Vorwort S. 5. Einleitung S. 7

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4 Inhalt Vorwort S. 5 Einleitung S. 7 Die Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz S. 12 Organisierter Selbstschutz gegen SA Übergriffe in den Jahren Grossrazzia und Verhaftungswelle im «Roten Block» Einzelschicksale in der Künstlerkolonie und die Flucht ins Exil Zugehörigkeit zu kommunistischen Widerstandskreisen nach 1939 Hilfe für Verfolgte: Helene Jacobs und Dr. Franz Kaufmann Josi von Koskull: Eine Oppositionelle im Umfeld der Künstlerkolonie Wilmersdorfer Schulen zwischen Anpassung und Verweigerung S. 32 An der Cecilienschule (Nikolsburger Platz 5) Das Bismarck-Lyzeum (Lassenstrasse 16-20) Das Grunewald-Gymnasium (Herbertstrasse 2) Die jüdische Privatschule Dr. Leonore Goldschmidt (Hohenzollerndamm 110a) Das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium (Kranzer Strasse 3) Die Hindenburg-Oberrealschule (Am Volkspark 36) Jugendliche wehren sich S. 47 Bei der Bündischen Jugend Jazz-Fans In den Reihen der Organisation Todt Neu Beginnen S. 55 «Neu beginnen!» George Eliasberg Ernst Bry Hedwig Leibetseder Edith Jacobsohn Edith Taglicht Edith Schumann Kontakte zur «Deutschen Volksfront» (Hermann Brill) Die Sozialistische Arbeiterpartei S. 63 Leitungsmitglied Walter Fabian Käthe Schuftan Hans Ils Werner Jahr und Peter Loewy Fürsorgerin Hilde Ephraim Trotzkisten (Robert Springer) Sozialdemokraten gegen Gewalt und Diktatur S. 69 Angeklagte im Prozess 1934: Oswald Zienau und Fritz Strauss Helene Hirscht Jungbanner um Alfred Nau Stummer Massenprotest Kurt Funk Hildegard Wegscheider Siegfried Nestriepke Gewerkschafter Dr. Otto Suhr Die «Kreisauer» Carlo Mierendorff und Theodor Haubach Widerstand aus den Reihen der KPD S. 82 Illegale Gewerkschafter Im Geheimapparat der KPD (Heinz Riegel und Erna Ueberrhein) Hilde Rubinstein Verborgene Druckereien und Waffenlager Fluchthelfer Ruth Mock Marta Astfalck-Vietz Die»Rütli-Gruppe» (Hanno Günther und Elisabeth Pungs) Schulze-Boysen/Harnack- Organisation 2 Verfolgte Künstler S. 97 Die Maler und Graphiker E. O. Plauen, George Grosz und Felix Nussbaum Architekt Max Taut Komponist Leon Jessel Robert Stampa (Dorsay) wird hingerichtet Werner Finck opponiert

5 Gruppe Turicum S. 103 Opposition aus militärischen und bürgerlichen Kreisen S. 104 Hans Oster Otto Kiep Erwin von Witzleben Erich Hoepner Georg Thomas Erwin Planck Ferdinand Sauerbruch Jakob Kaiser Widerstand aus katholischen Kreisen S. 118 Gemeinde Heilig Kreuz Gemeinde St Ludwig Ilse Demme Bekennende Kirche S. 121 Kirche am Hohenzollernplatz Kreuzkirche (Schmargendorf) Evangelische Frauenhilfe Eine Schmargendorferin erinnert sich Notgemeinde Halensee Schicksale jüdischer Bürger in Grünewald und Wilmersdorf S. 132 Die Villenkolonie Grünewald Exil Selbstmord Verstecke Heinrich Spiero Jüdische Einrichtungen Deportationen vom Bahnhof Grünewald Hilfe für Verfolgte S. 147 Die Schwedische Victoriagemeinde (Landhausstrasse 27-28) Maria Gräfin von Maltzan Unbesungene Helden Oskar Huth Exil S. 166 Anhang S. 170 Gedenktafeln Bildnachweise Literatur Abkürzungen Personenverzeichnis Strassenverzeichnis 3

