Verstehe ich alles? Analyse einer PBL-Problemstellung Problembearbeitung Selbstverantwortliches Lernen. 5. Lernfragen formulieren
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- Jürgen Heidrich
- vor 8 Jahren
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1 Was ist PBL? Problembasiertes Lernen (PBL) ist eine Unterrichtsmethode, bei der den Lernenden eine realistische Problemstellung vorgelegt wird. Diese kann ein Phänomen darstellen, eine Frage, ein konkreter Fall, welcher in unterschiedlicher Form (Bild, Text, Video, ) präsentiert wird. Sie wirft Fragen auf, macht neugierig und motiviert zum Nachforschen. In Lerngruppen von ca Personen identifizieren Studierende den für sie zentralen Inhalt des Problems und formulieren dazu selbständig Lernfragen. Im Selbststudium erarbeiten sie jenes Wissen, welches zum Verständnis der Thematik nötig ist. Danach wird das neu erworbene Wissen im diskutiert, reflektiert und auf die Problemstellung angewandt. Die Tutorien werden von den Studierenden geleitet und von einer Tutorin/ einem Tutor begleitet. Der Unterschied zum herkömmlichen Unterricht liegt darin, dass Wissen nicht mehr vermittelt, sondern von Studierenden selbständig angeeignet wird. Das bedeutet auch eine Veränderung der Rolle der Lehrpersonen. Sie beraten und unterstützen Studierende und begleiten ihre Lernprozesse. Sie achten dabei darauf, dass Studierende ein Thema nicht mit falschen Vorstellungen beiseite legen. Sie stellen offene Fragen, statt Wissen zu vermitteln.
2 Das konkrete Vorgehen beim PBL Im Folgenden wird das konkrete Vorgehen bei der Analyse einer PBL-Problemstellung beschrieben. Die Analyse erfolgt nach der 7-Schritt-Methode (vgl. Abbildung 1). In einer ersten Phase findet im die Problemanalyse statt (Schritte 1-5, Dauer ca Minuten). Die zweite Phase besteht aus dem Selbststudium (Schritt 6, Wissensaneignung, Dauer ca. 2 Tage), die dritte Phase aus der vertieften Problemanalyse (Schritt 7, Dauer ca Minuten). 1. Begriffe klären 7. Neue Informationen Verstehe ich alles? austauschen Kritische Diskussion, Vergleich von Theorien, das Verständnis der Problemstellung vertiefen Analyse einer PBL-Problemstellung Problembearbeitung Selbstverantwortliches Lernen 6. Informationen beschaffen und bearbeiten (Selbststudium) Selektion von Ressourcen, Suche und Bearbeitung von Informationen, Informationen priorisieren, Notizen machen, bewährtes Wissen aktivieren, Lernfragen bearbeiten 5. Lernfragen formulieren Lernziele, welche eine angemessene Herausforderung darstellen Abbildung 1: die 7-Schritt-Methode 2. Problem definieren Wovon handelt das Problem? Welche Prinzipien/Prozesse/ Mechanismen sollen erklärt werden? 3. Problem analysieren Aktivierung des Vorwissens Brainstorming 4. Hypothesen bilden und systematisieren Innere Zusammenhänge finden, Ideen ordnen, Wissenslücken entdecken In der ersten Phase der Problemanalyse identifizieren Lernende den zentralen Inhalt des Problems, aktivieren ihr bestehendes Wissen dazu und generieren mögliche Erklärungen zur Thematik. Die aufgedeckten Wissenslücken werden zu Lernfragen umformuliert (Schritte 1-5). Nach der Formulierung der Lernfragen verlassen die Studierenden das und vertiefen sich im Selbststudium in das Thema (Schritt 6). Das Ziel des Selbststudiums ist es, die Lernfragen zu bearbeiten. Dazu recherchieren Studierende in unterschiedlichen Informationsquellen, überprüfen die Hypothesen und bearbeiten spezifische Fachliteratur. Nach dem Selbststudium wird das neu erworbene Wissen im diskutiert und reflektiert (Schritt 7). Das Verständnis der Problemstellung kann nochmals vertieft werden und die Lernfragen sollten nun ausführlicher beantwortet sein als zuvor.
3 Umsetzung in der ILW Folgende Abbildung zeigt, wie der PBL- Unterricht im Major Internationale Landwirtschaft umgesetzt wird: Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Selbststudium (Schritt 7) Inputs nach Bedarf (Schritt 1-5) Skills lab 3.5 Std. Selbststudium (Schritt 7) (Schritt 1-5) Mittagspause Prüfung (alle 4 Wochen) Selbststudium Selbststudium Selbststudium Selbststudium Selbststudium Abbildung 2: Wochenstruktur des PBL- Unterrichts : Jeden Dienstag und Freitag werden Studierende mit einer PBL- Problemstellung konfrontiert, welche sie in der Lerngruppe analysieren (Schritt 1-5) und nach dem Selbststudium vertieft diskutieren (Schritt 7). Das wird von den Studierenden geleitet. Die Moderation wechselt dabei mit jeder neuen Problemstellung. Die Tutorin/ der Tutor begleitet die Studierenden. Selbststudium: Die Erarbeitung von Wissen respektive die Bearbeitung der Lernfragen erfolgt im Selbststudium. Es steht Studierenden frei, Zwischenmeetings zu organisieren oder in Lerngruppen zu arbeiten. Skills lab: In Skills labs werden Anwendungen geübt, welche im berufspraktischen Alltag gebraucht werden. Sie können in Form von Seminarien, Workshops, als Feldforschung, im Labor oder Computerraum etc. stattfinden. Inputs nach Bedarf: Treten in einem Fachgebiet Verständnisschwierigkeiten auf, welche die Lerngruppe nicht selbständig klären kann, können Fragen an einen Experten vorgelegt werden. Diese Themen werden dann in einer speziellen Vorlesung oder in Seminarform aufgegriffen.
