Nachhaltige Stromversorgung in Deutschland
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- Dagmar Boer
- vor 8 Jahren
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1 Nachhaltige Stromversorgung in Deutschland - Positionspapier - Die Zielvision einer nachhaltigen Stromversorgung in Deutschland sollte darauf hinauslaufen, zum Einen einen entscheidenden Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz zu leisten. Hierfür ist es unerlässlich, langfristig Kraftwerke mit hohem CO 2 - Ausstoß abzuschalten. Zum anderen sollte eine nachhaltige Stromversorgung in Deutschland aber auch einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Das bedeutet, dass die Importabhängigkeit von Öl und Gas soweit wie möglich reduziert wird. Letztendlich wird es darauf ankommen, bei der Stromerzeugung in mehreren Schritten, bei denen zunächst ein Energiemix auf Basis fossiler und atomarer sowie regenerativer Energiequellen etabliert werden muss, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung soweit auszubauen, dass sowohl die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten sinkt als auch der CO 2 - Ausstoß signifikant reduziert wird. Langfristig sollte das Ziel angestrebt werden, die gesamte Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger sicherstellen zu können. Aktuell stellen mehrere Komponenten die Strompolitik vor große Herausforderungen: Strompreisentwicklung: Steigende Strompreise führen dazu, dass die Debatte über eine möglichst preisgünstige Stromversorgung in Deutschland immer wieder neuen Antrieb bekommt. Ziel ist es, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen möglichst kurzfristig und möglichst dauerhaft bei den Energiekosten im Allgemeinem und den Stromkosten im Besonderen zu entlasten. Als Königsweg erscheint vielen hier eine Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke, um die daraus entstehenden Gewinne für eine dauerhafte Reduzierung der Strompreise zu nutzen. Auch die außerplanmäßige stärkere Absenkung der Einspeisevergütung aus dem EEG für Photovoltaikanlagen zum 1. Juli 2010 soll dazu beitragen, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Es bleibt abzuwarten, ob die Einsparungen der Energieversorger tatsächlich zu einer spürbaren Reduzierung der Stromkosten beim Endverbraucher führen werden. Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe: Die deutsche Stromwirtschaft ist in erheblichem Umfang (importiert werden etwa drei Viertel der in Deutschland genutzten Energie) vom Import der für die Stromerzeugung erforderlichen Energieträger abhängig: Sowohl Erdöl als auch Erd-
2 gas als auch Uran und zum Teil auch Kohle müssen nach Deutschland importiert werden, um hier die entsprechenden Kraftwerke betreiben zu können. Steigende Preise bei den Importprodukten sowie Wechselkursschwankungen schlagen sich auf die Strompreise nieder bei den fossilen Brennstoffen Erdöl, Erdgas und Kohle stärker als beim Uran. Endlichkeit fossiler Brennstoffe: Aber nicht nur aus finanziellen Gründen stellt die Abhängigkeit von Importen eine Herausforderung für die Stromversorgung in Deutschland dar: Alle fossilen Brennstoffe sind nicht unbegrenzt als Ressourcen vorhanden in absehbarer Zeit stehen zumindest Erdöl, Erdgas und Uran nicht mehr in dem Maße zur Verfügung wie bisher, so dass es hier zu Lieferengpässen kommen wird, die es erforderlich machen, den Strommarkt von diesen Importen unabhängig zu machen. Ausstieg aus der Kernenergie: Der Atomkonsens des Jahres 2000 und der daraufhin im Jahr 2002 in Gesetzesform gegossene Atomausstieg setzen den Strommarkt zusätzlich unter Druck. Die durch die Abschaltung von Kernkraftwerken bewirkte Leistungsreduzierung muss an anderer Stelle ausgeglichen werden. Das bedeutet: Für ein abgeschaltetes Kernkraftwerk mit einer Jahresleistung von 1,2 GW müssen zwei Kohlekraftwerke mit einer Jahresleistung von jeweils 600 MW oder drei Gaskraftwerke mit jeweils 400 MW oder 240 Windkraftanlagen mit jeweils 5 MW Jahresleistung neu