Systemische Beratung im Umgang mit suchtmittelauffälligen Mitarbeitern im Rahmen der Tagung:
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- Hertha Hofmeister
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 im Rahmen der Tagung: Betriebliche Suchtprävention und Gesundheitsförderung an Hochschulen und Universitätskliniken am Betrieblic Klinikum München-Ost Kristina Braun
2 Vortragsablauf 1. Definition 2. Grundhaltung 2.1 Prinzipien des lösungsorientierten Ansatzes 3. Verstörungseinheit I: Mythen 4. Methoden und Interventionen systemischer Beratung 5. Verstörungseinheit II: Der Rückfall als Vorfall 6. Anregungen 7. Literaturempfehlungen
3 Verständnis systemischer Beratung Definition 1. Definition Paradigma: Phänomene können nicht isoliert betrachtet werden, sollen sie verstanden bzw. verändert werden. Zu ( ) Systemen gehören Paarbeziehungen, Familien, Gruppen, Arbeitsteams, Organisationen und andere Beziehungssysteme, die in der Regel nach einem Gleichgewichtszustand mit den sie jeweils umgebenden Umweltsystemen streben. (Mücke, 2001) Gegenseitige Wechselwirkungen zwischen den Systemelementen, die so aufeinander bezogen sind, dass die Veränderung eines Elementes zwangsläufig zur Veränderung aller Elemente im System führt.
4 Verständnis systemischer Beratung Definition Wenn die spezifischen Wechselwirkungen und Rückkopplungsmechanismen in komplexen Systemen begriffen werden, können grundsätzliche Veränderungen, Handlungsalternativen und neue Perspektiven entwickelt bzw. erreicht werden. (Mücke, 2001) Systemische Beratung bzw. Psychotherapie ist eine Kommunikationsform zwischen zwei oder mehreren Menschen, welche die spezifischen beziehungsgestaltenden Interaktionsprozesse zwischen den Menschen in verschiedenen Systemen besonders berücksichtigt. (Mücke, 2001)
5 Verständnis systemischer Beratung Grundhaltung 2. Grundhaltung Die Grundlage menschlichen Zusammenlebens ist eine zweifache und doch eine einzige der Wunsch jedes Menschen, von den anderen als das bestätigt zu werden, was er ist, oder sogar als das, was er werden kann; und die angeborene Fähigkeit des Menschen, seine Mitmenschen in dieser Weise zu bestätigen. Martin Buber Wertschätzung - Würdigung, Achtung, Respekt - Anerkennung für das, was ist. Probleme als beziehungsgestaltende Kräfte und Informationsquellen Suchtverhalten ist als sinnhaftes Verhalten anzusehen, da es trotz allen damit einhergehenden Leids Abstand von inneren und äußeren Konflikten verschafft und Einschränkungen in der Persönlichkeitsstruktur zumindest zeitweise zu kompensieren vermag. Suchtverhalten dient unter beziehungsdynamischem Aspekt dazu, Nähe, Distanz und Abgrenzungsverhalten so zu regulieren, dass keine bedrohlichen Beziehungskonflikte resultieren. Der Herr Alkohol stellt ein weiteres Beziehungsmitglied dar, das verhindert, dass Verantwortlichkeiten direkt zugesprochen werden und offen auszutragende Konflikte zu einer Infragestellung der Beziehung führen könnten. (Körkel und Kruse, 2005)
6 Verständnis systemischer Beratung Grundhaltung Allparteilichkeit Jeder Anwesende sollte vom Berater in seiner Wirklichkeitskonstruktion, seinen Eigenheiten und besonderen Fähigkeiten wertgeschätzt werden. Lösungsorientierung Veränderungsneutralität Nichts muss sich verändern. Berücksichtigung des Kontextes Begreifen des Verhaltens unter Berücksichtigung des jeweiligen Bezugsrahmens, in dem es auftritt.
7 Verständnis systemischer Beratung lösungsorientierter Ansatz 2.1 Prinzipien des lösungsorientierten Ansatzes Kein Ansatz passt für alle. Es gibt mehr als eine mögliche Lösung. Änderung geschieht ständig. Fokussieren Sie auf Stärken und Ressourcen. Fokussieren Sie auf die Zukunft.
