Call for Papers. Technologietransfer. Analyse der schweizerischen Entwicklung, Jahrhundert
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- Günter Hartmann
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1 Call for Papers Technologietransfer. Analyse der schweizerischen Entwicklung, Jahrhundert Organisatoren: Pierre-Yves Donzé, Kyoto University / FNS ; Cédric Humair, Universität Lausanne / EPFL ; Malik Mazbouri, Universität Lausanne Datum : 6. und 7. November 2009 Ort der Tagung: Universität Lausanne Thema der Tagung Die Technikgeschichte und die Techniksoziologie sind stark auf die Phasen der Erforschung und der Entwicklung der Innovationen und weniger auf die internationale Verbreitung neuer Techniken und der Entwicklung von deren sozialer Anwendung ausgerichtet. In Realität ist die Innovation im engeren Sinn in einer Volkswirtschaft nur ein ziemlich limitierter Teil der Technikanwendung, während der grössere Teil auf den internationalen Transfer neuer Techniken zurückgeht. Die bisherige technikgeschichtliche Perspektive hat eine beschränkte Aussagekraft für eine Geschichte, die die grossen Entwicklungslinien gegenwärtiger Gesellschaften analysieren will. Die Innovationen gewähren nur einen beschränkten historisch-analytischen Zugang zu den meisten historischen Fragestellungen. Dies entspricht aber in keiner Weise der Bedeutung
2 der stark verbreiteten Technologien, sei dies im Bereich des Militärs, der Arbeitswelt oder der Medien. Im Rahmen der Wirtschaft ist der Techniktransfer nicht nur im Prozess der Industrialisierung von hervorragender Bedeutung, sondern ebenso in der Entwicklung der Konsum- und Freizeitgesellschaft. Obwohl noch wenig erforscht, wurde der Techniktransfer während der 1970er- und 1980er- Jahre in der internationalen Literatur namentlich in wirtschaftshistorischer Perspektive schon in mehreren Monographien und Fallstudien Gegenstand systematischer Reflexion. Erste Synthesen wurden von David J. Jeremy und von Kristine Bruland vorgelegt, die die Rolle der Akteure (multinationale Unternehmen, Kartelle, öffentliche Körperschaften etc.) und der Antriebkräfte (Arbeit, Kapital, Märkte, technisches Know-how etc.) im Technologietransfer feststellen. Sie haben auch gezeigt, dass seit der industriellen Revolution die weltweite Ausbreitung der Technologien in gut unterscheidbaren Phasen, zunächst unter britischer Dominanz ( ), dann in multilateralen ( ) und endlich in transnationalen Beziehungen erfolgte (seit den 1960er-Jahren). Für die Schweiz ist der internationale Techniktransfer noch nicht systematisch untersucht worden. Einige Autoren/innen berührten das Thema in unternehmensgeschichtlichen Monographien oder in Studien über einzelne Wirtschaftszweige. Aber eine gründliche und systematische Auseinandersetzung mit dem Thema fehlt bis anhin. Das bisherige Desinteresse der schweizerischen Geschichtsschreibung ist umso erstaunlicher, als in der Schweiz besonders im 18. und 19. Jahrhundert der Technologietransfer viel öfter und stärker die Basis für die wirtschaftliche Entwicklung bildete als auf schweizerische Wurzeln zurückgehende Innovationen. In der schweizerischen Wirtschaftsentwicklung wurde eine Vielzahl von Verfahren und Techniken übernommen, die vorher in anderen europäischen Ländern, besonders aber in England entwickelt worden waren. In dieser Hinsicht ist der Fall der Textilindustrie besonders ergiebig: Studienreisen, Industriespionage, Import von Maschinen, Abwerbung von ausländischen Technikern etc. Seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden in der schweizerischen Wirtschaft einige spezialisierte Bereiche eigenständiger Technikentwicklung und in diesen hervorragende Unternehmen (Farbstoffchemie, Pharma, Elektrotechnik, Schokolade, Milchverarbeitung etc.). Auch wenn der Technologietransfer vor allem über die Importe bedeutend blieb, gelang es nun zahlreichen schweizerischen Unternehmen, sich in den Prozess der Innovation einzuschreiben, in welchem nun diese ihrerseits zu Exporteuren von Technologien wurden. Dies traf in besonderem Masse auf
