FRAGE 95. Der Gebrauch von Marken Dritter ohne Verwechslungsgefahr
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- Alwin Winkler
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1 FRAGE 95 Der Gebrauch von Marken Dritter ohne Verwechslungsgefahr Jahrbuch 1989/II, Seiten Geschäftsführender Ausschuss von Amsterdam, Juni 1989 Q95 FRAGE Q95 Der Gebrauch von Marken Dritter ohne Verwechslungsgefahr Entschliessung Nach dem Markengesetz hat der Markeninhaber das ausschliessliche Recht, seine Marke zur Kennzeichnung seiner Waren und Dienstleistungen und ihrer Herkunft zu benutzen. Dieses Recht wird vom Markengesetz gegen die Benutzung der Marke durch andere im Geschäftsverkehr geschützt, wenn die Benutzung (in bezug auf die Marke sowie die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist) geeignet ist, zu einer Täuschung oder Verwechslung zu führen. Die Markengesetze verbieten im allgemeinen den Gebrauch von Marken Dritter ohne Verwechslungsgefahr nicht. Es gibt jedoch Fälle, in denen die Bezugnahme auf eine Marke zwar vernünftigerweise nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen angesehen werden kann, aber dennoch die Interessen des Markeninhabers, z.b. an der Unterscheidungskraft seiner Marke oder an dem mit der Marke verbundenen guten Ruf, beeinträchtigen kann. Einige dieser Fälle sind seit langem bekannt. Neue Erscheinungsformen der Ausnutzung des guten Rufs der Inhaber von Marken durch einen Verwechslungsgefahren vermeidenden Gebrauch der Marke haben jedoch ein verstärktes Schutzbedürfnis hervorgerufen. Die IVfgR ist der Meinung, dass hierbei drei Fragen geprüft werden müssen: (1) Ob der Markeninhaber überhaupt einen Anspruch auf Schutz gegen den nicht verwechselbaren Gebrauch erhalten sollte. (2) Ob ein solcher Schutz im Markengesetz, in Gesetzen gegen den unlauteren Wettbewerb (einschliesslich der Verbraucherschutzgesetze, der Marktgesetze usw.) oder im Rahmen anderer Gesetze, etwa des Zivilrechts, gewährt werden sollte, und (3) ob die Schaffung neu geregelter Ansprüche empfohlen werden kann. 1
2 I. Gebrauch der Marke durch Nichtgewerbetreibende 1. Gebrauch der Marke durch Verbraucherorganisationen - Verbraucherorganisationen sollten das Recht haben, die Marke zur Identifizierung der Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, die Gegenstand ihrer Testergebnisse sind. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf solche Informationen, und es besteht meist keine Möglichkeit, die getesteten Waren oder Dienstleistungen auf andere Weise zu identifizieren. Vergleichende Tests sind geeignet, den Wettbewerb zu beleben, die Qualität der Waren und Dienstleistungen zu heben und die Markttransparenz zu fördern. Die IVfgR unterstreicht das Recht auf Kritik und Information. - Eine Bezugnahme auf die getesteten Waren und Dienstleistungen durch Nennung ihrer Marken sollte vom Markengesetz nicht verhindert werden. - Veröffentlicht die Verbraucherorganisation Testergebnisse, die unrichtig oder einseitig sind oder sonst legitime Interessen eines Markeninhabers verletzen, so sollten die massgeblichen Rechtsvorschriften (etwa wegen Geschäftsehrverletzung) Schutz gewähren. - Die Beurteilung von Fällen solcher Art hängt von den unterschiedlichen Umständen des Einzelfalls ab. Dies schliesst eine besondere Regelung aus, die auf alle diese Fälle anwendbar ist. 2. Gebrauch der Marke als Gattungsbezeichnung Wird eine Marke in Veröffentlichungen so zitiert, dass dadurch der Eindruck erweckt wird, es handle sich um eine Gattungsbezeichnung oder um ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs, so kann ein solcher generischer Gebrauch zu einer Entwicklung beitragen, durch die die Marke ihre Unterscheidungskraft verliert. Ein solcher Gebrauch beeinträchtigt die Marke, weil er die Unterscheidungskraft vermindert und hierdurch den Bestand der Markeneintragung oder die Möglichkeit zum Schutz der Marke gefährdet. - Der Markeninhaber sollte gegen einen solchen generischen Gebrauch in Wörterbüchern, Enzyklopädien und anderen Nachschlagewerken geschützt werden. Solche Nachschlagewerke definieren die Bedeutung und das Wesen von Wörtern. Sie werden häufig von der Öffentlichkeit und von Markenämtern konsultiert. Da von diesen Werken erwartet werden kann, dass sie auf einer sorgfältigen Recherche beruhen, sollten sie eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es sich bei einem bestimmten Begriff um eine eingetragene Marke handelt. - Dieser Schutz sollte vom Markengesetz gewährt werden. Zwar beeinträchtigen derartige Zitate die Interessen des Markeninhabers auf andere Weise als dies bei der üblichen Markenrechtsverletzung der Fall ist. Dennoch ist ein Schutz gegen einen solchen Gebrauch im Rahmen des Markengesetzes zweckmässiger, in dem ein Anspruch ohne Nachweis von Vorsatz oder Fahrlässigkeit gewährt werden kann. 2
