AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009
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- Gerrit Kappel
- vor 8 Jahren
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1 Fall 6 Die im Handelsregister eingetragene S-OHG hat den Handel mit zeitgenössischer Kunst als Geschäftsgegenstand. Als Gesellschafter sind der S und der Z im Handelsregister eingetragen. In der Galerie ist neben anderen Mitarbeitern auch P beschäftigt, dem S und Z schon vor vielen Jahren Prokura erteilt haben, ohne dass dies im Handelsregister eingetragen worden ist. Laut Gesellschaftsvertrag kann die Gesellschaft durch S allein vertreten werden. Der Z darf die Gesellschaft nur gemeinsam mit S oder dem P vertreten. Eines Tages geraten S und P in Streit über die Qualität der Werke eines jungen Künstlers. S ärgert sich dermaßen über P, dass er P mit sofortiger Wirkung die Prokura entzieht. Eine Eintragung im Handelsregister hält S nicht für nötig, schließlich war auch die Prokuraerteilung nicht im Handelsregister eingetragen. P, der emotionale Ausbrüche des S gewöhnt ist, nimmt den Widerruf der Prokura nicht sonderlich ernst und geht davon aus, dass S seinen Ärger schnell wieder vergessen werde. Als Prokuristin bestellt P für die nächste Ausstellung 40 Bilderrahmen bei der Tischlerei T zum Gesamtkaufpreis von T fertigt seit Jahren die Rahmen für die Ausstellungen in der Galerie und kennt P als langjährige Prokuristin. Er fertigt daher die Bilderrahmen und liefert sie termingerecht an die Galerie. Als T von S Bezahlung verlangt, weigert sich dieser mit dem Hinweis, dass die Bilder von dem Künstler selbst mit eigens für jedes Bild gestalteten Rahmen versehen seien, er also gar keine Rahmen von T benötige. Außerdem habe P gar keine Befugnis besessen, die Bilderrahmen bei T zu bestellen, da er die Prokura zuvor widerrufen hatte. T wendet ein, dass er davon nichts wusste. Kann T von S dennoch die Bezahlung der Bilderrahmen verlangen? Variante S hatte P zusammen mit der Mitarbeiterin B Gesamtprokura erteilt und dies seinerzeit auch beim Handelsregister angemeldet. Nach dem Prokurawiderruf gegenüber P soll die Prokura der B als Einzelprokura fortbestehen, was S beim Handelsregister entsprechend anmeldet. Durch ein Versehen des Publikationsorgans wird zwar die Prokura der P im Handelsregister gelöscht, jedoch bekannt gemacht, dass B ausgeschieden und P Einzelprokuristin geworden sei. Nachdem P dies gelesen hat, nimmt sie aus Rache an S als angebliche Prokuristin im Namen des S bei der G- Bank einen Kredit über auf und verbraucht das Geld für sich. Ist S der G-Bank zur Rückzahlung verpflichtet? 1
2 Lösung Fall 6 Anspruch des T gegen S auf Kaufpreiszahlung gem. 651 S. 1, 433 II BGB T könnte gegen die S ein Anspruch auf Zahlung der 8000 gem. 651 S. 1, 433 II BGB i.v.m. 128 HGB zustehen. A. Anwendbarkeit von 128 HGB Hierzu müsste S zunächst zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit Gesellschafter der S-OHG gewesen sein I. Bestehen einer OHG (+) II. S Gesellschafter der OHG (+) B. Die S-OHG müsste wirksam verpflichtet worden sein I. Anspruchsgrundlage Bei der Herstellung der Bilderrahmen besteht der Vertragsgegenstand in der Lieferung einer herzustellenden beweglichen Sache, so dass gem. 651 S. 1 BGB die Regeln über den Kauf Anwendung finden. Der Werklieferungsvertrag zwischen T und S müsste wirksam zustande gekommen ist. 1. Angebot des S (-), nicht S, sondern P hat für die Galerie die Bilderrahmen bei T bestellt. 