Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel

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1 Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel Gemeinnützige Stiftung Pressemitteilung zur Pressekonferenz des IGSF am 12. Oktober 2011 in Berlin - Langfassung - Festzuschüsse können helfen: Patienten, gesetzlichen Krankenkassen und Herstellern Die mit der Bevölkerungsentwicklung verbundenen dramatischen Auswirkungen auf unser Solidarsystem werden bald spürbar. Mit dem Jahr 2020, also bereits in 9 Jahren, erreichen die geburtenstarken Jahrgänge die Altersgruppe der Alten. Die Auswirkungen werden für das Gesundheitswesen gravierend sein - die Einnahmen werden bei steigenden Ausgaben sinken. Deshalb sollte schon heute vorausschauend gehandelt werden. so Prof. Fritz Beske vom IGSF Kiel bei der Vorstellung der neuen Studie des Instituts. 1 Das Institut ist der Auffassung, dass Festzuschüsse im Rahmen einer Gesundheitsversorgung bei begrenzten Mitteln ein zukunftsorientiertes Instrument in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind. Im Rahmen der anstehenden schwierigen Veränderungen für unser Gesundheitswesen ist es zu begrüßen, dass sich auch Anbieter von Dienstleistungen und Produkten und deren Verbände den Probleme annehmen und Vorschläge für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens einbringen. Die eurocom e. V., die Europäische Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices, und der Bundesinnungsverband für Orthopädie- Technik hatten das Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel (IGSF) gebeten, die Thematik der Einführung von Festzuschüssen für Produkte dieser Hersteller aufzuarbeiten. Da das Institut der Auffassung ist, dass Festzuschüsse im Rahmen einer Gesundheitsversorgung bei begrenzten Mitteln ein IGSF Weimarer Straße Kiel Tel. (04 31) Fax (04 31) info@igsf-stiftung.de

2 Seite 2 der Pressemitteilung Langfassung zur Pressekonferenz Band 120 am in Berlin zukunftsorientiertes Instrument in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind, hat das Institut dies übernommen. Es wird vorgeschlagen, in der Hilfsmittelversorgung für Bandagen, Einlagen und medizinische Kompressionsstrümpfe ein Festzuschusssystem einzuführen. Damit wird ein marktwirtschaftliches Element in die Hilfsmittelversorgung eingeführt, was qualitäts- und preissteuernd wirken kann. Der Wettbewerb wird gestärkt. Da für den Versicherten ein Anreiz bestehen kann, ein höherwertiges Produkt zu wählen, wirkt dies zurück auf die Hersteller, für die es sich bei einem derartigen System lohnen kann, in Qualität, in Innovationen zu investieren, da im Markt leichter als bei einem Festbetragssystem qualitativ hochwertige und innovative Produkte verbesserte Absatzmöglichkeiten haben. Ein Festzuschusssystem fördert damit einen schnelleren Zugang des Patienten zu qualitativ besseren und innovativen Produkten. Dies wiederum erhöht das Interesse abgebender Stellen wie Sanitätshäuser oder Apotheken an der Kundenbetreuung. Krankenkassen profitieren in doppelter Hinsicht. Zunächst liegt der von der Krankenkasse zu zahlende Zuschuss unter dem Preis, der von einer Krankenkasse zu zahlen ist. Damit reduzieren sich die Ausgaben von Krankenkassen und in der Summe aller Krankenkassen der GKV, verbunden mit Planungssicherheit für diesen Leistungsbereich. Es sinkt der bürokratische Aufwand, der mit der Festlegung von Festbeträgen verbunden ist. So das Credo des Gutachten des IGSF. Zum Hintergrund: Hilfsmittelversorgung in der GKV. Die Hilfsmittelversorgung in der GKV ist im SGB V geregelt. Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen und damit ausgeschlossen sind.

3 Seite 3 der Pressemitteilung Langfassung zur Pressekonferenz Band 120 am in Berlin 2009 betrugen die Ausgaben der GKV für Hilfsmittel 4,2 Milliarden Euro und damit 3,25 Prozent der Leistungsausgaben der GKV. Für 2010 werden Ausgaben von knapp 4,4 Milliarden Euro erwartet. Definitionen. Hilfsmittel sind sächliche Mittel oder technische Produkte, die individuell gefertigt oder als serienmäßig hergestellte Ware in unverändertem Zustand oder als Basisprodukt mit entsprechender handwerklicher Zurichtung, Ergänzung bzw. Abänderung von Leistungserbringern abgegeben werden. Festbetrag. Als Festbetrag wird die Obergrenze bezeichnet, bis zu der die GKV die Kosten für bestimmte Arznei-, Verband- und Hilfsmittel trägt. Festzuschuss. Beim Festzuschuss gibt es in der Regel kein Therapiemittel, das zu 100 Prozent von der GKV bezahlt wird. Der Anspruch des Versicherten ist auf die Höhe des Festzuschusses begrenzt. Festbeträge und Festzuschüsse in der GKV. Festbeträge für Hilfsmittel. Der GKV- Spitzenverband bestimmt Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden, nicht für jedes einzelne Produkt, sondern für Produktgruppen. Bei Arzneimittelfestbeträgen wird für jeweils eine Gruppe von Arzneimitteln eine Obergrenze für die Erstattung durch die GKV festgelegt. Liegt der Preis eines Arzneimittels über dieser Grenze, muss der Versicherte die Differenz zwischen dem Arzneimittelpreis und dem Festbetrag zuzahlen. Festzuschüsse bei Zahnersatz. Die Einführung eines befundbezogenen Festzuschusssystems bei Zahnersatz hat zu einem Systemwechsel bei der Abrechnung und Bezuschussung von Zahnersatz durch die GKV geführt. Diese Regelung hat die therapiebezogene, prozentuale Beteiligung der GKV an den Kosten für Zahnersatz abgelöst. Auswirkungen von demografischer Entwicklung und medizinischem Fortschritt auf die GKV. Entscheidende Faktoren für die künftige Finanzierbarkeit der GKV sind die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt. Charakteristisch für die demografische Entwicklung ist die Abnahme der Bevölkerungszahl bis 2050 von 82 auf 69 Millionen, der Altersgruppe 0 bis 19 Jahre von 15,6 auf 10,7 Millionen, der

