Altersarmut in Deutschland
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- Eduard Heintze
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1 Altersarmut in Deutschland Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D. Munich Center for the Economics of Aging (MEA) des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik und Technische Universität München 22. Wissenschaftliches Kolloquium des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Statistischen Gesellschaft, 21. November 2013
2 1. Evidenz heute: Alt vs. Gesamtbevölkerung vs. Jung 2. Entwicklung Zukunft: Rentenreformen, Erwerbhistorien, neue Bundesländer 3. Politikmaßnahmen: Koalitions- und sonstige Vorschläge 2
3 Grundsicherung im Alter: 2,9% der über 65 Jährigen (2011: Personen). Im Vergleich: 7.4% der Gesamtbevölkerung (in Bedarfsgemeinschaften mit Grundsicherung für Arbeitssuchende) Armutsgefährdung im Alter: 15,3% der über 65 Jährigen (Einkommen unter 60% Medianeinkommen). Im Vergleich: 20,0% der Gesamtbevölkerung 3
4 Internationaler Vergleich: OECD Definition. Quelle: OECD (2012) Pensions at a Glance, OECD, Paris. 4
5 Armutsproblem Deutschlands liegt derzeit bei Jungen: 37,1% wenn in alleinerziehendem Haushalt 22,4% der 18-25jährigen Zusätzlich Migrationshintergrund: 49,3% wenn in alleinerziehendem Haushalt 28,5% der 18-25jährigen (Armutsgefährdung) 5
6 Rentenreformen : - Absenkung Nettorentenniveau vor Steuern 51% (2001) auf ca. 43% (2030) (ca. -16%) - gegenläufig Erhöhung Renteneintrittsalter (4 Jahre) (ca. +10%) - und Riester-Rente/Stärkung betriebliche Altersvorsorge (ca. +6%) Rückgang Jahre mit ausreichenden Entgeltpunkten: - ohne Beschäftigung (ALG II) - ohne Sozialversicherung (Minijob, selbständig) - niedriger Lohn Sondereffekt neue Bundesländer 6
7 Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in % der abhängig Beschäftigten (inklusive Schüler/innen, Studierende und Rentner/innen), Seit 2007: rd. 8 Mio. Personen 1995: 5,6 Mio. Personen Niedriglohnschwellen: West: 9,54 ; Ost:7,04 ; gesamt: 9,15 Quelle: IAQ (2012), SOEP 2010, IAQ-Berechnungen.
8 Minijobs IAQ (2012) 8
9 Mikrozensus
10 Mikrozensus
11 Andererseits Anstieg der soz.vers.pfl. Beschäftigung: 11
12 Entgeltpunkte bei Renteneintritt: Indikator für unterbrochene Erwerbshistorien? 12
13 1 2 3 Tabelle 1: Effekte der Reformmaßnahmen bzw. möglicher Verhaltensänderungen auf den Anteil der Grundsicherungsbezieher der 65 Jährigen und Älteren Prozentpunkte Reformmaßnahme bzw. Verhaltensänderung 1a + 0,5 Rentendämpfende Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors 1b + 0,2 Vermehrte Abschläge bei der Rente mit 67 bei gleichbleibender Lebensarbeitszeit + 0,7 Rentenreformpaket ohne Verhaltensanpassung 1c 0,3 Späterer Renteneintritt durch Reaktion auf die mit der Reform 1992 eingeführten Abschläge 1d 0,4 Späterer Renteneintritt infolge der Rente mit 67 1e 0,3 Späterer Renteneintritt zur vollständigen Vermeidung von Abschläge 1,0 Mögliche Verhaltensanpassungen aufgrund der Reformen 2 + 1,0 10 Jahre ALG II Bezug statt sozialversicherte Beschäftigung 3 + 0,7 Einkommenssituation der Ostrentner gleich der der jetzt Jährigen in den neuen Bundesländern 2,9% 3,6% 2,6% 5,3% 7,4% 13
14 Übel an der Wurzel packen Alle Maßnahmen, die zu einem höheren Einkommen im Erwerbsleben und zu einem möglichst langen Erwerbsleben einer Person beitragen, sind besonders zielführend zur Vermeidung von Altersarmut Jugendarbeitslosigkeit verhindern Aus- und Weiterbildung Integration von Migranten Leichtere Einstellungsbedingungen (Vollzeit-)Erwerbsquote von Frauen und Älteren erhöhen (Faustregel: mindestens halb so viele Erwerbs- wie Lebensjahre) 14
15 Übel an der Wurzel packen Mindestlohn? Nein: Ein Mindestlohn, der eine Rente von 850 Euro im Monat sichert, läge bei ca. 15 /Std. Unvorstellbar, dass so hohe Mindestlöhne keine negativen Beschäftigungseffekte hervorrufen: Sicherung der Lohnhöhe würde durch höhere Arbeitslosigkeit konterkariert 15
16 Erhöhung der Entgeltpunkte: 1. Varianten der Zuschussrente ( Lebensleistungsrente, Solidarrente, Garantierente ) x Pflichtbeitragsjahre, y Jahre Zusatzvorsorge, z Euro Zuschuss oder Aufstockung bis 850 Euro vermeidet Akzeptanzproblem ( Stigma ): bei langer Einzahlung nun mehr als nur die Grundsicherung, sondern eine echte Rente kann Sparanreize fördern Aber: entweder uneffektiv (z ) oder teuer und anreizschädlich (850 ) schafft neues Akzeptanzproblem für diejenigen knapp über 850 (und hier sind weit mehr Personen als knapp über 680 ) kein Arbeitsanreiz zwischen 40 und 52 Beitragsjahren 16
17 2. Erhöhte Zuteilung von Entgeltpunkten an Geringverdiener Rente nach Mindesteinkommen Rente nach Mindeststundenlohn Flankierende Maßnahmen 3. Erziehungszeiten stärker berücksichtigen Drei Entgeltpunkte pro Kind -- auch falls vor 1992 geboren (Teuer; Mitnahmeeffekt vs. Wertschätzung) 4. Erwerbsminderungsrente anheben Entgeltpunkte als ob man bis zum Alter 60 gearbeitet hätte, nun bis 62 (Teuer; konsequent) 5. Zeiten der Arbeitslosigkeit stärker berücksichtigen (Teuer; vermindert Anreiz zur Arbeitsaufnahme) 17
18 Zusätzliche Altersvorsorge 6. Versicherungspflicht für Selbstständige Koalitionsvorschlag: Wahlrecht Schutzbedürfnis vs. Vernichtung von Kleinstunternehmen Adverse Selektion (vor allem wegen Erwerbsminderungsrente) Temporärer Beitragseffekt bei gut verdienenden Selbständigen 7. Ausbau der Betriebsrente Statt opt-in nun opt-out Bei staatlicher Förderung teuer Governanceprobleme bei Wahl/Ausgestaltung der Default-Option 8. Obligatorische Zusatzversicherung Teure Förderung entfällt Governanceprobleme, Gewährleistungsträgerhaftung, Intransparenz 18
19 Armut im Alter ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gegenwärtig nicht besonders hoch Ursachen zukünftiger Altersarmut sind nicht primär in den Rentenreformen der Jahre , sondern in unzureichenden Erwerbsbiographien zu suchen Daher hier der Politikansatz: Arbeitsmarkt-Bildung-Integration: Problem an der Wurzel packen Derzeit diskutierte Zusatzrenten begünstigen die Falschen, verstärken die negativen Arbeitsanreizeffekte und gefährden damit die Nachhaltigkeit des Rentensystems Wenn Grundsicherung nicht reicht, dann Mut zur Erhöhung! 19
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