Strukturelle relle Bewegungsförderung in der Gemeinde
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- Helmut Reuter
- vor 8 Jahren
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1 Kanton St.Gallen Gesundheitsdepartement Bildungsdepartement Baudepartement Innovationspreis 2014 der Staatsverwaltung des Kantons St.Gallen Strukturelle relle Bewegungsförderung in der Gemeinde Wettbewerbseingabe Sabina Ruff / Barbara Züger Abteilung Gemeinden und Netzwerke Amt für Gesundheitsvorsorge Unterstrasse St.Gallen T F sabina.ruff@sg.ch / Eine Kooperation der Departemente emente Bau, Bildung und Gesundheit
2 1 Situationsbeschreibung Rund zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung sind körperlich ungenügend aktiv. In vielen industrialisierten Ländern ist Bewegungsmangel der häufigste veränderbare Risikofaktor für Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes Typ 2, verschiedene Krebsarten oder Osteoporose. Zahlreiche Studien zeigen, dass nicht nur intensives Sporttreiben, sondern auch Aktivitäten wie regelmässiges zu-fuss-gehen im Alltag oder regelmässiges Velofahren zur Arbeit einen effektiven Schutz vor zahlreichen körperlichen und psychischen Krankheiten haben. In einer ersten Phase der Bewegungsförderung hat man sich vor allem auf die Beeinflussung von personalen Faktoren fokussiert. In den letzten Jahren wird immer häufiger erforscht, wie unser physisches Umfeld das Bewegungs- und Mobilitätsverhalten beeinflusst. Obwohl die Forschung noch am Anfang steht, gilt bereits heute als gesichert, dass: das Wohnumfeld das Bewegungsverhalten sowohl von Kindern wie erwachsenen Menschen fördern, aber auch behindern kann. das Wohnumfeld sich so verändern und gestalten lässt, dass die Leute mehr Möglichkeiten und weniger Barrieren haben, um sich regelmässig zu bewegen 1. Die strukturelle Bewegungsförderung will die strukturellen Rahmenbedingungen für Bewegung optimieren, um eine Entscheidung für mehr Bewegung in Alltag und Freizeit zu erleichtern. Dabei spielt die Siedlungs- und Verkehrsplanung der Gemeinden eine zentrale Rolle. Im Zentrum stehen strukturelle Verbesserungen für den Fuss- und Veloverkehr (Langsamverkehr), die Aufwertung von öffentlichen Räumen, Spielplätzen, Frei- und Grünflächen im Siedlungsgebiet sowie die Verbesserung ihrer Erreichbarkeit. «GEMEINDE BEWEGT» ist ein Pilotprojekt des Kantons St.Gallen zur Umsetzung von struktureller Bewegungsförderung in den Gemeinden. Die Pilotphase wurde vom Bundesamt für Gesundheit teilfinanziert und ist in enger Zusammenarbeit des Gesundheits-, Bildungsund Baudepartements des Kantons St.Gallen entstanden. 2 Zweck und Ziel der Innovation Der Kanton St. Gallen strebt mit dem Pilotprojekt «GEMEINDE BEWEGT» an, kommunale Veränderungsprozesse zur Stärkung des Langsamverkehrs im öffentlichen Raum zu initiieren, zu begleiten und dadurch einen grösseren Anreiz für eine Bewegung mit eigener Muskelkraft zu geben. Menschen sollen sich dort wo sie leben, lernen und arbeiten, gerne und sicher bewegen. Mit dieser Projektinitiative übernimmt der Kanton St. Gallen als Pilotkanton eine nationale Führungsrolle. Folgende Ziele wurden für «GEMEINDE BEWEGT» formuliert: Optimierung der Infrastrukturen für Bewegung in den Gemeinden 1 BASPO, Bundesamt für Sport (2008). Mit Muskelkraft unterwegs. Grundlagendokument. Magglingen: Bundesamt für Sport 2/6
