Überschuldung privater Haushalte Eine Information nach Stichworten

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1 Pressesprecherin: Beate Moser Dienstgebäude: Alexanderplatz 6, Berlin Telefon: / , Fax: / presse@bmfsfj.bund.de Internet: Oktober 2004 Überschuldung privater Haushalte Eine Information nach Stichworten Bedeutung Überschuldung bedeutet Armut und soziale Ausgrenzung für die Betroffenen und ihre Familien sowie Lasten für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Definition Innerhalb der EU gibt es keine einheitliche Definition für Überschuldung. In Deutschland haben wir uns auf folgende Definition verständigt: Ein Privathaushalt, dessen Einkommen über einen längeren Zeitraum nach Abzug der Lebenshaltungskosten trotz Reduzierung seines Lebensstandards nicht zur fristgerechten Schuldentilgung ausreicht, ist überschuldet. Überschuldung ist verbunden mit einer psycho-sozialen Destabilisierung der Betroffenen. Anzahl Zur Zahl der überschuldeten Haushalte liegen keine spezifischen Daten und Statistiken vor. Zur Ermittlung wird auf ein etabliertes Indikatorenmodell zurückgegriffen, das die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, der Konsumentenkredite und deren Kündigungen, der Eidesstattlichen Versicherungen, der Mietschulden und die Klientenstatistik der Schuldnerberatungsstellen berücksichtigt. Die Schätzung führte, wie bereits in den Jahren zuvor, die GP-Forschungsgruppe München, unter Leitung von Dr. Dieter Korczak, im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durch. Überschuldete Haushalte in Deutschland: Ost -- rd. 0,5 Mio. rd. 0,58 Mio. rd. 0,87 Mio. rd. 0,94 Mio. West rd. 1,2 Mio. rd. 1,5 Mio. rd. 2,1 Mio. rd. 1,9 Mio. rd. 2,19 Mio. insgesamt -- rd. 2,0 Mio. rd. 2,68 Mio. rd. 2,77 Mio. rd. 3,13 Mio.

2 2 Im Jahr 2002 waren rd. 8,1 Prozent der Haushalte in Deutschland überschuldet. In den alten Bundesländern waren es rd. 7, 2 Prozent und in den neuen Bundesländern rd. 11,3 Prozent. Diese Quoten stimmen mit denen überein, die das Statistische Bundesamt in Zusammenarbeit mit WZB und ZUMA im Datenreport 2004 für das Jahr 2002 veröffentlicht hat (11 Prozent überschuldete Haushalte in Ostdeutschland und 7 Prozent in Westdeutschland). Auslöser Aus der Schuldnerberatung ist bekannt, dass Überschuldung mehrere Auslöser hat. Auslösende Momente sind Ressourcenungleichgewichte, Bildungs- und Wissenslücken, insbesondere mangelnde finanzielle Bildung, unwirtschaftliche Haushaltsführung, unangemessene Angebote der Kreditwirtschaft sowie Erfahrungs- und Verhaltensdefizite. Sensible Lebenssituationen, wie Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung, Abbruch der Ausbildung, Trennung oder Scheidung, Krankheit, Tod von Angehörigen erhöhen das Überschuldungsrisiko. Meist ist es eine Kumulation mehrerer Faktoren, die zu Überschuldung und Armut führen. Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Arbeitslosigkeit und Überschuldung. Betroffene Über die Überschuldeten insgesamt gibt es keine statistische Quelle. Aufschluss geben kann die Klientenstatistik der Schuldnerberatung, die allerdings nur ca. 11,8 Prozent der Überschuldeten erfasst. Bei der Klientel der Schuldnerberatung zeigt sich für das Jahr 2002: In den neuen Bundesländern ist bei 46 Prozent Arbeitslosigkeit einer der Auslöser für die Überschuldung, in Westdeutschland bei 23 Prozent. Während in Ostdeutschland neben der Arbeitslosigkeit niedriges Einkommen (29 Prozent) und überhöhter Konsum (25 Prozent) als einer der Gründe für die Überschuldung genannt werden, spielen in Westdeutschland vor allem Trennung und Scheidung (23 Prozent) und gescheiterte Selbständigkeit (20 Prozent) eine wichtige Rolle. Einkommensschwache Haushalte sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Betroffene haben eher geringe Bildungsabschlüsse bzw. eine mangelnde berufliche Qualifikation. Weit mehr als die Hälfte ist zwischen 30 und 59 Jahre alt. In den alten Bundesländern sind überproportional Haushalte mit drei und mehr Personen überschuldet. Dagegen führte die Hälfte der Überschuldeten in den neuen Bundesländern einen Ein-Personen- Haushalt. Für 47 Prozent der Betroffenen in den alten Bundesländern ist die Haupteinkommensquelle eigenes Erwerbseinkommen. In den neuen Bundesländern dagegen ist bei 43 Prozent Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe die Haupteinkommensquelle. In den neuen Bundesländern haben 52 Prozent Schulden unter Euro. In den alten Bundesländern nur 22 Prozent. Überschuldete haben fast immer mehrere Gläubiger. 26 Prozent haben sogar 11 und mehr Gläubiger. Hauptbetroffene Gläubiger sind die Kreditinstitute (70 Prozent), der Versandhandel (42 Prozent), Behörden (42 Prozent) und die Telefongesellschaften (27 Prozent). Im Osten spielen die Mietschulden mit 32 Prozent eine deutlich größere Rolle als im Westen mit 18 Prozent. Überschuldung Minderjähriger Minderjährige können nach geltendem Recht ohne Einwilligung der Eltern keine eigenen rechtsverbindlichen Verpflichtungen eingehen, die zu Schulden führen. Eine eigenmächtige Verschuldung von Minderjährigen in Form von Kontoüberziehung ist daher ebenso ausgeschlossen wie das Anhäufen von Zahlungsverpflichtungen infolge eines Darlehensvertrages. Eine Ver- und Überschuldungsgefahr stellen Dauerschuldverhältnisse dar, bei denen die Höhe der monatlichen Beträge nicht feststeht oder nach oben begrenzt ist (Beispiel Handyverträge).