4 Seite 4 der Pressemitteilung Langfassung zur Pressekonferenz Band 120 am in Berlin Altersgruppe 20 bis 64 Jahre von 49,7 auf 35,7 und die Zunahme der Altersgruppe 65 Jahre und älter von 16,7 auf 23 Millionen. Das Ergebnis ist eine Alterung der Bevölkerung. Mit dieser Entwicklung nehmen zu die Multimorbidität mit einem höheren Versorgungs- und Kostenaufwand sowie insbesondere chronische Krankheiten. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Finanzierbarkeit der GKV werden am besten dadurch beschrieben, dass der Beitragssatz bis 2060 rechnerisch auf bis zu 52 Prozent steigen kann. Konzept für Festzuschüsse in der Hilfsmittelversorgung. Vieles spricht dafür, dass die vorhersehbare Finanzsituation der GKV mit ständig steigenden Ausgaben und einem zunehmenden Finanzierungsdefizit zu einer grundlegenden Veränderung der Finanzierungssystematik der GKV führen wird. Während heute zumindest theoretisch der Leistungsbedarf und damit die Ausgaben der GKV das jeweils zur Verfügung zu stellende Finanzvolumen bestimmen, wird in Zukunft das jeweils vorhandene Finanzvolumen Art und Umfang der Leistungen bestimmen, die mit diesem Finanzvolumen finanziert werden können. Die bedarfsbestimmte Finanzierung wird abgelöst durch eine einnahmeorientierte Finanzierung. Wenn das so erwartet werden kann, ist mit neuen Strukturen in der Finanzierung von Leistungen der GKV zu rechnen. Zu diesen Strukturen gehört der Festzuschuss. Es wird vorgeschlagen, in der Hilfsmittelversorgung für die Produkte, für die sich Hersteller in der eurocom e. V. zusammengeschlossen haben und damit für Bandagen, Einlagen und medizinische Kompressionsstrümpfe ein Festzuschusssystem einzuführen. Damit wird ein marktwirtschaftliches Element in die Hilfsmittelversorgung eingeführt, was qualitäts- und preissteuernd wirken kann. Der Wettbewerb wird gestärkt. Da für den Versicherten ein Anreiz bestehen kann, ein höherwertiges Produkt zu wählen, wirkt dies zurück auf die Hersteller, für die es sich bei einem derartigen System lohnen kann, in Qualität, in Innovationen zu investieren, da im Markt leichter als bei einem Festbetragssystem qualitativ hochwertige und innovative Produkte verbesserte Absatzmöglichkeiten haben. Ein Festzuschusssystem fördert damit einen schnelleren Zugang des Patienten zu qualitativ besseren und innovativen Produkten. Dies wiederum erhöht das Interesse abgebender Stellen wie Sanitätshäuser oder Apotheken an der Kundenbetreuung.

5 Seite 5 der Pressemitteilung Langfassung zur Pressekonferenz Band 120 am in Berlin Krankenkassen profitieren in doppelter Hinsicht. Zunächst liegt der von der Krankenkasse zu zahlende Zuschuss unter dem Preis, der von einer Krankenkasse zu zahlen ist. Damit reduzieren sich die Ausgaben von Krankenkassen und in der Summe aller Krankenkassen der GKV, verbunden mit Planungssicherheit für diesen Leistungsbereich. Es sinkt der bürokratische Aufwand, der mit der Festlegung von Festbeträgen verbunden ist. Die Übertragbarkeit eines Festzuschusssystems auf andere Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht. Die Abrechnung der Leistung bei der Versorgung mit Bandagen, Einlagen und medizinischen Kompressionsstrümpfen mit der Krankenkasse sollte wie bisher durch den Leistungserbringer erfolgen. Härtefallregelungen, und dies soll abschließend betont werden, müssen sicherstellen, dass niemand von einer notwendigen Versorgung ausgeschlossen wird. 1 Beske, F.: Festzuschüsse als zukunftsorientiertes Instrument in der Hilfsmittelversorgung. Schriftenreihe / Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel; Bd Kiel Die Studie kann gegen eine Schutzgebühr von 10 zzgl. Versandkosten bestellt werden bei: IGSF Kiel, Weimarer Str. 8, Kiel, Tel , Fax , info@igsf-stiftung.de.