50-jähriges Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Marseille Rede des Französischen Botschafters Bernard de Montferrand
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- Ute Siegel
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1 50-jähriges Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Marseille Rede des Französischen Botschafters Bernard de Montferrand Hamburg, 10. Juli 2008 Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Monsieur le Maire, sehr geehrter Herr Röder, sehr geehrter Herr Wickert, meine Damen und Herren, es ist mir eine große Freude, heute hier unter Ihnen sein zu dürfen, um das 50- jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Marseille zu feiern; zwischen zwei Hafenstädten, die eine lange Geschichte und eine starke Identität haben, die dynamisch, weltoffen und der Zukunft zugewandt sind. Zunächst will ich dem Bürgermeister Hamburgs, Herrn Ole von Beust, ganz herzlich für seine große Gastfreundschaft danken und den Bürgermeister von Marseille, Herrn Jean-Claude Gaudin, sowie die gesamte marseiller Delegation hier in Hamburg herzlich begrüßen. Diese Veranstaltung bietet mir Gelegenheit, die Städte Marseille und Hamburg zu diesem tollen Jubiläum zu beglückwünschen. Auch ist sie Anlass, für einen Moment darüber nachzudenken, was eine Städtepartnerschaft im Europa von heute eigentlich bedeutet. Die Städtepartnerschaft geht auf eine historische Phase der deutschfranzösischen Beziehungen zurück. Bei der einzigartigen deutsch-französischen Aussöhnung hat sie eine unverzichtbare Rolle gespielt. Aus meiner Sicht ist sie jedoch keineswegs nur ein Relikt aus der Vergangenheit, sondern vielmehr ein Zeichen für die Zukunft, in einem Europa, in dem wir tagtäglich mangelnde
2 Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften und mangelndes Verständnis für das europäische Projekt feststellen. Europa wird weiterhin Schwierigkeiten haben, wenn sich die politischen Verantwortlichen zwar in Brüssel abstimmen, es aber zwischen den Völkern und Zivilgesellschaften keine Annäherung und kein gegenseitiges Verständnis gibt. Wie in vielen anderen Bereichen auch kann die deutschfranzösische Erfahrung Beispiel und treibende Kraft für den Rest Europas sein. 1) Warum also sollen wir heute nicht den Partnerschaften Ehre erweisen, die bei der deutsch-französischen Aussöhnung eine derart beispielgebende Rolle gespielt haben? Dank General de Gaulle und Konrad Adenauer sieht der Elysée-Vertrag von 1963 vor, dass die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nicht nur über Beziehungen auf der Ebene der Regierungen, sondern auch über einen intensiven Austausch zwischen unseren Zivilgesellschaften erfolgen muss. Auf der Grundlage dieser Dynamik wurden deutsch-französische Partnerschaften zwischen Städten und Regionen gegründet, d.h. ein Netzwerk menschlicher Beziehungen von beispiellosem Reichtum. Zu dieser Zeit wurde auch das Deutsch-Französische Jugendwerk geschaffen, das mehr als sieben Millionen jungen Deutschen und Franzosen ermöglicht hat, an einem Austausch teilzunehmen. In diesem Sinne wurden auch zahlreiche universitäre Bindungen geknüpft. Über die Möglichkeiten des europäischen Erasmusprogramms hinaus gibt es heute unter der Ägide der deutsch-französischen Universität mehr als 140 integrierte deutschfranzösische Ausbildungen mit einem doppelten Abschluss, der auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt ist. Seien wir ganz ehrlich: Ohne diesen großartigen Austausch wäre die deutschfranzösische Aussöhnung nicht dieselbe gewesen. Hamburg und Marseille symbolisieren diese Entwicklung. Ihre Städtepartnerschaft wurde am 10. Juli 1958 zwischen Gaston Defferre und Max Brauer geknüpft, die beide gegen das Nazi-Regime gekämpft hatten. Fünf Jahre vor der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags ist diese Partnerschaft aus der großartigen Dynamik der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Krieg hervorgegangen. Durch den
