Depression im Alter: unvermeidlich?
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- Justus Pfeiffer
- vor 8 Jahren
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1 ICD-10: Depression Depression im Alter: unvermeidlich? Prof. Dr. Gabriela Stoppe zunehmende Depressions- Verlauf bipolarer Störungen: Die ZürichStudie Diagnosehäufigkeit mit dem Alter Über 40 Jahre stabile Rezidivraten (ähnlich zu anderen Studien) Kein burn-out Keine spiral into chronicity Stoppe et al: Volkskrankheit Depression, Springer, 2006 Anteil Versicherte mit der Diagnose einer Depression innerhalb des ersten Halbjahres im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen Versorgung nach Geschlecht und Alter Angst et al Emotionalität im Alter Im Vergleich zu Jüngeren Happiness is smileshaped....etwa gleich viel positive Affekte... weniger negative Affekte (Depressivität, Angst, Feindseligkeit, Schuld, Schüchternheit)... weniger Aufmerksamkeit auf negative Stimuli... bessere Erinnerung an Positives Spaniol J et al.: Psychol Aging 2008; 23: Carstenssen LL et al.: J Pers Soc Psychol 2000; 79:
2 Depression im Alter: Risikogruppen Komorbidität Angst - Depression Patienten in einschneidenden Lebenssituationen (Verwitwung, neue Erkrankungen) Patienten mit hirnorganischen Erkrankungen Patienten mit chronischen körperlichen Erkrankungen (vor allem Schlafstörungen, Schmerzen) Patienten mit fehlendem /eingeschränktem sozialen Netz Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte Patienten mit positiver Familienanamnese Patienten mit Angsterkrankungen haben in 13-30% auch eine Depression (MDD) Patienten mit Depression haben in bis zu 50% auch eine Angsterkrankung Komorbide Angst - Depression zeigen eine grössere Chronifizierung Komorbide Angst - Depression zeigen eine stärkere Suizidalität Meta-analyse: Cole & Dendukuri 2003 Beekman A et al.: Am J Psychiatry 2000; 157: Bartels S et al.: Am J Geriatr Psychiatry 2002; 10: Prognose bzw. Verlauf Angst vs. Depression Depression und andere Volkskrankheiten -1 Untersuchung an n=1209 TeilnehmerInnen der Netherlands Study on Depression and Anxiety, ambulante Behandlung, 2 Jahres Verlauf Bester Verlauf bei reiner Depression (n=267; 24.5% chronisch) Schlechterer Verlauf bei reiner Angsterkrankung (n=487; 41.9% chronisch) Komorbide Angst - Depression zeigen den schlechtesten Verlauf (n=455; 56.8% chronisch) Prädiktoren eines schlechteren Verlaufs: Komorbidität, früher Beginn, hohes Alter Depressionen erhöhen- positiv assoziiert zur Depressionsschwere - das Risiko, an kardiovaskulären Störungen zu erkranken und zu sterben (1,8fach). (Whooley et al.: Arch Intern Med 1998; 29: ; Ford et al.: Arch Intern Med 1998; 158: ; Albus C et al.: Gesundheitswesen 2005; 67: 1-8) Depressionen erhöhen nach Metaanalysen generell das Risiko für die Alzheimer Demenz OR 2.03 (CI ) für Fallkontrollstudien OR 1.90 (CI ) für Kohortenstudien (Ownby RL, et al.: Arch Gen Psychiatry 2006; 63: ) Depressionen treten bei 20-60% der Schlaganfälle auf und sind mit einer schlechteren funktionellen Rückbildung, längerem akuten Krankenhausaufenthalt, bis zu 8fach häufigeren Krankenhaus- und doppelt so häufigen Heimeinweisungen sowie mit einer mindestens 3fach höheren Letalität assoziiert. (Beekman AT et al. Soc. Psychiatry Psychiatr. Epidemiol. 1998; 33: ; Morris PLP et al. Am. J. Psychiatry 1993; 150: , Kronenberg et al. 2006) Penninx et al.: J Affect Disord 2011; 133: Depression und andere Volkskrankheiten-2 Patienten mit Diabetes Mellitus haben ein doppelt so hohes Risiko für eine Depression. Bei bis zu 75% liegen rezidivierende depressive Episoden vor (Härter et al. 2007, Lustman et al. 1997). Eine komorbide Depression hat einen negativen Einfluss auf die Prognose eines Diabetes Mellitus. Dies betrifft insbesondere diabetische Folgekomplikationen und funktionelle Einschränkungen (Lustman et al. 2000). Depression und Schmerz - Komorbidität Prävalenz von chronischen Schmerzen ca. 15% Schmerz ist neben gastrointestinalen Beschwerden das dominante somatische Symptom der Depression (Leo RJ 2005) Ca. 25% der chronischen Schmerzpatienten haben zusätzlich Depressionen (Delgado PL 2004) Ca. 75% der Patienten mit chronischem neuropathischen Schmerz leiden an Depressionen (Gurejee O 2007) 2