6 Pariser Strasse Lehniner Platz 4

7 Vorwort Die vorliegende Veröffentlichung in der Schriftenreihe über den Widerstand gegen das NS-Regime in Berlin von ist dem Bezirk Wilmersdorf gewidmet. Sie basiert auf Prozessunterlagen, Akten aus dem Berliner Entschädigungsamt und dem Evangelischen Zentralarchiv sowie Biographien und Memoiren. Im Zentrum der Arbeit standen Interviews mit über 30 Zeitzeugen sowie die Auswertung zum Teil umfangreicher Korrespondenzen. Die daraus hervorgehenden Informationen wurden von mir, wenn möglich durch andere Quellen, wie Adressbücher, Taufregister, Nachlässe u.a. ergänzt. Die vielen intensiven Gespräche mit alten Wilmersdorfern füllten die umfangreiche wissenschaftliche und heimatkundliche Literatur mit Leben und liessen manche Querverbindung erkennen. Insofern haben die in diesem Band aufgeführten Zeitzeugen einen nicht unerheblichen Anteil am Entstehen und Verwirklichen dieser Arbeit. Dafür möchte ich allen herzlich danken, insbesondere Horst H. Lange, Werner Goldberg, Willi Thiede, Erik Myrgren und Elise Tilse. Darüber hinaus unterstützten mich in kollegialer Weise Karl-Heinz Metzger, Harald Howe t und Holger Münzer bei meinen Recherchen. Hans-Rainer Sandvoss danke ich für die Vorbereitung und redaktionelle Gestaltung der Broschüre. Auf einen detaillierten Anmerkungsteil wurde der besseren Lesbarkeit wegen verzichtet. Alle Angaben sind jedoch belegt und in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand einsehbar. Die vorliegende Darstellung vom Widerstand in Wilmersdorf beginnt mit der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz, dem heutigen Ludwig-Barnay-Platz. In dem sogenannten «Roten Block» bildete sich bereits in den Jahren eine starke Opposition in Form eines organisierten Selbstschutzes gegen SA- Übergriffe. Im Verlauf des Jahres 1933 mussten viele Bewohner der Künstlerkolonie vor der Übermacht der Diktatur in Deutschland die Flucht ins Exil antreten. Sie verstanden sich dabei nicht als Emigranten, sondern als Gegner der faschistischen Staaten, insbesondere jene, die 1937 als Interbrigadisten nach Spanien gingen. Von insgesamt deutschen Brigadisten fielen etwa zwei Drittel im Spanischen Bürgerkrieg. Sie kamen aus allen Gruppierungen der Arbeiterbewegung. Im anschliessenden Kapitel werden anhand einiger ausgewählter Oberschulen in Wilmersdorf exemplarisch die ideologisch bedingten Veränderungen im Schulleben während der NS-Zeit dargestellt. Wegen des hohen jüdischen Bevölkerungsanteils im Bezirk kam hierbei dem Schicksal «nicht-arischer» Mitschüler eine besondere Bedeutung zu. Dank sei an dieser Stelle den Ehemaligenvereinen der beschriebenen Gymnasien ausgesprochen, die über Jahre hinweg eine umfangreiche Dokumentationsarbeit leisteten und somit eine ergiebige Quellengrundlage schufen. 5

8 Neben dem sozialistisch geprägten Widerstand wird auch die Opposition aus militärischen und bürgerlichen Kreisen, vor allem bei Bewohnern der Villenkolonie Grünewald, beschrieben. Einen Schwerpunkt am Ende der Darstellung bildet das Kapitel über die Hilfe für Verfolgte. In Wilmersdorf entwickelte sich auf dem Gelände der Schwedischen Victoriagemeinde in der Landhausstrasse ein unter Betroffenen bekanntes Zentrum für illegale Hilfe. Pfarrer Birger Forell arbeitete ausserdem eng mit der Bekennenden Kirche zusammen. Noch heute spürt der Besucher in der Schwedischen Gemeinde etwas von der schützenden Atmosphäre, die auch in der Zeit von auf die vielen Hilfesuchenden beruhigend gewirkt haben muss. Die Flucht ins Exil als Rettung vorder nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist kennzeichnend für viele hier beschriebene Schicksale. Am Ende dieser Darstellung findet sich noch ein kurzes Kapitel über Persönlichkeiten, die in Wilmersdorf lebten und emigrieren mussten. Vertiefende Ausführungen zum Thema Exil sind in dem Buch «Wilmersdorfer Portraits» nachzulesen, das vom Bezirksamt Wilmersdorf (Pressestelle) herausgegeben wurde. Felicitas Bothe-von Richthofen März 1993 Schmargendorf, Breite Strasse

