Wahltarife der Krankenkassen Neue Tarifvielfalt - was verbirgt sich dahinter?
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- Katarina Hartmann
- vor 8 Jahren
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1 VERBRAUCHERINFORMATION Wahltarife der Krankenkassen Neue Tarifvielfalt - was verbirgt sich dahinter? 1. Was sind Wahltarife? In Form von Wahltarifen bieten gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten bestimmte Extraleistungen an oder versprechen Beitragseinsparungen. Die große Zahl der vorhandenen Wahltarife erschwert jedoch den Überblick und die richtige Wahl, zumal viele Kassen ihre neuen Tarife mehr mit Werbeaktionen als mit sachlicher Information begleiten. Vermutlich wird die Tarifvielfalt zukünftig noch erheblich zunehmen, da die Kassen in starker Konkurrenz zueinander stehen und sich durch attraktive Sondertarife einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Bei der Gestaltung der angebotenen Wahltarife haben die Krankenkassen viel Spielraum. Manche Tarife müssen die Kassen anbieten, etwa für Hausarztmodelle oder strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke. Andere können angeboten werden, etwa Beitragsrückvergütungen für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen oder Selbstbehalt-Tarife. Einige Tarife sind zudem auch nur für bestimmte Gruppen relevant, zum Beispiel können Selbstständige einen gesonderten Anspruch auf Krankengeld erwerben. 2. Wahltarife für besondere Versorgungsformen Alle gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Mitgliedern so genannte versorgungsorientierte Wahltarife anzubieten. Sie sollen gezielt die Behandlungs- und Versorgungsqualität der Versicherten verbessern. Patienten müssen für diese Angebote nicht mehr zahlen und auch kein höheres finanzielles Risiko im Krankheitsfall eingehen Hausarztmodelle Bei diesen Tarifen verpflichten sich Versicherte in der Regel für ein Jahr im Krankheitsfall immer zuerst den gewählten Hausarzt aufzusuchen. Dieser soll die Rolle eines Lotsen übernehmen, der seine Patienten bei Bedarf an einen Facharzt überweist und dabei die gesamte Behandlung stets im Blick behält. Als Bonus kommen Prämienzahlungen oder Zuzahlungsbefreiungen in Betracht, von einigen Kassen wird zum Beispiel die Praxisgebühr erlassen. Die freie Arztwahl wird jedoch eingeschränkt, da ein Facharztbesuch in der Regel nur durch eine Überweisung des Hausarztes möglich ist Strukturierte Behandlungsprogramme Dies sind spezielle Behandlungsprogramme für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder Asthma. Mögliche Teilnehmer werden in der Regel durch ihre Krankenkasse und Ärzte auf diese Angebote hingewiesen. Seite 1 von 6
2 Diese so genannten Disease-Management-Programme (DMP) bieten Patienten eine speziell koordinierte Versorgung durch Ärzte sowie weitere Leistungserbringer. Außerdem müssen sich alle teilnehmenden Mediziner zusätzlich weiterbilden und nach festgelegten Standards behandeln. Für Patienten ist die Teilnahme an diesen Programmen u. a. mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen und Schulungen verbunden, zum Beispiel einer Ernährungsberatung bei Diabetikern. Als finanziellen Anreiz gibt es zudem bei einigen Kassen eine Prämie oder einen anderen Bonus, etwa den Erlass der Praxisgebühr Integrierte Versorgung Hierbei handelt es sich um Kooperationen zwischen verschiedenen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen, die von den Krankenkassen gefördert werden. Die abgestimmte Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Hausarzt und Krankenhaus soll die Versorgungsqualität verbessern und die unterschiedlichen medizinischen Versorger besser miteinander verzahnen Vor- und Nachteile Die