EUROPÄISCHE KOMMISSION. Staatliche Beihilfe N 251/2007 Deutschland Förderung der Einführung eines interoperablen Fahrgeldmanagements
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1 EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, 30.IV.2008 K(2008) 1618 endgültig Betreff: Staatliche Beihilfe N 251/2007 Deutschland Förderung der Einführung eines interoperablen Fahrgeldmanagements Sehr geehrter Herr Bundesminister! 1. VERFAHREN (1) Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 haben die deutschen Behörden die vorstehend genannte Fördermaßnahme gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag bei der Kommission angemeldet. (2) Mit Schreiben vom 10. Juli und 14. September 2007 forderte die Kommission von den deutschen Behörden weitere Auskünfte an. (3) Die deutschen Behörden übermittelten Antwortschreiben am 7. August 2007 und 19. Oktober Weitere Angaben legten sie am 10. März 2008 vor. 2. BESCHREIBUNG DER MAßNAHME 2.1. Ziele und Art der Regelung (4) Deutschland möchte ein landesweites interoperables elektronisches Fahrgeldmanagementsystem ( E-Ticketing ) entwickeln. Das System ist Teil des Sonderprogramms der Bundesregierung für Forschung und Innovation. Es soll den Kunden die Möglichkeit bieten, mit Hilfe eines einzigen Mediums und der gewohnten Bezahlweise verschiedene Verkehrsmittel in unterschiedlichen Regionen zu benutzen. (5) Das System basiert auf einem interoperablen Standard, der in Chipkarten von Verkehrsunternehmen oder Banken ebenso wie in Mobiltelefonen Seiner Exzellenz Herrn Frank-Walter STEINMEIER Bundesminister des Auswärtigen Werderscher Markt 1 D Berlin Commission européenne, B-1049 Bruxelles Europese Commissie, B-1049 Brussel Belgium Telephone: (0)
2 integriert werden kann. Es soll ein bargeldloses Bezahlen, elektronische Tickets und eine automatisierte Fahrpreisfindung mit aktiver oder passiver An- und Abmeldung ermöglichen. (6) Das E-Ticketing soll bestehende Zugangshemmnisse abbauen und den Kundenkomfort erhöhen und so die Nutzung des öffentlichen Verkehrs vereinfachen. Durch die Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr sollen neue Kunden, darunter auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität, gewonnen werden. Darüber hinaus soll das System bessere Informationen über die Verkehrsnachfrage und -bedürfnisse liefern. Dies soll dazu beitragen, das öffentliche Verkehrsangebot zu optimieren und attraktivere Tarife anbieten zu können. (7) Vor der Einführung des E-Ticketing sind mit Hilfe industrieller Forschung und experimenteller Entwicklung technische, fachliche und organisatorische Probleme zu lösen. Die damit verbundenen Aufgaben betreffen unter anderem die zentrale Architektur (insbesondere das Sicherheitsmanagement), die elektronischen Ladesysteme, die Kontrollverfahren und die verwendeten Medien (Chipkarten, Mobiltelefone und Kontrolleinrichtungen). (8) Im Rahmen der Regelung werden Forschungsvorhaben kofinanziert, die mit den Zielen des Arbeitsprogramms im Einklang stehen. Gemeinsame Forschungsvorhaben öffentlicher Einrichtungen und privater Unternehmen machen dabei einen großen Anteil aus. Die Vorhaben werden von den Beteiligten regional initiiert und dienen unter anderem dazu, Systeme zu integrieren und Einzelkomponenten zu prüfen. Angesichts der Anforderungen an die Kompatibilität und Interoperabilität der Systeme und ihre Sicherheit sowie der unzureichenden kritischen Masse einzelner Unternehmen und der Komplexität des Rechtsrahmens ist die öffentliche Förderung der Forschungskoordinierung und -planung in diesem Bereich von besonderer Bedeutung Rechtsgrundlage der Förderung (9) Die Regelung stützt sich auf folgende Rechtsgrundlage: - das jeweilige jährliche Haushaltsgesetz: Einzelplan 12 (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Länderfinanzausgleich); - die Bundeshaushaltsordnung; - das Verwaltungsverfahrensgesetz; - die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung. (10) Nach Angaben Deutschlands soll die Regelung unter der Internet-Adresse veröffentlicht werden. 2