9 Einleitung Zum Verwaltungsbezirk Wilmersdorf gehören die Stadtteile Grünewald, Schmargendorf und bis 1938 auch Eichkamp. Der östliche Teil des Bezirks ist von städtischem Leben geprägt, da er zur Berliner Innenstadt gehört. Ein Teil des Kurfürstendamms mit dem Lehniner- sowie dem Olivaer Platz, der Uhland- und Fasanenstrasse waren und sind Zentren innerstädtischen Milieus. Der westliche Teil Wilmersdorfs hingegen ist landschaftlich geprägt durch den Forst Grünewald mit dem Grünewald- und Hundekehlesee sowie die Villenkolonie, die zwischen Halensee und Kurfürstendamm beginnt und die Seenkette Diana-, Koenigs- und Hubertussee mit einschliesst. Der noch heute spürbare ländliche Charakter im Westen Wilmersdorfs wird besonders deutlich an der Reihenhaussiedlung an der Lentzeallee von Ebenfalls in den 20er und 30er Jahren errichteten Siedlungsbaugesellschaften im Sinne der Städtebau-Reformbewegung in Schmargendorf Wohnblocks für Beamte und Angestellte. Über die Hälfte der Fläche Wilmersdorfs sind Wald und Wasser; nur 1% der Fläche werden industriell und gewerblich genutzt. So ist es nicht verwunderlich, dass Wilmersdorf schon in den 30er Jahren zu den «besseren Wohnbezirken» Berlins zählte und Beamte und Angestellte zum Wohnen anzog, aber auch sehr vermögendes Bürgertum, wie Fabrikbesitzer, Verleger, Professoren, Bankiers u.a., die sich die hohen Grundstückspreise in der Villenkolonie leisten konnten. Ausserdem gab es im Grünewald hohe Auflagen für Gastwirte, da die Bewohner der Villenkolonie Lärmbelästigung fürchteten. Umso mehr fanden sich im angrenzenden Schmargendorf verschiedene Gaststätten und Kneipen, so dass, wie Werner Goldberg sich erinnert, dort eine «sehr lebendige Dorfgemeinde, wo man sich auch untereinander kannte», entstanden war. Da es an preiswerten Grossflächen für Industriestandorte fehlte, kam es zu keiner grösseren Ansiedlung von Fabriken in Wilmersdorf. Es gab nur zwei Betriebe der Metall- und Maschinenindustrie mit Beschäftigten und acht Betriebe mit Arbeitskräften. Daher war die Zahl der Arbeiter in Wilmersdorf im Vergleich zu den übrigen Berliner Bezirken nur gering, während die Zahl der Angestellten und Beamten, die in Wilmersdorf wohnten und arbeiteten, besonders hoch war. Im Jahre 1933 lebten 26,7% Angestellte und nur 17,4% Arbeiter im Bezirk, dagegen wohnten 19,8% bzw.42,8% in ganz Berlin, wie aus der folgenden Tabelle deutlich wird. Erwerbspersonen in Wilmersdorf nach der Stellung im Beruf Jahr Selbständige Beamte Angestellte Arbeiter ,7% (11,4%) 18,1% (12,5%) 9,7% (7,1%) 26,7% (19,8%) 39,9% (31,3%) Die Zahlen in Klammern enthalten die Angaben für Berlin. 17,4% (42,8%) 39,7% (53,8%) 7

