Staatsverschuldung in Europa Mythen und Realitäten
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- Karola Eberhardt
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1 Jürgen Leibiger, Staatsverschuldung in Europa Mythen und Realitäten 1. Die schwäbischen Hausfrau und das Schuldenmanagement des Staates 2. Ursachen der Staatsverschuldung und Euro-Krise 3. Folgen staatlicher Sparpolitik 4. Alternativen zur Austeritätspolitik 1
2 1. Die schwäbischen Hausfrau und das Schuldenmanagement des Staates Staatsschulden D 2014 (brutto) = 2100 Mrd. (netto) = 1050 Mrd. Bruttoinlandsprodukt (BIP) = 2800 Mrd. Schuldenquote = 2100/2800 = 75 % Verschuldung der Gebietskörperschaften (Mio. EUR) Bund Länder Gemeinden Quelle: SVR, Bundesbank, eigene Darstellung 2
3 Gläubiger des Staates (der Gebietskörperschaften) Den Staatsschulden entsprechen einem Forderungsvermögen von Banken, Versicherungen, Fonds usw. sowie privater Vermögensbesitzer gegenüber dem Staat. Gläubiger des Staates, Mrd. Euro Bundesbank; 4,4 Kreditinstitute; 438 Ausland; 1125 inländische Nichtbanken; 242 Quelle: Bundesbank, eigene Darstellung Bruttoverschuldung der Sektoren in % zum BIP 330% 280% 230% 180% 130% Finanz. Kapitalgesellschaften Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Private Haushalte Staat 80% 30% Quelle: Bundesbank, eigene Darstellung 3
4 Schuldenquote = Staatsschulden im Vergleich zum BIP = Schulden/BIP Japan schwäbische Hausfrau jährlich verfügbares Haushaltseinkommen = Kredit für Hausbau = Schuldenquote = 333 % Griech enland 243 % Deutsch -land 75 % USA 115 % 175 % Was unterscheidet den Staat von der schwäbischen Hausfrau? Hoheitliche Rechte unendliche Lebenserwartung Steuerhoheit Währungshoheit Gesetzgebungshoheit Gewaltmonopol Möglichkeiten für Schuldenmanagement - Fundierung der Schuld - unendliche Refundierung möglich - Einnahmensteigerung - Monetarisierung der Staatsschuld - Währungsabwertung - Streichung der Schuld möglich - Durchsetzungsmacht Der Staat kann seine Schulden eigentlich immer zurückzahlen oder streichen, muss es aber nicht. 8 4
5 Gibt es ökonomische Grenzen der Staatsverschuldung? Einige Grundbegriffe Defizitquoten Haushaltssalden ausgewählter Länder der Eurozone in % zum BIP Euroraum Deutschland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Quelle: Eurostat, eigene Darstellung 5
6 180 Schuldenquote ausgewählter Länder der Eurozone Euroraum Irland Spanien Italien Deutschland Griechenland Frankreich Quelle: Eurostat, eigene Darstellung Zinslast (-ausgaben) -quote = Zinszahlungen / Staatsausgaben oder = staatliche Zinszahlungen / BIP 7,5% Zinsausgabenquote Deutschland 7,0% 6,5% 6,0% 5,5% 5,0% 4,5% 4,0% Quelle: SVR 6
7 Bruttokreditaufnahme (Neuverschuldung brutto) = Tilgungen + Nettokreditaufnahme zur Ausgleichung des jährlichen Defizits Brutto- und Nettokreditaufnahme des Bundes Voraussetzung der Kreditaufnahme: Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, die Anleihen verzinst zurückzuzahlen (entweder aus Steuereinnahmen oder durch erneute Kreditaufnahme). 14,7 11,5 34,5 44,0 17,3 22,5 22,0 6,5 Quelle: BMF 7
8 Wann ist ein Staat pleite? Anleihebesitzer (Gläubiger) bestehen auf termingerechter und verzinster Rückzahlung der Staatsanleihen, aber der Staat ist dazu politisch nicht in der Lage und willens, weil: Kreditaufnahme zur Refundierung wird zu teuer oder unmöglich, weil mögliche Kreditgeber nicht daran glauben, dass der Staat am Ende der Laufzeit der Anleihe diese verzinst zurückzahlen kann ( Gläubigerstreik ) Schuldendienst (Tilgung + Zins) aus dem laufenden Haushalt wäre zu hoch, um sozial, wirtschaftlich und politisch vertretbar zu sein, weil Steuererhöhung oder Sparhaushalte nicht ergiebig genug wären oder politisch nicht durchsetzbar sind Zentralbank nicht bereit, Staatsanleihen gegen Zentralbankgeld zu kaufen (aus Angst vor einer Inflation) Die Ursachen der Staatsverschuldung und die Euro-Krise 1. Zinsen und Wachstumsrate seit 1980 verfehlte Wachstumspolitik, gehemmte Binnennachfrage 2. Kosten der Arbeitslosigkeit 3. Steuersenkungen, verfehlte Einnahmenpolitik des Staates 4. Krise 2007ff und ihre Kosten (Konjunkturpakete, Bankenrettung) 5. Fehlkonstruktion der Währungsunion 8
