7. Fachtag Baurecht der Handwerkskammer Dresden

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1 eckblatt Alternative 2 7. Fachtag Baurecht der Handwerkskammer Dresden

2 Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des privaten Baurechts im Jahr 2015 (Leitsätze gemäß IBRonline) Referent: Rechtsanwalt Bernd Morgenroth Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Schlichter/Schiedsrichter SO-Bau BSKP Dresden

3 1. Offene Werklohnforderung: Bauhandwerker darf das Grundbuch einsehen! 1. Die Einsicht in das Grundbuch ist demjenigen gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. 2. Bauhandwerker, die nach 648 BGB für ihre Forderung eine Sicherungshypothek in das Baugrundstück eintragen lassen können, besitzen ein berechtigtes Interesse an der vollständigen Grundbucheinsicht. OLG München, Beschluss vom Wx 43/15 Das OLG bestätigt letztendlich, dass ein Bauhandwerker vor Beantragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek ein berechtigtes Interesse an einem vollständigen Grundbuchauszug, der auch die Belastungen erkennen lässt, und an der Einsicht in den Vertrag, der die Grundstücksauflassung enthält, sowie dem in den Grundakten als Anlage zur Einbringung/Überlassung befindlichen Gesellschaftsvertrag besitzt. Tipp: Vor Beantragung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gemäß 648 BGB sollte das Grundbuch eingesehen werden. Dies allein schon deswegen, um die vorrangigen Hypotheken und Grundschulden zu bewerten sowie auch die Eigentümerstellung klar definieren zu können

4 2. Mängelansprüche verjährt: Kann der Besteller trotzdem die Zahlung verweigern? Der Besteller kann wegen eines Mangels der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem AN nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche geltend machen, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte. BGH, Urteil vom VII ZR 144/14 Der BGH entscheidet hier, dass der AG wegen eines Baumangels ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem AN nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche geltend machen kann, wenn der Mangel vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgetreten ist und ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte. Nicht erforderlich ist, dass der AG bereits vor Eintritt der Verjährung seiner Mängelansprüche ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht hat

5 3. EnEV-Anforderungen sind immer Sollbeschaffenheit! Auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung gehören die Anforderungen der EnEV zur Sollbeschaffenheit einer Werkleistung. OLG Düsseldorf, Urteil vom U 57/15 Der Auftraggeber ließ ein Einfamilienhaus errichten. Wegen inzwischen behobener Undichtigkeiten des Neubaus nimmt er den Auftragnehmer (Fenster-, Türen- und Rollladenbauer) auf Zahlung als Ersatz der Kosten für 5 von 6 Blower-Door-Tests in Anspruch. Diese Tests wurden durchgeführt, um festzustellen, ob die dauerhaft luftundurchlässige Abdichtung des Gebäudes gemäß 6 Abs. 1 EnEV 2007 erreicht ist. Die ersten beiden Tests wurden wegen offenkundiger Undichtigkeit abgebrochen. Der dritte bis fünfte Test ergab weiterhin unzureichende Luftdichtigkeit. Erst der sechste Test bestätigte die erfolgreiche Herstellung der Luftdichtigkeit. Letzten Endes wird der Auftragnehmer zum Schadensersatz verurteilt

6 3. EnEV-Anforderungen sind immer Sollbeschaffenheit! Zwar hätten die Bauvertragsparteien ausdrücklich keine Beschaffenheit des Werkes vereinbart. Aber auch ohne ausdrückliche vertragliche Erwähnung gehören die Anforderungen der hier einschlägigen EnEV 2007 aber ohne weiteres zur Sollbeschaffenheit. Hinweis: Die Frage, ob die EnEV 2007 als anerkannte Regel zu bezeichnen ist, ist sehr umstritten. Dies wird auch teilweise verneint. Allerdings wird in der Praxis immer darauf zu achten sein, dass die jeweils gültige EnEV grundsätzlich als vereinbarte Beschaffenheit anzusehen ist, weil der AG erwarten kann, dass der AN sämtliche öffentlich-rechtliche Vorschriften einhält