3 In 10 Gemeinden sollen insbesondere kurze, sichere und attraktive Wege zu wichtigen Zielorten gefördert werden, z.b. eine bessere Vernetzung von Fuss- und Velowegen zu Einkaufsgeschäften, zum öffentlichen Verkehr oder anderen publikumsorientierten Einrichtungen, zu Sport- und Freizeitanlagen und Naherholungsgebieten. Bei der Gestaltung von öffentlichen Plätzen und Räumen sollen Möglichkeiten zum Bewegen, Begegnen und Verweilen berücksichtigt werden. Schul-, Spiel- und Sportplätze sollen für Kinder sicher, attraktiv und selbständig zu erreichen sein. Umsetzung eines Beratungs- und Massnahmepakets in zehn Gemeinden In den teilnehmenden Gemeinden soll ein Beratungs- und Massnahmepaket zur Anwendung kommen und evaluiert werden. Partizipation der Bevölkerung Die Bevölkerung soll aktiv Bewegungshindernisse und potentiale erheben, bewegungsförderliche Strukturen bei Planungsvorhaben diskutieren und Anliegen aus der eigenen Perspektive einbringen. Nutzung der Erkenntnisse für die Multiplikation Das Pilotprojekt im Kanton St. Gallen wird ausgewertet und aufgearbeitet. Nach Abschluss der Pilotphase soll ein Leitfaden entstehen, der von anderen Gemeinden in der Schweiz zur Umsetzung genutzt werden kann. 3 Vorgehen und Eigenleistung des Teams Folgende Strategien wurden angewendet: Beteiligung des Kantons mit drei Departementen Am Pilotprojekt ist der Kanton St.Gallen mit den drei Departementen Gesundheit, Bau und Bildung beteiligt. Die drei Departemente waren durch das Amt für Gesundheitsvorsorge (Federführung), die Fachstelle Langsamverkehr und das Amt für Sport vertreten. Abteilung für Gemeinden und Netzwerke als Ansprechpartner für die Gemeinden Teil des Amts für Gesundheitsvorsorge ist die Abteilung für Gemeinden und Netzwerke, welche für «GEMEINDE BEWEGT» als Ansprechpartnerin diente und die Projektkoordination in den Gemeinden wahrgenommen hat. Einsatz von Fussverkehr Schweiz für das Coaching der Gemeinden Die Gemeinden wurden im Umsetzungsprozess durch einen für sie zuständigen Coach begleitet. Der Einsatz der Coachs wurde von Fussverkehr Schweiz koordiniert. Kommunikation und Medienarbeit Verschiedene Kommunikationshilfsmittel (Flyer, Pressemitteilung, Argumentarium zu struktureller Bewegungsförderung sowie die Website standen für begleitende PR- und Medienmassnahmen zur 3/6
4 Verfügung. Sie dienten einer schnellen und einheitlichen Medieninformation und lieferten die Argumentation für alle Stellen innerhalb der Gemeinden. Die beteiligten Amtsstellen (Gesundheitsvorsorge, Langsamverkehr, Sport) sind Teil der Projektstruktur und haben das Projekt aktiv (finanziell und personell) mitgetragen. Die Projektleitung erfolgte im Rahmen eines externen Mandats. Partnerorganisationen aus den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung, Fussverkehr, Veloverkehr, Unfallverhütung und Naturschutz waren begleitend beim Projekt eingebunden und sollten auf unterschiedlichen Ebenen die Kommunikation über das Projekt gewährleisten. «GEMEINDE BEWEGT» hatte eine Projektlaufzeit von 2,5 Jahren (Herbst 2011 Frühling 2014). In der Planungsphase wurde das Gesamtkonzept für «GEMEINDE BEWEGT» erstellt und ein Angebot für die Pilotgemeinden festgelegt. In Zusammenarbeit mit Fussverkehr Schweiz wurde die Entwicklung eines Apps zur Erfassung von Bewegungshindernissen und potentialen beim Institut für Sozial- und Präventivmedizin ISPM Zürich in Auftrag gegeben. Die Akquisition der angestrebten zehn Pilotgemeinden geschah über die Information an Fachtagungen (z.b. einer Schulwegtagung des Kantons), über persönliche Kontakte und den Versand des Flyers mit einem Begleitbrief an alle Gemeinden. Mit den Kick off-workshops Ende