WERTLOSE IMMOBILIEN IN DER FALSCHEN KOMMUNE?
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- Juliane Hafner
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1 WERTLOSE IMMOBILIEN IN DER FALSCHEN KOMMUNE? Möglichkeiten für Kommunen zum Umgang mit oder zur Übertragung von radonbelasteten Grundstücken Christiane Conrads, LL.M Rechtsanwältin DLA Piper 1. Deutsches Radon-Symposium München, 15. Oktober 2015
2 RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND I/II Derzeit keine gesetzlichen Grenzwerte für Radonbelastungen in Gebäuden, Bodenluft oder Wasser Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Begrenzung der Radonbelastung in Gebäuden (2004): Identifizierung und Sanierung stark belasteter Gebäude (möglichst 100 Bq/m³) Sanierungszeiträume abhängig von Belastungshöhe (1.000 Bq/m³: 3 Jahre, unterhalb 400 Bq/m³: 10 Jahre); Neubauten: Radonbelastung von unter 100 Bq/m³ Kritik: Erhebliche Vorbehalte in den Bundesländern; Eigentümerschutz- Gemeinschaft Haus & Grund kritisierte einseitige Kostenbelastung für Wohnungsvermieter Empfehlungen des BfS und BMUB: Zielwert 100 Bq/m³ (= Indizwirkung) 15. Oktober
3 RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND II/II Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe: Allg. Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gem. I Abs. 6 Nr. 1 BauGB; Kennzeichnungspflicht nach 9 Abs. 5 BauGB Maßgebl. Rspr. zu Radonbelastung von Immobilien: AG Aue, Urteil vom , Az. 3 C 0366/07: ab Richtwert von 400 Bq/m³ bei Wohnräumen Sachmangel der Mietsache BGH, Urteil vom , Az. V ZR 30/08: Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdendem Potenzial im Rahmen der üblichen Nutzung der Sache auftreten. BVerfG, Beschluss vom , Az. 1 BvR 1711/94: Die rechtliche Beurteilung von Gesundheitsrisiken kann sich auch nachträglich ändern, wenn eine neue wissenschaftliche Risikobeurteilung zur Änderung von solchen Grenzwerten führt. 15. Oktober
4 RADON-RICHTWERTE IN WOHNRÄUMEN 15. Oktober
5 RECHTSLAGE IN EUROPA Empfehlungen der EU-Kommission zum Schutz der Bevölkerung vor Radonbelastungen innerhalb von Gebäuden (21. Februar 1990): Eingreifwert Bestandsgebäude: 400 Bq/m 3 Planungswert Neubauten: 200 Bq/m 3 Richtlinie 2013/59/EURATOM (5. Dezember 2013): Umsetzung bis 6. Februar 2018 in nationales Recht durch Festlegung von Referenzwerten und Maßnahmenkatalogen: Arbeitsplatz (Art. 54): grds. Innenräume max. 300 Bq/m 3 ; verpflichtende Messungen bei best. Arbeitsplätzen Innenräume (Art. 74): max. 300 Bq/m 3 Maßnahmenplan (Art. 103): Bereitstellung von Informationen über Gesundheitsrisiken, Messungen und Sanierungsmaßnahmen Detaillierte Regelungen des deutschen Rechts stehen noch nicht fest 15. Oktober
6 WAS IST ZU TUN? Trotz Rechtsunsicherheit besteht aufgrund der Indizwirkung von Empfehlungen und gerichtlichen Entscheidungen sowie der EURATOM- Richtlinie schon heute Handlungsbedarf für Vermieter und Verkäufer: 1. Fundierte Risikoanalyse in technischer Hinsicht bei Immobilien innerhalb radonbelasteter Regionen des BfS ggf. Messung von konkreter Radonbelastung des Objekts Ermittlung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen und -kosten 2. Anpassung von Haftungs- und Gewährleistungsklauseln in Mietund Kaufverträgen auf den Einzelfall angepasste Regelungen empfehlenswert 15. Oktober
7 RADONBELASTUNG IN DEUTSCHLAND Ungefähr 5-10 % aller Wohnungen weisen in Aufenthaltsräumen Werte über 100 Bq/m³ und etwa 0,04 % Werte über 1000 Bq/m³ auf Während in der norddeutschen Tiefebene Konzentrationen über 100 Bq/m³ nur selten vorkommen werden, sind in Teilen der Mittelgebirge einige 10 % der Gebäude betroffen 15. Oktober Quelle:
