8 Unfallversicherung. Aufwendungen der GUV in Mrd. EUR. Rentenbestand

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1 8 Unfallversicherung Aufwendungen der GUV in Mrd. EUR Prävention 0,73 0,73 Entschädigungsleistungen 7,61 7,56 8,27 8,26 8,17 8,86 8,92 9,00 darunter: Rehabilitation 2,58 2,55 2,77 2,82 2,81 3,33 3,44 3,50 Finanzielle Kompensation 5,03 5,01 5,49 5,44 5,36 5,53 5,48 5,50 Verwaltung und Verfahren 1,12 1,09 Quelle: Rentenbestand Renten an Versicherte Witwer/Witwen Waisen Sonstige Berechtigte Quelle: Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 62

2 Grundsätze UV wird von Berufsgenossenschaften (BG) getragen, ist im SGB VII geregelt und wird von Arbeitgeber finanziert. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfall und Berufskrankheit ( 7 SGB VII). Antwort des Rechts auf Industrialisierung = Technisierung der Arbeitswelt. Fortentwicklung der Gefährdungshaftung (RHG) Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 63

3 Leitmotiv: Haftungsablösung durch Versicherungsschutz! Tiefere Bedeutung: Sozialrechtlicher statt privatrechtlicher Einstandspflicht ( 104 SGB VII). Freistellung des Unternehmers von privatrechtlicher Haftung (außer in Vorsatztaten). Abgeltung des Verletzten Schadens durch die BG; Haftpflichtfunktion der BG: erklärt risikoäquivalente Beiträge; Rückgriff der BG gegen pflichtvergessenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ( 110 SGB VII)! Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 64

4 Sicherungsfälle persönliche Voraussetzungen Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ( 2 SGB VII), Unterscheidung echte und unechte Unfallversicherung, letztere ist Ausdruck sozialer Entschädigung (vgl. 10 dieser Vorlesung) Unter Schutz steht, wer wie ein Versicherter tätig wird ( 2 II SGB VII) Selbständige kraft Gesetzes oder Satzung in Versicherungsschutz einbezogen; auch freiwilliger Beitritt möglich Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 65

5 Zurechnung von Arbeitsunfällen Haftungsbegründende und ausfüllende Kausalität, verbotswidriges Verhalten schadet nicht ( 7 II SGB VII) Kausalität? Theorie der wesentlichen Bedingung = Ursache bedingt Verletzung (Haftungsbegründung) und Schaden (Haftungsausfüllung) wesentlich! Theorie der wesentlichen Bedingung ist Alternative zu Äquivalenz und Adäquanz Theorie! Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 66

6 Hauptanwendungsfälle Trunkenheit im Straßenverkehr bei Fahruntüchtigkeit (0,5 Promille) Selbsttötung / gefährdung Verschlimmerung Tod ein Jahres Frist Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 67

7 Probleme bei Arbeitsunfall Drei: Arbeits, Wege und Geräteunfall ( 8 SGB VII); kein Ausschluss wegen selbst geschaffener Gefahr! Problem: Nahrungsaufnahme, betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen und Betriebssport. Weg freie Wahl, Wahl des Verkehrsmittels, Umweg (?), Unterbrechung (?) und wieder auflebender Versicherungsschutz! Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 68

8 Berufskrankheiten Es gilt das Listenprinzip: BKVO enthält eine Liste der anerkannten BKen 9 II SGB VII sieht Möglichkeit der Öffnung vor bei Nachweis der Arbeitsursächlichkeit der Verletzung und des Schadens Erleichterung des Nachweises der Ursächlichkeit ( 9 III SGB VII) Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 69

9 Leistungen Wiederherstellung der Gesundheit = Heilbehandlung ( 11 SGB V) Ausgleich des vorübergehenden Einkommensverlusts durch Verletztengeld ( 47 SGB VII) Ausgleich bleibender Schäden durch Verletztenrente abstrakte Schadensberechnung auf der MdE Basis ( 56 II, III, 81 SGB VII) Hinterbliebenenversorgung bei Unfall / BK Tod Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 70