3 2.3. Verwaltung, Mittelausstattung, Dauer, Form der Beihilfe, Beihilfeempfänger (11) Die Beihilfen werden vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gewährt. (12) Die Gesamtmittel für die Maßnahme werden mit etwa EUR veranschlagt. Die Beihilfen sollen vom Datum dieser Entscheidung bis Ende 2009 in Form von Zuschüssen erfolgen. In keinem Fall werden sie vor der Genehmigung der Regelung durch die Kommission gewährt. (13) Nach Angaben der deutschen Behörden werden die Beihilfen voraussichtlich in erster Linie Verkehrsunternehmen gewährt. (14) Beihilfeempfänger sind nach Angaben der deutschen Behörden sowohl Großunternehmen als auch kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen 1. Nach Schätzung der deutschen Behörden wird sich die Zahl der Beihilfeempfänger voraussichtlich auf 11 bis 50 belaufen Forschungsbereiche (15) Die Beihilfen sollen für industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung gewährt werden. (16) Nach Angaben der deutschen Behörden dienen die industriellen Forschungsvorhaben der Gewinnung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue Datensicherheitsprodukte, -verfahren oder -dienstleistungen für das E-Ticketing-System zu entwickeln oder zur Verwirklichung erheblicher Verbesserungen bei bestehenden Datensicherheitsprodukten, -verfahren oder -dienstleistungen nutzen zu können. (17) Im Rahmen der experimentellen Entwicklung sollen innerhalb von Verkehrsunternehmen Konzepte, Kenntnisse und Fertigkeiten entwickelt werden, um Systementwürfe für die Integration elektronischer Fahrgeldmanagementsysteme und deren Interoperabilität zu erstellen und umzusetzen Förderfähige Kosten (18) Folgende Kosten sind im Rahmen der angemeldeten Regelung förderfähig: - Kosten für ausschließlich in der Forschung beschäftigtes Personal; - Kosten von Gegenständen des Anlagevermögens, die ausschließlich und ständig für die Forschungstätigkeit genutzt werden (Ausrüstungen und Instrumente). Werden diese Ausrüstungen und Instrumente nicht während ihrer gesamten Lebensdauer für das Forschungsvorhaben 1 ABl. L 10 vom , S. 33, in der geänderten Fassung. 3
4 verwendet, gilt nur die Wertminderung während der Dauer des Forschungsvorhabens als förderfähig; - Kosten für Gebäude und Grundstücke, sofern und solange sie für das Forschungsvorhaben genutzt werden. Bei Gebäuden gilt nur die Wertminderung während der Dauer des Forschungsvorhabens als förderfähig. Bei Grundstücken gelten die Kosten für die geschäftliche Überlassung und die tatsächlich entstandenen Kapitalkosten als förderfähig; - Kosten für Auftragsforschung, technisches Wissen und Patente, die zu Marktpreisen von Dritten direkt oder in Lizenz erworben wurden, sofern die Transaktion zu geschäftsüblichen Konditionen durchgeführt wurde und keine Absprachen vorliegen, sowie Kosten für Beratung und gleichwertige Dienstleistungen, die ausschließlich der Forschungstätigkeit dienen; - zusätzliche Gemeinkosten, die unmittelbar durch die Forschungstätigkeit entstehen; - sonstige Betriebskosten für das elektronische Fahrgeldmanagement (Kosten für Material, Bedarfsmittel und dergleichen, die im Zuge der Forschungstätigkeit unmittelbar entstehen) Beihilfeintensität (19) Die Beihilfeintensität kann bis zu 25 % der förderfähigen Kosten für experimentelle Entwicklung und bis zu 50 % der förderfähigen Kosten für industrielle Forschung betragen. Darüber hinaus können mittlere Unternehmen einen Zuschlag von 10 Prozentpunkten