8 Mythen 3. Verstörungseinheit I: Mythen (nach Karrenberg-Bach und Schwabe, deren Erfahrungen in einer ambulanten Beratungsstelle nicht mit den traditionellen Theorien übereinstimmten, 1998) Hypothese der Alkoholiker- oder Suchtpersönlichkeit Hypothese vom Kontrollverlust Hypothese vom progressiven Verlauf und die Irreversibilitätsannahme Alles-oder-Nichts-Hypothese Hypothese von der Notwendigkeit lebenslanger Abstinenz
9 Verständnis systemischer Beratung Methoden und Interventionen 4. Methoden und Interventionen systemischer Beratung Auftrags- und Kontextklärung Wunderfrage Skalierungsfragen Zirkuläres Fragen Ausnahmen
10 Verständnis systemischer Beratung Auftrags- und Kontextklärung 4. 1 Auftrags- und Kontextklärung direkte Auftragsklärung mit Hilfe kompetenz- und ressourcenorientierender Fragen Überprüfen der Auswirkungen des Auftrags hinsichtlich seiner Zieldienlichkeit bei negativen, problemaufrechterhaltenden Auswirkungen Werben um einen neuen zieldienlichen Auftrag Beispiel: Woran würden Sie merken, dass das Gespräch für Sie zufriedenstellend verlaufen ist? Lebenskontext und Auswirkungen Überweisungskontext
11 Verständnis systemischer Beratung Wunderfrage 4. 2 Wunderfrage Nehmen Sie einmal an, heute Abend, nachdem Sie ins Bett gegangen und eingeschlafen sind, geschieht ein Wunder. Das Wunder besteht darin, dass das Problem oder die Probleme, mit denen Sie kämpfen, gelöst sind. Da Sie aber schlafen, wissen Sie nicht, dass ein Wunder geschehen ist. Sie verschlafen einfach das Ganze. Wenn Sie dann morgen früh aufwachen, was wäre eine der ersten Sachen, die Ihnen auffallen würden, die anders wären und die Ihnen sagen würden, dass das Wunder geschehen und Ihr Problem gelöst ist? (aus: Scott D.Miller/Insoo Kim Berg: Die Wunder-Methode nach Steve de Shazer)
12 Verständnis systemischer Beratung die sechs Schlüssel Die sechs Schlüssel 1. Stellen Sie sicher, dass das Wunder für den Klienten wichtig ist. 2. Halten Sie es klein. Formulieren Sie realistische Erfolgserwartungen. 3. Benennen Sie es konkret und verhaltensbezogen. Könnte man ein Foto machen, wenn sich das Wunder entfaltet? 4. Stellen Sie sicher, dass der Klient sagt, was er tun wird und nicht, was er nicht tun wird. 5. Klären Sie, wie er seine Reise beginnen und nicht, wie er sie beenden wird. 6. Klarheit schaffen über das Was, wer, wann, aber nicht so sehr über das Warum.
13 Verständnis systemischer Beratung Skalierungsfragen 4. 3 Skalierungsfragen Skalierungsfragen sind Fragen, mit denen minimale Unterschiede in der Bewertung des Erlebens eines Menschen verdeutlicht werden können. Sie erleichtern es, den Fokus der Aufmerksamkeit auf bisher erreichte Fortschritte zu richten und die Beratungsgespräche hinsichtlich ihrer Wirksamkeit einzuschätzen (Mücke, 2001). Beispiel: Angenommen, Sie würden die Annäherung an Ihr Ziel auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen, wobei 10 die Zielerreichung wäre. Wo wären Sie jetzt und was müssten Sie tun, um Ihrem Ziel um 0,5 Punkte näher zu kommen? Wie erklären Sie sich die Steigerung von 2 auf 3 seit dem letzten Gespräch? Was glauben Sie, haben Sie dazu beigetragen?