10 Die Wahlergebnisse für den Bezirk Wilmersdorf spiegeln die konservativ-monarchistisch geprägte Grundhaltung des spätestens seit der Weimarer Zeit dort angesiedelten Bürgertums wider, das überwiegend aus Angestellten, Selbständigen und Beamten bestand. Daher bildete die DNVP im Bezirk die entscheidende politische Kraft. Die SPD konnte sich bei dieser Bevölkerungsstruktur nicht wirklich behaupten. So erhielten bei den Landtagswahlen im Dezember 1924 die DNVP 34,6% der Stimmen in Wilmersdorf, die DDP 19,4% und die SPD 18,5%. Aber auch die NSDAP verfügte bereits vor 1933 übereinen nicht unerheblichen Rückhalt in der Bevölkerung Wilmersdorfs. Der Stimmenanteil der N S DAP lag bei den Reichstagswahlen in Wilmersdorf deutlich über den Vergleichszahlen für Berlin: Stimmenanteil der NSDAP bei den Reichstagswahlen, 1930, 1932 September 1930 Juli 1932 November 1932 Deutsches Reich 18,3% 37,4% 33,1% Berlin 14,6% 28,6% 26,0% Wilmersdorf 18,8% 35,1% 29,3% Bei der Reichspräsidentenwahl (1932) erhielt Hindenburg mit 55,6% der Stimmen in Wilmersdorf das beste Ergebnis auf Gesamt-Berlin bezogen. (Sein schlechtestes Wahlergebnis erzielte er in Weissensee mit 42,6%.) Dennoch zeigte sich bei der Reichstagswahl vom Juli 1932 eine zunehmende Radikalisierung zur rechten wie zur linken Seite. So erzielte neben der NSDAP mit 35,1% der Stimmen die SPD mit 25,4% ihr bestes Ergebnis bei einer Reichstagswahl in der Weimarer Republik. Aber auch die KPD schnitt mit 10,3% in Wilmersdorf 1932 wesentlich besser ab, als z.b mit nur 4,9%. Die eigentlichen Wahlverlierer im Bezirk waren die bürgerlichen Parteien. Auch die DDP, die oftmals als «Partei der Juden» abqualifiziert wurde, verlor seit 1924 ständig an Stimmen, hatte aber im Vergleich zu anderen Bezirken in Wilmersdorf noch die meisten Wähler. Nachdem Hitler am 30. Januar 1933 die Macht überlassen worden war, zeichnete sich auch auf der Bezirksebene bei den Wahlen vom 12. März 1933 ein starker Rechtsruck in Wilmersdorf ab: die SPD erhielt 18,4% der Stimmen, die KPD 6,5% und die NSDAP41,2%. Wahlergebnisse 5. März 1933 (Reichstag) 12. März (Stadtverordnetenwahl) Reich Berlin Wilmersdorf Berlin Wilmersdorf KPD 12,3% 24,5% 9,0% 19,5% 6,5% SPD 18,3% 21,7% 19,1% 22,0% 18,4% DDP 0,9% 1,8% 5,0% 2,0% 6,0% Zentrum 11,2% 5,0% 7,8% 4,7% 5,8% DVP 1,1% 0,9% 1,7% 0,7% 1,5% Kampffront 8,0% 11,0% 18,8% 12,1% 20,1% NSDAP 43,9% 34,6% 38,2% 38,3% 41,2% 8