10 UV private Haftpflicht Wechselverhältnis Verdrängung privatrechtlicher Haftung durch GUV Schutz ( 104 SGB VII) Problematisch im Hinblick auf Schmerzensgeld (BVerfGE 34, 112) Haftungsfreistellung kommt auch Arbeitskollegen zugute ( 105 SGB VII) 110 SGB VII eröffnet der BG den Rückgriff gegen Freigestellten bei dessen grob fahrlässigem Verhalten. Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 71

11 9 Soziale Entschädigung 5 SGB I: Gesundheitsschäden aus Sonderopfer für staatliche Gemeinschaft nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen ausgleichen Ausgleich von Sach und Vermögensschäden durch BEG und LAG Vorbild Kriegsopferversorgung seit 17. Jahrhundert: Charité, Hôtel des Invalides Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 72

12 Es besteht kein allgemeines Prinzip sozialer Entschädigung! Einzelregelung für Groß und Einzelereignisse, namentlich 2. Weltkrieg, NS und DDR Diktatur und Straftaten Einstandspflicht ist aus staatlicher Veranlassung, staatlichem Unterlassen und dem Motiv der Förderung im öffentlichen Interesse liegenden Handelns zu erklären. Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 73

13 Soziale Entschädigung Versorgungsrecht Bundesversorgungsgesetz (BVG) Kriegsopfer, Soldaten, Zivildienstund Verbrechensopferentschädigung Unechte UV 2 I Nrn. 8, 9, 10, 13, 16 SGB VII Getragen von Unfallkassen Fördern Handlungen im öffentlichen Interesse bei Unfalleintritt Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 74

14 Kriegsopferversorgung Schädigung durch Militärdienst und diensteigentümliche Verhältnisse ( 1 BVG) Auch Kriegsgefangenschaft und Internierung wie unmittelbare Kriegseinwirkungen Kausalität und Erleichterung des Nachweises: Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 75

15 Gewaltopferentschädigung Entschädigungspflicht nach dem OEG folgt aus staatlichem Gewaltmonopol Monopol verhindert bellum omnium contra omnes (Thomas Hobbes) Schutz bei Körperschäden durch tätlichen Angriff ( 113, 121 StGB) = gegen Lebensgüter gerichtete vorsätzliche rechtswidrige Tat Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 76

16 Keine Gewaltopferentschädigung Bei Selbstverursachung des Geschädigten oder sonstiger Unbilligkeit Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen hat Opfer, die ausschließenden Umstände der Träger nachzuweisen Konkurrierender Deliktsanspruch des Opfers gegen Schädiger geht auf Träger über ( 5 OEG, 81a BVG) Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 77

17 Weitere Entschädigungstatbestände Impfschäden nach 60 IfSG Nachweis der Ursächlichkeit bei Wahrscheinlichkeit erfüllt Wehrdienstschädigung ( 81 SVG) Zivildienstbeschädigung ( 47 ZDG) Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 78

18 Leistungen des BVG Heilbehandlung und Rehabilitation ( 10 ff. BVG); KV leistet, Versorgungsverwaltung trägt Kosten Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen ( 25 ff. BVG) Grundrente, Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich Bedürftige Kriegsopfer erhalten Kriegsopferfürsorge Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 79

19 10 Unechte Unfallversicherung Gesundheit ist Basis der Erwerbsarbeit; jene ist vielfältig bedroht! Ausgleich durch andere Rechtsgebiete unzureichend (Strafrecht, Polizeirecht, Deliktsrecht, Beamten, Arbeits und Sozialrecht) > Schutz bleibt partiell und fragmentarisch Soziale Entschädigung schließt in Form unechter Unfallversicherung Lücke partiell Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 80

20 Tatbestände unechter UV Eigenheit unechter UV äußert sich in öffentlicher Einstandspflicht für Unfallfolgen ( 125, 128, 129 SGB VII) UV Schutz bei Meldungen ( 2 I Nr.14), Altruistisch motivierten Handlungen ( 2 I Nrn. 9, 13), Ehrenamtlich, freiwillig, für öffentliche Zwecke Tätigen ( 2 I Nrn. 10, 11 SGB VII), Kinder, Schüler, Studenten ( 2 I Nr. 8 SGB VII) und Wohnungsbau ( 2 I Nr. 16 SGB VII) Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer / Vorlesung System des Sozialrechts Folie 81