3 Depression bei Demenz Depressive Symptome sind häufig, besonders bei subkortikalen Demenzen wie VaD, PD. LBD. Wenn Personen mit Depressionen in der Vorgeschichte ausgeschlossen werden, sind majore Depressionen selten. Besonders in der Frühdiagnose ist die Depression die wichtigste Differentialdiagnose S3-Versorgungsleitlinie unipolare Depression DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs, DGRW (Hrsg) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, 1. Auflage DGPPN, ÄZQ, AWMF - Berlin, Düsseldorf Internet: (*Organisationen, die in der Leitliniengruppe kooperierten: DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs, DGRW, BDK,BDP,BPM,BVDN, BVDP, BVVP, CPKA, DÄVT, DFT, DGGPP, DGPT, DGVT, DPG, DPV, DPtV, DVT, Deutscher Hausärzteverband, GwG, KND) 60% Je älter, umso mehr Pharmaka Die Prognose der Depression ist im Alter nicht per se schlechter! Anteil mit Behandlung 50% 40% 30% 20% 10% 0% Altersgruppe (Frauen) Med. o. Psycho. o. stat. mit psych. Diag. Med. oder Psycho. Medikamente Psychotherapeuten Med. und Psycho. Stoppe et al: Volkskrankheit Depression, Springer, 2006 Die Ergebnisse von Pharmakotherapie, Psychotherapie und EKT sind nicht unterschiedlich zum mittleren Erwachsenenalter Die Prognose verschlechtert sich durch Faktoren, die dies in jedem Lebensalter tun Somatische Komorbidität Grössere Anzahl vorausgegangener Episoden Späterer Behandlungsbeginn ausgewählte Behandlungsformen bei ambulanter Diagnose von Depressionen erstes Quartal 2004, GEK-Daten, weibliche Versicherte Mitchell AJ et al.: Am J Psychiatry 2005; 162: Suizid im Alter Situation in Deutschland In fast allen Ländern der Welt ist die Suizidrate in der Altersgruppe der >75jährigen am höchsten. In 90% liegt eine psychische Krankheit vor, in mehr als 60% eine Depression. Nicht nur in der Schweiz ist die Suizidhilfe von zunehmender Relevanz Problematisch: Verweigerung von Nahrung, lebenserhaltenden Massnahmen... Suizide/ Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Alter in Jahren Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre über 90 Jahre Männer Frauen Alter und Suizidziffern in Deutschland Datenquellen: Statistisches Bundesamt 3
4 Situation in der Schweiz Suizidmethoden älterer Menschen (60+) in Deutschland 60 % Anteil an allen Suiziden Männer Frauen 0 BFS, März 2012 Erhängen Vergiftung Feuerwaffen Sturz Vor bew. Objekt Schneiden Ertrinken KFZ-Unfall 2007, Statistisches Bundesamt Prävention der Depression Es liegen inzwischen eine Reihe von qualitativ hochwertigen Studien vor. Allgemeine/primäre Prävention scheint wenig wirksam. Prävention bei Risikogruppen oder solchen mit (noch nicht krankheitswertigen) Symptomen sind hingegen sehr effektiv. Das Eintreten einer Depression kann um 25-50% verringert werden. Beekman A et al.: Current Opinion in Psychiatry 2010, 23:8 11 Empfehlungen zur hausärztlichen Praxis Regelmässiges Risikoassessment bei Risikogruppen: Verwitwete und allein lebende Personen mit schwacher sozialer Unterstützung Personen mit schlechter körperlicher Gesundheit Personen mit Selbstverletzung und Suizidversuchen in der Vorgeschichte National Institute for Clinical Excellence (NICE, UK): Self harm. The short-term physical and psychological management and secondary prevention of self harm in