4 Ein Beispiel einer PBL- Problemstellung und was die Studierenden in den Schritten 1-5 daraus abgeleitet haben: 1) Ich verstehe nicht was die bräunliche Vegetation im rechten Bild ist 2) Ich frage mich was die beiden Bilder miteinander zu tun haben wie hoch die Niederschläge in diesem Gebiet sind warum es zu Erosion gekommen ist 3) Ich vermute dass Wassererosion für das Bild A verantwortlich ist die Erosion auf Überweidung zurückzuführen ist die Weiden durch falsches Management verbuschen oder verunkrauten die Besatzstärke auf den verbleibenden, grünen Flächen zu hoch ist und deshalb die Kühe so mager sind die Weiden gemeinschaftlich genutzt werden, ähnlich wie Alpweiden die Überweidung einen Zusammenhang hat mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft 4) Themenbereiche Wassererosion: Mechanismen und beeinflussende Faktoren Weidemanagement Bedeutung der Tierproduktion Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft 5) Darüber wollen wir etwas lernen (Lernfragen): Was sind die Ursachen der Bodenerosion und wie wird diese vom Klima, Boden und Bewirtschaftung beeinflusst? Wie wurden Alpweiden vor, während und nach der Sowjetzeit bewirtschaftet? Welche Auswirkungen auf das Nutzungssystem hatte der Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft? Welche wirtschaftliche Bedeutung haben die Tierproduktion und die Alpweiden? Wie können Optionen zur Verringerung der Erosion mit den Bauern entwickelt werden?
5 Theoretische Hintergründe des PBLs Problembasiertes Lernen (PBL) wurde zunächst 1969 von der McMaster Universität in Kanada eingeführt und kommt unterdessen in zahlreichen Universitäten weltweit zum Einsatz. Zu den bekanntesten Beispielen gehört neben der McMaster Universität auch die medizinische Fakultät der Universität Maastricht in Holland, deren Neugründung 1976 speziell auf das problembasierte Lernen ausgerichtet wurde. Problembasiertes Lernen hat eine lange Tradition. Es zählt zu jenen Unterrichtsmethoden, welche die Wichtigkeit von praxisbezogenem Lernen betonen, wie beispielsweise das Arbeiten mit Fallstudien oder projekt-basierte Lernmethoden (Hmelo-Silver, 2004). Gemeinsam ist diesen Methoden, dass Lernende ihr Wissen in Gruppen aktiv konstruieren. Wissen wird nicht passiv übernommen und reproduziert, sondern die Entwicklung eigener Erkenntnisse steht im Vordergrund. Charakteristisch für PBL ist das Selbststudium: durch das Selbststudium lernen Studierende, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, indem sie kritisch reflektieren, welche Inhalte sie zu lernen haben. Gleichzeitig lernen sie wichtige Informationsquellen ihres Fachgebietes kennen und nutzen. Durch die Reflexion eigener Lernprozesse und strukturiertes Management von Informationen können Studierende ihre Lernstrategien optimieren und effizienter lernen. Die Einbettung der Lerninhalte in eine konkrete Problemstellung hat den Vorteil, dass Wissen an einen Kontext gebunden wird. Auf diese Weise wird der Kontext mitgelernt, was dazu führt, dass Wissen besser gespeichert und abgerufen werden kann (vgl. Weber, 2004). Darüber hinaus werden Problemlösungsstrategien trainiert, welche für den späteren Berufsalltag eine gute Vorbereitung darstellen. Die Lerngruppe spielt eine zentrale Rolle im PBL. In den Tutorien lernen Studierende, ihr neu gelerntes Wissen in Worte zu fassen und Theorien und Problemlösungsstrategien zu reflektieren. Die Gruppe dient bei der Erarbeitung der Lernfragen und bei der Reflexion des neuen Wissens als Ressource, wobei die Heterogenität (Unterschiedlichkeit) der Gruppe positiv bewertet wird. Erfahrungen mit unterschiedlichen Rollen in der Lerngruppe und die Interpretation von Gruppenprozessen fördern Team-, Kommunikations- und Moderationskompetenzen.
6 Literatur Hmelo-Silver, C. E. (2004). Problem-Based Learning: What and How Do Students Learn? Educational Psychology Review, 3 (16), S Weber, A. (2004). Problem-Based Learning. Ein Handbuch für die Ausbildung auf Sekundarstufe II und auf der Tertiärstufe. Bern: hep-verlag, Pädagogik.
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