11 Werner Goldberg erinnert sich (1989): «Es gab dort (Schmargendorf) eine kommunistische Eckkneipe in der Breite Strasse, Ecke Friedrichshaller Strasse. Diese Stammkneipe war plötzlich, nach dem 30. Januar 1933, SA- Stammlokal geworden, und ich besinne mich, dass teilweise sogar die gleichen Leute, nur in anderer Uniform, inzwischen da auftraten,...». Trotz der Wahlerfolge hiess es für die NSDAP, ihre Position zu festigen und auszubauen. Dabei half ihr die SA, die im Februar 1933 zur Hilfspolizei ernannt worden war.lnden»sturmlokalen»dersa,der»halensee-hütte»inderbornstedterstrasse 1, im Restaurant «Unger» in der Brandenburgischen Strasse 75 und im Restaurant «Wörnicke» in der Düsseldorfer Strasse 77, sowie an anderen Stellen wurden politische Gegner misshandelt und gefoltert. Ruth Mock, geborene Wiedenmann, hatte mit ihrer Mutter in der Düsseldorfer Strasse 76 ein Konfitüren-Geschäft. Sie erinnert sich 1990: «Ich wohnte Nr. 76 und Nr. 77 war ein Restaurant,Wörnicke, da wurden immer Lastautos mit Juden vorgefahren, die wurden unten in den Keller transportiert, da bekamen sie grosse Gläser mit Rizinusöl, die sie austrinken mussten. Sie haben geschrien. Wir haben ihnen nicht helfen können. Nur manchmal, wenn einer flüchten konnte, haben wir ihn bei uns versteckt». Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurden vor allem Kommunisten verfolgt. In Wilmersdorf richtete sich der Hass der Nationalsozialisten in erster Linie gegen die Künstlerkolonie am Breitenbachplatz, die bevorzugt von bildenden Künstlern, Schauspielern, Schriftstellern, Tänzern, Regisseuren und Intellektuellen bewohnt wurde. Schon vor 1933 war sie den Nazis ein Dorn im Auge gewesen und wurde von ihnen verächtlich der «Rote Block» genannt. Umso mehr fanden hier 1933 Razzien statt, um den «verhassten roten Block auszuräuchern». Hier finden sich viele Schicksale, die mit Widerstand oder äusserer und innerer Emigration verbunden sind. Neben den Angestellten und Beamten, aus deren Reihen in der Regel nur wenige sich zum aktiven Widerstand gegen das NS-Regime bereitfanden, gab es in Wilmersdorf einen hohen Anteil an Selbständigen. Sie waren 1933 mit 20,7% im Bezirk verhältnismässig stark vertreten, wenn wir die Zahl mit der für Gesamt-Berlin, 11,4%, vergleichen. Da der Anteil der Selbständigen in den Jahren nach 1933 stark zurückging, ist davon auszugehen, dass überwiegend Juden in den selbständigen Berufen arbeiteten. Auf Gesamt-Berlin bezogen nahm der Anteil der Juden in den Freien Berufen von Personen im Jahre 1933 auf Personen im Jahre 1939, also um 62% ab lebten mit über Personen 13,5% Juden in Wilmersdorf, 1938 waren es dagegen nur noch Personen (6,7%). Die Zahlen belegen, dass die oft freiberuflich oder selbständig arbeitenden Juden zunehmend vertrieben wurden. Ende März 1933 wurden bereits «nicht-arische» 9

12 Kassenärzte von den gleichgeschalteten Krankenkassen ausgeschlossen. In Wilmersdorf verloren mehr als 80 Ärzte ihre Kassenzulassung und damit ihre Existenzgrundlage. Aber auch die ärztliche Versorgung der Bevölkerung muss dadurch gelitten haben. Da die im Bezirk wohnenden Juden überwiegend zum wohlhabenden Bürgertum zählten, verfügten sie zumeist über die Mittel, rechtzeitig Deutschland zu verlassen und im Ausland zu leben. Andere wurden sogenannte «U-Boote», d.h. sie tauchten mit Hilfe «arischer» Freunde unter. Nicht wenige Juden fühlten sich durch die NS-Politik derart in die Enge getrieben, dass sie den Freitod wählten. Die meisten aber wurden in die Vernichtungslager deportiert. Die Synagoge in der Prinzregentenstrasse, die erst 1930 eingeweiht wurde, zeugte durch ihre Grösse von einer stark anwachsenden und wohlhabenden jüdischen Gemeinde in Wilmersdorf. Sie war einer der wenigen Grossbauten unter den Synagogen der Weimarer Republik. Seit dem Mai 1933 fanden in der Synagoge regelmässig Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen zur Unterstützung jüdischer Künstler statt. Diese Zusammenkünfte erhielten zunehmende Bedeutung in der jüdischen Gemeinde wegen der immer stärker werdenden Isolation der Juden im öffentlichen und kulturellen Leben. Dieses religiöse und kulturelle Zentrum der Juden in Wilmersdorf wurde in der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 ein Opfer der Flammen. Nur wenige Jahre nach der Einweihung musste die jüdische Gemeinde auf eigene Kosten einen Teilabriss der weitgehend ausgebrannten Synagoge vornehmen lassen wurde sie gezwungen, das Grundstück zu einem Spottpreis an die Reichshauptstadt Berlin zu verkaufen. Bei der Hilfe für verfolgte Juden spielte die Schwedische Victoriagemeinde in der Landhausstrasse eine wichtige Rolle (S. 147ff.). Der schwedische Gesandtschaftspfarrer Birger Forell, an den heute der Name eines Platzes und einer Schule in Wilmersdorf erinnern, knüpfte gleich 1933 Kontakte zu oppositionellen Kirchenkreisen. Sein Werk, das darin bestand, sich für Verfolgte und Bedrückte einzusetzen, führten seine Nachfolger Erik Perwe und Erik Myrgren bis zum Kriegsende fort. Doch nicht alle, die dort um Hilfe suchten, konnten gerettet werden. Stellvertretend für viele andere steht das Schicksal Jochen Kleppers, der sich mit seiner Frau und Stieftochter 1942 das Leben nahm, nachdem die jüdische Stieftochter die Aufforderung der SS zum Abtransport ins Lager erhalten hatte. Der Güterbahnhof Grünewald erlangte als zentrale Stätte der Deportation von Juden traurige Berühmtheit. Hinter dem Bahnhof, in Eichkamp gelegen und durch den Tunnel unter der S-Bahn erreichbar, befand sich ausserdem eine Art «Barackenverwaltung» der «Organisation Todt».Peter Weiss (S.52ff.) war einer derjenigen, die als Juden oder «jüdisch versippte» zur Zwangsarbeit in Güterwaggons vom Bahnhof Grünewald aus 1944 nach Frankreich verschleppt wurden. Er war damals 17 Jahre alt. Im April 1945 gelang ihm mit gefälschten Papieren die Flucht zurück nach Berlin. Am 12. August 1945 lebten von der ehemals grossen jüdischen Gemeinde nur noch 718 Menschen. Die nüchternen Zahlen zeigen bereits, dass sich hier unzählige Tragödien abgespielt haben. Aber auch Beispiele menschlicher Grösse sind zu nennen, in den 10