primary and secondary care. London, 2004 Bündnisse gegen Depression Nürnberger Bündnis gegen Depression Prävention von Angst und Depression im Alter 4-Ebenen-Intervention in Nürnberg ( Einwohner), Vergleich zu Würzburg HausärztInnen: Screening, 2 Videos (Lehrvideo für Arzt, Informationsvideo für PatientIn), Homepage Breite Öffentlichkeit: Aktionstage, Handzettel, Kinospot, Antidepressionslauf etc. Multiplikatoren: Fortbildungen mit 1553 TeilnehmerInnen Betroffene in Hochrisikogruppen: Notfallkarte bei Entlassung, Selbsthilfegruppen initiiert Im ersten Jahr nach der Intervention signifikanter Rückgang der Suizidversuche (p=0.008), nicht der Suizide Hegerl et al Van t Veer-Tazelaar et al.: Am J Geriatr Psychiatry 2011; 19:
5 Prävention von Angst und Depression im Alter Collaborative care fort depression and anxiety problems (Cochrane Review, Archer et al. 2012) Einschluss von Personen mit subklinischen Symptomen N=70 RCTs (mit 90 relevanten Vergleichen) mit insgesamt Teilnehmern Randomisierung zu Prävention oder TAU Signifikante Überlegenheit der CC bei Depression: Prävention / Therapie: watchful waiting, minimal unterstützte CBT-Selbsthilfe, Problemlösestrategien, Medikation wenn nötig Auch ein Jahr nach der Intervention noch Wirksamkeit: Reduktion der kumulativen Inzidenz von Depressionen um 50%, NNT: 5 Kurzfristig / 0-6 Monate (SMD -0.34, 95% CI to -0.27; RR 1.32, 95% CI 1.22 to 1.43), mittelfristig /6-12 Monate (SMD -0.28, 95% CI to -0.15; RR 1.31, 95% CI 1.17 to 1.48) Langfristig /13-24 Monate (SMD -0.35, 95% CI to ; RR 1.29, 95% CI 1.18 to 1.41). Jedoch nicht sehr langfristig / >25 Monate (RR 1.12, 95% CI 0.98 to 1.27). Signifikante Überlegenheit der CC bei Angsterkrankungen: Kurzfristig / 0-6 Monate (SMD -0.30, 95% CI to -0.17; RR 1.50, 95% CI 1.21 to 1.87) Mittelfristig /6-12 Monate (SMD -0.33, 95% CI to -0.19; RR 1.41, 95% CI 1.18 to 1.69) Langfristig/ Monate (SMD -0.20, 95% CI to -0.06; RR 1.26, 95% CI 1.11 to 1.42). Keine Untersuchungen zur sehr langen Wirksamkeit/ >25 Monate. Es gab Evidenz für günstige Effekte auf den Einsatz von Medikamenten, psychische Lebensqualität und Patientenzufriedenheit, weniger für die körperliche Lebensqualität Van t Veer-Tazelaar et al.: Am J Geriatr Psychiatry 2011; 19: PRoMPT Collaborative Care (PRimary care Monitoring for depressive Patients Trial) Multidisziplinärer Zugang, meistens Hausarzt und psychosoziale Berufsgruppe Kann strukturiertes Management in der Hausarztpraxis die Depressionsversorgung verbessern? Cluster-randomisierte kontrollierte Studie; 74 kleine Praxen 4/2005 9/2007, 626 Pat., 18-80J. Strukturierte Telefoninterviews zum Depressions- und Strukturierter Management Plan Compliancemonitoring Sorgfältige Patientennachsorge Nach 12 Monaten: Signifikant geringere Vermehrter interdisziplinärer Austausch Depressionswerte in der Interventionsgrupe (PHQ-9 Werte; P 0.014), signifikant bessere Compliance (P 0.042); kein Unterschied bei QoL Gensichen J et al.: Ann Intern Med 2009; 151: Zusammenfassung Depression sind die häufigsten seelischen Erkrankungen im Alter Die Depression ist ein Risikofaktor, Folge und relevanter Verlaufsfaktor für andere Volkskrankheiten, insbesondere Kardio- und zerebrovaskuläre Störungen und Demenzen Die Prognose komorbider Störungen ist schlechter als die der jeweiligen Einzelerkrankungen. Risikofaktoren für Depressionen und Angst im Alter lassen sich bekämpfen bzw. präventiv angehen. Wirksame Behandlungsmassnahmen stehen wie in jeder anderen Altersgruppe zur Verfügung. Die hohe Suizidalität im Alter hängt stark mit Depressionen zusammen, braucht aber auch eigene Präventionsmassnahmen. Ein wenig Eigenwerbung Fazit: Viele Depressionen im Alter sind vermeidbar! 5
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