So spart die deutsche Mittelschicht

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1 So spart die deutsche Mittelschicht Wohlstand sichern: Wie Lebensstile das Anlageverhalten beeinflussen

2 Sparen im Wandel Die Deutschen sind ein Volk von Sparern zumindest waren sie das in der Vergangenheit: Ende der achtziger Jahre lag die Sparquote noch um die zwölf Prozent des verfügbaren Einkommens. Inzwischen sind es nur noch neun Prozent. Hinzu kommt, dass die deutsche Bevölkerung sehr einseitig spart, bevorzugt in zinsbasierten Sparplänen, Bausparverträgen oder Sichteinlagen. Dank eines intakten Zinseszinseffektes hat das in der Vergangenheit auch gut funktioniert. Jetzt im Umfeld niedriger Zinsen bleibt unter dem Strich aber nichts mehr übrig. So wird klar: Wohlstandssicherung wird mit den tradierten Mustern der Geldanlage immer schwieriger. Die Kultur des Sparens befindet sich an einem neuralgischen Punkt. Die Menschen merken teilweise, dass ein klassisches Weiter so nicht mehr funktioniert. Sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wie es stattdessen gehen könnte. Die einen fahren deshalb ihre Sparanstrengungen zurück, andere machen dennoch weiter, als sei nichts geschehen. Dabei wissen viele, dass man auf das Sparen auch in Zeiten niedriger Zinsen nicht verzichten darf. Damit es sich jedoch lohnt, müssen neue Wege gefunden werden. Diese Evolution des Sparens stellt die Menschen vor große Herausforderungen insbesondere die Mittelschicht, die rund 60 Prozent der deutschen Sparer abbildet. Über die Mittelschicht ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben worden über ein mögliches Schrumpfen, über ihre Ängste und ihre Ziele. Zu kurz kam dabei mitunter, dass es die Mittelschicht als homogene Masse so nicht gibt. Denn dahinter stecken ganz unterschiedliche Lebensstile, Werte und Erwartungen. Hier setzt diese Studie an und beleuchtet die Sparkultur in den verschiedenen Milieus der Mittelschicht, um die heterogenen Ziele, Verhaltensweisen und Ängste besser zu verstehen und damit die Bedürfnisse der Zielgruppen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, um Ansätze zu entwickeln, die dazu beitragen, das Sparen den neuen Erfordernissen im Niedrigzinsumfeld anzupassen und damit den Wohlstand der Deutschen zu sichern. Hans Joachim Reinke Hans Joachim Reinke Vorstandsvorsitzender der Union Asset Management Holding AG 2

3 Mittelschicht ist nicht gleich Mittelschicht Auf die Milieus kommt es an: das Studiendesign Deutschland geht es gut. Die Bundesrepublik hat die globale Finanz- und Wirtschaftskrise relativ unbeschadet überstanden und bislang auch die Eurokrise erfolgreich gemeistert. Sinkende Arbeitslosenzahlen und steigende Realeinkommen stimmen die Deutschen grundsätzlich optimistisch, wie Umfragen zeigen. Trotzdem sorgen sich insbesondere die Angehörigen der Mittelschicht um den Erhalt ihres hart erarbeiteten Wohlstands, um ihre Altersvorsorge und um die Zukunft der nachfolgenden Generation. Eine Ursache für die Verunsicherung ist die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Aber auch der demografische Wandel und die sinkenden Bevölkerungszahlen spielen eine Rolle. Mittelschicht steht für 60 Prozent der Haushalte Die Mittelschicht schrumpft. Diese Aussage ist in den vergangenen Jahren viel zitiert worden. Statistisch ist das nicht belegbar: Schon in den 1980er Jahren gehörten 60 Prozent der deutschen Haushalte dazu. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wie steht es um ihre Vermögensbildung? Um diese Frage zu beantworten, hat Union Investment das Handelsblatt Research Institute (HRI) unter Leitung von Professor Dr. Bert Rürup beauftragt, Sparverhalten und Sparmotive deutscher Haushalte unter Berücksichtigung der Lebensstile zu Fünf Milieus in der Mitte der Gesellschaft untersuchen. Ausgangspunkt bildet die These, dass Lebensstile einen stärkeren Einfluss auf das Sparverhalten ausüben als bislang angenommen. Grundlage der Untersuchung sind die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer jährlich durchgeführten Wiederholungsbefragung von Privathaushalten und die in der Marktforschung etablierten Sinus-Milieus des Heidelberger Sinus- Instituts. Während sich Erstere gut zur Analyse der Verschiebung der Einkommensverhältnisse eignen, lassen die Sinus-Milieus Schlüsse auf die Wertvorstellungen, die unterschiedliche Risikobereitschaft und die materiellen Bedürfnisse der Mittelschicht zu. Die Studie konzentriert sich dabei auf die fünf Milieus, die der deutschen Mittelschicht zugeschrieben werden: das bürgerliche, traditionelle, sozialökologische, adaptiv-pragmatische und hedonistische Milieu. Lebensstile beeinflussen das Sparverhalten So entsteht ein umfassendes Bild der materiellen Möglichkeiten und Wünsche der deutschen Mittelschicht. Und nicht nur das. Vor allem liefert die Untersuchung eine Antwort auf die Frage, warum nicht alle Haushalte der Mittelschicht gleich sparen. Fest steht nun: Das sozioökonomische Umfeld und unterschiedliche Lebensstile müssen bei der Analyse des Sparverhaltens stärker berücksichtigt werden. Die gesamte Studie steht im Netz zur Verfügung unter: 3

4 Die Mitte der Gesellschaft Fast zwei Drittel der deutschen Privathaushalte gehören zur Mittelschicht. Wodurch zeichnen sie sich aus und wie sparen sie? Ein Überblick Im Schnitt 50 Jahre alt mit einem Haushaltseinkommen von Euro im Monat das ist die deutsche Mittelschicht. Ihre Angehörigen sind ein wenig älter als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung mit 48 Jahren. Mit fast einem Drittel liegt der Anteil an Rentnern und Pensionären in der Mittelschicht über dem Durchschnitt. Größer als angenommen Zur Mittelschicht werden nach gängiger Konvention alle privaten Haushalte in Deutschland gezählt, die ein äquivalenzgewichtetes Nettoeinkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) vorweisen können. Nach dieser Definition gehören in Deutschland rund 60 Prozent der Haushalte zur klassischen Mittelschicht. Und das schon seit den 1980er Jahren. Die Mittelschicht schrumpft also nicht, wie befürchtet. Kurzfristiges Sparen im Vordergrund Mehr als die Hälfte aller Mittelschichthaushalte legt jeden Monat einen fixen Betrag zurück. Grundsätzlich spart die deutsche Mittelschicht lieber kurz- als langfristig, etwa für eine Urlaubsreise (38 Prozent) oder eine größere Anschaffung (36 Prozent). Nur 29 Prozent sorgen extra für einen finanziell abgesicherten Lebensabend vor. Bei der Geldanlage setzen die Haushalte auf Sicherheit: Zwei Drittel sind nicht bereit, für eine in Aussicht gestellte höhere Rendite ein Risiko einzugehen. Das restliche Drittel ist zwar auch sicherheitsbewusst, geht aber überschaubare Risiken ein. Demzufolge ist die bevorzugte Sparform der Mittelschicht das Girokonto (96 Prozent), dicht gefolgt vom Sparbuch (65 Prozent). Gut versichert... Nicht nur bei der Vermögensbildung agieren die Haushalte der Mittelschicht vorsichtig. Auch ihre Vermögenswerte scheinen sie gut absichern zu wollen: 80 Prozent der Befragten besitzen eine Hausratversicherung, 65 Prozent eine Kaskoversicherung für ihr Auto und ein Drittel eine Gebäudeversicherung. 