und kleine Unternehmen einen Zuschlag von 20 Prozentpunkten erhalten. (20) Die Regelung sieht zudem einen Bonus von 15 Prozentpunkten bis zu einer maximalen Beihilfeintensität von 80 % bei Projekten vor, die eine effektive Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen umfassen. In diesen Fällen muss die Forschungseinrichtung mindestens 10 % der förderfähigen Kosten tragen; ihr steht darüber hinaus das Recht zu, die Ergebnisse der Arbeiten zu veröffentlichen, sofern sie von der Einrichtung durchgeführt wurden Anreizeffekt der Beihilfe (21) Die deutschen Behörden werden in jedem Einzelfall anhand qualitativer und quantitativer Indikatoren prüfen, ob das Vorhaben ohne die Beihilfe durchgeführt werden könnte oder aber erheblich verzögert oder eingeschränkt würde. Darüber werden der Kommission jährliche Berichte vorgelegt. (22) Ferner werden Beihilfen im Rahmen der Regelung nur für Vorhaben gewährt, die erst nach der Antragstellung beginnen. Bereits vorgenommene Durchführbarkeitsstudien sind anzugeben, erhalten jedoch keine Förderung im Rahmen der Regelung. 4
5 3. BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG DER MAßNAHME 3.1. Vorliegen einer Beihilfe (23) Um festzustellen, ob die vorgesehene Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt, ist zu prüfen, ob sie bestimmte Unternehmen begünstigt, ob die Förderung von einem Mitgliedstaat aus staatlichen Mitteln gewährt werden soll, ob die betreffende Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und ob sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte. (24) Die Förderung ist eindeutig mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Beihilfeempfänger verbunden, da es sich um direkte Zuschüsse zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen handelt, die sie normalerweise selbst zu tragen hätten. Darüber hinaus richtet sich die Maßnahme ausschließlich an Unternehmen, die an der Einführung des E- Ticketing-Systems in Deutschland beteiligt sind. Sie ist damit selektiv. (25) Die Beihilfen werden vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aus öffentlichen Mitteln gewährt. Es werden somit staatliche Mittel eingesetzt. Darüber hinaus sind die Beihilfen eindeutig dem Staat zuzurechnen, da sie nach einer Entscheidung der Bundesregierung und des Parlaments gewährt werden. (26) Die Maßnahme droht, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beinträchtigen, da sie jedes Unternehmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs betreffen kann. (27) Die vorliegende Maßnahme ist daher eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag Vereinbarkeitsprüfung (28) Nach Ansicht der Kommission ist die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation 2 (nachstehend der Gemeinschaftsrahmen ) zu prüfen. (29) Die von den deutschen Behörden beschriebenen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fallen unter die Definition von industrieller Forschung und experimenteller Entwicklung gemäß Abschnitt 2.2 Buchstaben f und g des Gemeinschaftsrahmens. Die Kommission stellt insbesondere fest, dass industrielle Forschung im Sinne der Regelung auch die Entwicklung von Teilen komplexer Systeme, die für die industrielle Forschung und insbesondere die Validierung von technologischen Grundlagen notwendig sind, mit Ausnahme von Prototypen, umfasst. Ebenso umfasst experimentelle Entwicklung im Sinne der Regelung auch Tätigkeiten zur Definition, Planung und Dokumentation neuer [ ] Verfahren und Dienstleistungen sowie die Erstellung von Entwürfen, 2 ABl. C 323 vom , S. 1. 5