7 4. Ein Evergreen: Wie wird die VOB/B Vertragsbestandteil? Handelt der AG als Privatmann, der die Auftragsverhandlungen nicht mit der Unterstützung eines Architekten führt, genügt der Hinweis auf die Geltung der VOB/B im Angebot des AN nicht, um sie in den Vertrag einzubeziehen. OLG Nürnberg, Urteil vom U 2521/09; BGH, Beschluss vom VII ZR 347/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) Im vorliegenden Fall hatte ein Unternehmer dem als Privatmann handelnden Auftraggeber ein Angebot unterbreitet, an dessen Ende es hieß: Dem Angebot liegt die VOB zugrunde. Wenn, so wie im vorliegenden Fall, der Auftraggeber als Privatmann handelt und die Vertragsverhandlungen nicht mit der Unterstützung durch einen Architekten oder Bauingenieur führt, ist nicht davon auszugehen, dass ihm die VOB/B vertraut war. Der bloße Hinweis auf die VOB/B genügt nicht, um deren Einbeziehung in den Vertrag anzunehmen

8 4. Ein Evergreen: Wie wird die VOB/B Vertragsbestandteil? Praxishinweis: Auch wenn das Thema eine alte Kamelle ist, so muss der Verwender der VOB (häufig der AN) in geeigneter Weise seinem Vertragspartner, wenn dieser weder im Baugewerbe tätig, noch im Baurecht bewandert ist, Gelegenheit geben, sich über den vollen Text der VOB/B zu informieren. Eine Regelung im Vertrag, wonach der Text der VOB auf Wunsch kostenlos zur Verfügung gestellt wird oder aber eingesehen werden kann, reicht nicht aus. Idealerweise muss einer Privatperson der komplette Text der VOB/B beweisbar übergeben werden. Etwas anderes gilt auch dann, wenn Vertragsverhandlungen oder gar der Vertrag selbst durch den vom Auftraggeber beauftragten Architekten oder Bauingenieur, die in der Regel der VOB kundig sein dürften, ausgehandelt wird

9 5. Eine andere als vereinbart ausgeführte Leistung ist grundsätzlich mangelhaft! 1. Ein Mangel liegt auch vor, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit führt. 2. Wirkt sich die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, kann dies zwar die Prüfung veranlassen, ob Mängelansprüchen des AG der Einwand entgegensteht, der Mängelbeseitigungsaufwand sei unverhältnismäßig. Am Vorliegen eines Mangels ändert es allerdings nichts. BGH, Beschluss vom VII ZR 70/14 Der AG verlangt vom AN Schadensersatz für die teilweise ausgeführte noch nicht vorgenommene Sanierung des gepflasterten Stellplatzes eines Parkplatzes. Der AN verwendet anstelle des im LV vorgesehenen Kieses die Körnung 0/5 einen gröberen Kies mit der Körnung 2/5. Drei Jahre nach Abnahme zeigen sich im Bereich der Pflasterarbeiten lose Pflastersteine und andere Mangelsymptome

10 5. Eine andere als vereinbart ausgeführte Leistung ist grundsätzlich mangelhaft! Unabhängig von der Frage, ob die Funktionalität der Leistung beeinträchtigt war, ist allein schon deswegen ein Mangel zu bejahen, weil etwas anderes als vertraglich vereinbartes ausgeführt wurde. Seit der Schuldrechtsreform ist auch die Ausführung einer anderen Leistung als die vereinbarte eine Schlechtleistung bzw. ein Mangel. Wirkt sich die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit aber nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, ist zu prüfen, ob die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ist. Hierfür liegt die Darlegungs- und Beweislast allerdings auch nach Abnahme beim AN, wie auch der BGH in dieser Entscheidung klarstellt. Allerdings sind sehr hohe Anforderungen an die Unverhältnismäßigkeit seitens der Rechtsprechung gestellt