2. Zurechnung der WE der P nach den Regeln über die Stellvertretung gem. 164 ff BGB. a) eigene WE der P im Namen des S (+), s. Sachverhalt b) im Rahmen ihrer Vertretungsmacht aa) Ursprünglich Vertretungsmachterteilung nach 167 I Alt. 1 BGB in Form der Prokura gem. 48 I, 49 I HGB. Bea: Die Prokura ist eine rechtsgeschäftlich erteilte (handelsrechtliche) Vollmacht, deren Umfang gesetzlich durch 49 HGB vorgeschrieben ist. Beachte: Inhaber des Handelsgeschäfts ist nicht S, sondern die S-OHG. Deshalb muss die S-OHG wirksam vertreten worden sein Beide Gesellschafter gemeinsam gehandelt, Vertretung folgt unproblematisch aus 125 I, 126 HGB. bb) Kaufmannseigenschaft des S S müsste für eine wirksame Prokuraerteilung Kaufmann gewesen sein. Die S- OHG ist eine Handelsgesellschaft cc) fehlende Eintragung der Prokuraerteilung Der Wirksamkeit der Prokuraerteilung steht ihre fehlende Eintragung im Handelsregister nicht entgegen, da letztere rein deklaratorische Wirkung hat. 2
3 dd) Im Rahmen der Vertretungsmacht Gesellschaftsvertrag: Z darf die Gesellschaft nur gemeinsam mit P vertreten Darf P nur gemeinsam mit Z handeln? (1) Nein!: Das Z nur gemeinsam mit P darf, bedeutet nicht umgekehrt, dass P nicht allein handeln darf (2) Im Übrigen: Diese Beschränkung der Vertretungsmacht müsste ins Handelsregister eingetragen werden, näher dazu unten ee) Zulässigkeit der Vertretungsregelung (1) Vereinbarkeit mit Selbstorganschaft? ja siehe 125 Abs. 3 HGB vgl. auch VobRep 7 Nr. 11 (2) Selbst wenn man Verstoß gegen Selbstorganschaft annähme, wäre wohl nicht die Erteilung der Prokura an sich unwirksam, sondern nur die Regelung zur Gesamtvertretung im Gesellschaftsvertrag ff) Widerruf der Prokura, 52 I HGB S müsste die Prokura der P wirksam widerrufen haben. Der Widerruf der Prokura ist gem. 52 I HGB jederzeit möglich. Die Eintragung des Widerrufs hat ebenfalls nur deklaratorische Wirkung; die Vollmacht ist also wirksam widerrufen worden. ABER: Inhaber des Handelsgeschäfts ist nicht S persönlich, sondern die S- OHG. Daher ist Widerruf nur wirksam, wenn S seinerseits die S-OHG wirksam vertreten hat (1) Eigene Willenserklärung im Namen der S-OHG (+) (2) Mit Vertretungsmacht, 164 I i.v.m. 125 HGB S hat Einzelvertretungsmacht P hatte somit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Prokura mehr. gg) Fiktion der Prokura gem. 15 I HGB Das Erlöschen der Prokura könnte von S dem T jedoch nicht entgegenhalten werden, wenn die Voraussetzungen des 15 I HGB vorliegen. (1) eintragungspflichtige Tatsache Es müsste sich beim Widerruf der Prokura um eine einzutragende, also eintragungspflichtige Tatsache handeln. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Eintragungen von deklaratorischer oder konstitutiver Wirkung handelt. Das Erlöschen der Prokura ist gem. 53 III HGB ebenso wie deren Erteilung - zur Eintragung anzumelden; damit liegt eine eintragungspflichtige Tatsache vor. (2) fehlende Eintragung oder Bekanntmachung Der Prokurawiderruf dürfte nicht im Handelsregister eingetragen oder gem. 10 HGB bekannt gemacht worden sein. Es ist unerheblich, aus welchen Gründen die Tatsache nicht eingetragen bzw. bekannt gemacht worden ist. Insbesondere kommt es auf ein Verschulden nicht an. 15 I HGB greift daher 3