3 Verbindliche Betroffenenzahlen liegen nicht vor, u. a. wegen fehlender Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Volljährigen. 3 Schuldensspirale Überschuldung geht hat oft einher mit psychischer, sozialer und gesundheitlicher Beeinträchtigung. Sie belastet nicht nur den Betroffenen selbst, sondern die gesamte Familie, insbesondere die Kinder. Ohne Intervention verschlechtert sich die Lebens- und Arbeitssituation der Betroffenen weiter, sie geraten in die sog. Schuldenspirale. Nicht rechtzeitig getilgte Schulden führen zu immer mehr Schulden. Lohnpfändung gefährdet den Arbeitsplatz bzw. erschwert eine Arbeitsaufnahme. Kontopfändung kann zur Kündigung oder Versagung eines Girokontos führen, mit der Folge des Ausschlusses vom bargeldlosen Zahlungsverkehr und einer Verteuerung von Geldbewegungen. Die Wohnungsmiete wird nicht gezahlt und Wohnungslosigkeit droht. Nachhaltige Bewältigung und Vermeidung Zur nachhaltigen Bewältigung und Vermeidung von Überschuldung müssen sowohl Entschuldungsmaßnahmen als auch Präventionsmaßnahmen flächendeckend angeboten werden. Entschuldungsmaßnahmen Sind reaktiv und helfen, die Krisensituation zu bewältigen. Beispiele: Schuldnerberatung, Verbraucherinsolvenz. Schuldner- und Insolvenzberatung Die Schuldner- und Insolvenzberatung nimmt eine Schlüsselrolle bei der Entschuldung und somit der Armutsbekämpfung privater Haushalte ein. Sie unterstützt Betroffene insbesondere auch im Rahmen der außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern. Mehrere Studien belegen, dass Schuldnerberatung nicht nur den Betroffenen hilft. Auch Gläubiger und öffentliche Haushalte profitieren von der Arbeit der Schuldnerberatung. Sicherung der Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung Die Wirksamkeit von Schuldnerberatung sowohl auf ökonomischer wie auf physischer und sozialer Ebene haben unterschiedliche Studien belegt. So haben z. B. nach einjähriger Beratung 46 Prozent einen gesicherten Arbeitsplatz gegenüber 27 Prozent zu Beginn der Beratung. Bei drohender Arbeitslosigkeit Überschuldeter gilt: Je rechtzeitiger die Kooperation zwischen Arbeitsverwaltung und Schuldnerberatung erfolgt, desto Erfolg versprechender ist die Sicherung des Arbeitsplatzes. Dies gilt auch für die Vermittlung arbeitsloser Überschuldeter. Schuldner- und Insolvenzberatung entlastet im Ergebnis die öffentlichen Haushalte nachhaltig. Konnten 1999 noch rd. 14,4 Prozent der Überschuldeten eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen, waren es im Jahr 2002 nur noch rd. 11,8 Prozent, Tendenz weiter sinkend. Einzelne Bundesländer, insbesondere Hessen und Bayern aber auch Kommunen haben die Mittel zur Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen gestrichen bzw. gekürzt. Die ohnehin nicht ausreichende Beratungskapazität wird somit weiter reduziert: 1999 ca Beratungsstellen, Mitte 2004 nur noch Eine unzureichende Beratungskapazität öffnet das Feld für unseriöse, am Rande der Legalität agierende Schuldenregulierer und Kreditvermittler für Geschäfte mit der Armut.

