Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün 2
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- Bettina Becke
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1 Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün, Christian Scherf, Dr. Frank Wolter Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün 2, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung WZB ggmbh / Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin Dipl.-Soz. tech. Christian Scherf, Dr. Frank Wolter, Der Mobilitätsmarkt ist in Bewegung, industriepolitischer und wettbewerblicher Druck, technologische Sprünge, wachsende ökologische Herausforderungen, neue Angebote und Veränderungen des Nutzerverhaltens bewegen den Markt. Innovationen entstehen an Schnittstellen zwischen verschiedenen Verkehrsträger, in der Verbindung von Mobilität mit Informations- und Kommunikationstechnologie sowie im Zusammenspiel mit der regenerativen Energieversorgung. Die Zukunft wird elektrisch, vernetzt und grün. Kaum etwas ist scheinbar so selbstverständlich geworden wie die alltägliche Mobilität. Sei es der morgendliche Arbeitsweg, das Abholen der Kinder oder die Einkaufsfahrt: Jenseits von besonderen Vorkommnissen denken wir kaum über unsere Mobilität nach. Doch langsam, aber stetig wandelt sich das Verhältnis zu den Verkehrsmitteln. Als nahezu unverrückbar geltende Grenzen verschieben sich; neue Möglichkeitsräume entstehen. Fest macht sich das insbesondere beim Auto: Eben noch privates Prestigeobjekt und einziger Garant von Freiheit und Selbstbeweglichkeit, ist es oft nur noch eine Option von vielen und steht zunehmend für das Leihfahrzeug an der Ecke. Buchungsfreie und stationslose Carsharing-Systeme machen es möglich. Dahinter steht ausgerechnet die Autobranche, die statt Fahrzeuge nun Selbstfahrdienste von A nach B anbietet elektronisch vernetzt auf Basis von Smartphones, versteht sich. Der Automobilbau ist jedoch nicht die einzige Branche, die in Zukunft neue Wege gehen könnte. Eine Mischung aus technischer Digitalisierung, sozialer 2 Der Beitrag ist eine Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Bahn Fachverlag ( Die Erstveröffentlichung erfolgte in Deine Bahn, 05/2014, S ( 20
2 Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün, Christian Scherf, Dr. Frank Wolter Individualisierung und wirtschaftlicher Liberalisierung verändert auch den öffentlichen Verkehr fundamental, was in seiner Tragweite vielleicht erst rückblickend deutlich werden wird. Doch wie mag sie aussehen, die neue Verkehrswelt? Vernetzte Elektromobilität Klimawandel und endliche Ressourcen zwingen zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Dies gilt auch für den Verkehr, der wie kaum ein anderer Sektor vom Erdöl abhängt. Eine Energiewende ohne Verkehrswende ist undenkbar, die Verknüpfung erneuerbarer Energien mit Elektromobilität naheliegend. Besonders Städte bieten aufgrund kurzer Wege und hoher Dichte gute Bedingungen für Elektrofahrzeuge auf vier oder auch auf zwei Rädern, wie die Beliebtheit von Elektrorädern, so genannter Pedelecs zeigt. Schnellradwege eröffnen neue Dimensionen des Radfahrens, nicht nur im Flachland. Doch die städtische Infrastruktur passt sich auch dem Elektroauto an. Die bunten Ladesäulen, die in einigen Großstädten aus dem Boden schießen, könnten bald schon wieder der Vergangenheit angehören. Induktionsspule im Fahrbahnboden und unter Parkplätzen machen das Hantieren mit Ladekabeln und Steckern vielleicht in Zukunft überflüssig. Auch viel befahrene Landstraßen und Autobahnen können so von e-lkw, e-fernbussen und e-autos genutzt werden, die in voller Fahr unterirdisch oder an Oberleitungen nachladen. Die Vernetzung bleibt, aber sie wird intelligenter und umfassender. Das Schwanken von regenerativem Stromangebot und der Nachfrage verlangt nach Puffern. Hier können wiederum Elektroautos zum Ausgleich eingesetzt werden. Das Elektroauto der Zukunft gibt es nur vernetzt oder gar nicht. Teilen statt Besitzen Im Markt für Privatfahrzeuge sind Elektroautos noch kaum konkurrenzfähig. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Welcher Autokäufer gibt deutlich mehr für ein Fahrzeug aus, das vergleichsweise viel weniger kann? Bei Flottenanwendungen und Mietsystemen sieht die Lage hingegen anders aus. Mischkalkulationen und höhere Auslastung bieten hier größere Finanzierungsspielräume. Virtuelle Fuhrparks und spontane Kurzzeitmiete versprechen eine effizientere Ausnutzung des knappen Raumes, der in Metropolen immer kostbarer wird. Das Wachstum neuer Mobilitätsdienste macht den Besitz an Verkehrsmitteln dagegen unattraktiv und unzeitgemäß. Flexible multi- und intermodale Nutzung liegt im Trend. Die Zeiten, als das Carsharing ein Notbehelf für Autokritiker war, sind eindeutig vorbei. Das elektrische und elektronisch vernetzte Leihfahrzeug hat den großen Vorteil, gleichermaßen für Vernunft und Coolness zu stehen. Die einfache Nutzung dank digitaler Medien bietet die Chance, den Verzicht auf das eigene Auto in einen Gewinn für Kunden und Anbieter zu verwandeln. So entsteht ein sinnvoller Zusammenhang zwischen technischer und sozialer Innovation. Elektromobilität wird nur in Verbindung mit einem neuen Verständnis von Automobilität erfolgreich sein. 21