14 Verständnis systemischer Beratung zirkuläres Fragen 4. 4 Zirkuläres Fragen Ein Symptom, ein Problem, eine Krankheit sind keine Dinge, sondern Prozesse, gebildet durch Handlungen und Kommunikationen verschiedener Personen. (Schlippe/Schweitzer, 1998) Jedes Verhalten innerhalb eines Systems hat einen Sinn. Das zirkuläre Fragen zielt darauf, die gegenseitige Bedingtheit des Verhaltens von Menschen, deren Lebensgeschichte miteinander verbunden ist, und dessen Sinn zu verdeutlichen. Ziele: Kommunikationsangebote für alle Beteiligten sichtbar und in ihrem Sinn verstehbar zu machen festgefahrene Kommunikations- und Verhaltensmuster sowie Beziehungskonstellationen zu (ver-) stören Ideen für neue Deutungsmuster und Handlungsoptionen zu entwickeln Beispiel: Wie müssten Sie sich verhalten, so dass ihre Frau denkt, dass ihr Alkoholproblem gelöst ist? Was glauben Sie, würde sich in der Beziehung zu Ihrem Sohn verändern, wenn sie
15 Verständnis systemischer Beratung Ausnahmen 4. 5 Ausnahmen Die Muster der Ausnahmezeiten erkennen und verstärken Beispiele: Was ist in den Zeiten, in denen Sie kein Trinkproblemen haben anders als sonst? Was machen Sie in den Zeiten, in denen Sie eine Ausnahme erleben anders als sonst? Wo befinden Sie sich kurz vor und nach diesen Ausnahmezeiten? Inwiefern könnte dies deren Auftreten beeinflussen? Wer ist bei Ihnen, wenn Sie diese Ausnahme erleben? Wann ist es am wahrscheinlichsten, dass Sie eine Ausnahme erleben? Wie können Sie diese Ausnahmezeiten häufiger geschehen lassen?
16 Rückfall als Vorfall 5. Verstörungseinheit II: Der Rückfall als Vorfall Rückfälle sind die Regel und nicht die Ausnahme. Die meisten finden im ersten Halbjahr nach einer Suchtbehandlung statt. Dies sollte in der therapeutischen Haltung und den Interventionen Berücksichtigung finden. Abstinenz für Süchtige bedeutet keinesfalls nur die Erlösung von dem quälenden Krankheitssymptom der Sucht ( ), sondern auch den schmerzhaften Verzicht auf eine Substanz, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Affekten, der Abwehr von Kränkungen und der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls gespielt hat (Wohlfarth, zitiert in Körkel und Kruse, 2005) Rückfälle ( ) erfüllen meist unbewusst eine wichtige psychische oder soziale Funktion für die rückfällige Person. (Körkel und Kruse, 2005) Rückfälle können wichtige Impulse geben, sich realistischere Ziele zu setzen und bislang zu wenige beachtete Belastungsfaktoren genauer zu erkunden. Wie lässt sich die Erfahrung des Rückfalls nutzen?
17 Anregungen 6. Anregungen Einstein: Man kann ein Problem nicht mit derselben Denkweise lösen, mit der es erschaffen wurde. Scott D. Miller: Wenn du in einem Loch steckst, hör auf zu graben. Wenn es nicht kaputt ist, repariere es auch nicht. Wenn du weißt, was funktioniert, mach mehr davon. Wenn etwas nicht funktioniert, dann wiederhol es nicht, mach etwas ander(e)s.
18 Literatur 7. Literaturempfehlungen de Shazer, Steve: Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie, Carl Auer Verlag, 2006 Körkel, Joachim; Kruse, Gunther: Rückfall bei Alkoholabhängigkeit, Psychiatrie-Verlag, 2005 Miller, Scott D.; Berg, Insoo Kim: Die Wunder-Methode. Ein völlig neuer Ansatz bei Alkoholproblemen, Verlag Modernes Lernen, 1999 Miller, Scott D.; Berg, Insoo Kim: Kurzzeittherapie bei Alkoholproblemen. Ein lösungsorientierter Ansatz, Carl Auer Verlag, 1995 Mücke, Klaus: Probleme sind Lösungen. Systemische Beratung und Psychotherapie ein pragmatischer Ansatz, Ökosysteme Verlag, 2001
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