3 - Ein wirksamer Schutz sollte gegen den Herausgeber und, wenn angemessen gegen den Autor gewährt werden und einen Anspruch des Markeninhabers einschliessen, eine gedruckte Berichtigung zu verlangen. Die IVgR zieht ferner in Betracht: Der Gebrauch der Marke als Gattungsbezeichnung oder als Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs in anderen Arten von Veröffentlichungen, z.b. in Zeitungen, im Radio und Fernsehen oder in der allgemeinen Literatur, kann die Interessen des Markeninhabers ebenfalls erheblich beeinträchtigen. - Dem Markeninhaber sollten wirksame Rechtsbehelfe gegen einen solchen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden. - Die Frage, welche Rechtsbehelfe im einzelnen und nach welchen Vorschriften sie gewährt werden, sollte der nationalen Gesetzgebung überlassen bleiben. II. Gebrauch der Marke durch einen Wettbewerber 1. Gebrauch der Marke im Rahmen vergleichender Werbung Die IVfgR stellt fest: Ein Wettbewerber, der seine eigenen Waren oder Dienstleistungen mit solchen vergleicht, die mit einer eingetragenen Marke versehen sind, gebraucht die Marke nicht zur Identifizierung seiner eigenen Waren und ihrer Herkunft. Daher kann das Markengesetz nicht angewendet werden. - Ist eine vergleichende Werbung zulässig, sollte die Marke eines Dritten in einer solchen Werbung benutzt werden dürfen, sofern die Werbung wahr, nicht irreführend und nicht unlauter ist. - Eine unwahre, irreführende oder unfaire Werbung sollte nach dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb untersagt sein. 2. Gebrauch der Marke zur Bezeichnung der Bestimmung von Waren - Der Markeninhaber sollte nicht das Recht haben, einem Lieferanten von Nicht-Original- Ersatzteilen oder -Zusatzteilen (d.h. solchen Ersatzteilen oder Zusatzteilen, die nicht vom Markeninhaber oder seinen Lizenznehmern hergestellt sind) den Gebrauch der Marke als Hinweis auf das Erzeugnis zu verbieten, für das die Ersatzteile oder Zusatzteile bestimmt sind. Voraussetzung ist allerdings, dass der Lieferant unmissverständlich klarstellt, dass er nicht Original-Ersatzteile oder Zusatzteile vertreibt. - Eine Verwechslung ist besonders schwer zu vermeiden, wenn die Marke aus einem Bild oder einem Logo besteht. Ausserdem ist der Gebrauch der Marke auf den Ersatzteilen oder Zusatzteilen selbst geeignet, ein erhebliches Verwechslungsrisiko zu schaffen, auch wenn ein erklärender Text hinzugefügt wird. 3
4 - Auf jeden Fall sollte der Lieferant der Ersatzteile oder Zusatzteile die Marke nur soweit benutzen, als dies zum Hinweis auf die Bestimmung der Ware vernünftigerweise erforderlich ist. Ausserdem sollte der Lieferant den irrigen Eindruck vermeiden, dass er ein vom Markeninhaber autorisierter Händler ist. 3. Gebrauch der Marke für reparierte oder geänderte Waren - Der Markeninhaber hat das ausschliessliche Recht, mit seiner Marke versehene Waren in den Verkehr zu bringen. Wenn der Markeninhaber oder sein Lizenznehmer solche Waren in den Verkehr gebracht haben, kann der Markeninhaber grundsätzlich ihren Wiederverkauf nicht verbieten. - Ein Wiederverkäufer sollte das Recht haben, die mit der Marke versehene Ware weiter zu verkaufen. Er sollte ferner berechtigt sein, die Marke in der Vertriebswerbung zu verwenden. - Der Wiederverkäufer sollte indessen die Öffentlichkeit nicht irreführen, indem er z.b. den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass er ein vom Markeninhaber autorisierter Händler ist. - Sind die Waren vor dem Wiederverkauf repariert oder geändert worden, sind verschiedene Fälle zu unterscheiden: (1) Eine normale Reparatur, nach der die Ware als Gebrauchtware verkauft wird, ist nicht als erneutes Inverkehrbringen anzusehen. Daher soll der Markeninhaber sein Markenrecht nicht dazu einsetzen können, dies zu verhindern. (2) Der Verkauf reparierter Erzeugnisse als neu wird normalerweise das Markenrecht verletzen, weil der Eindruck