August/Anfang September 2012 begann die eigentliche Umsetzungsphase, welche von den begleitenden Coachs von Fussverkehr Schweiz dokumentiert wurde (siehe Anhang Schlussbericht Flawil). Während dieser Zeit wurde die Website zu «GEMEINDE BEWEGT» fertig gestellt ( In einem umfangreichen Schlussbericht wurden Ergebnisse der Analyse des Gesamtprozesses und die Erfahrungen mit der Umsetzung in den Gemeinden festgehalten. In der gegenwärtigen Valorisierungsphase (Frühling 2014) soll das Wissen und die Erfahrungen weitergegeben werden. Zu diesem Zweck fand im Pfalzkeller eine grosse Abschlussveranstaltung des Pilotprojekts für Beteiligte, Engagierte, Verantwortliche und weitere Interessierte statt. In einem Folgeprojekt sollen die Erfahrungen bezüglich Bedürfnissen und Möglichkeiten im Thema strukturelle Bewegungsförderung in den Gemeinden konsolidiert und an der Praxis weiter erprobt werden. Für dieses Vorhaben wurde eine Eingabe beim Programm "Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung " des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE gemacht. 4 Art der Lösung / Massnahme An dem Pilotprojekt im Kanton St.Gallen nahmen die 10 Gemeinden Altstätten, Flawil, Grabs, Kaltbrunn, Marbach, Nesslau, Sargans, Schänis, Stadt St.Gallen und Wittenbach teil. «GEMEINDE BEWEGT» offerierte den teilnehmenden Gemeinden folgendes Beratungs- und Massahmenpaket: 1. Vorbereitung Zur Einführung in das Projekt fanden insgesamt zwei Kick-off-Anlässe statt, bei denen die Gemeinden von der Projektleitung und beteiligten Partnerorganisationen fachliche Inputs sowie Inputs zum Projektverlauf erhielten. Zusammen mit dem jeweiligen Coach wurden in einem nächsten Schritt Ziele, Zielgruppen und Handlungsoptionen bestimmt. Folgende 4/6
5 Instrumente wurden zur Erfassung und Analyse von Schwachstellen und Potenzialen für den Fuss- und Veloverkehr angeboten. Die Auswahl erfolgte aufgrund der Problemlage: Problemstellenerhebung mit Tablet-Computer Erhebung von Problemstellen (Schwachstellen) des Fuss- und des Veloverkehrs mit Tablet-Computern durch verschiedene Bevölkerungsgruppen mit ihrer jeweils spezifischen Sicht. Zukunfts-Workshops Workshops unter Einbezug der Bevölkerung für thematisch oder räumlich definierte Bereiche wie Spielplätze, Strassenräume, Grünräume usw. Planungs-Check Überprüfen von Planungsvorhaben hinsichtlich Bewegungsfreundlichkeit, Berücksichtigung des Fuss- und Veloverkehrs sowie Formulierung von Vorgaben für neue Planungen; erarbeiten von Checklisten für verschiedene Planungsebenen und Konkretisierungsstufen. 2. Partizipative Analyse Partnerinnen und Partner aus Schule, Verwaltung und Bevölkerung wurden zur Zusammenarbeit und Kooperation eingebunden. Strukturelle Themen der Bewegungsförderung wurden mittels der ausgewählten Instrumente gemeinsam diskutiert und analysiert. Die Bevölkerung einer Gemeinde soll die Möglichkeit erhalten, Bewegungshindernisse zu identifizieren, die für sie selbst relevant sind. Dahinter steht die Erfahrung, dass aus Sicht von Eltern, Kindern, Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit einer körperlichen Behinderung für eine ungehinderte und sichere Bewegung unterschiedliche Dinge im Vordergrund stehen. 3. Aufbereitung und Schlussfolgerungen Die Resultate wurden in geeigneter Weise vom jeweiligen Coach z. H. der Gemeinden aufbereitet und mit diesen diskutiert. Mögliche Massnahmen wurden priorisiert und für die Umsetzung vorbereitet. 