SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss
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- Barbara Geisler
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1 1 Az.: 2 BS 58/00 SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache des Herrn prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte - Antragsteller Vorinstanz - - Antragsteller - gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Grenzschutzpräsidium Ost Schnellerstraße 139 a, Berlin - Antragsgegnerin Vorinstanz - - Antragsgegnerin - wegen Entlassung eines Beamten auf Probe
2 2 hier: Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO hier: Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Raden und den Richter am Verwaltungsgericht Munzinger am 31. Mai 2000 beschlossen: Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 21. Februar K 2322/99 - wird zugelassen. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Gründe Die Beschwerde wird aufgrund des zulässigen Antrags des Antragstellers gemäß 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen. Der Antragsteller macht zutreffend geltend, dass das grenzschutzärztliche Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums Ost vom keine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit darstellt. Allerdings vermag der Senat die vom Antragsteller insoweit dargestellten formalen Bedenken nicht zu teilen, da die Polizeidienstunfähigkeit gemäß 4 Abs. 2 BPolBG nicht durch den Grenzschutzarzt sondern durch den Dienstvorgesetzten festgestellt wird und der Leiter des Grenzschutzamtes als Dienstvorgesetzter des Antragstellers mit Schreiben vom eine solche Feststellung getroffen hat. Diese Feststellung ist auch aufgrund des Gutachtens eines beamteten Grenzschutzarztes erfolgt. Nach 4 Abs. 1 BPolBG ist der Polizeivollzugsbeamte dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt. Genau hierzu enthält das grenzschutzärztliche Gutachten vom Angaben, indem dort ausgeführt wird: Der
3 3 PHM genügt nicht mehr den seinem Lebensalter entsprechenden besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes. Seine Verwendungsfähigkeit ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Dauer eingeschränkt, es ist nach ärztlicher Erfahrung nicht zu erwarten, dass er selbige innerhalb zweier Jahre wiedererlangt. Zutreffend macht der Antragsteller jedoch geltend, dass sich das grenzschutzärztliche Gutachten und auch die ergänzende Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums Ost vom nicht ausreichend mit den neuen Behandlungsmöglichkeiten, die das Analog-Insulin ermöglicht, auseinandersetzt. Die nach 4 Abs. 1 und 2 BPolBG zu treffende prognostische Beurteilung geschieht nicht in einem gerichtsfreien Raum. Die Gerichte haben im Streitfalle nicht nur zu prüfen, ob ein rechtlich unbedenklicher Maßstab an einem sorgfältig ermittelten Sachverhalt angelegt worden ist, sondern auch, ob dieser Sachverhalt tatsächlich eine negative Erwartung der streitigen Art rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v VI C , BVerwGE 16, 285 [287]; VGH Mannheim, Urt. v S 3102/89 -, NVwZ-RR 1991, 370). Vorliegend ist unklar, ob die Erkrankung des Antragstellers die im grenzschutzärztlichen Gutachten und auch der der vom Leiter des Grenzschutzamtes getroffenen Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit sowie der Entlassungsverfügung zum Ausdruck kommende negative Erwartung tatsächlich rechtfertigt. Der Antragsteller wurde bereits vor der am durch den Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums Ost erfolgten persönlichen Befragung und körperlichen Untersuchung auf das neu entwickelte Insulin Lispro umgestellt (siehe den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom und das diesem Schriftsatz beigefügte ärztliche Attest des Dr. ). Gemäß den vom Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu diesem neuen Insulin vorgelegten Unterlagen sei im Falle der Verwendung von Insulin Lispro kein Spritz-Ess-Abstand mehr einzuhalten. Diabetiker könnten, sofern sie darin geschult sind, die Insulindosis und die Menge der aufzunehmenden Nahrung aufeinander abzustimmen, nahezu essen wann, was und wieviel sie möchten. Da Insulin Lispro innerhalb kürzester Zeit wirke, würden auch spontane Mahlzeiten möglich. Zwischenmahlzeiten seien nicht mehr erforderlich. Auch Unterzuckerungen träten seltener auf und verliefen leichter als bei Verwendung der herkömmlichen Insuline. Auch beim Sport seien mit