3 intensiven Austausch, die zahlreichen gegenseitigen Besuche und Treffen ist sie bis heute noch sehr viel enger und intensiver geworden. Über die Substanz dieser Partnerschaft wurde bereits einiges gesagt. Zwei Projekte, die die Partnerschaft Hamburg/Marseille auf den Weg gebracht hat, halte ich dennoch für äußerst bemerkenswert und symbolisch für eine moderne deutschfranzösische Zusammenarbeit: zum einen die 2005 zwischen dem Rektor der Akademie Marseille und dem Vertreter der Schulbehörde Hamburgs unterzeichnete Übereinkunft, die Partnerschaften zwischen Dutzenden Schulen Hamburgs und der Region Provence-Alpes-Côte d Azur ermöglicht hat; und zum anderen die Idee der beiden Städte, im Rahmen ihrer Politik zur Neugestaltung der Häfen Projekte der Zusammenarbeit zu entwickeln (z.b. die Projekte Hafencity und Euroméditerranée). Ihre Städtepartnerschaft ist also beispielgebend für die deutsch-französische Zusammenarbeit, wie sie heute sein sollte: vielfältig, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und im Bildungswesen verankert, und nicht nur den Eliten aus Politik und Verwaltung unserer beiden Länder vorbehalten. 2) Am wichtigsten ist aus meiner Sicht heute jedoch die Tatsache, dass solche Städtepartnerschaften eine essentielle Rolle bei der Herausbildung einer wirklichen europäischen Gesellschaft zu spielen haben. Seit der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 heute feiern wir diesen Tag als Europa-Tag ist es unser gemeinsamer Wille, aus der deutsch-französischen Aussöhnung den Motor des europäischen Aufbaus zu machen. Wir haben fast alle Etappen der Europäischen Union gemeinsam initiiert, von der EGKS bis hin zum Euro. Wir sollten mit unserer Erfahrungen im Austausch zwischen den Zivilgesellschaften für Europa ein Vorbild sein. Unsere beiden Länder hatten eine Pionierrolle bei den Städtepartnerschaften nach dem Krieg, heute müssen sie treibende Kraft sein bei den Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften. Inzwischen haben alle das Gefühl, dass hier dringend etwas getan werden muss. Das irische Nein hat gezeigt, dass die europäischen Bürger Europa vorwerfen, nicht bürgernah, nicht genügend praxisnah zu sein; sämtliche Umfragen bestätigen dies. Darauf müssen wir reagieren, andernfalls verliert Europa seine Anziehungskraft. Vor
4 wenigen Tagen hat Frankreich den EU-Ratsvorsitz übernommen. In diesem Zusammenhang hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy nochmals mit Nachdruck seine Entschlossenheit bekräftigt, Europa den Bürgern näher zu bringen. Und er hat unterstrichen, dass es die dringende Pflicht Deutschlands und Frankreichs ist, die europäische Dynamik zu bewahren. Städtepartnerschaften sind eine Antwort auf diese Frage; wir müssen sie also weiterentwickeln und vertiefen. Wir dürfen uns nicht auf den bereits erzielten Errungenschaften ausruhen, sondern müssen unseren Austausch unermüdlich Pflegen und intensivieren. Das heißt wir müssen noch zahlreichere Bindungen zwischen den Universitäten herstellen, die Zusammenarbeit zwischen unseren pôles de compétitivité und den deutschen Kompetenznetzen entwickeln, aber auch die lokalen Vereinigungen noch stärker einbinden. Auch müssen wir uns für eine verbesserte Kommunikation zwischen den Zivilgesellschaften einsetzen; hierfür brauchen wir vor allem ein größeres Interesse, andere Sprachen zu erlernen. Die Sprachenvielfalt ist das Reichtum und der Schlüssel für das Europa von morgen. Unsere Sprachen sind Träger unserer Kultur und unserer Identität. Wir müssen in Europa also den Sprachenerwerb fördern. Wer in Deutschland Französisch spricht, und umgekehrt, wer in Frankreich Deutsch spricht, hat enorme Vorteile bei der Kommunikation und auf dem Arbeitsmarkt. Städtepartnerschaften müssen also dazu beitragen, dass unsere Sprachen lebendig bleiben. Wie es Jean Monnet mit Nachdruck sagte, wurde Europa nicht geschaffen, um die Staaten miteinander zu verbünden, sondern um die Menschen zu einen. Dank Partnerschaften wie Ihrer entsteht Schritt für Schritt, vor Ort, das Europa der Bürger. Aus diesem Grund will ich allen, die durch ihr Engagement, ihren Enthusiasmus und ihre Arbeit zur Lebendigkeit der Partnerschaft zwischen Hamburg und Marseille - und somit zum Aufbau Europas - beitragen, meinen herzlichen Dank und meine große Anerkennung aussprechen. Vor 46 Jahren, am 7. September 1962, hat General de Gaulle vom Balkon des Hamburger Rathauses zu den Menschen gesprochen. Dieser Besuch hat große
5 Emotionen ausgelöst. Alle haben gespürt, dass die Völker beiderseits der Rheins die Aussöhnung herbeisehnen. Dieser Besuch ist in die Geschichte eingegangen. Heute machen wir weiter, und zwar indem wir die Geschichte unserer Zukunft gestalten, die Geschichte eines Europas, in dem alle Bürger ihren Platz haben und Teil dieses großen historischen Projekts sind. Wenn alle Städte Europas weiterhin so zahlreiche persönliche und menschliche Kontakte knüpfen wie Hamburg und Marseille, dann bin ich überzeugt, dass uns dieses große Werk gelingen wird.
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