8 BEISPIEL FÜR BELASTUNGEN IN GEBÄUDEN (Quelle Bild: blob=publicationfile&v=3) 15. Oktober
9 MESSUNG VON BELASTUNGEN IN GEBÄUDEN Einfach zu handhabende Messgeräte (sog. Radon-Dosimeter) in der Größe eines Yoghurtbechers Empfehlung: 3-monatige Messung während der Heizperiode bzw. Ganzjahresmessung Messung vorzugsweise in Wohnund Schlafräumen im untersten Wohngeschoss bzw. im Keller Kosten: ab ca. EUR 40 inkl. Auswertung im Labor (Quelle Bild: Oktober
10 MAßNAHMEN ZUR REDUZIERUNG DER RADON- BELASTUNG IN GEBÄUDEN Regelmäßiges Lüften, evtl. mit mechanischer Unterstützung (insbes. Ventilatoren in Kellerräumen) Versiegelung möglicher Eintrittsstellen im Keller, d.h. Verfüllung von Rissen und Fugen in der Bodenplatte sowie den Wänden des Kellers mit geeigneten Materialien wie Silikon oder Beton Einbau spezieller Kellertüren (insbes. automatische Türschließer, besondere Dichtungen, Abdichtung von Installationskanälen) Präventive Maßnahmen für Neubauten: durchgehende Bodenplatte statt Streifenfundament; mech. Luftabführung im Unterbau; radondichte Folie unter Bodenplatte; Abdichtung von Leitungen (Wasser, Elektrizität, TV etc.), abgeschlossene Treppenhäuser 15. Oktober
11 SANIERUNGSKOSTEN Mehrkosten von 20 /m² überbauter Fläche bei Neuerrichtung und grundlegenden Sanierungen von Einfamilienhäusern In der Regel bereits hervorragende Sanierungsergebnisse ab 3000 bei Altbauten (Quelle Bild: Oktober
12 KOSTEN EINZELNER MAßNAHMEN Sanierungsverfahren Isolierung der Bodenplatte einschließlich Drainagerohrsystem im Kiesbett zum Radonschutz bei Neubauten Kosten /m 2 Kellerentlüftung/Unterdruckhaltung Hohlraumentlüftung unter Fußböden Kellerabdichtung einschließlich gasdichter Tür Unterdruckhaltung durch Punktabsaugung (Radonbrunnen) Fußbodenabdichtung mit Noppenfolie und Flächenabsaugung unter der Dichtfolie /m 2 dsgl. inkl. horizontaler Dichtung der Wände /m 2 Horizontale Wand- und Fußbodenabdichtung mit Unterdruckhaltung unter der Bodenblatte durch Drainagesystem im Kiesbett Bis /m 2 Umfassende Sanierung in sehr schwierigen Fällen (z.b. sehr altes denkmalgeschütztes Gebäude) Bis Quelle: Oktober
13 BESONDERHEITEN BEI IMMOBILIENTRANSAKTIONEN Erhebliche wirtschaftliche Risiken für Vermieter und Verkäufer radonbelasteter Immobilien Aufklärung des Vertragspartners bei Vertragsabschluss: Insbesondere vor dem Hintergrund (bislang) fehlender Rechtsprechung und gesetzlicher Grenzwerte für Radonbelastung ist zu einer privatautonomen Zuordnung der finanziellen Risiken in Miet- und Kaufverträgen nach vorheriger Risikoanalyse dringend zu raten Reduzierung des Haftungsrisikos: Vereinbarung von entsprechenden Haftungs- und Gewährleistungsklauseln; Grenze: AGB-Recht Vereinbarung von Pflichten zur Duldung von Sanierungsmaßnahmen im Mietvertrag Freistellungspflicht im Kaufvertrag 15. Oktober
14 RECHTE DES MIETERS I/II Rechte des Mieters bei Mängeln: Minderung bis zu 100 % ( 536 BGB) Außerordentliches Kündigungsrecht ( 543 BGB) Anspruch auf Mängelbeseitigung oder Aufwendungsersatz ( 536a BGB); ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbar Schadensersatz ( 536a BGB) und Schmerzensgeld ( 253 BGB) Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses bei argl. Verschweigen des Mangels bei Vertragsschluss ( 536d BGB) Haftungsfalle für Vermieter: 536a Abs. I BGB sieht kein Verschuldenserfordernis für anfängliche Mängel vor (Ausschluss auch in AGBs möglich) 15. Oktober