40 Prozent haben eine private Unfallversicherung abgeschlossen, 68 Prozent eine private Haftpflichtversicherung, und 17 Prozent verfügen über einen Berufsunfähigkeitsschutz....aber nicht unbedingt für den Ruhestand 15 Prozent der Mittelschichtangehörigen besitzen eine betriebliche Altersvorsorgeanlage, eine staatlich geförderte Riester-Rente haben 14 Prozent abgeschlossen. Allerdings: Die Hälfte aller Befragten besitzt weder das eine noch das andere. Das ist die deutsche Mittelschicht 60% der Gesamtbevölkerung 50 Jahre alt durchschnittliches Haushaltseinkommen Die Einkommensmitte Das Medianeinkommen ist die Einkommenshöhe, bei der es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt. Das bedeutet: Würde man die Bevölkerung nach der Höhe ihres Einkommens in zwei Gruppen einteilen, erhielte die Person, die genau zwischen den beiden Gruppen steht, das Medianeinkommen. Das Medianhaushaltseinkommen liegt bei Euro netto im Monat. 4

5 Fünf Milieus, fünf Anlageziele Von traditionell bis hedonistisch die deutsche Mittelschicht ist so vielfältig wie ihr Sparverhalten Traditionelle Mitte 15,3% der Deutschen (10,8 Mio. Bürger) Worauf legen Menschen Wert, wie leben sie, welche Wünsche haben sie? Die Milieuforschung erfasst alle wichtigen Erlebnisbereiche wie etwa Arbeit, Freizeit, Familie und Geld, mit denen eine Person täglich zu tun hat, und verdichtet sie zu einer Basistypologie, den Sinus-Milieus. Zum ersten Mal hat das Markt- und Sozialforschungsunternehmen Sinus Sociovision diese Zielgruppen-Typologie Anfang der 1980er Jahre erstellt. Der Milieuansatz zielt darauf ab, Status und Veränderungen in den Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Wertewandels zu beschreiben. Lebensechtes Abbild der Gesellschaft Bei der Definition der Milieus handelt es sich im Unterschied zur traditionellen Schichteinteilung um eine inhaltliche Klassifikation. Grundlegende Wertorientierungen, die Lebensstil und -strategie bestimmen, gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen, Wünsche, Ängste und Erwartungen an die Zukunft. Im Gegensatz zu sozialen Schichten beschreiben die Sinus-Milieus real existierende Subkulturen in unserer Gesellschaft mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikationszusammenhängen in ihrer Alltagswelt ein lebensechtes Abbild der Gesellschaft und kein statistisches Konstrukt. 68 Jahre alt Die sicherheits- und ordnungsliebende Kriegs- und Nachkriegsgeneration ist tief in Traditionen verwurzelt. Für ihre Mitglieder gilt, dass sie wirtschaftlich versorgt sind. Daher weicht das Sparverhalten deutlich von dem anderer Milieus ab. Den Status quo sichern durchschnittliches Haushaltseinkommen Sicherheitsliebende Nachkriegsgeneration Kleinbürgertum, Arbeiterkultur Höchster Anteil an Rentnern/Pensionären Niedrigste Einkommen der Mittelschicht Altersvorsorge steht bei der traditionellen Mitte nicht mehr im Fokus, denn drei Viertel fühlen sich ausreichend abgesichert. Mehr als ein Drittel wohnt im Eigenheim. Bevorzugt werden sichere und liquide Geldanlagen. Dabei steht klar das Ziel im Vordergrund, Erreichtes zu bewahren gerade auch für potenzielle Erben. Weitere Sparanlagen als die vorhandenen sind nicht geplant. Dementsprechend gering ist das Interesse an Geldanlageinformationen. Entwicklungen wie die Flexibilisierung von Arbeit und Privatleben, die Erosion klassischer Familienstrukturen, die Digitalisierung des Alltags und die wachsende Wohlstandspolarisierung resultieren in einer nachhaltig veränderten Milieulandschaft. Das Sinus-Institut spricht an dieser Stelle von der Unschärferelation der Alltagswirklichkeit. Parallel zum Wertewandel in der Gesellschaft wird das Milieumodell daher immer wieder mit der Realität abgeglichen und angepasst. Zuletzt erfolgte dies im Jahr

