Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit
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- Dominik Geiger
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1 Berlin, 15. Oktober 2012 Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit Die vollständigen Kosten der Arbeitslosigkeit sind weit höher als die Summe der Ausgaben für Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und arbeitsmarktpolitische Instrumente. Belastet werden die öffentlichen Haushalte nicht nur auf der Ausgabenseite sondern auch auf der Einnahmenseite: Arbeitslose Menschen zahlen weniger oder keine Steuern und Sozialabgaben darüber hinaus können sie weniger konsumieren. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es bei den Kosten der Arbeitslosigkeit nur um die direkten Ausgaben für die Unterstützungszahlungen an Arbeitslose und ihre Angehörigen geht. 1 Gesamtfiskalische Kosten in der Öffentlichkeit nicht bekannt Nicht alle Kostenarten werden statistisch erfasst. Um die gesamtfiskalischen Kosten zu bestimmen, müssen daher Modellrechnungen über den entgangenen gesamtwirtschaftlichen Beitrag der Arbeitslosen gemacht werden. Ausgaben und Mindereinnahmen treten an sehr unterschiedlichen Stellen auf: Bundeshaushalt, Länderhaushalte, Gemeindefinanzen und bei den Sozialversicherungen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt Arbeitslosengeld und entsprechende Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, zugleich entgehen ihr Beiträge der Arbeitslosen. Der Bundeshaushalt muss für die wesentlichen Kosten von Hartz IV aufkommen, für einen kleineren Betrag die Kommunen (Wohnkosten). Durch Arbeitslosigkeit entstandene Wohngeldansprüche werden jeweils zur Hälfte vom Bund und den Ländern aufgebracht. Bund, Länder und Gemeinden sind allesamt von Steuerverlusten betroffen. Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erhalten von Arbeitslosen weniger Beiträge als im Falle ihrer Beschäftigung. 1 Martens, Rudolf und Hofmann, Tina (2006): Wahre Kosten der Arbeitslosigkeit.- In: arbeitsdruck, Nr. 43/2006, S. 8-9.
2 2 Gesamtfiskalische Ausgaben und Mindereinnahmen der Arbeitslosigkeit 2011 Mindereinnahmen Sozialbeiträge 28% Versicherungsleistung 21% Abbildung 1: Aufteilung der gesamtfiskalischen Kosten auf zusätzliche Ausgaben und Mindereinnahmen. 56 Mrd. Euro Mindereinnahmen Steuern 17% Sozialleistung 34% Wahre Kosten doppelt so hoch Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung legt regelmäßig detaillierte Berechnungen zu den gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit vor. 2 Die rund 3 Mio. registriert Arbeitslosen verursachten im Jahre 2011 Kosten und Mindereinnahmen in Höhe von 56 Mrd. Euro. Der Ausgabenblock umfasst insgesamt 31 Mrd. Euro oder 55 Prozent der gesamtfiskalischen Kosten. Die Mindereinnahmen sind mit 25 Mrd. Euro und einem Anteil von 45 Prozent aller Kosten nicht wesentlich kleiner als der Ausgabenblock. Anders ausgedrückt, bei dem ausschließlichen Blick auf die Ausgaben werden nur etwas mehr als die Hälfte der fiskalischen Kosten erfasst. Die Mindereinnahmen sind fast so groß wie die Ausgaben und ergeben sich aus geringeren Sozialbeiträgen und einem niedrigeren Steueraufkommen. Die Arbeitslosen führten 16 Mrd. Euro weniger ab an die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie an die Bundesagentur für Arbeit, dem Fiskus entstanden Steuerausfälle (Einkommensteuer, indirekte Steuern) von rund 9 Mrd. Euro (Tabelle 1 im Anhang). Die Relation von vermehrten Ausgaben durch Arbeitslosigkeit zu Mindereinnahmen wegen Arbeitslosigkeit ist ziemlich konstant und bewegt sich zwischen 51 zu 49 Prozent und 57 zu 43 Prozent der gesamtfiskalischen Kosten (im Zeitraum von 2001 und 2011, Abbildung 2). 2 Bach, Hans, Uwe und Spitznagel, Eugen (2012): Kosten der Arbeitslosigkeit. Druck auf öffentliche Budgets lässt nach. In: IAB-Kurzbericht, 8/
3 3 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% Gesamtfiskalische Ausgaben und Mindereinnahmen Arbeitslosigkeit Verhältnis der Kostenarten 2001 bis 2011 Mindereinnahmen Sozialbeiträge Mindereinnahmen Steuern Sozialleistungen Abbildung 2: Gesamtfiskalische Kosten und Mindereinnahmen zwischen 2001 und % 10% 0% Versicherungsleistungen Verteilung der Kosten auf unterschiedliche Ebenen Die Bundesagentur für Arbeit trägt 2011 mit fast 18 Mrd. Euro von 56 Mrd. Euro ca. ⅓ und damit den größten Anteil der Kosten der Arbeitslosigkeit. Danach ist der Bund mit rund 14 Mrd. Euro dabei und die Kommunen mit immerhin gerundet 7 Mrd. Euro. Nicht unbeträchtliche Summen entgehen der Kranken- und Rentenversicherung mit 4 bzw. 9 Mrd. Euro. 57 Prozent oder 32 Mrd. Euro der Ausgaben und Mindereinnahmen müssen Bundesagentur und Bund tragen, die restlichen Kosten 43 Prozent und 24 Mrd. Euro entfallen auf Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. Bundesagentur für Arbeit Bund Länder Gemeinden Krankenversicherung Rentenversicherung Pflegeversicherung 0,6 3,9 4,3 6,7 9, in Milliarden Euro 13,9 17,8 Verteilung der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit 2011 Abbildung 3: Verteilung der gesamtfiskalischen der Arbeitslosigkeit auf unterschiedliche gesellschaftliche Ebenen. Durch die Verteilung der gesamtfiskalischen Kosten auf sieben unterschiedliche gesellschaftliche Ebenen, die sich z. T. auf zusätzliche Ausgaben und Mindereinnahmen aufteilen, geraten die wahren Kosten der Arbeitslosigkeit aus dem politischen Blickwinkel. Bezogen auf alle Arbeitslosen betragen die Kosten zwischen 17 bis 19 Tausend Euro pro Jahr (zwischen 2001 und 2011, Tabelle 1, Anhang).