4 4 Insulin Lispro weniger Probleme als mit herkömmlichen Insulinen zu befürchten. Diese Angaben decken sich mit den vom Hausarzt des Antragstellers Dr. in der ärztlichen Bescheinigung vom gemachten Angaben. Dr. bescheinigt dort, dass der Antragsteller nach anfänglichen Einstellungsschwierigkeiten heute besonders durch die Umstellung auf das neuartige Lispro-Insulin ideal eingestellt sei. Er treibe Hochleistungssport, d.h. Fußball im Kreisliga-Verein und trainiere intensiv zwei- bis dreimal pro Woche. Durch intensive Diabetiker-Schulung und Anwendung des nach Bedarf zu spritzenden Lispro-Insulin unterscheide sich die Lebensweise und Belastbarkeit des Antragstellers nicht von der eines Nichtdiabetikers. Obwohl das Insulin Lispro, mit dem der Antragsteller eingestellt war und weiterhin eingestellt ist, einen deutlich flexibleren Tagesablauf ermöglicht, wird im grenzschutzärztlichen Gutachten vom Folgendes ausgeführt: Die Einschränkungen für den Polizeivollzugsdienst ebenso wie für Ausbildungsmaßnahmen sind bedingt durch die ständige apparative gesundheitliche Überwachung und Therapie sowie die Beachtung gesundheitsfördernder Lebensgewohnheiten. Der Tagesablauf muss eine exakte Nahrungszufuhr und ausreichende körperliche Bewegung garantieren. Schichtdienst und außergewöhnliche psychische Belastungen sowie das Führen von Dienstkraftfahrzeugen sind Herrn nicht zuzumuten bzw. untersagt. Auch die Stellungnahme des Grenzschutzarztes vom geht weiter davon aus, dass der Antragsteller einer ständigen apperativen gesundheitlichen Überwachung und Therapie, einer qualitativ und quantitativ sowie zeitlich geregelten Ernährung und ausreichender körperlicher Bewegung bedarf. Angesichts dieser Ausführungen ist jedenfalls unklar, ob der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums Ost sich in der gebotenen Weise mit den spezifischen Auswirkungen des dem deutschen Arzneimittelmarkt erst seit dem zur Verfügung stehenden und vom Antragsteller benutzten Insulin Lispro (so die Angabe in dem vom Antragsteller vorgelegten Artikel Neue Möglichkeiten der Insulintherapie ) auseinandergesetzt hat. Es ist deshalb erforderlich, dass der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes zu den Auswirkungen der Therapie mit Insulin Lispro auf die Polizeidienstfähigkeit Stellung nimmt. Eine solche Stellungnahme ist entgegen der von der Antragsgegnerin geäußerten Auffassung nicht deshalb entbehrlich, weil der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes bei seiner Beurteilung an die Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 gebunden ist, die nach Nr bereits eine Einstellung bei Stoffwechselkrankheiten, bei
5 5 Diabetes einschließlich der latenten und subklinischen Form ausschließt, und es somit nur auf die Tatsache ankomme, dass eine solche Krankheit vorliegt, was unstreitig der Fall sei. Die Polizeidienstvorschrift dürfte den Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes nicht davon abhalten können, die Leistungsfähigkeit des Antragstellers unter Berücksichtigung der Therapie mit Insulin Lispro aus rein medizinischer Sicht zu beurteilen. Sollte er sich hieran durch die Polizeidienstvorschrift gehindert sehen, müsste das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren eine solche Beurteilung durch einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen vornehmen lassen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Ohne eine Stellungnahme des Leiters des Sozialmedizinischen Dienstes zu den Auswirkungen der Therapie mit Insulin Lispro auf die Leistungsfähigkeit des Antragstellers kann eine Prognose der Erfolgsaussichten nicht erfolgen. Im Falle offener Erfolgsaussichten vermögen die von der Antragsgegnerin allein angegebenen fiskalischen Gründe jedenfalls im Hinblick auf das Entfallen der Fortzahlung der Bezüge die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Beschl. v BvR 1574/89 -, NVwZ 1990, 853). Soweit die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom ausführt, es entspreche der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, den Beamten nicht übergebührlich lange darüber im Ungewissen zu lassen, zu welcher Personalmaßnahme sich der Dienstherr entscheidet, vermag dies die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu rechtfertigen, da die Ungewissheit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens und somit unabhängig davon besteht, ob der Sofortvollzug angeordnet wird oder nicht. Die Entlassungsverfügung erweist sich im Ergebnis auch nicht im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Antragstellers als rechtmäßig. Insoweit fehlt es nämlich an einem grenzschutzärztlichen Gutachten, aufgrund dessen die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers durch den Dienstvorgesetzten festgestellt werden könnte. Zwar kann den Ausführungen des Leiters des Sozialmedizinischen Dienstes im Schreiben vom entnommen werden, dass der Antragsteller aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht an jedem Ort innerhalb der Bundesrepublik eingesetzt werden kann. Erforderlich ist gemäß 4 Abs. 1 BPolBG jedoch die Prognose, dass nicht zu erwarten ist, dass der Polizeivollzugsbeamte seine volle Verwen-
6 6 dungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt, wobei der Zwei-Jahres-Zeitraum ab der behördlichen Entscheidung zu laufen beginnt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v S 658/89 -, ZBR 1990, 222 [223]). Eine solche Prognose hat der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes nicht getroffen. Er geht im Schreiben vom in Übereinstimmung mit der fachärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. vielmehr davon aus, dass der voraussichtliche Erfolg der Behandlung im Sinne der Heilung zwar noch nicht absehbar, die Prognose jedoch positiv sei. Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO). gez.: Reich Raden Munzinger
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