Reformstau in der beruflichen Bildung? Innovation und Integration durch neue Wege der beruflichen Bildung
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- Astrid Eberhardt
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1 Reformstau in der beruflichen Bildung? Innovation und Integration durch neue Wege der beruflichen Bildung (Beitrag zur ESF-Jahrestagung im Land Brandenburg 11. Mai 2009 in Potsdam) Prof. Dr. Martin Baethge Göttingen
2 Der Maßstab zur Identifizierung von Reformerfordernissen in der beruflichen Bildung - Ziele von Bildungssystemen, auch von Berufsbildung - Entfaltung individueller Regulationsfähigkeit - Entwicklung und Sicherung von Humanressourcen - Förderung gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit 2
3 Drei Sektoren des Berufsbildungssystems - Duales System der Berufsbildung - Schulberufssystem - Übergangssystem 3
4 Strukturprobleme des deutschen Berufsbildungssystems Das deutsche Berufsbildungssystem gerät besonders am unteren (Ausbildungseinstieg) und oberen Ende (Übergänge in Arbeit/ weiterführende Bildung) unter einen steigenden Legitimationsdruck: - am unteren Ende wegen zunehmender Passungsprobleme zwischen Nachfrage nach und Angebot an Ausbildungsplätzen - am oberen Ende aufgrund mangelnder Durchlässigkeit zur Hochschule und abnehmender Arbeitsmarktintegration 4
5 Zentrale Problemkonstellationen Besondere und kumulativ wirkende Problemkonstellationen: - Hauptschulabsolventen mit und ohne Abschluss; - spezifischer Migrationshintergrund; - regionale Disparitäten zwischen Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen; - neue Ungleichheitslinien nach Geschlecht 5
6 Abb. E1-1: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren M des beruflichen Ausbildungssystems 1995, 2000 und 2004 bis ,2% ,9% ,9% ,8% ,4% ,8% ,8% ,9% ,3% ,6% ,9% ,5% ,5% ,8% ,7% in Tsd. Duales System Schulberufssystem Übergangssystem Erläuterungen vgl. Tab E1-1A. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, eigene Berechnungen und Schätzungen auf Basis der Schulstatistik; Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen. 6
7 Abb. H3-1: Verteilung der Neuzugänge* auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems 2000, 2004 und 2006 nach schulischer Vor-bildung** (in %) in % 100 5,4 3,8 4, ,9 84,3 78,7 45,2 52,7 50,8 25,5 27,3 28,2 20,4 24,6 24,4 24,8 28,7 28, ,3 0,5 0,5 7,5 47,3 8,0 8,0 39,4 41,2 54,1 48,1 47,4 69,7 67,5 67, ,8 15,2 20, ohne Hauptschulabschluss mit Hauptschulabschluss mit mittlerem (Real-) Schulabschluss mit Hochschul- oder Fachhochschulreife Duales System Schulberufssystem Übergangssystem * Neben den Absolventen aus den allgem einbildenden Schulen des gleichen Jahres sind auch solche aus früheren Entlassjahrgängen enthalten, die zunächst in Einrichtungen des Übergangssystems oder in privaten Feldern untergekom men waren. * Ohne Neuzugänge mit sonstigen Abschlüssen. Erläuterungen vgl. Tab H3-1A. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, eigene Berechnungen und Schätzungen auf Basis der Schulstatistik; Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen. 7
8 8
9 Abb. H3-4: Verteilung der Neuzugänge in voll qualifizierende Ausbildung (Duales und Schulberufssystem) und Übergangssystem 2006 nach Geschlecht und schulischer Vorbildung* mit sonstigem Abschluss mit Hochschul- oder Fachhochschulreife mit Realschul- oder gleichwertigem Abschluss weiblich männlich Schulberufs- und duales System weiblich männlich Übergangssystem mit Hauptschulabschluss ohne Hauptschulabschluss * Erläuterungen vgl. Tab. H3-1A. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, eigene Berechnungen und Schätzungen auf Basis der Schulstatistik; Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen. 9