4 auch dann ein, wenn das Registerverfahren sich wie es oftmals der Fall ist langwierig gestaltet. Der Widerruf der Prokura gegenüber P war weder ins Handelsregister eingetragen, noch gem. 10 HGB bekannt gemacht worden. 15 I HGB schützt somit das Vertrauen auf die Vollständigkeit des Handelsregisters, grundsätzlich jedoch nicht das Vertrauen in dessen Richtigkeit (Ausnahme: 15 III HGB). Demnach kann sich der Dritte auf das Schweigen des Handelsregisters über eintragungspflichtige Tatsachen verlassen (negative Publizität). (3) Unbeachtlichkeit der sekundären Unrichtigkeit Bedenken könnten sich jedoch ergeben, weil schon die Erteilung nicht eingetragen worden war (sog. sekundäre Unrichtigkeit). Gegen die Eintragungspflicht des Widerrufes könnte sprechen, dass das Register, in dem bereits die Prokuraerteilung nicht eingetragen war, nun wieder mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt, so dass im Register keine weitere Eintragung zu veranlassen wäre. Ob auch die sekundäre Unrichtigkeit von 15 I HGB erfasst wird, ist strittig: Einer Ansicht zufolge werde das Unterbleiben der Sekundäreintragung nicht durch 15 I HGB erfasst. Nur wenn die Erteilung der Prokura eingetragen sei, das Erlöschen dagegen nicht, werde durch die Nichteintragung der Rechtsschein einer fortbestehenden Prokura erzeugt. 15 I HGB schütze allgemein nur den guten Glauben an kundgemachte Tatsachen (Medicus BR Rdn 105, GroßKomm/Hüffer 15 Rdn 20; Schilken AcP 187 (1987) 1,7 f mwn). In Fällen der sekundären Unrichtigkeit könne das Vertrauen im Einzelfall über die allgemeine Rechtsscheinshaftung geschützt werden. Demzufolge würde der Schutz des 15 I HGB zugunsten des T nicht eingreifen; es käme vielmehr auf das Vorliegen der Voraussetzungen der allgemeinen Rechtsscheinshaftung an. (Diese (Rechtsschein zurechenbar gesetzt, Kausalität; Gutgläubigkeit seitens des T) dürften hier zu bejahen sein). Nach h.m. schützt 15 I HGB aber nicht das Vertrauen auf die Richtigkeit des Registers, sondern darauf, dass eine Veränderung nicht eingetreten ist, wenn sie nicht eingetragen ist (negative Publizität) - "Dem Schweigen des Registers darf man trauen, nicht aber seinem Reden". Wer sich auf 15 I HGB beruft, beruft sich nicht auf die Registereintragung, sondern die bisherige Sachlage. Der Dritte kann zwar nicht durch das Handelsregister, wohl aber auf andere Weise von der Tatsache Kenntnis erlangt haben und sich hinsichtlich des Fortbestehens der Tatsache auf die Nichteintragung des Erlöschens der Tatsache gem. 15 I HGB berufen (BGH NJW 83, 2258, 2259; BGHZ 116, 37, 44; Hager Jura 1992, 57, 60 mwn). Auch ergibt sich aus dem Wortlaut des 15 I HGB nicht, dass auch die Eintragung der voreintragungspflichtigen Tatsache erforderlich sei. So hat T im Rahmen der langjährigen Geschäftsbeziehung zu S von der Prokuraerteilung Kenntnis erlangt. Eine Ausnahme soll demnach nur gelten, wenn die voreintragungspflichtige Tatsache ein Internum geblieben und ein schutzwürdiges Vertrauen Dritter daher ausgeschlossen ist. (Ein Überblick über den Meinungsstand findet sich u.a. bei Fezer, Klausurenkurs im Handelsrecht, 4. Aufl. 2006, Fall 12 Rdnr. 261 ff; Müller-Laube, 20 Probleme aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2001, Problem Nr. 6). 4