6 Zeichnungen, Plänen und anderem Dokumentationsmaterial, soweit dieses nicht für gewerbliche Zwecke bestimmt ist. Die Absätze 2 und 3 des Abschnitts 2.2 Buchstabe g sind im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung, da die erforderliche Hardwaretechnik zwar bereits auf dem Markt erhältlich ist, bisher jedoch noch keine betriebsfähigen interoperablen Systeme für verschiedene Verkehrsunternehmen und Verkehrsmittel entwickelt wurden. Nach diesen Bestimmungen gilt die Entwicklung von kommerziell nutzbaren Prototypen und Pilotprojekten als experimentelle Entwicklung, wenn es sich bei dem Prototyp notwendigerweise um das kommerzielle Endprodukt handelt und seine Herstellung allein für Demonstrations- und Auswertungszwecke zu teuer wäre. Bei einer anschließenden kommerziellen Nutzung von Demonstrations- oder Pilotprojekten sind die daraus erzielten Einnahmen von den beihilfefähigen Kosten abzuziehen. Die experimentelle Erprobung von Verfahren und Dienstleistungen ist ebenfalls beihilfefähig, soweit sie nicht kommerziell genutzt oder für solche Zwecke umgewandelt werden können. (30) Die beihilfefähigen Kosten stehen im Einklang mit Abschnitt 5.1 des Gemeinschaftsrahmens. (31) Die Beihilfeintensität übersteigt nicht die in Abschnitt für industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung festgelegten Höchstgrenzen. Der für KMU vorgesehene Bonus steht im Einklang mit Abschnitt Buchstabe a des Gemeinschaftsrahmens. Bei gemeinsamen Projekten von Unternehmen und Forschungseinrichtungen übersteigt die vorgesehene Beihilfeintensität nicht die in Abschnitt Buchstabe b Ziffer ii des Gemeinschaftsrahmens festgelegten Höchstgrenzen. (32) Im Hinblick auf den erforderlichen Anreizeffekt stellt die Kommission fest, dass die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gemäß der Regelung erst nach der Antragstellung durch den Beihilfeempfänger beginnen dürfen. Darüber hinaus wird der Anreizcharakter der Beihilfe in jedem Einzelfall geprüft, wobei untersucht wird, ob das Vorhaben ohne die Beihilfe durchgeführt werden könnte oder aber verzögert würde. Die deutschen Behörden werden der Kommission jährliche Berichte vorlegen und darin für jedes Vorhaben angeben, wie der Anreizeffekt bewertet wurde. Dies steht im Einklang mit Abschnitt 6 des Gemeinschaftsrahmens und insbesondere dessen letztem Absatz. (33) Angesichts der Gesamtmittel der Regelung ( EUR) und der voraussichtlichen Zahl der Beihilfeempfänger (11 bis 50) ist nicht zu erwarten, dass die in Abschnitt 7.1 des Gemeinschaftsrahmens festgelegten Schwellen für das Erfordernis einer eingehenden Prüfung erreicht werden. Es wird jedoch auf die Verpflichtung der deutschen Behörden hingewiesen, jedes Projekt anzuzeigen, das die vorgenannten Schwellen erreichen würde. (34) Die geprüfte Regelung steht somit im Einklang mit dem Gemeinschaftsrahmen und ist daher auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. 6
7 4. ENTSCHEIDUNG Die Kommission hat daher entschieden, die Beihilferegelung als mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag vereinbar anzusehen. Falls dieses Schreiben vertrauliche Angaben enthält, die nicht veröffentlicht werden sollen, werden Sie gebeten, die Kommission hiervon innerhalb von 15 Arbeitstagen nach dessen Eingang unter Angabe von Gründen in Kenntnis zu setzen. Erhält die Kommission keinen derart begründeten Antrag innerhalb der vorerwähnten Frist, so geht sie davon aus, dass Sie mit der Veröffentlichung des vollständigen Wortlauts dieses Schreibens in der verbindlichen Sprachfassung auf der Internet-Seite an Dritte einverstanden sind. Ihr Antrag ist per Einschreiben oder Telekopiergerät an folgende Anschrift zu richten: Europäische Kommission Generaldirektion Energie und Verkehr Direktion A Allgemeine Angelegenheiten Gebäude DM 28, 6/ BRÜSSEL Fax: Mit vorzüglicher Hochachtung Für die Kommission Jacques BARROT Vizepräsident 7
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