Tele-versity: Virtuelle Seminare als Kombination der Vorteile von E-Learning und Präsenzlernen

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1 5. TAG DER LEHRE 20. NOVEMBER 2003 FACHHOCHSCHULE NÜRTINGEN HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFT, LANDWIRTSCHAFT UND LANDESPFLEGE Tele-versity: Virtuelle Seminare als Kombination der Vorteile von E-Learning und Präsenzlernen Ullrich Dittler In der Diskussion um die Modernisierung des deutschen Bildungswesens wird die Bedeutung von elektronischen Lernformen (E-Learning) zunehmend herausgestellt. Neben den klassischen Formen des E-Learning (z. B. Computer-Based-Training, Web-Based-Training usw.) 1 gewinnt Live E- Learning in Form von Virtuellen Seminaren zunehmend an Bedeutung, da diese eine synchrone, aber ortsunabhängige Schulung mehrerer Teilnehmer erlauben. Virtuelle Seminare 2 wurden entwickelt, um die Vorteile des mediengestützten s mit den Vorteilen von Präsenztrainings und Workshops zu verbinden: Zu den Vorteilen des s mit Computer-Based-Training (CBT) und Web-Based-Training (WBT) gehört zweifellos die Möglichkeit, auch größere Zielgruppen über ein Lernmedium anzusprechen und sowohl zeitnah als auch relativ preiswert zu schulen. Darüber hinaus bieten CBT und WBT beispielsweise die Möglichkeit, Inhalte multimedial aufzubereiten und damit auch komplizierte Zusammenhänge zu visualisieren und verständlich zu machen. Besonderheiten virtueller Seminare als Veranstaltungsform Zu den Vorteilen von Präsenztrainings und Workshops zählt hingegen die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen Dozenten und den: Die den können Rückfragen zum behandelten Inhalt stellen und der Dozent kann seinerseits Fragen zum Verständnis an die den richten. Diese direkte Kommunikation die im vorproduzierten CBT und WBT natürlich nicht realisiert werden kann bildet die Basis für einen Unterricht, der sich spontan am Vorwissen und an den Fragen der den orientiert und auch deren Erfahrungen und Beiträge in das Seminar mit einbindet. Virtuelle Seminare laufen in der Regel so ab, dass ein Dozent den Lerninhalt vorbereitet und entsprechendes digitales Anschauungsmaterial (Folien, Bilder, Videosequenzen usw.) für das Live-E-Learning zusammenstellt. Zu einem verabredeten Zeitpunkt wählen sich die den unter der Web- Adresse des Virtuellen Seminars ein und nehmen live am Virtuellen Seminar teil. Sie sehen auf ihrem Bildschirm neben dem Videobild des Dozenten auch Visualisierungen zum Lerninhalt (siehe Abbildung). Bedingt durch die digitale Übertragung der Inhalte ist es möglich, alle Inhalte und Anschauungsmaterialien, die digital vorliegen, in die Veranstaltung einzubinden; die multimediale Aufbereitung der Inhalte muss daher 1 2 Siehe hierzu: U. DITTLER (Hrsg.) (2003). E-Learning: Einsatzformen und Erfolgsfaktoren des s mit interaktiven Medien. 2., ergänzte und überarbeitete Auflage. München: Oldenbourg. Am Beispiel der Virtuellen Seminare wird die noch uneinheitliche Verwendung der Begriffe besonders deutlich: Die synonym verwendeten Begriffe Virtuelle Seminare und Live E-Learning werden hier als Oberbegriffe für live über Internet oder Intranet gestreamte Vorträge mit synchroner Möglichkeit zur Rückfrage an den Dozenten verwendet. Die in anderen Quellen zu findende Definition von Virtuellen Seminare als eine Form von CBT oder WBT mit meist asynchroner tutorieller Betreuung greift daher zu kurz. 56