5 Ein Vertrauensschutz durch 15 I HGB scheidet durch die zweimalige Nichteintragung demnach nicht aus; auch der Widerruf der Prokura war eintragungspflichtig im Sinne des 15 I HGB. (4) in den Angelegenheiten des Betroffenen Bei dem Widerruf der Prokura müsste es sich um eine Angelegenheit des S gehandelt haben. Negative Publizität schützt den Dritten nur gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheiten die Eintragung vorzunehmen war, d.h. wer durch sie irgendwie entlastet, von Haftung befreit oder von der Bindung an die Vertretungsmacht eines anderen gelöst wird (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage 2006, 15 Rn 6). Der Widerruf der Prokura war in der Angelegenheit des Geschäftsinhabers S einzutragen, da er so von der Bindung an die Vertretungsmacht der P gelöst worden wäre. (5) Gutgläubigkeit des Dritten (... es sei denn, dass sie diesem bekannt war ) T dürfte die Tatsache, d.h. die nicht eingetragene Rechtsänderung, nicht (positiv) bekannt sein. Bösgläubigkeit ist nur gegeben bei Kenntnis der wahren Rechtslage. Das bloße Kennenmüssen reicht nicht aus. Nicht erforderlich ist, dass ein konkretes Vertrauen, etwa durch Einsicht in das Handelsregister gebildet wurde. Die Gutgläubigkeit wird vielmehr vermutet. T war mangels Kenntnis des Prokurawiderrufes gutgläubig. (6) Ursächlichkeit des guten Glaubens Der gute Glaube des T an den fehlenden Widerruf der Prokura muss für seine Handlung ursächlich gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass T gutgläubig von dem Fehlen des Erlöschens der Prokura ausgegangen ist und er deswegen den Vertag mit S, vertreten durch P, geschlossen hat. (7) Handeln im Geschäfts- oder Prozessverkehr Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das nach h.a. aus einer teleologischen Reduktion des 15 I HGB folgt. 15 I HGB liegt ein abstrakter Vertrauensschutz zugrunde. Dieser ist nur denkbar bei rechtsgeschäftlichen Kontakten, ausgeschlossen ist er hingegen im sog. Unrechtsverkehr (Schulbeispiel: Verkehrsunfall). Das rechtsgeschäftliche Handeln in Form eines Vertragsabschlusses durch P gehört zum Handeln im Geschäftsverkehr. (8) Rechtsfolge: Als Rechtsfolge aus 15 I HGB gewährt die h.m. (BGH NJW 1990, S. 638) dem gutgläubigen Dritten ein Wahlrecht: T kann sich daher entweder auf die durch die Fiktion des Handelsregisters veränderte Rechtslage oder auf die tatsächliche Rechtslage berufen und P gem. 179 I BGB als Vertreterin ohne Vertretungsmacht in Anspruch nehmen. T verlangt den Kaufpreis, so dass er sich für die Fiktion der Prokura entschieden hat. wirksame Vertretung des S durch P (+) 3. Annahme durch T (+), zumindest konkludent durch Ausführung der Bestellung. 4. Zwischenergebnis 5
6 Ein Kaufvertrag zwischen S und T ist wirksam zustande gekommen. 4. kein Missbrauch der Vertretungsmacht Man könnte sich fragen, ob der von P getätigte Erwerb von der Prokura gedeckt war oder S gem. 242 BGB die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung zustünde. T könnte sich dann nicht auf die Prokura der P berufen, so dass der Kaufvertrag analog 177 BGB nach verweigerter Genehmigung durch S unwirksam wäre (K. Schmidt, Handelsrecht, 16 III 4 b; näher dazu Fall2). Es liegt aber weder ein bewusstes Zusammenwirken von P als Vertreterin des S und T als Drittem zum Nachteil des S (Kollusion) vor, noch wurde durch die Gesamtumstände der Missbrauch für T evident. S steht folglich nicht die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung zu, so dass ihm