6 Bürgerliche Mitte 14% der Deutschen (9,9 Mio. Bürger) Sozialökologische Mitte 7,2% der Deutschen (5,0 Mio. Bürger) 51 Jahre alt durchschnittliches Haushaltseinkommen 50 Jahre alt durchschnittliches Haushaltseinkommen Leistungs- und anpassungsbereit Streben nach sozialer und beruflicher Etablierung Generelle Bejahung gesellschaftlicher Ordnung Soziales und ökologisches Gewissen Globalisierungs-/Konsumkritiker Höchste Akademikerrate Das Zentrum der deutschen Mittelschicht strebt sichere und harmonische Verhältnisse an. Angehörige dieses Milieus haben sich vielfach bereits sozial und beruflich etabliert. Überdurchschnittlich häufig verfügen sie daher auch über eine eigene Wohnimmobilie. Sie sparen am regelmäßigsten und am intensivsten. Es sind so gut wie alle Sparformen verbreitet, dabei dominieren sichere und liquiditätsorientierte Anlageformen. Sicherheit ist das A und O Im bürgerlichen Milieu leben überdurchschnittlich viele Fondssparer. Auch in den Depots spiegelt sich die ausgeprägte Affinität zu Immobilien wider. Die bürgerliche Mitte hat ein ausgesprochen hohes Sicherheitsbedürfnis dies zeigt sich sowohl bei den Anlagepräferenzen als auch bei der finanziellen Absicherung von Vermögenswerten sowie der eigenen Erwerbsfähigkeit. Die komfortable Ausstattung der Haushalte mit Konten und Geldanlagen hat allerdings zur Folge, dass der aktuelle Bedarf als weitgehend gesättigt angesehen werden muss. Wenn in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird davon die bürgerliche Mitte stark betroffen sein. In keinem anderen Milieu ist die Wertorientierung so tief verankert wie im sozialökologischen. Das soziale Gewissen ist stark ausgeprägt. Den Menschen ist es wichtig, bewusste Entscheidungen zu treffen. Hier sind besonders viele Akademiker und Beamte vertreten, die im nächsten Jahrzehnt aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden. Nachhaltige Anlagen sind gefragt Viele besitzen Immobilien und haben breit vorgesorgt. Häufig werden weitere Geldanlagen nicht geplant. Größeres Geldvermögen hat in diesem Milieu eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung. Es besteht eine Präferenz für nachhaltige Anlagen. Auffällig ist der relativ hohe Anteil an Fondsbesitz in diesem Milieu. 6

7 Adaptiv-pragmatische Mitte 8, der Deutschen (6,3 Mio. Bürger) Die hedonistische Mitte 15,1% der Deutschen (10,6 Mio. Bürger) 38 Jahre alt durchschnittliches Haushaltseinkommen 38 Jahre alt durchschnittliches Haushaltseinkommen Leistungsbereite moderne Mitte der Gesellschaft Nutzenkalkül, konventionell, kompromissbereit und sicherheitsorientiert Streben nach Verankerung und Zugehörigkeit Höchste Einkommen in der Mitte Ihre Mitglieder sind anspruchsvoll, zielorientiert und wollen die Kapitalanlagen optimiert wissen. Dieses Milieu verfügt über ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl, gepaart mit großer Anstrengungsbereitschaft. Man schafft es, traditionelle Werte und gesellschaftliche Modernisierung miteinander zu kombinieren. Dabei befinden sich viele in einer beruflichen oder familiären Aufbauphase. Vorsorgesparen ist nicht sonderlich stark ausgeprägt. Flexibilität ist wichtig Viele bevorzugen eine flexible Anlage, um auf schwer abschätzbare Herausforderungen der Zukunft als Konsequenz unsteter Lebensverläufe reagieren zu können. Pragmatismus wird auch bei der Geldanlage großgeschrieben. Adaptiv-Pragmatische sind daher auch offen für die Beratung, wenn sie ihnen weiterhilft. Es gibt ein großes Interesse an Immobilien, die als Altersvorsorge gesehen werden. Hinzu kommt ein überdurchschnittliches Interesse an Investmentfonds. Spaßorientierte moderne untere Mitte Lebt im Hier und Jetzt Verweigerung von Konventionen und Erwartungen der Leistungsgesellschaft Weniger als die Hälfte ist berufstätig Wohlstandssicherung steht (noch) nicht auf der Agenda. Diesem Milieu geht es