genannten Tarife können gerade für bereits erkrankte Menschen die Qualität ihrer gesundheitlichen Versorgung verbessern. Sie werden jedoch momentan noch nicht überall in Deutschland bzw. von allen Krankenkassen angeboten und können sich von Kasse zu Kasse deutlich unterscheiden. Neben den dargestellten Tarifen gibt es zudem weitere Angebote im Rahmen der so genannten besonderen ärztlichen Versorgung und von Modellprojekten der Krankenkassen. Die Angebote sind teilweise auch auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt, zum Beispiel auf Diabetes-Patienten. Gerade für chronisch Kranke ist es wichtig, vor der Wahl eines solchen Angebots auf die Details zu achten, etwa welche Facharztgruppe daran beteiligt ist. Die Krankenkassen müssen ihre Versicherten, bevor diese sich für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen in Wahltarifen entscheiden, umfassend über die enthaltenen Leistungen informieren. Bei den meisten Modellen ist die Wahl des Arztes oder der sonstigen Leistungserbringer eingeschränkt. Patienten sollten deshalb vor der Entscheidung für einen solchen Wahltarif u. a. prüfen, ob ihr behandelnder (Haus)Arzt überhaupt am Programm der eigenen Kasse teilnimmt. 3. Freiwillige Tarifangebote der Krankenkassen Bei der Gestaltung dieser Wahltarife haben die Krankenkassen einen größeren Spielraum. Sie können diese Tarife anbieten, müssen es jedoch nicht. Manche Kassen haben mehr als 20 Tarife im Angebot, andere nur zwei oder noch gar keinen. Das Spektrum der Tarife ist sehr groß. Versicherte binden sich mit der Wahl dieser Tarife für bis zu drei Jahre an ihre Krankenkasse. Allerdings haben sie ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder diesen erhöht. Seite 2 von 6
3 Versicherte, deren Krankenkassenbeiträge vollständig von Dritten getragen werden also zum Beispiel Bezieher von Arbeitslosengeld I und II können grundsätzlich keinen freiwilligen Wahltarif wählen! 3.1. Beitragsrückerstattung Bei der so genannten Beitragsrückerstattung handelt es sich um einen Wahltarif, bei dem Versicherte einen Teil ihrer Beiträge (maximal einen Monatsbeitrag pro Jahr) von der Kasse erstattet bekommen, wenn sie und auch volljährige mitversicherte Familienangehörige zum Beispiel die Ehefrau keine Leistungen in Anspruch nehmen. Allerdings können Vorsorgeuntersuchungen, bestimmte Schutzimpfungen und Arztbesuche, bei denen der Arzt nichts verordnet, weiterhin in Anspruch genommen werden. Es gibt deutliche Unterschiede bei den Leistungen, die in Anspruch genommen werden können, ohne die Prämie zu verlieren. Manche Kassen übernehmen zum Beispiel Leistungen in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, andere dagegen nicht. Wird im Krankheitsfall eine andere Leistung notwendig, fällt die ganze Prämie weg, da nach Ansicht des Bundessozialgerichts das "Alles oder Nichts-Prinzip" gilt. Verbraucher gehen, wenn sie diesen Tarif wählen, kein finanzielles Risiko ein, da die Kasse in einem Krankheitsfall die anfallenden Kosten weiterhin trägt. Der Nachteil bei diesem Tarif ist, dass Versicherte unter Umständen verleitet werden, mit Beschwerden nicht rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um die Prämie am Jahresende zu erhalten. Dies kann im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Schäden und zur Verschleppung von Krankheiten führen. Die Bindungsfrist für diesen Wahltarif beträgt ein Jahr Selbstbehalt Einen Bonus von maximal 600 Euro im Jahr können Versicherte erhalten, wenn sie sich verpflichten, Behandlungskosten im Krankheitsfall bis zu einer bestimmten Höhe dem festgelegten Selbstbehalt aus eigener Tasche zu übernehmen. Häufig ist die Höhe des möglichen Bonus an das Einkommen des Versicherten gebunden. Je höher das Einkommen, desto höher auch die Prämie und der Selbstbehalt. Bei Krankheit bzw. Verletzung besteht für Versicherte immer das Risiko, keine Prämie zu erhalten und stattdessen einen Teil der Kosten selbst tragen zu müssen. Auch hier besteht die Gefahr, dass Krankheiten verschleppt werden oder unbehandelt bleiben. Achtung: Die Bindungsfrist für Selbstbehalttarife beträgt drei Jahre! 