das von P abgegebene Angebot zurechenbar ist. II. Ergebnis T kann von S Bezahlung der Bilderrahmen im Wert von 8000 Euro verlangen. Variante 1: Anspruch der G-Bank gegen S gem. 488 I 2 BGB auf Rückzahlung des Darlehens Die G-Bank kann von S die Rückzahlung des Darlehens verlangen, wenn zwischen beiden ein wirksamer Darlehensvertrag gem. 488 I BGB zustande gekommen ist. Eine Einigung unmittelbar zwischen der G-Bank und S ist nicht erfolgt, so dass der wirksame Abschluss des Darlehensvertrages davon abhängt, ob P den S bei Vertragsschluss wirksam vertreten hat. 1. Zurechnung der WE der P nach den Regeln über die Stellvertretung gem. 164 ff BGB. a) eigene WE der P im Namen des S (+), s. Sachverhalt b) im Rahmen ihrer Vertretungsmacht als Einzelprokuristin aa) Einzelprokura gem. 48 I, 49 I HGB, 167 I BGB P ist von S nie Einzelprokura erteilt worden. bb) Fiktion der Prokura gem. 15 I HGB Eine Fiktion der Prokura gem. 15 I HGB scheidet aus. 15 I HGB schützt nicht das Vertrauen auf die Richtigkeit der handelsregisterlichen Eintragung, sondern auf das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage. Eine Fiktion der Prokura der P scheitert daran, dass P niemals Einzelprokura erteilt worden ist. cc) Fiktion der Prokura gem. 15 III HGB (positive Publizität) Das Fehlen der Prokura könnte von S der G-Bank jedoch nicht entgegenhalten werden, wenn die Voraussetzungen des 15 III HGB vorlägen. (1) eintragungspflichtige Tatsache Bei der Erteilung von Einzelprokura müsste es sich um eine eintragungspflichtige Tatsache im Sinne des 15 III HGB handeln. Gem. 53 I HGB ist die Erteilung der (Einzel-)Prokura zur Eintragung anzumelden. Dass die Einzelprokura der P nicht konkret eintragungspflichtig war, weil ihr niemals von S eine solche erteilt worden ist, ist unerheblich. Im Rahmen des 6
7 15 III HGB ist die Eintragungspflicht abstrakt festzustellen, so dass es nur darauf ankommt, ob die Tatsache, wenn sie wahr wäre, eingetragen werden müsste. Wollte man den Begriff der Tatsache im Rahmen des 15 III HGB konkret definieren, entfiele der Anwendungsbereich der Vorschrift, denn Unwahrheiten sind niemals eintragungspflichtig. (2) unrichtige Bekanntmachung Die Erteilung von Einzelprokura an B müsste unrichtig bekanntgemacht worden sein. Unrichtig isd 15 III HGB bedeutet nicht der wahren Rechtslage entsprechend. Im Gegensatz zu 15 I und 15 II HGB ist hier allein die falsche Bekanntmachung gem. 10 HGB maßgeblich. Auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Eintragung kommt es hingegen nicht an! Fälschlicherweise war bekannt gemacht worden, dass P Einzelprokura durch S erteilt worden sein. Positive Publizität isd 15 III HGB bezeichnet den Vertrauensschutz, den der Rechtsverkehr genießt, weil die Eintragung in das Register und/oder die Bekanntmachung den Anschein einer bestimmten Rechtslage erweckt. (3) keine positive Kenntnis des Dritten Die G-Bank dürfte keine positive Kenntnis gehabt haben von der Unrichtigkeit der Bekanntmachung. Wurde die G-Bank beim Vertragsschluss vertreten, so erfolgt eine Wissenszurechnung gem. 166 I BGB (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage 2006, 31 Rn 7). Hinweise auf eine positive Kenntnis der G-Bank liegen nicht vor. (4) keine konkrete Kausalität Es ist nicht erforderlich, dass die G-Bank bei Abschluss des Darlehensvertrages die (falsche) Bekanntmachung gekannt