weniger um Besitz, und das verändert zwangsläufig das Sparverhalten. Denn das Leben im Hier und Jetzt lässt nur wenig Raum für die langfristige Vermögensplanung. Daher ist das Anlageverhalten unregelmäßig und wenig zielorientiert. Ausnahme: Bildungssparen, zu dem Hedonisten am ehesten bereit sind. Risikobereit und an Aktien interessiert Die Haushalte agieren in der Geldvermögensbildung zwar eher ziellos, sind aber dennoch anspruchsvoll. Der vergleichsweise späte Eintritt in das Erwerbsleben erfordert ein Sparen in renditestarken Anlagen, um ein nennenswertes Geldvermögen zu bilden. Dem kommt eine risikofreudigere Anlageeinstellung entgegen. Fraglich ist, ob die erforderliche Kompetenz in Finanzfragen vorhanden ist. Bekannt ist allerdings ein hohes Interesse an Börsendaten. Starre Angebote werden nicht angenommen. Es bedarf größerer Flexibilität. 7

8 Die Milieuzugehörigkeit beeinflusst das Sparverhalten Die Relevanz von Einkommen und Bildung ist geringer als bislang vermutet Die Analyse der Milieus und der damit verbundenen Lebensstile stellt die Relevanz gängiger Annahmen für das Sparverhalten infrage. Das gilt etwa für die Bedeutung der Einkommenshöhe. Es zeigt sich: Das konkrete Sparverhalten eines Haushalts wird in hohem Maß von dessen sozialer Bezugsgruppe bestimmt. So sparen Haushalte, die unterschiedlichen Milieus angehören, bei ähnlich hohen Einkommen sehr unterschiedlich. Die Bedeutung der Einkommenshöhe wird daher im Einzelfall stark überschätzt. Junge Milieus mit Nachholbedarf Die Milieubetrachtung liefert realitätsnahe Erkenntnisse. So weicht das Sparverhalten der beiden jungen Milieus (Hedonisten und Adaptiv-Pragmatische) deutlich vom durchschnittlichen Sparverhalten ab. Bei Hedonisten und Adaptiv-Pragmatischen besteht Interesse an Geldanlage und Altersvorsorge. Beides wird jedoch vielfach (noch) nicht angegangen, obwohl der Bedarf erkannt zu sein scheint. Jedenfalls fühlen die Jüngeren sich überwiegend nicht ausreichend für das Alter abgesichert. Kurzfristige Sparmotive gewinnen an Bedeutung Das kurzfristige Zielsparen hat in der Mittelschicht eine höhere Bedeutung als langfristiges Sparen. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass die Bundesbürger immer weniger zu längerfristigem Konsumverzicht bereit sind. Der gesamtwirtschaftliche Trend zu kurzfristigeren Sparzielen spiegelt sich in einer betont liquiden Geldvermögensbildung über alle Milieus. Bildungssparen wird zum Thema Auffällig ist bei Adaptiv-Pragmatischen und Hedonisten ein Interesse an Produkten des Bildungssparens. Aus volkswirtschaftlicher Sicht könnten sich hier Anreize als sinnvoll erweisen, die staatliche Bildungsziele unterstützen. Die durchschnittliche Verbreitung von Riester-Verträgen im ansonsten wenig sparaffinen Hedonistenmilieu zeigt, dass steuerliche Anreize ihre Wirkung in dieser Zielgruppe nicht verfehlen. Ältere Milieus: Handlungsbedarf im Niedrigzinsumfeld Doch auch für die Haushalte in den weniger dynamischen Milieus der bürgerlichen und der sozialökologischen Mitte gibt es hinsichtlich der Geldanlage Entscheidungsbedarf. Es laufen in den kommenden Jahren viele Lebensversicherungen aus, und zahlreiche Bausparverträge werden frei. Für die Haushalte gilt es, gerade im Niedrigzinsumfeld geeignete Wiederanlagemöglichkeiten zu finden, um langfristig ertragreich anlegen zu können. Risikofreudig und renditebewusst Die in Umfragen bekundeten Planungen der Haushalte der hedonistischen und adaptiv-pragmatischen Milieus zeigen: Sie sind die Aktiensparer von morgen. Zwar zeugen die vorhandenen Sparformen eher von sicherheitsorientiertem Sparverhalten, aber in ihrer Selbsteinschätzung gibt sich diese junge Mitte durchaus