2 derjenigen in CBTs und WBTs in nichts nachstehen. Dadurch, dass die Teilnehmer des Virtuellen Seminars weltweit verteilt sein können und für den Zugang zum Seminar lediglich einen Internet-Zugang benötigen, ist die Anzahl der Teilnehmer nicht durch äußere Faktoren (beispielsweise die Größe eines Seminarraums) vorgegeben. Die Teilnehmerzahl kann, beispielsweise bei Virtuellen Vorlesungen, theoretisch beliebig groß sein. Eine Grenze ergibt sich jedoch zum einen durch die eingesetzte Streaming- Technologie (und die dadurch entstehenden Kosten für die Infrastruktur), zum anderen macht ein Virtuelles Seminar mit einer zu großen Teilnehmerzahl auch didaktisch keinen Sinn mehr, da Zwischenfragen der Teilnehmer ab einer bestimmten Anzahl von den vom Dozenten nicht mehr adäquat beantwortet werden können. Ein wesentlicher Vorteil von Virtuellen Seminaren liegt im Vergleich zu anderen Formen des E-Learning wie bereits angesprochen in der direkten Kommunikation zwischen Dozent und Teilnehmern: Da der Dozent in der Regel von Teilnehmern nur den Namen (nicht jedoch ein Stand- oder Videobild) auf seinem Monitor sieht, fehlen ihm im Vergleich zu einem Präsenzseminar wesentliche Informationen, wie körpersprachliche und mimische Hinweise der Teilnehmer, die Interesse oder Desinteresse am Thema zum Ausdruck bringen. Durch die mediengestützte Kommunikation mit den Teilnehmern, beispielsweise über Chat oder über Audio, kann der Dozent die Teilnehmenden und ihre Anfragen in das Seminar integrieren und so auch den Verlauf des Virtuellen Seminars an den Erwartungen der Teilnehmer orientieren. Die Teilnehmer können ihrerseits bei inhaltlichen Rückfragen den Dozenten direkt in seinen Ausführungen unterbrechen, der Dozent kann die Rückfragen direkt beantworten und somit sicherstellen, dass die den seinen weiteren Ausführungen wieder folgen können. Durch die Nähe zu klassischen Präsenzseminaren eignen sich Virtuelle Seminare auch für Zielgruppen, die bisher nur geringe Erfahrungen im Umgang mit E-Learning haben. Um eine an den Inhalten des Virtuellen Seminars orientierte Teilnahme zu ermöglichen, sollten die Teilnehmenden vorab die Gelegenheit erhalten, sich mit den Interaktionsmöglichkeiten des Virtuellen Seminars vertraut zu machen (siehe: Wie in der folgenden Tabelle (die verschiedene Formen von Präsenzlernen und E-Learning einander gegenüber stellt) zu sehen ist, gelingt die mit dem Einsatz von Virtuellen Seminaren angestrebte Kombination der Vorteile von CBT und WBT sowie der Vorteile von Präsenzschulungen in folgenden Fällen: Bedingt durch den technischen Aufbau und die weltweite Zugriffsmöglichkeit handelt es sich bei Virtuellen Seminaren um eine Form des verteilten s. Ähnlich wie in Vorlesungen und Workshops findet die Wissensvermittlung auch in Virtuellen Seminaren primär durch den Dozenten statt (personenzentriertes ), die Visualisierungen veranschaulichen die Ausführungen. Um die für Virtuelle Seminare wichtige Funktion der Kommunikation zwischen Teilnehmern und Dozenten nutzen zu können, ist eine synchrone Teilnahme an der Veranstaltung erforderlich (synchrones ). Denkbar ist es natürlich auch, Virtuelle Seminare auf Datenträgern zu speichern und als Seminare-on-demand anzubieten. Der große 57

3 Vorteil der Interaktion und Kommunikation geht dann allerdings für die den verloren. Seminare-on-demand haben nicht selten den Charme von Schulungsfernsehen. Das Maß und die Art der in Virtuellen Seminaren möglichen Interaktionen hängt sehr stark vom Thema und der Anzahl der den ab: In Virtuellen Seminaren mit geringer Teilnehmerzahl kann der Dozent auch offene Fragen an die Gruppe richten oder jeden Teilnehmer um eine kurze Äußerung bitten; bei großen Gruppen ist dies hingegen nicht mehr sinnvoll zu realisieren. Tabelle: Matridarstellung der einzelnen E-Learning Medien Zentralistisches Verteiltes Personenzentriertes Medienzentriertes Synchrones Kooperatives Asynchrones Rezeptives Interaktives Klass. Vorlesung Präsenztraining / Workshop Computer- Based-Training (CBT) Web-Based- Training (WBT) () () Virtuelles Seminar Im Rahmen des Projektstudiums konzipierte und programmierte ein studentisches Projektteam des Fachbereichs Digitale Medien in enger Zusammenarbeit mit der tele-akademie der FH Furtwangen unter dem Namen tele-versity eine Plattform zur Veranstaltung von gestreamten Live-Seminaren, bei der die Teilnehmer die Möglichkeit zur (tetbasierten) Kommunikation mit dem Dozenten (im Sinne eines Rückkanals) haben. Im Juli 2003 wurde mit der tele-versity eine erste Schulungssendung mit CHRISTINA RAUTENSTRAUCH zum Thema Tele-Tutoring Rollen und Aufgaben von Lernbegleitern (siehe Abbildung) erfolgreich durchgeführt. Seither werden von den Eperten der FH Furtwangen und der teleakademie in lockerer Folge Virtuelle Seminar auf der Basis der tele-versity veranstaltet. 3 Beschreibung der tele-versity 3 Aufgezeichnete und freigeschaltete Schulungssendungen können Sie über die Archiv-Funktion unter abrufen. 58