geschaffen wird, dass sie so, wie sie sind, vom Markeninhaber hergestellt wurden. Auf diese Weise wird eine Lage geschaffen, die jener beim ersten Inverkehrbringen ähnlich ist; das Markenrecht sollte daher angewendet werden. (3) Das Markenrecht wird eindeutig verletzt, wenn die Waren in ihrer Qualität oder Erscheinungsform nicht unerheblich geändert und alsdann vertrieben werden. In diesem Fall handelt es sich tatsächlich um das Inverkehrbringen anderer Waren unter der Marke. - Die Markengesetze sollten die Fälle (2) und (3) erfassen. Ausserdem sollten andere Gesetze, z.b. die Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb, angewendet werden, insbesondere wenn die Oeffentlichkeit irregeführt wird. III. Gebrauch der Marke durch einen Nicht-Wettbewerber 1. Gebrauch einer Marke als allgemeiner Qualitätsstandard - Ein Unternehmen, das eine gut bekannte Marke als Qualitätsstandard für Nicht-Wettbewerbserzeugnisse zitiert () kann dadurch eine Verwechslungsgefahr hervorrufen. Eine solche Bezugnahme kann ausserdem die Unterscheidungskraft oder den Ruf der Marke unlauter ausnutzen oder schädigen. - Wenn die verglichenen Waren sich nahe genug stehen, kann sich die Gefahr ergeben, dass die Oeffentlichkeit annimmt, der Markeninhaber stehe mit den beworbenen Waren 4
5 in Verbindung; auf diese Weise kann die Gefahr einer Verwechslung der Herkunftsstätten entstehen. Bezieht sich die Zitierung als Qualitätsstandard auf Waren, die recht unterschiedlich sind, nimmt die Oeffentlichkeit daher nicht an, dass der Markeninhaber in der Branche gewerblich tätig ist ( Der Rolls-Royce der Käse ), sollte dies gleichwohl als eine Massnahme angesehen werden, die die Unterscheidungskraft oder den Ruf der Marke unlauter ausnutzt oder schädigt. - Im zuletzt genannten Fall könnte die folgende, durch Art. 5 Abs. 5 der EG- Markenrechts-Richtlinie inspirierte Regel angenommen werden: Der Inhaber einer Marke hat zusätzlich zu seinen traditionellen Rechten wegen Markenrechtsverletzung das Recht, Dritten zu untersagen, ohne seine Zustimmung ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für andere Zwecke als zur Unterscheidung seiner Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, wenn der Gebrauch des Zeichens ohne gerechtfertigten Grund die Unterscheidungskraft oder den Ruf der Marke unlauter ausnutzt oder schädigt. - Diese Vorschrift wird gewöhnlich nur dann eingreifen, wenn die betreffende Marke einen guten Ruf geniesst oder gut bekannt ist. - Sie ist auch anwendbar, wenn die Art der Ware, auf die sich das Zeichen bezieht, nachteilige Auswirkungen auf den Ruf der Marke hat. 2. Gebrauch der Marke des Materials zur Kennzeichnung von Fertigerzeugnissen - Es ist für bestimmte Fertigerzeugnisse üblich, einen Hinweis auf das unter einer Marke vertriebene Material zu tragen, aus dem sie hergestellt sind. Diese Information ist für die Öffentlichkeit oft wertvoll, besonders wenn das unter der Marke vertriebene Material bestimmte Eigenschaften hat, die sich auf den Gebrauch des Fertigerzeugnisses auswirken. - Solche tatsächlichen Informationen stehen im Einklang mit dem Recht des Verbrauchers auf solche Informationen und greifen nicht in die Rechte des Markeninhabers ein, vorausgesetzt dass der Gebrauch nicht so erfolgt, dass der Verbraucher zu der irrigen Vorstellung veranlasst wird, die Marke sei ein Kennzeichen für das Fertigerzeugnis. - Der Hersteller, der ein Fertigprodukt hauptsächlich aus einem mit einer Marke gekennzeichneten Material herstellt, sollte grundsätzlich die Möglichkeit haben, beim Vertrieb seiner Erzeugnisse die Marke als einen Hinweis auf das Material zu gebrauchen. - Die Marke darf nicht zur Kennzeichnung des Fertigerzeugnisses verwendet werden. - Die Marke darf weder in einem generischen Sinn in bezug auf das unter ihr vertriebene Material noch in einer irreführenden Weise verwendet werden. IV. Allgemeine Regeln a) Die IVfgR stellt fest: - Die unter III 1 vorgeschlagene Regel sollte in allen Fällen angewendet werden, in denen die Zitierung der Marke die Unterscheidungskraft oder den guten Ruf der Ware unlauter ausnutzt oder schädigt. 5
6 b) - ähnliche Regeln sollten auf Dienstleistungsmarken angewendet werden, wobei die Unterschiede berücksichtigt werden müssen, die sich aus dem Wesen der Dienstleistungsmarken ergeben. * * * * * * * * * 6
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