst in die gesamtgesellschaftliche Situation der heutigen Partnerschaften und Familien ein, um ein Verständnis für die Ambivalenz zwischen Ideal vorstellungen und realem Kontext zu erhalten und die Rolle der Beziehung in ihrem Zusammenspiel mit Störungen verstehen zu können. Zur aktuellen Lage von Partnerschaft und Ehe Seit Jahren wird in den westlichen Industrieländern über Scheidungsraten berichtet, die in Europa und den USA gleichermaßen auf hohem Niveau fluktuieren (z. B. Fincham & Beach, 2010; Bramlett & Mosher, 2002; Eurostat, 2009; Bundesamt für Statistik, 2010). Während die Anzahl Scheidungen vor allem ab den 70er- Jahren des 20. Jahrhunderts signifikant anstieg, zeigte sich in den vergangenen Jahren eine Stagnation auf hohem Niveau mit einem leichten Rückgang in Deutschland (siehe Abbildung 1-1) und Österreich, während in der Schweiz keine direkte Abnahme sichtbar wird.

13 12 Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie Häufigkeit in Tausend ,5 103,9 179, ,4 169,4 175,6187,8 154, Die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung liegt heute in westlichen Industriestaaten bei % ( Cherlin, 2010). So wurden in Deutschland im Jahre ,1 % (2,3 pro 1000 Einwohner), in Österreich 46 % und in der Schweiz 47,7 % Ehen aufgelöst. Im Jahre 2010 waren es 43 % in Österreich (2,1 pro 1000 Einwohner) und 54,4 % in der Schweiz (2,8 pro ,5 190,6 194, ,7 204,2 Abbildung 1-1: Scheidungsverlauf von 1970 bis 2010 in Deutschland (Statistisches Bundesamt, Deutschland, 2012) Merke! Die Scheidung ist in westlichen Nationen zu einem häufigen Phänomen geworden. Obgleich diese relative Scheidungsrate von der Anzahl geschlossener Ehen im selben Messzeitraum abhängt, ist das Maß doch indikativ, da sich die Eheschließungen in den vergangenen Jahren zwar verringert haben, sich aber auf einem relativ stabilen Niveau plus/ minus Standardabweichung bewegen. 201,7 190,9 187,1 191,1 185, Einwohner). Damit ist es seit mehr als 10 Jahren wahrscheinlicher, dass eine Ehe durch Scheidung als durch Tod beendet wird (Pinsof, 2002). Bei nicht verheirateten Paaren scheint die Trennungsrate noch höher zu sein, wie die U. K. Millennium Cohort Study zeigt, der zufolge sich 35 % der unverheirateten Eltern vor dem fünften Geburtstag ihres Kindes trennten, gegenüber 9 % der verheirateten Eltern (Callan et al., 2006). Laut Statistik finden die meisten Scheidungen im Durchschnitt nach Ehejahren statt. In Deutschland lag die durchschnittliche Ehedauer im Jahre 2010 bei 14,2 Jahren, in Österreich bei 10,5 Jahren und in der Schweiz bei 14,5 Jahren. Zwischen 1970 und 2010 haben sich dabei bezüglich der Dauer bis zur Scheidung einige interessante Veränderungen ergeben (siehe Abbil-

14 1. Einführung Jahre und mehr 10,4 % Jahre 9,6 % Jahre 17 % 7 9 Jahre 16,6 % 0 Jahre 1,4 % 1 2 Jahre 14,3 % 3 4 Jahre 16,5 % 5 6 Jahre 14,2 % 20 Jahre und mehr 27,2 % Jahre 14,7 % 0 Jahre 0 % Jahre 19,1 % 3 4 Jahre 9,4 % 1 2 Jahre 3,7 % 5 6 Jahre 11,1 % 7 9 Jahre 14,8 % 1970 Abbildung 1-2: Durchschnittliche Ehedauer in den Jahren 1970 und 2010 (Statistisches Bundesamt, Deutschland, 2012) 2010 dung 1-2). So haben die Scheidungen bei kurzen Partnerschaften abgenommen, während die Instabilität länger dauernder Ehen (mehr als 20 Ehejahre) signifikant zugenommen hat. Während 1970 in Deutschland 10,4 % Ehen nach 20 und mehr Jahren geschieden wurden, waren es 2010 fast dreimal so viele Paare, die ihre Ehe nach dieser Zeitspanne auflösten (27,2 %). Die stärksten Veränderungen finden sich somit deutlich in den kurzen Ehen (1 2 Jahre), die seltener geschieden werden, und in den längeren Ehen, die heute signifikant häufiger durch Scheidung beendet werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Österreich, wo ,9 % und ,8 % der längeren Ehen geschieden wurden (Eurostat, 2012). In der Schweiz lösten sich ,5 %, im Jahre ,1 % der Ehen mit einer Dauer von 20 Jahren und mehr auf (Bundesamt für Statistik, 2012). Die Zunahme der Instabilität in der Gruppe der langjährigen Ehen ist damit im gesamten deutschen Sprachraum sichtbar. Merke! Rund jede dritte bis zweite Ehe wird in West- und Nordeuropa und in den USA gegenwärtig durch Scheidung beendet. In den vergangenen 40 Jahren hat sich das Scheidungsrisiko mehr als verdoppelt. Während die Scheidungshäufigkeit bei kürzeren Ehen abgenommen hat, stieg sie vor allem bei Paaren mit mehr als 20 Ehejahren.