9 Schuldenquoten der G7-Länder 250 Kanada Frankreich Deutschland Italien Japan Ver. Königreich 200 USA Wirtschaftspolitische Neuorientierung: Mehr Markt, weniger Staat Thatcherismus, Reaganomics, Kohls Wendepolitik Schulden = Schulden Vorjahr + Schuldzinsen + Nettokreditaufnahme 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 1950er bis 1970er Wachstumsrate > Zinssatz stabilisiert Schuldenquote trotz negativem Primärsaldo 1980er bis 2000er Wachstumsrate Zinssatz und zu niedriger Primärüberschuss erhöht Schuldenquote Wachstumsrate nominelles BIP Zinssatz
10 Mindereinnahmen, Mehrausgaben und Staatsdefizit Deutschland (Mrd. ) fiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit Mindereinnahmen im Vergleich zum Steuerrecht 1998 Summe Defizit Quelle: Eicker-Wolf/Truger, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnung und Darstellung 10
11 Staatsverschuldung in der Euro-Zone vor und nach der Krise Schuldenquote Euro-Zone 95,0 Schuldenquote: Schulden in % zum BIP 85,0 75,0 Weltwirtschaftskrise 65, Wachstumsrate BIP real in % Quelle: Eurostat, Gemeinschaftsprognose, eigene Darstellung Konjunkturpakete 11
12 Kosten der Bankenrettung in Deutschland Fehlkonstruktion der Euro-Zone Hoheitliche Rechte unendliche Lebenserwartung Möglichkeiten für nationales Schuldenmanagement unendliche Refundierung möglich Steuerhoheit Einnahmensteigerung national Währungshoheit Gesetzgebungshoheit Monetarisierung der Staatsschuld, Währungsabwertung Streichung der Schuld möglich Besonderheit Euro-Zone keine nationale Währungshoheit mehr wechselseitige Abhängigkeiten Gewaltmonopol Durchsetzungsmacht wechselseitige Abhängigkeiten Internationalisierung der Geldpolitik ohne Internationalisierung der Finanzpolitik und ohne Finanzausgleich 24 12
13 3. Die Folgen staatlicher Sparpolitik Sparen im Wirtschaftskreislauf Horten Sparen Konsum Kreditvergabe (= Schulden des Kreditnehmers) Investitionen Horten Finanzierungssalden der volkswirtschaftlichen Sektoren (Mrd. EUR) Jahr Haushalte Unternehmen Staat Ausland ,8 51,4-38,2-150, ,2 41,2 5,5-182, ,0 15,3-1,8-150, ,4 64,8-73,0-143, ,9 107,1-103,6-153, ,0 28,6-19,7-144, ,2 21,8 4,2-167, ,9 65,7 0,3-202, Quelle: Bundesbank, Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung 13
14
15 OECD-Bericht Europa gefährdet Wachstum der Weltwirtschaft Selbst Deutschland kann Europa nicht mehr retten: Die Experten der OECD haben ihre Prognosen für 2014 und 2015 deutlich reduziert. Sorgen macht ihnen vor allem die schwache Entwicklung im Euro-Raum. 15
16 Bruttoinlandsprodukt 16
17 Beschäftigung im öffentlichen Dienst Arbeitslosigkeit 17
18 18
19 4. Alternativen zur Austeritätspolitik 19
20 Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben als Second-Best-Lösung Wann machen öffentliche Kredite Sinn? zur Nachfragesteigerung bei einem Konjunktureinbruch in Notfällen (Natur- oder andere Katastrophen Finanzierung von Zukunftsinvestitionen Gefahren öffentlicher Verschuldung Abhängigkeit von Kreditgebern und Kreditmärkten Belastung der Haushalte durch Schuldendienst Umverteilung von Steuerzahlern an Gläubiger Finanzblasen 39 20
21 Programm zur Lösung der Schuldenkrise 1. Einnahmen stärken Wachstumspolitik: (europäisches Investitionsprogramm, Marshallplan ) Steuerbasis verbessern: (Steuerschlupflöcher schließen, Steuererhebung verbessern) Steuern erhöhen (Spitzensteuersatz; Vermögens- und Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer) 2. Ausgaben umstrukturieren bestimmte Ausgaben senken (z.b. Militärausgaben) Staatsausgaben stärker auf Wachstum ausrichten (Nachfrage steigern, Investitionen erhöhen) 3. Schuldendienst senken Zinsen senken (Euro- Bonds) Tilgung mittels Zentralbankgeld Einschränkung oder Einstellen des Schuldendienstes (Schuldenmoratorium, Schuldenstreichung, hair cut) 4. Demokratisches und solidarisches Europa statt Staatenkonkurrenz 41 21
22 Quelle: Querschüsse, Kapazitätsauslastung und Ausrüstungsinvestitionen (absolute Veränderung gegenüber Vorperiode) 22
23 Zukunft des Euro-Raums 1. Wenn am Konzept der Staatenkonkurrenz festgehalten wird, werden die schwachen Länder werden früher oder später aus dem Währungsverbund ausscheiden. Dafür werden nicht nur ökonomische Begründungen, sondern auch nationale Egoismen sorgen. 2. Der Euro ist zwar eine Fehlgeburt, aber er verdient eine Rettung, weil ein Zusammenbruch verheerende soziale Wirkungen hätte. 3. Eine Euro-Rettung kann nur in einem anderen Europa mit abgestimmter und ausgleichender Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik gelingen. 4. Eine Ende des Euro in seiner heutigen Form und Verbreitung darf und wird nicht des Ende des europäischen Projekts sein
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