11 6. Bauprodukte ohne CE-Kennzeichnung verwendet: Meist Leistung mangelhaft! 1. Ein Unternehmer, der mit Bauleistungen im weiteren Sinne betraut ist, hat seine Arbeiten so auszuführen, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften eingehalten werden und die Errichtung in baupolizeilich ordnungsgemäßer Weise erfolgt, insbesondere bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig ist. 2. Verwendet der Unternehmer Bauprodukte, die entgegen 20 Abs. 1 BauO-NW (auch 17 SächsBauO) weder ein Übereinstimmungszeichen noch die Konformitätskennzeichen der Europäischen Gemeinschaften (CE-Kennzeichnung) tragen, stellt sich das Werk regelmäßig als mangelhaft dar. Ob die Produkte die Vorrausetzungen für eine entsprechende Kennzeichnung erfüllen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. LG Mönchengladbach, Urteil vom S 141/14 Ohne Darstellung des Falles in der Sache ist grundsätzlich darauf zu achten, dass dann ein Mangel zu bejahen ist, wenn entgegen der Vorgaben in der einschlägigen Landesbauordnung weder das Ü-Zeichen noch die CE-Kennzeichnung vermerkt bzw. eingetragen sind

12 6. Bauprodukte ohne CE-Kennzeichnung verwendet: Meist Leistung mangelhaft! Allein schon das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnung ist ein Mangel. Vor Ausführung sollte daher von allen Beteiligten auf die einschlägigen relevanten Regelungen in der jeweiligen Landesbauordnung sowie im Bauproduktengesetz geachtet werden! In Sachsen betrifft es die Regelungen der 17 ff. SächsBauO! Diese Vorgaben gelten für alle Werkverträge in der Baupraxis

13 7. Mängelrüge per Verjährungsfrist für Mängelansprüche wird nicht verlängert! Eine Mängelrüge per erfüllt das Schriftformerfordernis des 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B nicht, sofern keine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt. Mit einer einfachen kann deshalb die Verjährungsfrist für Mängel nicht wirksam verlängert werden. OLG Jena, Urteil vom U 209/15 Ohne Darstellung des Sachverhalts ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die sog. Quasiunterbrechung durch Mängelrüge nach 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B ein Schriftformerfordernis in sich birgt. Im vorliegenden Fall ist die Problematik die, dass eine einfache , deren Zugangsbeweis fehlt, das Schriftformerfordernis des 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B nicht erfüllt. Es fehlt gemäß 126 BGB die eigenhändige Namensunterschrift oder das notariell beglaubigte Handzeichen. Auch wenn diese Form nach 126 Abs. 3 BGB durch die in 126 a BGB geregelte elektronische Form ersetzt werden könne, genüge die diesen Anforderungen nicht. Sie war im vorliegenden Fall nicht unterschrieben und hatte keine elektronische Signatur. 126 BGB gilt auch für das Schriftformerfordernis der VOB

14 7. Mängelrüge per Verjährungsfrist für Mängelansprüche wird nicht verlängert! Dieses Urteil wie auch das Vorgängerurteil des OLG Frankfurt (IBR 2012, 386) sind nicht unumstritten. Gegner dieser Auffassung sind der Meinung, dass durch die vertragliche Einbeziehung der VOB, die ja AGB-Charakter besitzt, die in 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B bestimmte Schriftform der Mängelrüge als vereinbarte Form im Sinne von 127 BGB anzusehen sei. Gemäß 127 Abs. 2 BGB genüge zur Wahrung der durch das Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form eine telekommunikative Übermittlung. Dazu soll eine ausreichen. Problematisch ist allerdings immer bei der Übersendung von wichtigen Erklärungen per der Nachweis des Zugangs. Natürlich kann hier daran gedacht werden, eine Eingangs- oder Lesebestätigung als Anscheinsbeweis für den Zugang zu verwenden. Nichtdestotrotz sollte unter dem Aspekt dieses Meinungsstreits unbedingt in der Praxis darauf geachtet werden, jegliche rechtserhebliche Erklärungen wie z. B. auch die schriftliche Erklärung einer Mängelrüge entweder via Telefax mit Sendebestätigung und Protokollierung des vollständigen und leserlichen Zugangs bei der Gegenstelle erfolgen zu lassen, mit zumindest einer qualifizierten elektronischen Signatur zu arbeiten, im normalen Schriftverkehr zu agieren mit entsprechendem Einwurf-Einschreiben unter Beachtung der entsprechenden Zugangsfristen oder aber der Übermittlung via Boten. Da all diese Themen noch nicht abschließend geklärt sind, empfiehlt es sich immer, die sicherste Variante zu wählen

15 Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit! BSKP Dr. Broll Schmitt Kaufmann und Partner Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte Fetscherstraße Dresden Tel Rechtsanwalt Bernd Morgenroth 15