15 RECHTE DES MIETERS II/II BVerfG: "selbstverständlich" müssen Mietwohnungen ohne Gesundheitsgefahren nutzbar sein (1 BvR 1711/94) Verringerte Anforderungen an die Beweislast: Mietobjekt schon mangelhaft, wenn und weil es nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung genutzt werden kann (OLG Hamm, 30 U 20/01) Überschreiten/Erreichen anerkannter Grenzen für die Belastung mit einem bestimmten Gefahrstoff nicht erforderlich (aber ausreichend) für Mietmangel d.b., schon vor Umsetzung der EURATOM-Richtlinie stellt Radonbelastung Mangel dar 15. Oktober
16 BEISPIEL: HAFTUNGSKLAUSEL MIETVERTRAG (AUSZUG) Die Mietsache wird in dem Zustand überlassen, in dem sie sich bei Beginn des Vertragsverhältnisses befindet. Dem Mieter ist der Zustand bekannt. Dem Mieter ist insbesondere eine Radonkonzentration der Raumluft oberhalb eines Wertes von [ ] Bq/m³ bekannt. Diese Radonbelastung sowie bei Mietbeginn etwa sonstige vorhandene Mängel sind bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt. Weitergehende Rechte insbesondere Sanierungs- und Schadensersatzansprüche des Mieters sind ausgeschlossen. Erforderliche Maßnahmen zur Verringerung der Radonbelastung wie etwa ausgiebiges Lüften wurden mit dem Mieter eingehend besprochen. 15. Oktober
17 BEISPIEL: DULDUNGSPFLICHT MIETVERTRAG (AUSZUG) "Der Vermieter ist berechtigt jedoch nicht verpflichtet jederzeit Maßnahmen zur Verringerung der Radonbelastung der Mietsache bis zu einem Wert von [ ] Bq/m³ vorzunehmen. Derartige Maßnahmen hat der Mieter zu dulden, ein Anspruch auf Mietminderung und/oder Kündigung ist insoweit ausgeschlossen; sonstige Rechte des Mieters bleiben unberührt. Diese Duldungspflicht besteht nicht, soweit die Durchführung dieser Sanierungsmaßnahmen für den Mieter eine unbillige Härte bedeuten würde. Sanierungsmaßnahmen nach dieser Regelung hat der Vermieter so auszuführen, dass der Geschäftsbetrieb des Mieters möglichst gering beeinträchtigt wird. 15. Oktober
18 VERTRAGSGESTALTUNG AUS MIETERSICHT Mieter begehrt Einhaltung einer bestimmten Obergrenze: Festlegung im Vertragswerk, ab welchem Wert ein Mangel gegeben ist (u.u. je nach Region kann dies ein Wert ab 20 Bq/m³ sein) Laufende Kontrollen der tatsächlichen Belastung der Räume (u.u. durch die Hausverwaltung) Anspruch auf Sanierungsmaßnahmen auf Kosten des Vermieters Möglichst geringe Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs bzw. der Wohnungsnutzung durch Sanierungsmaßnahmen Kostentragungsregelung bei Verhaltensvorgaben (z.b. für erhöhte Heizkosten bei Lüftvorgaben) Sale-and-Lease-Back-Transaktion: bes. Verhandlungsgeschick erforderlich, wenn Belastung bei Vertragsschluss bekannt 15. Oktober
19 RECHTE DES KÄUFERS I/II Rechte des Käufers bei Mängeln: Rückabwicklung des Kaufvertrags ( 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB) Heranziehung zu Sanierungsmaßnahmen ( 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB) Schadensersatz für Sanierungskosten und behördliche Inanspruchnahme ( 433, 434, 437 Nr. 3, 280, 281 BGB) Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses bei argl. Verschweigen des Mangels bei Vertragsschluss ( 444 BGB) Aufklärungspflicht des Verkäufers: BGH-Rechtsprechung zur Offenbarungspflicht für bei Bauerrichtung übliche, mittlerweile aber als gesundheitsschädlich erkannte, Baustoffe ist anwendbar 15. Oktober