10 Abb. H3-10A: Wahrscheinlichkeit der Einmündung in eine vollqualifizierende Ausbildung (einschließlich Studium) Jugendliche nach Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems insgesamt* nach Schulabschluss nach Geschlecht nach Migrationshintergrund 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% maxi mal Hauptschul -abschl uss Männer Fr auen Insgesamt kein Migr ationshi nter gr und mi ttl er er Schul -abschl uss mi t Mi gr ati ons-hi nter gund (Fach-)Hoch-schul r eif e Median (gewichtet) max. Hauptschulabschluss 13 Monate, mittlerer Schulabschluss 3 Monate, Hoch-/Fachhochschulreife 4 Monate Median gewichtet 7 Monate ungewichtet 7 Monate Median (gewichtet) Männer 13 Monate Frauen 4 Monate Median (gewichtet) kein Migrationshintergrund 4 Monate mit Migrationshintergrund 14 Monate * Kumulierte Einmündungsfunktion (gewichtet). Quelle: BiBB-Übergangstudie. 10
11 Abb. H3-7: Wahrscheinlichkeit der Einmündung in eine betriebliche Berufsausbildung Jugendliche, die bei Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems eine betriebliche Ausbildung suchten 100% nach Schulabschluss nach Geschecht nach Migrationshintergrund 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% maxi mal Hauptschul-abschluss mi ttl er er Schul -abschl uss Männer Fr auen Insgesamt kei n Mi gr ations-hi nter gr und mit Mi gr ations-hi nter gund (Fach-)Hoch-schul r eif e Median (gewichtet) max. Hauptschulabschluss 13 Monate mittlerer Schulabschluss 3 Monate Hoch-/Fachhochschulreife 3 Monate Median (gewichtet) Männer 3 Monate Frauen 14 Monate Median (gewichtet) kein Migrationshintergrund 3 Monate mit Migrationshintergund17 Monate 11 * Kumulierte Einmündungsfunktion (gewichtet). Quelle: BiBB-Übergangstudie. Datengrundlage: Die Daten können durch Doppelklick auf die Grafiken eingesehen und kopiert werden.
12 Abb. H3-8: Wahrscheinlichkeit der Einmündung in eine Ausbildung in einem Schulberuf - Jugendliche, die bei Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems eine schulische Ausbildung suchen nach Schulabschluss nach Geschlecht nach Migrationshintergrund 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% kein Mi gr ati ons-hinter gr und maximal Hauptschul -abschl uss (Fach-)Hoch-schul r ei f e mi ttler er Schul-abschluss M änner Fr auen Insgesamt mi t Migr ati ons-hinter gund * Kumulierte Einmündungsfunktion (gewichtet) Quelle: BiBB-Übergangstudie 12
13 Fazit Übergangssystem: Hoher Mitteleinsatz begrenzte Effektivität - Hoher Einsatz von Geld- und Zeitressourcen Effektivität - Probleme des Übergangssystems vor allem solche von Jugendlichen mit und ohne Hauptschulabschluss (männlich, Migrationshintergrund) - Lange und begrenzt erfolgreiche Einmündungsprozesse in Berufsbildung zweieinhalb Jahre nach Schulende sind zwei Fünftel der Jugendlichen mit und ohne Hauptschulabschluss noch ohne Ausbildung 13
14 Gründe für die Ausweitung des Übergangssystems - Sich verschärfende Marktungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage nach Ausbildung - Steigende Anforderungen an kognitive Voraussetzungen für Berufsbildung - Verschiebungen in der ethnischen/kulturellen Zusammensetzung der Schulabsolventen - Problem: die Größenordnung der Marktbenachteiligten und der Schul- bzw. Lernbenachteiligten nicht feststellbar. - Mangelnde Effizienz der Maßnahmen des Übergangssystems 14