3 Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün, Christian Scherf, Dr. Frank Wolter Öffentlicher Verkehr 2.0 Auch und gerade bei Zunahme alternativer Mobilitätsformen steigt die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Ob der ÖV in seiner heutigen Form der Bedeutung gerecht zu werden vermag, ist allerdings noch offen. Anpassungen und Innovationen werden unter anderem dadurch erschwert, dass der deutsche ÖV im Zeichen von Daseinsvorsorge und Gemeinwohl wesentlich auf Betriebssicherheit und Bestandsschutz ausgelegt ist. Die Betreibermodelle werden aber komplexer sowie in Stadt und Land unterschiedlicher. Der ÖV wird zunehmend privatwirtschaftlich oder ehrenamtlich organisiert. Dies liegt zum einen an der europarechtlichen Deregulierung und zum anderen am angestrebten Abbau der öffentlichen Schulden in Deutschland. In diesem Kontext verstärkt sich die Sichtweise, den öffentlichen Personenverkehr als Ausgangspunkt eines weitaus umfassenderen Mobilitätssystems zu sehen. Verkehrsunternehmen werden schrittweise zu Mobilitätsanbietern, die eine ganze Palette zumeist elektrisch betriebener Verkehrsmittel im Sortimente haben bzw. vermitteln: Neben Bussen und Bahnen zum Beispiel e-leihautos, e-leihräder oder auch e- Taxis. Langfristig ist es sogar denkbar, dass solche Angebote von Dienstleistern außerhalb des klassischen ÖV eingekauft und zusammengestellt werden, etwa von Carsharing-Anbietern oder Energieversorgern. Wer auch immer im Mittelpunkt eines solchen (Elektro-)Mobilitätsverbundes stehen mag, wird aber auf gemeinsame Plattformen und Provider angewiesen sein. Nutzen ohne Nachzudenken Die Kombination aus neuer Technik, Nutzung und Organisation ermöglicht perspektivisch eine Mobilität, die dem Freiheitsversprechen des Privatautos in nichts nachsteht. Unter Umständen wird die gefühlte Autonomie über Raum und Zeit sogar noch größer werden. Selbstfahrende Autos unter anderem von Google bereits in den USA im Straßenverkehr getestet werden schon bald den Stadtraum erobern. Der menschliche Eingriff wird immer geringer, der Wunsch nach dem Besitz dieser Fahrzeuge auch. Smartphone-Apps und Internetportale erlauben zunehmend einfache anbieter- und verkehrsträgerübergreifende Nutzungen. Assistenzsysteme schlagen präferenzgesteuert Verkehrsträger und Routen für eine gewünschte Fahrt vor und verschaffen Zugang. Im Fall von Störereignissen vermitteln sie während der Fahrt Alternativen. Der Wechsel zwischen Verkehrsträgern wird immer einfacher, Abrechnungen geschehen anbieterübergreifend im Hintergrund. Tarifmodelle aus dem Mobilfunkmarkt halten zunehmend Einzug. Flatrates, aber auch Zeit- oder Kilometer-Pakete werden diskutiert. 22
4 Zukunftsvisionen zur Mobilität 2025: Vernetzt, elektrisch und grün, Christian Scherf, Dr. Frank Wolter Fazit Die oben skizzierte Entwicklung ist schon im Gange, erstaunlich viele Puzzleteile des neuen Mobilitätsleitbildes sind bereits vorhanden. Noch passt nicht alles zusammen, was zusammen gehört. Die Vernetzungen werden nur bei entsprechenden Rahmenbedingungen erfolgreich sein: Etwa einer flächendeckenden und verkehrspolitischen Bewirtschaftung des öffentlichen Raumes im Kontext einer konsequenten Nutzerfinanzierung der Infrastruktur. Über die Knappheit und Kostspieligkeit urbaner Straßenflächen ließe sich ein zentrales Steuerungsinstrument für neue Nutzungsformen schaffen. Gemeinschaftlich genutzten Elektrofahrzeugen könnten Vorteile gegenüber konventionellen Privatfahrzeugen eingeräumt werden. Notwendig ist aber auch eine Reform der Daseinsvorsorge im ÖV. Zukünftig sollte die gewünschte bzw. eingekaufte Verkehrsqualität und nicht das jeweilige Verkehrsunternehmen im Vordergrund stehen. Befristete Konzessionen und Konkurrenzsituationen werden auch im deutschen ÖV die Regel werden. Behördliche und rechtliche Grenzen zwischen Fern- und Nahverkehr, Schienennah- und Straßennahverkehr sowie Eigen- und Gemeinwirtschaft sind mit der integrierten Mobilität von Morgen schwer vereinbar. Literatur Canzler, Weert; Knie, Andreas: Möglichkeitsräume Grundrisse einer modernen Mobilitäts- und Verkehrspolitik. Böhlau, Wien/Köln/ Weimar Canzler, Weert; Knie, Andreas: Grüne Wege aus der Autokrise Vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin Canzler, Weert; Knie, Andreas: Einfach aufladen Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft. Oekom-Verlag, München Canzler, Weert; Knie, Andreas: Schlaue Netze Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt. Oekom-Verlag, München Canzler, Weert; Knie, Andreas: Die neue Verkehrswelt Mobilität im Zeichen des Überflusses: schlau organisiert, effizient, bequem und nachhaltig unterwegs. Eine Grundlagenstudie im Auftrag des BEE e.v., Ponte Press, Bochum
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