20 RECHTE DES KÄUFERS II/II Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdendem Potenzial im Rahmen der üblichen Nutzung der Sache begründen Sachmangel Haftung ergibt sich aus der Gefährlichkeit des Stoffs und der Wahrscheinlichkeit eines möglichen Austritts Für den Sachmangel kommt es nicht auf Baujahr an, sondern (in Ermangelung einer Beschaffenheitsvereinbarung) darauf, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Immobilie als uneingeschränkt geeignet für die gewöhnliche/nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung ansieht (BGH, Urteil vom V ZR 30/08 ) NICHT ausschlaggebend: Zeitpunkt der Errichtung (ob damals Radon als Problem angesehen wurde, spielt heute keine Rolle) 15. Oktober
21 BEISPIEL: HAFTUNGSKLAUSEL KAUFVERTRAG (AUSZUG) Der Kaufgegenstand wird in seinem am Stichtag bestehenden Zustand gekauft; der Käufer erkennt diesen Zustand als vertragsgerecht an. Alle Rechte und Ansprüche des Käufers wegen etwaiger Sachmängel des Kaufgegenstands, gleich aus welchem Rechtsgrund, sind ausgeschlossen, soweit nicht in diesem Grundstückskaufvertrag anders vereinbart. Dem Käufer ist die Radonkonzentration der Raumluft des Kaufgegenstands oberhalb eines Wertes von [ ] Bq/m³ bekannt und erkennt diesen Zustand als vertragsgemäß an. Die Radonbelastung wurde bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Weitergehende Rechte des Käufers sind ausgeschlossen. 15. Oktober
22 BEISPIEL: FREISTELLUNGSKLAUSEL KAUF- VERTRAG (AUSZUG) Der Käufer stellt den Verkäufer von allen öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Verpflichtungen und von allen sonstigen Nachteilen in Bezug auf die Radonbelastung des Kaufgegenstands auch für die Vergangenheit umfassend frei, insbesondere von Verpflichtungen zur Untersuchung, Überwachung, Sicherung, Sanierung oder Entsorgung von Umweltschäden und von den damit verbundenen Kosten [sowie von etwaigen Ansprüchen von Mietern des Kaufgegenstands]. 15. Oktober
23 VERTRAGSGESTALTUNG AUS KÄUFERSICHT Gutachterliche Klärung der Risikolage Abschätzung der Risiken in einer sog. Environmental Due Diligence Anpassung des Kaufvertrags Berücksichtigung etwaiger Risiken bei Kaufpreisermittlung Verpflichtung des Verkäufers zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen und/oder Tragung der Kosten Freistellungsverpflichtung des Verkäufers für öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Inanspruchnahmen 15. Oktober
24 RADON UND GREEN BUILDINGS Green Buildings: nach nachhaltigen Gesichtspunkten errichtete, bewirtschaftete oder genutzte Immobilien Nachhaltigkeit heißt größtmögliche Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte Großer Fokus auf gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen Spätestens mit Umsetzung der EUROTOM- RL Radonbelastung hier relevant: Anpassung von Gebäudezertifizierungssystemen zu erwarten Radonbelastung wird zunehmend eine Rolle bei Miet- und Bewirtschaftungsverträgen spielen 15. Oktober
25 FAZIT 1. Fundierte Risikoanalyse in technischer Hinsicht bei Immobilien innerhalb radonbelasteter Regionen des BfS ggf. Messung von konkreter Radonbelastung des Objekts Ermittlung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen und -kosten bei Überschreiten von Grenzwerten der EURATOM-Richtlinie 2. Anpassung von Haftungs- und Gewährleistungsklauseln in Miet- und Kaufverträgen an den jeweiligen Einzelfall Aufklärung des Vertragspartners und Berücksichtigung bei Kaufpreis/Miete Vereinbarung von entsprechenden Haftungs- und Gewährleistungsklauseln; Grenze: AGB-Recht Duldungspflichten in Mietverträgen Freistellungspflichten für zivilrechtliche und ö.-r. Inanspruchnahme in Kaufverträgen 15. Oktober
26 IHR ANSPRECHPARTNER Christiane Conrads, LL.M. Rechtsanwältin Counsel T christiane.conrads@dlapiper.com 15. Oktober
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