4. Umsetzungsplan Einfache Sofortmassnahmen wurden noch innerhalb der Projektphase umgesetzt. Projekte mit längerem Planungshorizont wurden für die Umsetzung vorbereitet (Detailplanung, Budgetprozess). 5 Erfolgsbeurteilung Wenn die Kausalkette «Verbesserte strukturelle Rahmenbedingungen => mehr Bewegung durch Muskelkraft => bessere Gesundheit» stimmt was dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht dann darf davon ausgegangen werden, dass das bereits Erreichte einen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung geleistet hat. Einige der Gemeinden haben bereits erste Massnahmen umgesetzt und planen die Umsetzung von weiteren Massnahmen. Der überwiegende Teil der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter möchten das 5/6
6 Thema strukturelle Bewegungsförderung weiter bearbeiten; insbesondere möchten alle den Langsamverkehr fördern, die meisten für ungehinderte Bewegung sorgen und der grössere Teil weiterhin interdisziplinär und partizipativ zusammen arbeiten, weiterhin und Bewegung insgesamt fördern. Das Projekt hat darüber hinaus zu einer Sensibilisierung bei Verantwortlichen und zum Teil auch in der Bevölkerung beigetragen, was sich ebenfalls günstig auswirken dürfte. Erfolgsfaktoren Politische Entscheidungsträger federführend einbinden Die Beteiligung von unterschiedlichen Departementen hat wesentlich zum Erfolg des Projekts beigetragen und erweist sich auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit/Verankerung von «GEMEINDE BEWEGT» als unabdingbar. Innerhalb der Gemeinden ist es für die erfolgreiche Durchführung und die Umsetzung von Massnahmen wesentlich, dass Gemeindeverantwortliche hinter dem Projekt stehen und auch bereit sind, strukturelle Massnahmen in die Wege zu leiten. Interdepartementale Zusammenarbeit fördern Mit der inhaltlichen und strukturellen Unterstützung verschiedener kantonaler Amtsstellen konnten insbesondere die Schnittstellen zwischen kantonalen und kommunalen Zuständigkeiten bearbeitet werden und neue Möglichkeiten von Kooperationen ausgelotet werden. Auf bestehende Bedürfnisse aufbauen Verschiedene Themen von hohem Stellenwert für die Gemeinen wie z.b. Schulwegsicherung, Verkehrssicherheit, Quartierarbeit etc. bieten potentielle Anknüpfungspunkte für strukturelle Bewegungsförderung. Prozess in Gemeinden fachlich begleiten Die fachliche Begleitung durch einen Coach mit Ausbildung in Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung hat sich bewährt. Sie hat dazu beigetragen, die Prozesse in den Gemeinden effizient und zielgerichtet zu gestalten. Unterschiedliche Sichtweisen zusammenführen Partizipativer Ansatz fördern Zielgruppenvertreterinnen und Zielgruppenvertreter sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Gut angeleitet, können sie ihre Sicht z.b. im Rahmen von Zukunftsworkshops einbringen und so den Fachleuten bekannt machen. Möglicherweise von noch grösserer Bedeutung sind aber die Begegnungen von Laien und Fachleuten vor Ort (bei direkten Begehungen). Die direkten Äusserungen und das spontane Erleben, z.b. wenn deutlich wird, mit welchen Schwierigkeiten Rollstuhlfahrende zu kämpfen haben und welche Folgen diese für ein Weiterkommen zum Zielort haben, dürften oft mehr Engagement auslösen, als elektronische Daten zu bewirken vermögen. In der direkten Auseinandersetzung, in der Diskussion mit Expertinnen und Experten sowie durch das konkrete Erarbeiten gemeinsamer Lösungen können unterschiedliche Sichtweisen zu konkreten, von allen getragenen Ergebnissen zusammengeführt werden. 6/6
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