Epilepsien im Alter - bei Menschen mit geistiger Behinderung. Dr. Bernd Huber
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- Sara Hoch
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1 Epilepsien im Alter - bei Menschen mit geistiger Behinderung Dr. Bernd Huber
2 Epilepsie bei Intelligenzminderung Mariani 1993 Institution 32 % Epidemiologische Untersuchungen: Forsgren 1990 Nordschweden 20,2 % ( aktive Epilepsie ) Branford 1998 Leicestershire 25 % (Anfälle aktuell/früher) Airaksinen 2000 Finnland 21 % (wiederholte unprovoz. A.) Morgan 2003 Wales 16,1 % (keine klare Def.) McDermott 2005 USA 25,5 % (keine klare Def.)
3 Besonderheiten von Epilepsien bei Menschen mit geistiger Behinderung Gehäuft findet man Hohe Anfallsfrequenz Mehrere Anfallsarten Untypische Anfälle Status epilepticus Oft (nicht immer!) schwer behandelbare Epilepsien
4 Epilepsien bei Intelligenzminderung: Behandlungsprognose Autor Rate Anfallsfreiheit Goulden 39% 5 J. 56% (ohne weitere Behind.) Branford 98a Branford 98b Airaksinen % 5 J. + 18% 3 J. 20% 5 J. + 9% 3 J. 17% 5 J. + 9% 3 J. 32% 5 J. + 14% 1 J. Nicht anfallsfrei 61% (44%) 58% 1985 Alter 22 J. 71% dieselben Pat % N=138 54% von 28 überlebenden Pat. Schlechtere Behandlungsprognose, hoher Anteil Therapieresistenz
5 Besonderheiten von Epilepsien bei Menschen mit geistiger Behinderung Erschwerter Umgang aufgrund Reduzierter Kommunikationsfähigkeit Erschwerte Abgrenzung von anderen neurologischen oder psychiatrischen Störungen Erschwerte Kooperation bei Untersuchungen wie EEG oder MRT
6 Epilepsien im Alter Alt geworden mit Epilepsie Im Alter neu aufgetretene Epilepsie
7 Auftreten von Epilepsie in Abhängigkeit vom Alter EURO-Report von ILAE, SEIN und WHO 2010
8 Aus: G. Krämer, Epilepsien im höheren Lebensalter, Thieme 1998
9 Aus: G. Krämer, Epilepsien im höheren Lebensalter, Thieme 1998
10 Ursachen für neu aufgetretene Epilepsien im Alter Durchblutungsstörungen des Gehirns (Schlaganfall, Hirnblutung) Atherosklerose Schädel-Hirn-Trauma Tumoren (gutartig, bösartig) Demenzen
11 Was ändert sich im Alter bei der Epilepsie? Werden die Anfälle seltener? Werden die Anfälle leichter?
12 < >80 Anfallsfrequenz / Alter 2002; N =675 (Bewohner des Heimbereichs Bethel) 18,2% 25,2% 18,2% 35,4% >1/Tag >1/Woche >1/Monat >1/Jahr anfallsfrei In dieser Querschnittsuntersuchung findet sich in der Tendenz eine hohe Anfallsfrequenz bei jüngeren, eine niedrigere Anfallsfrequenz bei älteren Patienten
13 Besonderheiten des Stoffwechsels im Alter die Medikamente Organsystem Veränderte Funktion Effekt Magen-Darm Resorption meist keiner Leber Proteinsynthese Eiweißbindung Leber metabolische Aktivität Medikamentenabbau Niere Sekretion Ausscheidung Fett, Muskulatur / Verteilungsvolumen /
14 Verändertes Ansprechen des Gehirns auf Medikamente Erhöhte Empfindlichkeit hinsichtlich erwünschter und unerwünschter Wirkungen Erhöhte Nebenwirkungs-Empfindlichkeit Oft genügen niedrigere Dosierungen Ursache: altersbedingte Veränderungen des Gehirns
15 Frau K., 70 Jahre Beschwerde: Müdigkeit Tegretal retard 1100 mg/tag CBZ 12,3 µg/ml
16 Frau K., 70 Jahre CBZ (1100 mg/tag) Müdigkeit Jan 04 Apr 04 Jul 04 Okt 04 Jan 05 Apr 05 Jul 05 Okt 05 Jan 06 Apr 06 Jul 06 Okt 06 Jan 07 Quartale Allmählicher altersbedingter Anstieg der Serumkonzentration bis zum Auftreten von Nebenwirkungen CBZ
17 Epilepsie-Häufigkeit im Alter bei geistiger Behinderung? 2 Allgemeinarztpraxen (ländlich, städtisch) in South Carolina, Retrospektiv bis mind. 1990, 1806 Pat. ohne Behinderung, 741 Pat. mit verschiedenen Behinderungen McDermott 2005 AJMR
18 Entwicklung der Epilepsie-Häufigkeit mit zunehmendem Alter Ohne Behinderung 2,50% 2,00% 1,50% 1,00% 0,50% 0,00% >60 Patienten ohne Behinderung: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu McDermott 2005 AJMR
19 Entwicklung der Epilepsie-Häufigkeit mit zunehmendem Alter IM 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% >60 Patienten mit IM: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter leicht ab McDermott 2005 AJMR
20 Entwicklung der Epilepsie-Häufigkeit mit zunehmendem Alter IM+ZP 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% >60 Patienten mit IM + Zerebralparese: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab McDermott 2005 AJMR
21 Entwicklung der Epilepsie-Häufigkeit mit zunehmendem Alter DOWN 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% >60 Patienten mit IM bei Down-Syndrom: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter deutlich zu McDermott 2005 AJMR