3.3. Kostenerstattung Diese so genannten variablen Kostenerstattungstarife sind sehr unterschiedlich ausgestaltet und können verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel ambulante oder zahnärztliche Leistungen der medizinischen Versorgung umfassen. Für die Versicherten ändert sich bei diesen Tarifen die Abrechnungsform beim Arzt oder im Krankenhaus. Die Seite 3 von 6
4 Kosten werden nicht mehr direkt über die Krankenversicherungskarte Chipkarte abgerechnet. Stattdessen erhalten die Versicherten eine Rechnung, die sie zunächst selbst bezahlen und anschließend bei ihrer Krankenkasse zur Erstattung einreichen müssen. Wie ein Privatpatient sind sie gezwungen, die Kosten zuerst aus der eigenen Tasche zu übernehmen. Einige Krankenkassen bieten auch Tarife an, die einen höheren Kostenanteil der Kasse bei einer Versorgung mit Zahnersatz oder bei einem Krankenhausaufenthalt übernehmen, zum Beispiel die Mehrkosten für ein Ein- oder Zweibettzimmer. Auch eine ergänzende Absicherung für einen Auslandsaufenthalt durch eine Auslandsreisekrankenversicherung wird vereinzelt angeboten. Abhängig vom gewählten Tarif werden von den Kassen die Kosten für den zusätzlich abgedeckten Bereich entweder teilweise oder sogar vollständig erstattet. Anfallende Kosten, die über den regulären Satz bzw. den vorgeschriebenen Leistungskatalog der Kassen hinausgehen und sonst privat gezahlt werden müssten, können dadurch geringer ausfallen. Zum Teil bedeutet dieser Wahltarif aber auch nur den Wechsel in das Abrechnungsprinzip der Kostenerstattung, ohne höhere Leistungen zu erhalten. Bei allen Tarifen zur Kostenerstattung ist Vorsicht geboten! Es besteht die große Gefahr, dass Versicherte einen erheblichen Teil der Kosten aus der eigenen Tasche übernehmen müssen, da in der Regel nicht alle anfallenden Kosten übernommen werden! 3.4. Wahltarife für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen Diese Tarife richten sich an Versicherte, die ein besonderes Interesse an alternativen Heilmethoden haben und ihre Kosten für nicht verschreibungspflichtige homöopathische, anthroposophische, oder phytotherapeutische (pflanzliche) Arzneimittel begrenzen möchten. Auch diese Erweiterung des Leistungsumfangs ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Der höhere Beitrag sollte den zusätzlichen Leistungen gegenübergestellt werden. Außerdem ist zu beachten, dass von den Krankenkassen in der Regel nicht alle anfallenden Kosten übernommen werden und für die Erstattung eine jährliche Höchstgrenze festgelegt ist. Bei allen Tarifen sollte auch genau geprüft werden, unter welchen Bedingungen eine Erstattung überhaupt möglich ist, also von welchen nicht verschreibungs-pflichtigen Arzneimitteln die Kosten übernommen werden und welche Leistungserbringer die Verschreibung ausstellen dürfen. Die Bindungsfrist für die Wahltarife "Kostenerstattung" und "Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen" beläuft sich auf ein Jahr. Seite 4 von 6