installiert werden. Die Alternativen reichen vom stärkeren Stromimport über den Ausbau der erneuerbaren Energie bis zum Bau neuer fossiler Kraftwerke. Da die Sparte der erneuerbaren Energie zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, den Leistungswegfall der abgeschalteten Kernenergie auszugleichen, bleiben nur die Alternativen des Imports und der neuen fossilen Kraftwerke mit entsprechender Unterstützung durch die erneuerbare Energie als Stromlieferant der Schwerpunkt liegt dabei derzeit eher beim Bau neuer Kraftwerke vor allem auf Kohle-Basis. Klimapolitik: Die Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland zielt wie die Klimapolitik anderer Staaten und der EU darauf ab, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Gerade im Bereich der CO 2 -Belastungen sind die Klimaschutzziele sehr ehrgeizig formuliert worden. So sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent unter das Niveau des Jahres 1990 sinken. Die ehrgeizigen Klimaschutzziele beispielsweise im Hinblick auf die CO 2 -Reduzierung lassen sich nur erreichen, wenn konsequent alles vermieden wird, was den CO 2 -Ausstoß nochmals erhöht. Neue Kohlekraftwerke tragen selbst bei moderner Technologie kaum dazu bei, die Klimaschutzziele beim CO 2 -Ausstoß zu erreichen zumal moderne Abscheideverfahren, die den CO 2 - Ausstoß reduzieren sollen, gerade erst in der Probephase laufen und die Serienreife im Großobjekt noch nachweisen müssen.
3 Um die anstehenden Herausforderungen meistern zu können, spricht sich die Arbeitsgruppe Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung dafür aus, - die Restlaufzeiten der deutschen Kernkraftwerke zu verlängern. Dabei sollte aus Sicht nachhaltiger Entwicklung eine angemessene Laufzeitverlängerung angestrebt werden. Im Vordergrund muss dabei aber die Sicherheit der Kraftwerksanlagen stehen. Von störanfälligen Kraftwerken sollten Reststrommengen unabhängig vom Alter der Anlagen auf andere Kernkraftwerke übertragen werden können. Der überwiegende Teil der aus der Laufzeitverlängerung resultierenden Gewinne sollte dazu verwandt werden, den durch steigende Ausgaben aus dem EEG ansteigenden Strompreis zu senken und die erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur zur Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger anzuschieben. - den sogenannten Atom-Konsens in einen Atom-Kohle-Konsens fortzuentwickeln und diesen mit einem Ausstieg aus der fossilen Stromerzeugung zu verknüpfen. Die für die kommenden Jahre erforderlichen neuen Kohlekraftwerke sollten dazu verwandt werden, alte Kohlekraftwerke mit entsprechender MW-Leistung zu ersetzen, um somit zumindest auf dem Markt der Kohlekraftwerke zu einer Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes beizutragen. Sobald der Ausstieg aus der Kernenergie abgeschlossen und der Einstieg in den Umstieg vollzogen ist, sollte im Rahmen der dann noch möglichen Kapazitäten dazu übergegangen werden, Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe vollständig durch Anlagen auf Basis erneuerbarer Energie zu ersetzen. Dabei ist eine weitere Effizienzsteigerung der erneuerbaren Energietechniken anzustreben, - die vorhandenen Möglichkeiten und Potentiale zur Stromspeicherung zur Serienreife zu führen. Um eine Grundlastfähige Stromversorgung zu gewährleisten, ist es von besonderer Bedeutung, die Speicherkapazitäten für überschüssigen Strom zu vergrößern. Ohne einen Ausbau der Speicherkapazitäten dürfte es schwierig werden, die schwankenden Anforderungen des Stromverbrauchs kontinuierlich zu erfüllen und an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden pro Tag den jeweils benötigten Strom zu wirtschaftlichen Bedingungen bereitzustellen. Hier sind stärkere Anstrengungen erforderlich, um dem vorhandenen Potential zur Serienreife zu verhelfen. Eine Verlängerung der Restlaufzeiten atomarer Kraftwerke würde aber auch hier dazu beitragen, die erforderlichen Vorarbeiten gewissenhaft und ohne zu großen Zeitdruck zu realisieren.