22 Epilepsie-Häufigkeit / Alter bei geistiger Behinderung Ohne Behinderung: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu Mit IM: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab Mit IM+Zerebralparese: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab IM aufgrund DOWN-Syndrom: Epilepsie-Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter deutlich zu Ursache? Ausheilen der Epilepsie? Erhöhte Mortalität bei Epilepsie + IM? Erhöhte Mortalität bei schwerer/schwerster IM? Artefakt? McDermott 2005 AJMR
23 Abnahme der Epilepsie-Häufigkeit mit zunehmendem Alter 1595 Pat. mit IM (verschiedene Datenquellen wurden zusammengeführt) einer Region in Wales (Cardiff + South Glamorgan): 16,1% Epilepsie Abnahme der Epilepsie-Prävalenz wird auf erhöhte Mortalität zurückgeführt Morgan 2003 AJMR
24 Altersepilepsie bei Trisomie 21 Altersepilepsie parallel zum Einsetzen einer Alzheimer-Demenz senile myoklonische Epilepsie bei DOWN-Syndrom: myoklonische Anfälle (und generalisierte tonisch-klonische Anfälle); Häufigkeit bis 75% (vs. 10% bei Alzheimer-Demenz ohne Down- Syndrom) Früh einsetzende Alzheimer-Demenz besonders hohes Risiko, auch Anfälle zu bekommen (Menendez et al Brain Dev 2005)
25 Therapieziele Primäres Therapieziel Anfallsfreiheit Sekundäre Therapieziele Verminderung der Anfallsfrequenz Verminderung der Anfallsschwere Verminderung von Komplikationen (Stürze, Verletzungen) Vermeiden von Nebenwirkungen
26 Therapieziele in Anpassung an das Alter Primäres Therapieziel Anfallsfreiheit Sekundäre Therapieziele Verminderung der Anfallsfrequenz Verminderung der Anfallsschwere Verminderung von Komplikationen (Stürze, Verletzungen) Vermeiden von Nebenwirkungen und unerwünschten Interaktionen
27
28 Antiepileptika-Auswahl Phenobarbital Primidon Phenytoin Gravierende Nachteile (Interaktionen; Kognition; Osteoporose) i.d.r. nicht neu ansetzen Vorsicht beim Absetzen Carbamazepin Valproat Indik.: fokale Epilepsien Breites Wirkungs- Spektrum Von Älteren manchmal nicht gut toleriert Interaktionen (Enzyminduktion) EKG! Natrium-Mangel Bei Älteren weniger problematisch als bei Jüngeren; Gewichtszunahme/ metabolische Effekte; Leber! Enzephalopathie (Demenzähnliches Bild)
29 Gabapentin Lamotrigin Levetiracetam Topiramat Oxcarbazepin Bei neu aufgetretenen Altersepilepsien gut wirksam Bei therapieschwierigen Epilepsien wenig wirksam Breites W-Spektrum Oft erwünschte psychotrope Effekte (Stimmungsaufhellung, - stabilisierung) Langsame Aufdosierung I.A. gut verträglich Geleg. Irritabilität/ Aggressivität Hoch effektiv Hohes NW-Potenzial Alternative zu CBZ weniger Interaktionen Gut verträglich Ausscheidung über Nieren/ wenig Wechselwirkungen Sehr gut bewährt bei IM Wechselwirkungen! Ausscheidung über Nieren Einfach zu handhaben Für Problemepilepsien Problem bei Älteren: Ausgeprägte Hyponatriämie
30 Vergleich der Wirksamkeit von 10 Antiepileptika bei Älteren Columbia Comprehensive Epilepsy Center NY 417 ambulante Pat. ab 55 J., die irgendeines der 10 am häufigsten eingesetzten AED zwischen 2000 und 2005 nahmen Erfolgskriterien: - 12 Monatsretention - 12 Monatsanfallsfreiheit Arif et al Arch Neurol 2010
31 Vergleich der Wirksamkeit von 10 Antiepileptika bei Älteren 12 Monatsretention: Lamotrigin 79%, Levetiracetam 73%, Phenytoin und Gabapentin je 59%, Topiramat 56%, Carbamazepin 48%, Oxcarbazepin 24% 12 Monatsanfallsfreiheit: Lamotrigin 54%, Levetiracetam 43% LTG sign. höher als CBZ, GBP, OCBZ, PHT, TPM LEV sign. höher als CBZ and OCBZ Überraschend: OCBZ war das am wenigsten wirksame AED Arif et al Arch Neurol 2010
32 Ein paar Punkte zum Behalten - Epilepsien haben neben der Kindheit einen zweiten Erkrankungsgipfel im Alter - Mit der zunehmenden Lebenserwartung treten immer häufiger Epilepsien im Alter auf - Beim DOWN-Syndrom entwickelt sich häufig mit dem Einsetzen der Alzheimer-Demenz eine Altersepilepsie mit myoklonischen Anfällen - Es gibt immer noch eine erhöhte Sterblichkeit schwerer behinderter Personen mit Epilepsie - Beim älter werdenden Epilepsie-Patienten muss manchmal die Medikamentendosis nach unten korrigiert werden - Bei der Medikamenten-Auswahl sollte der Arzt neben der Art der Epilepsie auch im Blick haben: gute Verträglichkeit im Alter, keine kognitive Beeinträchtigung, wenig Wechselwirkungen mit anderer Medikation
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