4 Verbraucherinsolvenz 4 Die Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Jahr 1999 stellt ein wichtiges Element zur Überwindung der Überschuldung dar. Es ermöglicht überschuldeten Personen durch einen Schuldenbereinigungsplan, dem die Gläubiger zugestimmt haben, am Ende einer Wohlverhaltensperiode vom Rest ihrer Schulden befreit zu werden. Danach ist ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich. Erst seit der Reform zum können die Verfahrenskosten für mittellose Überschuldete gestundet werden. Die Entwicklung der gerichtlichen Verfahren zeigt die Richtigkeit der Insolvenzrechtsreform. 1999: Fälle 2001: Fälle 2003: Fälle 2004: voraussichtlich mind Prozent Auch die Zulassung sog. Nullpläne und die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode von 7 auf 6 Jahre ist ein Gewinn für die Betroffenen, ohne dass die Interessen der Gläubiger beeinträchtigt wären. Präventionsmaßnahmen Überschuldungsprävention zielt auf Selbstbestimmung, Stärkung der Handlungskompetenz und die Förderung der Eigeninitiative. Ganzheitliche Schuldenprävention setzt nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern auch auf der rechtlichen und strukturellen Ebene an. Beispiele: finanzielle Allgemeinbildung, Verbraucherschutz, Girokonto auf Guthabenbasis. Finanzielle Allgemeinbildung Bildung ist die zentrale Ressource für eine eigenverantwortliche Lebensführung und für eine verantwortungsvolle Teilhabe an der Gesellschaft. Finanzielle Allgemeinbildung also das Wissen und die Kompetenzen im Umgang mit Finanzdienstleistungen und Konsumwünschen ist eine wichtige Ressource, um Überschuldungsrisiken vorzubeugen. Entsprechend kommt der Verankerung der finanziellen Allgemeinbildung in der schulischen wie der außerschulischen Bildung eine zentrale Bedeutung zu. Für Lehrerinnen und Lehrer wird das Netzwerk Schuldenprävention über das Internet ab November 2004 eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte, kostenlose Arbeitshilfe zur Verfügung stellen ( Pfändungsfreigrenzen Die Pfändungsfreigrenze für eine allein stehende Person beträgt 939,99 Euro im Monat. Sie erhöht sich mit der Anzahl der gesetzlich zu unterhaltenen Personen. Die derzeitigen Pfändungsfreigrenzen gelten unverändert bis zum Neben zweckgebundenen Sozialleistungen, wie Erziehungsgeld, Kindergeld, Pflegegeld und Leistungen nach dem Bundessozialhilferecht ist auch das Wohngeld ab außer für Vermieter unpfändbar. Die Bundesregierung prüft derzeit weitere Verbesserungen des Pfändungsschutzes. Girokonto auf Guthabenbasis Ein Girokonto zumindest auf Guthabenbasis ist für die wirtschaftliche Integration und die Integration auf dem Arbeitsmarkt unerlässlich. Die Bundesregierung berichtet dem Parlament alle zwei Jahre über den Stand der flächendeckenden Umsetzung einer Selbstverpflichtung der im

5 5 Zentralen Kreditausschuss zusammengeschlossenen Verbände der Kreditwirtschaft zur Bereitstellung eines solchen Girokontos. Unter Anerkennung der Ausweitung der Konten in den letzten Jahren hält die Bundesregierung derzeit eine gesetzliche Regelung zur Bereitstellung eines solchen Kontos nicht für geboten. Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen Aufklärung, Information und Rechtsschutz tragen zur Vermeidung von Überschuldung bei. Der Aufforderung des Europäischen Rates für eine wirksame Überschuldungsprävention ist die Europäische Kommission durch den Vorschlag einer Richtlinie für Konsumentenkredite zunächst nachgekommen. Für Ende 2004 wird ein überarbeiteter Vorschlag erwartet. Ein Zugang zu Informationen ist notwendige Voraussetzung für eine wirksame Überschuldungsprävention. Hier haben Finanzdienstleister, aber auch Handel und Telekommunikationsunternehmen noch Reserven zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung. Rat und Hilfe für Überschuldete Eine Hilfe für Überschuldete und hoch Verschuldete ist die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebene Ratgeberbroschüre Was mache ich mit meinen Schulden?, zu finden im Internet unter und ab Januar 2005 in einer aktualisierten Neuauflage. Eine Schuldnerberatung in Wohnortnähe kann über oder unter 0180/ abgefragt werden (0,12 Euro pro Anruf, Mo.-Fr. von 7-20 Uhr). Das Faltblatt Geschäfte mit der Armut kann bezogen werden über die Broschürenstelle des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn oder per unter oder im Internet unter