15 Abb. H4-1: Übergangsquoten studienberechtigter Schulabsolventinnen und Schulabsolventen von 1980 bis 2006 nach Geschlecht (in %) 100 in % bis 2006: Erwartete Übergangsquoten auf Basis der HIS-Studienberechtigtenbefragungen (angegeben sind Bandbreiten von Minimalund Maximal-quote) bis 2001: Übergangsquoten berechnet vom Statistischen Bundesamt // // // // Insgesamt Männer Frauen Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik; HIS Studienberechtigtenpanel 15
16 Abb. H4-2: Beteiligung an der Hochschulbildung 2005 nach sozialer Zusammensetzung* und akademischer Herkunft** (nur Deutsche, absolut und in %) Nach beruflicher Stellung. Angegeben ist die durchschnittliche Größe eines Jahrgangs dieser Altersgruppe ( ). ** Die akademische Herkunft wird über den Hochschulabschluss des Vaters bestimmt. In der Gruppe der Arbeiter kann für Väter mit Hochschulabschluss keine differenzierte Quote ausgewiesen werden. Quelle: DSW/HIS 18. Sozialerhebung
17 Abb. H4-5: Deutsche Studienanfängerinnen und -anfänger an Universitäten und Fachhochschulen im Wintersemester 2006/07 nach Herkunft der Studienberechtigung* (in %) Studienanfängerinnen und anfänger an: Universitäten Fachhochschulen Gymnasium, Fachgymnasium, Gesamtschule; 92,1% berufliche Schulen: 2,5% 2. Bildungsweg: 2,2% 3. Bildungsw.:0,6% Sonstige: 2,5% berufliche Schulen: 42,0% Gymnasium, Fachgymnasium, Gesamtschule: 48,2% 2. Bildungsweg: 5,5% 3. Bildungsw. 1,9% Sonstige: 2,4% * Berufliche Schulen: Fachoberschule, Berufsfachschule, Fachschule, Fachakademie 2. Bildungsweg: Abendgymnasien, Kollegs 3. Bildungsweg: Begabtenprüfung sowie Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte Sonstige: Eignungsprüfung für Kunst/Musik, ausländische Studienberechtigung, sonstige Studienberechtigungen, ohne Angabe Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik 17
18 Fazit Zu lösende Probleme Stark gestörte und zeitlich ausgedehnte Übergänge aus der unteren, zum Teil auch der mittleren Allgemeinbildung in die Berufsausbildung Hohe soziale Zugangsbarrieren in der Berufsbildung am stärksten für Jugendliche mit Migrationshintergrund Niedrige Effektivität des Übergangssystems Sehr geringe Durchlässigkeit von der Berufsbildung in die Hoch- und Fachhochschulen Wenig Bildungsmotivation und mobilität für die unteren Qualifikationsgruppen 18
19 Lösungsperspektive I Neustrukturierung des Zusammenhangs Sekundarstufe I Übergangssystem voll qualifizierende Berufsbildung durch Anhebung des allgemeinbildenden Mindestniveaus auf den mittleren Abschluss Verstärkung von Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung in der Sekundarstufe I Koordinierung von Übergangs- und voll qualifizierendem Berufsbildungssystem durch Anerkennung von Leistungen im Übergangssystem in der Berufsbildung Beschränkung des Übergangssystems auf echte Berufsvorbereitung Flexibilisierung von Ausbildungszeiten und -curricula 19
20 Lösungsperspektive II Neustrukturierung der Schnittstelle Sekundarstufe II Berufsbildungs- und Hochschulsystem durch Vereinheitlichung der vielfältigen Länder- Sonderregelungen zum Hochschulzugang für Berufstätige in Richtung eines Berufsabiturs Anerkennung von Leistungen aus der Berufsbildung im Hoch- und Fachhochschulstudium 20
21 Blockaden für durchgreifende Reformen - Das deutsche Bildungsschisma: institutionelle Trennung von Allgemein- und Berufsbildung - Erfolgsgeschichte des dualen Ausbildungssystems im letzten Jahrhundert - Widerstand gegen eine andere Systematik von Berufsbildung (stärkere Modularisierung) Höherer Allgemeinbildung: stärkerer Einbezug von Praxis und Studienangebote für Berufstätige - Institutionalisierte Eigeninteressen der bildungs- und berufsbildungspolitischen Akteursgruppen 21
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