3 multinationalen Unternehmen zu, deren Know-how nun als Direktinvestitionen und als Lizenzproduktion exportiert wurde. Themenvorschläge Der schweizerische Rahmen bietet sich zur Erforschung der Fragen des Techniktransfers in besonderem Masse an. Er erlaubt das Studium einer Reihe von Themen, die für den Zeitraum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert weit über die engere Technikgeschichte hinausführen und sowohl die wirtschaftliche, als auch die soziale und kulturelle Entwicklung mit einschliessen. Es ist das Ziel der Tagung, eine Anzahl origineller Beiträge zu vereinigen, die verschiedene Seiten des Technologietransfers in die Schweiz und aus der Schweiz erfassen. Dabei können etwa die folgenden Themen behandelt werden. 1) Die erste Phase der schweizerischen Industrialisierung zeichnet sich durch einen massiven Technologietransfer aus. Dieser Befund stellt die Frage nach den konkreten Möglichkeiten des Importes neuer technischer Objekte. Welches sind die wichtigsten Antriebskräfte des Technologietransfers? Wie und wo verschafften sich die Industriellen das notwendige technische Know-how, um diese Technologietransfers zu realisieren? Diese Frage stellt sich besonders angesichts der Tatsache, dass es in der Schweiz bis in die 1850er-Jahre keine Möglichkeit zur höheren polytechnischen Ausbildung gab. Welche Rolle spielte der fehlende Patentschutz, der in der Schweiz noch bis 1888 andauerte? 2) Der Prozess von der Einführung neuer Technologien bis zum Produktionsprozess verlief in der Schweiz nicht einförmig. Während der Genferseeregion über das ganze 19. Jahrhundert hinweg hinsichtlich des Transfers von Transport- und Energietechnologie eine Pionierrolle zukam, begannen nur wenige Unternehmen eine entsprechende eigene Produktion. Im Gegensatz dazu wurden Technologien wie das Dampfschiff oder die Drahtseilbahn in der Ostschweiz erst später eingeführt, wo sie sich aber zu wichtigen exportorientierten Produktionszweigen entwickelten. Wie ist dieser unterschiedliche Umgang mit dem Technologietransfer zu erklären? Waren die Produktionsfaktoren oder die Handelsbeziehungen in der Westschweiz ungünstiger? Oder waren dafür kulturelle Gründe wie mangelnder Unternehmergeist oder das Misstrauen der Elite gegenüber der Industrie ausschlaggebend? 3) Der Import der Technologie und der Übergang zur Produktion erfolgten in einem selektiven Prozess. Während die schweizerische Wirtschaft gewisse Techniken schnell adaptierte,
4 wurden andere nicht oder nur mit einer gewissen Verspätung aufgenommen. Dieses Phänomen kann mit technischer Pfadabhängigkeit oder mit ökonomischen Gründen (Kartelle; kleine militärische Nachfrage) erklärt werden. Aber es sind auch die sozio-kulturellen Bedingungen zu bedenken, so beispielsweise die Opposition gewisser Berufsgruppen gegen die Einführung neuer Techniken. 4) In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangte die schweizerische Wirtschaft in einigen Sparten der Technologie an die Spitze, nachdem sie in diesen in kurzer Zeit den Übergang vom Technologietransfer zur Innovation vollzog. Wie wurde dieser Übergang möglich? Welche Bedingungen waren notwendig für die hochtechnologische Produktion Kapital, technische Ausbildung, Patentschutz? 5) Vor dem Ersten Weltkrieg haben die meisten Industriezweige, die Spitzentechnologie exportierten (Chemie, Maschinen, Nahrungsmittel), ihre Produktion ausgesprochen multinational organisiert. Welche Rolle spielten die Multinationalen und die Kartelle im internationalen Transfer schweizerischer Technologie? In welchem Mass und in welcher Form hatte der schweizerische Technologieexport Teil an der wirtschaftlichen Entwicklung der importierenden Länder? 6) Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten die öffentlichen Körperschaften, im Speziellen der Bund und die staatlichen Unternehmungen, eine wichtige Rolle im Technologietransfer. In einigen Bereichen wie dem Transport, der Energie und auch der Militärgüter hatten sie aktiven Anteil am Import neuer Technologien. Ausserdem unterstützen sie den Transfer anderer Technologien auf verschiedene Weise: durch die Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen, durch Absatzgarantien, durch den protektionistischen Schutz des Binnenmarktes oder durch den Erlass besonderer Sicherheitsvorschriften. Welches sind die diesbezüglichen schweizerischen Besonderheiten? Wie und worin unterscheiden sie sich von denen anderer Staaten? Vorschläge sind bin spätestens den 15. Oktober 2008 zu richten an: ; ; malik.mazbouri@unil.ch.
5 Wir bitten um eine Skizze (max. 1 A4-Seite) des vorgeschlagenen Beitrags (französisch, deutsch oder englisch) und um ein kurzes CV. Die Teilnehmenden werden Mitte November 2008 informiert. Die Papers (30 40'000 Zeichen) müssen bis Ende Juli 2009 französisch, deutsch oder englisch eingereicht werden. Die Präsentation an der Tagung erfolgt französisch oder englisch. Eine Auswahl der präsentierten Beiträge wird in der Zeitschrift traverse publiziert (erscheint 2010).
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