4 Anhang Tabelle 1: Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit und weitere statistische Angaben. IAB-Kurzbericht 8/2012, Tab. 1, S absolut in Tausend Registrierte Arbeitslose 1) ohne Aufschätzung in Tsd. Euro pro Jahr Kosten pro Arbeitslosen 18,2 18,4 18,9 19,2 18,0 18,3 17,8 17,1 17,5 18,5 18,9 ohne Aufschätzung 18,5 18,9 19,4 19, Tranferleistung je Arbeitslosen 2) 6,6 6,7 6,8 6,9 6,5 6,7 6,8 6,7 7,2 7,5 7,6 in Milliarden Euro Gesamtfiskalische Kosten insgesamt 76,7 83,7 91,5 92,2 87,7 82,2 67,2 55,9 59,8 60,2 56,4 ohne Aufschätzung 71,4 76,8 84,7 85, davon: Versicherungsleistung 3) 22,2 24,1 25,1 24,7 22,2 17,6 12,3 9,0 13,8 14,0 12,1 Sozialleistung 4) 18,2 20,0 21,5 23,3 24,6 25,7 22,7 20,5 20,6 20,2 19,1 Mindereinnahmen Steuern 14,8 16,1 17,7 17,3 16,2 15,0 12,1 9,8 10,0 10,3 9,5 Mindereinnahmen Sozialbeiträge 21,5 23,5 27,1 26,9 24,7 23,8 20,1 16,5 15,4 15,7 15,6 Außerdem: Aussteuerungsbetrag/Eingliederungsbeitrag in Mrd. Euro Mehrausgaben BA/Mehreinnahmen Bund - 3,7 2,5 1,4 3,3 3,9 4,4 4,0 1) 2001 bis 2004 aufgeschätzt um die Zahl der Sozialhilfeempfänger, die in diesen Jahren unter den im Jahr 2005 reformierten Bedingungen als Arbeitslose aufgetreten wären. Näheres siehe IAB-Kurzbericht Nr. 14/2008, S ) Ab 2005: Alg I, Alg II, Aufstockungsbetrag für Alg-I-Empfänger, Zuschlag nach 24 SGB II, Wohngeld, Kosten für Unterkunft und Heizung, Sozialgeld. Vor 2005: Alg I, Alhi, Sozialhilfe, Wohngeld. 3) Alg-I-Leistung; Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung; ohne Leistungsempfänger nach 428, 125 und 126 SGB III, Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen und Beauftragung Dritter mit der Vermittlung. 4) Alg-II-Leistung; Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung; Aufstockungsbetrag für Alg-I-Empfänger; Zuschlag nach 24 SGB II; Wohngeld; Kosten für Unterkunft und Heizung; Sozialgeld. Vor 2005 Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld; ohne Leistungsempfänger nach 65 (4), Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen und Beauftragung Dritter mit der Vermittlung.
5 Dr. Rudolf Martens Leiter Forschung PARITÄTISCHE Forschungsstelle Der PARITÄTISCHE Gesamtverband Oranienburger Straße Berlin Tel: Fax: persönlich: Internet: Redaktionsschluss: 15. Oktober 2012 Zitiervorschlag: Martens, Rudolf (2012): Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit.- Paritätische Forschungsstelle, Sachstand 12. Dezember 2012, Berlin (5 Seiten, 3 Abbildungen, 1 Tabelle) Geschlechtsneutrale Formulierungen: Soweit dies möglich ist, werden im Text geschlechtsneutrale Formulierungen gebraucht. Dennoch wird oft die männliche Form benutzt, dies aus stilistischen Gründen und wegen der besseren Lesbarkeit. Sollen sich Aussagen spezifisch auf weibliche oder auf männliche Personen beziehen, wird dies besonders erwähnt.
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