4 - die Stromnetze soweit zu modernisieren, dass sie als Smart Grids in der Lage sind, schwankende Kapazitäten der erneuerbaren Energien zu steuern. Erneuerbare Energieträger werden kaum in der Lage sein, an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden pro Tag konstant Strom zu liefern. Neben dem Ausbau der Speicherkapazitäten ist es daher erforderlich, die Stromnetze künftig so auszulegen, dass die vorhandene also gerade erzeugte und in Speichermedien abrufbare Strommenge zur Wahrung der Versorgungsstabilität ausreicht. Dazu ist es zum Beispiel auch erforderlich, den Verbrauch an der verfügbaren Strommenge auszurichten und Stromabnehmer zeitlich zu steuern. Die bereits verfügbaren Stromzähler neuester Generation (Smart Meter) sind ein Einstieg in diese Steuerungsfähigkeit. Dieser Einstieg muss durch die Förderung der entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsprojekte weiter unterstützt und zur Marktreife der Smart Grids geführt werden. - die Energieforschung auszubauen. Neben der Umgestaltung des Energiemixes und einer Effizienzsteigerung bei den erneuerbaren Energietechniken wird es künftig auch darauf ankommen, den Stromverbrauch zu senken oder bei steigenden Anforderungen, zum Beispiel durch die Elektromobilität, nicht weiter steigen zu lassen. Dies kann nur durch eine deutliche Effizienzsteigerung bei den Endgeräten erfolgen. Hier müssen die vorhandenen Potentiale durch gezielte Fördermaßnahmen im Rahmen der Energieforschung weiter ausgebaut werden. - den Anteil des privat erzeugten Stroms auf Basis erneuerbarer Energien weiter zu steigern. Parallel zum Umstieg der Stromwirtschaft von Kernkraft und fossiler Energie zur Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger sind seitens der Politik weitere Maßnahmen zu ergreifen, um auch in der Bevölkerung die Bereitschaft und wirtschaftliche Fähigkeit zu erhöhen, in erneuerbare Energien zu investieren. Der flächendeckende Ausbau des Anteils privater Photovoltaikanlagen kann zwar die Herausforderung nicht alleine lösen, aber einen Teil dazu beitragen. Denn jede private Photovoltaikanlage führt dazu, dass die Energieunternehmen in Deutschland diese Menge Strom nicht mehr durch den Auf- und Ausbau eigener Kraftwerke erzeugen müssen. Die Stromerzeugung der Zukunft ist damit eine umfassende öffentlich-wirtschaftlich-private Gemeinschaftsaufgabe. Die beschlossene stärkere Absenkung der Einspeisevergütung nach dem EEG wird nicht zu einer Unwirtschaftlichkeit des Photovoltaikstroms führen. Denn der reduzierten Einspeisevergütung stehen auch deutlich
5 sinkende Anschaffungskosten gegenüber, so dass unter dem Strich immer noch eine akzeptable Rendite verbleibt. - Fusionskraftwerke als eine Chance des Energiemixes stärker zu forcieren. Da die Sparte der Wind- und Sonnenenergie nicht unendlich ausbaubar ist, ist das Fusionskraftwerk eine der erforderlichen innovativen Lösungen des steigenden Energiebedarfes. Die Kernfusion ist ein wichtiger potentieller Energielieferant der Zukunft und für den künftigen Energiemix nötig. Ab 2050 kann die Fusion als neue Technologie auf den Markt kommen, wenn der Ausstoß von CO 2 deutlich reduziert werden soll und muss. Bis 2100 könnte die Kernfusion etwa 20 bis 30 Prozent des europäischen Strombedarfs decken. Das Potential zur langfristig vollständigen Eigenversorgung des deutschen Strommarktes ist vorhanden Wir müssen heute die Weichen stellen, um in einem Gesamtpaket den Strommarkt nachhaltig zukunftsfest auszugestalten. Dabei leistet die Kernenergie als Brückentechnologie einen bedeutenden aber nicht unendlichen Beitrag, den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Umbau der Stromerzeugung voranzubringen. Zur nachhaltigen Umgestaltung des Strommarktes ist es unerlässlich, heute bereits den Zeitraum der nächsten 50 Jahren in den Blick zu nehmen. Berlin, 18. Mai 2010
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