risikofreudig. Sparmotive Urlaubsreise größere Anschaffungen Unvorhergesehenes Altersvorsorge Renovieren/Modernisieren Ausbildung/Unterstützung Kinder/Enkel Absicherung Ehepartner/Lebensgefährten Abtragen von Schulden Vererben an Kinder/Enkel Erwerb eines Eigenheims eigene Bildung/Fort- und Weiterbildung andere Gründe Total 38 % 36 % 35 % 29 % 18 % 16 % 13 % 9 % 9 % 6 % 3 % 12 % Traditionelle Mitte Index Bürgerliche Mitte Index Sozialökologische Mitte Index Adaptiv-pragmatische Mitte Index Hedonistische Mitte Index Quelle: Handelsblatt Research Institut. Die Prozentangaben in der Spalte Total zeigen an, zu wie viel Prozent die fünf betrachteten Milieus für ein bestimmtes Motiv sparen. Dieser Prozentwert stellt für die folgenden fünf Milieuspalten den Durchschnittswert 100 dar. Die hellen und dunklen Einfärbungen beschreiben die Abweichungen davon beim jeweiligen Sparmotiv. 8

9 Ausblick: Die Entwicklung bis 2025 Adaptiv-Pragmatische und Hedonisten bauen ihre Position als Leitmilieus aus Milieutrends bis 2025 Traditionelle Bürgerliche Sozialökologische Adaptiv-Pragmatische Hedonisten 16 % k. A. k. A. 11 % 7 % 9 % 13 % 12 % 7 % 11 % 17 % Quelle: Handelsblatt Research Institut Die Milieulandschaft entwickelt sich ständig weiter und wird immer dynamischer. Getrieben wird dieser Prozess einerseits vom Wertewandel in der Bevölkerung und innerhalb der unterschiedlichen Milieus. Andererseits wirken demografische und ökonomische Strukturveränderungen. Tendenziell ist heute schon zu beobachten, dass die deutsche Mittelschicht bunter wird. Die Richtung ist eindeutig Es ist anzunehmen, dass die soziokulturellen Einflussgrößen, die zur Überarbeitung der Sinus-Milieus im Jahr 2010 geführt haben, in den kommenden Jahren keine radikale Kehrtwende vollziehen werden. Damit behalten bestehende Veränderungstendenzen ihre treibende Kraft. Im Einzelnen ist eine beschleunigte Modernisierung und Individualisierung der Gesellschaft zu erwarten, befeuert von einer fortschreitenden Technisierung des beruflichen wie privaten Lebens und verbunden mit steigender Kommunikation und Mobilität. Vor dem Hintergrund gleichzeitiger Alterung ist zu befürchten, dass ein Teil der Bevölkerung von diesem Wandel abgehängt wird oder sich abgehängt fühlt. In beiden Fällen greifen Resignation und Verunsicherung um sich, wovon vor allem das traditionsverwurzelte und das bürgerliche Milieu betroffen sein werden. Am sozialökologischen Milieu dürfte sich unter demografischer Betrachtung wenig ändern. Angesichts der gefestigten normativen und sozialen Werte sind keine nennenswerten Abwanderungen zu erwarten, aber auch keine Zuwanderungen aus anderen Milieus. Die Hedonisten etablieren sich als Leitmilieu Von besonderer Bedeutung sind die Leitmilieus, die eine starke Anziehungskraft auf andere ausüben und deshalb voraussichtlich an Bedeutung gewinnen werden: Hedonisten und Adaptiv-Pragmatische. Beim adaptiv-pragmatischen Milieu wird die Veränderung davon abhängen, wie stark der weitere Zufluss aus dem hedonistischen, dem bürgerlichen und dem traditionellen Milieu ausfällt. 9

10 Wer lebt wo? Die fünf Milieus sind unterschiedlich stark in den Bundesländern vertreten mit Auswirkungen auf das regionale Sparverhalten Großstädter sparen weniger Die bürgerliche Mitte ist überdurchschnittlich stark in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen vertreten. Schwächer ist sie in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg repräsentiert. Der Befund passt zum Ortsgrößenvergleich. Demnach ist das regelmäßige Sparen in Großstädten über Einwohnern mit fünf Prozentpunkten unterdurchschnittlich ausgeprägt gegenüber kleinen und mittelgroßen Städten von bis zu Einwohnern (mit zwei