und ihr Verhalten danach ausgerichtet hat. Wie bei 15 I HGB kommt es auch im Rahmen des 15 III HGB nicht auf eine konkrete Kausalität der Bekanntmachung für das Handeln des Dritten an. (5) Handeln im Geschäfts- und Prozessverkehr Der Abschluss eines Darlehensvertrages durch P mit Wirkung für S ist als rechtsgeschäftliche Handlung im Geschäftsverkehr erfolgt. (6) Zurechenbarkeit der Bekanntmachung Nach der h.l. (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage 2006, 15 Rn 19; Hager, Jura 1992, 57 (62)) ist 15 III HGB dahingehend einzuschränken, dass die falsche Bekanntmachung von dem Betroffenen veranlasst worden sein muss (Veranlassungsprinzip). Veranlassung ist dabei nicht mit Verschulden gleichzusetzen. Demnach wirkt eine unrichtige Bekanntmachung gem. 15 III HGB nur zu ungunsten desjenigen, der eine Tatsache zur Eintragung angemeldet hat oder sich eine Anmeldung zurechnen lassen muss. S hat die Änderung der Gesamtprokura in eine Einzelprokura zugunsten der B beim Handelsregister angemeldet und müsste sich demnach die unrichtige Bekanntmachung zurechnen lassen, unabhängig davon, ob er dies verschuldet hat. 7
8 Die Gegenansicht 1 macht geltend, dass eine teleologische Reduktion dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, der bewusst Zurechnungsgesichtspunkte nicht habe gelten lassen wollen. Allerdings stimmen sie mit der h.m. darüber ein, dass eine uneingeschränkte Geltung des 15 III HGB zu untragbaren Haftungskonsequenzen führen würde. Die Einschränkung des 15 III HGB ergebe sich aber bereits aus dessen Wortlaut: in dessen Angelegenheiten. Die Änderung der Prokura war in den Angelegenheiten des S einzutragen. Nach beiden Auffassungen ist somit die falsche Bekanntmachung dem S zuzurechnen, eine Streitentscheidung ist mithin entbehrlich. S hatte die Möglichkeit, die Bekanntmachung in dem Publikationsorgan zu überprüfen und einen Missbrauch durch einen sofortigen Berichtigungsantrag zu verhindern. Im Interesse des schutzwürdigen Handelsverkehrs erscheint es deshalb richtig, S das Risiko einer unrichtigen Verlautbarung seiner Anmeldung aufzuerlegen. (7) Zwischenergebnis Gegenüber der G-Bank wird das Bestehen der Prokura fingiert, so dass sie, wie bei 15 I HGB, ein Wahlrecht hat, ob sie die wirkliche Rechtslage gegen sich gelten lässt (und P auf Darlehensrückzahlung in Anspruch nimmt) oder sich auf den Schutz des 15 III HGB beruft. Durch die Inanspruchnahme des S macht sie deutlich, dass sie sich auf den Schutz gem. 15 III HGB beruft. 2. WE der G-Bank Von einer solchen ist angesichts der erfolgten Darlehensvalutierung auszugehen. 3. Zwischenergebnis: Zwischen der G-Bank und S ist ein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen. 3. Keine Einrede unzulässiger Rechtsausübung wegen möglichen Missbrauches der Vertretungsmacht Weder war der Missbrauch der Vertretungsmacht durch P für die G-Bank evident, noch hat letztere kollusiv mit P zum Nachteil des S zusammengewirkt; so dass S auch nicht die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung zusteht. Die G-Bank hat gegenüber S einen Anspruch auf Zahlung von 5000 gem. 488 I 2 BGB. 1 So etwa noch vertreten von Brox, Handels- und Wertpapierrecht, 18. Auflage 2005, Rn 93; Brox/Henssler, Handelsrecht, 19. Auflage 2007, Rn 93 folgen nunmehr auch dem Veranlassungsprinzip. 8
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