4 Das Tool tele-versity verfügt über ein differenziertes Rollenkonzept, das die bestehenden Funktionen und Rollen (beispielsweise: Kursleiter, Referent, Moderator, Teilnehmer) der Fernlern-Maßnahmen der tele-akademie aufgreift und daher nahtlos in den eingespielten Workflow bei der Konzeption und Durchführung von telemedialen Weiterbildungsmaßnahmen integriert werden kann. In einem konkreten Fall läuft die Durchführung eines Virtuellen Seminars folgendermaßen ab: 1. Der Kursleiter legt einen neuen Kurs an und benennt einen Referenten und ggf. einen Moderator. 2. Der Referent spielt seine Folien und andere benötigte digitale Daten auf dem tele-versity-server ein und erstellt über Formulare die Fragen bzw. Fragebögen, die während oder im Anschluss an das Virtuelle Seminar angezeigt werden sollen (die Auswertung erfolgt server-seitig während des Seminars). 3. Zu Beginn des Virtuellen Seminars kann der Referent die zuvor angemeldeten Teilnehmer einladen, d. h. sie erhalten Zugang zum virtuellen Seminarraum und können damit den live-stream (Audio und Video) des Referenten und dessen Folien sehen. Während der Referent seinen Vortrag hält und die Folien (oder andere digitale Materialien) den den synchron zur Verfügung stellt, können die Teilnehmer über die Kommunikationsfunktionen mit dem Referenten, einem Moderator oder untereinander in Diskussionen einsteigen. 4. Mit Beendigung des Virtuellen Seminars wird dieses halbautomatisch im Archiv der tele-versity zur Verfügung gestellt (der Kursleiter kann anschließend bestimmen, ob die Aufzeichnung des Seminars und des Chats öffentlich zur Verfügung gestellt wird). Ablauf eines tele-versity- Seminars Die tele-versity wird aber nicht nur im Rahmen des telemedialen Weiterbildungsangebots der tele-akademie eingesetzt, sondern zunehmend auch in den grundständigen Studiengängen des Fachbereichs Digitale Medien der FH Furtwangen, da dort auf das Thema E-Learning großes Gewicht gelegt wird. 59

5 In einem nächsten Schritt wird die tele-versity sowohl in technischer als auch in didaktischer Hinsicht weiterentwickelt: Der Einsatz der tele-versity als Seminarform wird bezüglich seiner Akzeptanz bei unterschiedlichen Zielgruppen im Rahmen der Weiterbildung sowie im Rahmen der grundständigen Studiengänge evaluiert, um auf Basis der Ergebnisse die didaktische Qualität der Virtuellen Seminare gezielt stufenweise erhöhen zu können. Die notwendige Software (Verwaltungssoftware, Video- und Audio- Encoder, Mediaserver usw.) der tele-versity soll auf einem Notebook zur Verfügung gestellt werden, um als Fliegendes virtuelles Klassenzimmer ortsunabhängig eingesetzt werden zu können: Ein Dozent soll die tele-versity dann überall in der Hochschule einsetzen können, wo ein Zugang zum Hochschulnetz gegeben ist. Zukünftige Weiterentwicklungen Es zeigte sich bereits, dass sich die auf der Basis der tele-versity veranstalteten Virtuellen Seminare einer hohen Akzeptanz bei den Teilnehmern der telemedialen Weiterbildungsmaßnahmen der tele-akademie erfreuen. Inwieweit Virtuelle Seminare auch geeignet sind, die Veranstaltungen einer Präsenzhochschule zu ergänzen und zu bereichern, wird in den nächsten Monaten gezielt untersucht werden. Prof. Dr. Ullrich Dittler Fachhochschule Furtwangen - Hochschule für Technik und Wirtschaft dittler@fh-furtwangen.de Autor 60