Prozentpunkten über dem Durchschnitt) mit starker bürgerlicher Mitte. Traditionelles Milieu in den neuen Ländern schwächer Die Traditionellen sind in Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt unterrepräsentiert. Damit ist das älteste Milieu der Mitte in den neuen Ländern deutlich untergewichtet. Dieser Befund überrascht angesichts der demografischen Entwicklung mit Abwanderungsbewegungen jüngerer Menschen im ländlichen Raum des Ostens. Abgesehen davon zeigt sich eine breite Verteilung dieses Milieus über die gesamte Bundesrepublik, Schwerpunkte sind Nordrhein-Westfalen und Bayern. Hedonisten in der Hauptstadt Bildung vor allem auf dem Land ein Sparmotiv Die Bundesländer mit der höchsten Konzentration an Hedonisten (Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt) sind ausgerechnet die Regionen, in denen das adaptiv-pragmatische Milieu lediglich eine schwache Konzentration aufweist. Im Saarland ist die gut verdienende, aufstrebende junge Mitte deutlich unterrepräsentiert. Die Bestverdiener der Mittelschicht haben Schwerpunkte in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, ausgerechnet in zwei ländlich geprägten neuen Bundesländern. Eine starke Übergewichtung des Bildungssparmotivs in Städten unter Einwohnern belegt die höhere Konzentration jüngerer Mittelschichtmilieus in ländlichen Regionen. Anteile an Sozialökologischen schwanken am meisten Hessen und Rheinland-Pfalz sind die am dichtesten von Haushalten aus dem sozialökologischen Milieu besiedelten Regionen in der Bundesrepublik. Hinzu kommen die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Festzuhalten bleibt, dass die stark akademisch geprägte Mitte am wenigsten gleichmäßig über die Bundesrepublik verteilt ist. Es gibt sowohl große Lücken von unterdurchschnittlicher Repräsentanz als auch überdurchschnittlich hohe Konzentrationen. Das Milieu mit den am wenigsten regelmäßig Sparenden ist in Berlin, Sachsen-Anhalt und dem Saarland überdurchschnittlich stark vertreten. Ansonsten leben die Hedonisten überall in durchschnittlicher Dichte von 15 Prozent. Ausnahmen sind Hessen und Rheinland-Pfalz. In diesen beiden westdeutschen Bundesländern sind die modernen Nonkonformisten unterdurchschnittlich repräsentiert. 10

11 Die Verteilung der Milieus 39 % Die Grafik zeigt, zu wie viel Prozent die einzelnen Milieus in den Bundesländern vertreten sind. D 17 % 34 % Traditionelle Mitte SH Bürgerliche Mitte 12 % 19 % 13 % Sozialökologische Mitte 5% Adaptiv-pragmatische Mitte 30 % Hedonisten übrige Milieus MV 48 % 16 % 6% HH 21 % 4% 10 % 17% 32 % HB 11 % 46 % 7% 16 % BE 17 % 10 % 18 % 41 % NI 7% 37 % 18 % NW 10 % 11 % 30 % 21 % 19 % BB 25 % ST 38 % 7% 3% 12 % 10 % 13 % 33 % TH 16 % 41 % HE 13 % 17 % 32 % 11 % SN 21 % 17 % 18 % 10 % 12 % 16 % 41 % RP 17% 10 % 7% 13 % 36 % SL 12 % 6% 42 % BY 25 % 39 % 5% 13 % BW 16 % Quelle: Handelsblatt Research Institut 11

12 Rechtliche Hinweise Die Inhalte in diesem Dokument wurden von der Union Asset Management Holding AG nach bestem Urteilsvermögen erstellt und herausgegeben. Eigene Darstellungen und Erläuterungen beruhen auf der jeweiligen Einschätzung des Verfassers zum Zeitpunkt ihrer Erstellung. Als Grundlage dienen Informationen aus eigenen oder öffentlich zugänglichen Quellen, die für zuverlässig gehalten werden. Für deren Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit steht der Verfasser jedoch nicht ein. Grundlage dieser Broschüre ist eine Studie des Handelsblatt Research Institute. Stand aller Informationen, Darstellungen und Erläuterungen: November 2014, soweit nicht anders angegeben Ihre Kontaktmöglichkeiten Union Asset Management Holding AG Wiesenhüttenstraße Frankfurt am Main Telefon Telefax