5 Die beiden letztgenannten Tarife sind an das Prinzip der privaten Krankenversicherung angelehnt und bieten teilweise auch ein vergleichbares Angebotsspektrum. Deshalb kommen private Versicherungen als Vergleichsbasis und Alternativen in Frage! 4. Wahltarif Krankengeld Selbstständige haben die Möglichkeit, sich zum allgemeinen Beitragssatz von 15,5 Prozent mit einem gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld zu versichern. Das bedeutet, dass sie wie Arbeitnehmer ab der siebenten Woche der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld beziehen. Alternativ können sie einen gesonderten Wahltarif "Krankengeld" wählen. Dann wird nur ein ermäßigter Beitragssatz von 14,9 Prozent fällig plus die Prämie für den Wahltarif. Die Konditionen der einzelnen Kassen können erheblich voneinander abweichen. Mit Abschluss des Wahltarifs Krankengeld bindet sich jeder Versicherte für drei Jahre an seine Krankenkasse. Auch im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags oder des Wegfalls einer bislang gezahlten Prämie besteht kein Sonderkündigungsrecht! Allerdings kann es Vorteile bringen, einen Wahltarif abzuschließen. So lässt sich unter Umständen beispielsweise eine Absicherung vor der siebenten Krankheitswoche oder ein höheres Krankengeld erreichen. Als dritte Option besteht die Möglichkeit unabhängig von der gesetzlichen Krankenkasse eine private Krankentagegeld- Versicherung abzuschließen. In diesem Fall wirken sich allerdings das Alter und der Gesundheitszustand auf die Beitragshöhe aus beim Wahltarif ist dies nicht zulässig. Ein Wahltarif oder eine private Krankentagegeld-Versicherung kann häufig allerdings auch als (sinnvolle) Ergänzung zum gesetzlichen Krankengeld gewählt werden, um Mehrleistungen abzusichern. Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Da das Krankengeld bei einer längeren Erkrankung gerade auch für Selbstständige entscheidend zur Existenzsicherung beitragen kann, sollte eine Absicherung für den Notfall vorgesehen werden. 5. Umgang mit den neuen Angeboten Niemand ist verpflichtet, in einen der neuen Tarife zu wechseln auch wenn Pressemeldungen und gezielte Werbung der Krankenkassen diesen Eindruck erwecken mögen. Wer mit seiner Krankenkasse zufrieden ist, sollte alles so lassen und behält auch ohne Wahltarif den bisherigen Leistungsumfang. Durch Selbstbehalte oder Beitragsrückerstattung Geld sparen oder zurückerhalten können vor allem Versicherte mit einem guten Gesundheitszustand. Wer regelmäßig ärztlich behandelt werden muss etwa chronisch kranke und alte Menschen profitiert von Seite 5 von 6
6 Tarifen, die auf eine qualitativ verbesserte Versorgung abzielen. Dies macht deutlich, dass eine Entscheidung stark von persönlichen Bedürfnissen abhängt. Die Wahl sollte deshalb auch in Anbetracht des wenig transparenten Marktes gut überlegt sein und an den individuellen Ansprüchen ausgerichtet werden. In jedem Fall sollte vorab geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen ein Ausstieg aus dem jeweiligen Tarif möglich ist und wie lange Versicherte sich mit der Entscheidung für einen Wahltarif binden. Vorsicht ist insbesondere bei Selbstbehalttarifen mit einer dreijährigen Bindung an die Krankenkasse und drohenden Mehrkosten im Krankheitsfall angebracht. Wer sich für die neuen Tarifangebote interessiert, sollte sich in jedem Fall mehrere Angebote einholen und diese genau vergleichen. Aufgrund der Vielzahl der Angebote und des wenig transparenten Marktes ist eine unabhängige Beratung empfehlenswert. Die Detailregelungen zu den Wahltarifen finden sich in den Satzungen der jeweiligen Krankenkassen. Da diese entscheidend sind, ist es in jedem Fall ratsam, vor einer Entscheidung einen genauen Blick ins Kleingedruckte zu werfen! Stand: März Verbraucherzentrale Bundesverband, Markgrafenstraße 66, Berlin Für weitere Fragen zum Thema wenden Sie sich bitte an Ihre örtliche Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Sachsen. Eine Übersicht finden Sie u.a. unter Seite 6 von 6
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