13 Fällen, in denen Mitbürger ihrem verfolgten Nachbarn, oft unter Einsatz des eigenen Lebens, halfen (S.160ff.). Die Journalistin und Schriftstellerin Inge Deutschkron, die während ihrer illegalen Zeit in Berlin zunächst aus sozialdemokratischen Kreisen heraus unterstützt wurde, sieht heute rückblickend das Juden-Verstecken als eine Art des Widerstandes: politisch gegen die Nazis eingestellte Menschen taten damit etwas, «um den Nazis zu trotzen». 11

14 Die Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz In der Nähe des Breitenbachplatzes liess die «Berufsgenossenschaft deutscher Bühnenangehöriger» und der «Schutzverband deutscher Schriftsteller» in den Jahren von drei Wohnblocks für ihre Mitglieder um den Laubenheimer Platz (heute: Ludwig-Barnay-Platz) errichten. Im Gegensatz zur Villenkolonie Grünewald lebten hier vor allem notleidende Künstler, denen die Bühnengenossenschaft und der Schutzverband günstigen Wohnraum boten. Nach dem Konzept der «Gartenterrassenstadt» sollte hier gemeinschaftliches Wohnen gefördert werden. Die Gartengestaltung der Innenhöfe kam dieser Idee ebenfalls entgegen. Unter den Mietern befanden sich viele prominente Künstler und Intellektuelle, die fast alle politisch links eingestellt waren. Viele von ihnen kämpften gerade in der Endphase der Weimarer Republik für eine gemeinsame sozialistische Aktionsfront gegen den anwachsenden Nationalsozialismus und überwanden in ihren Reihen den damals erbittert geführten ideologischen Kampf zwischen KPD und SPD. Zahlreiche Bewohner der Künstlerkolonie waren jüdischer Abstammung und wurden zudem als Linksintellektuelle von den Nazis gleich zu Beginn der Diktatur besonders verfolgt. Bis zum Frühjahr 1933 lebten etwa 300 Schriftstellerjournalisten, Maler, Sänger und Schauspieler in den Häusern um den Laubenheimer Platz, unter ihnen Ernst Busch, Erich Weinert, Ernst Bloch, Arthur Koestler, Walter Hasenclever, Alfred Kantorowicz, Manès Sperber, Susanne Leonhard, Johannes R. Becher, Martin Kessel, Steffie Spira-Ruschin und ihr Mann Günther Ruschin, Walter Zadek und viele andere. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise waren Dreiviertel der Bewohner ohne Engagement und arbeitslos. Axel Eggebrecht ( ), der im gleichen Haus wie Susanne und Wolfgang Leonhard in der Bonner Strasse 12 wohnte, schrieb in seinen Erinnerungen: «Nun brachten viele Bewohnerselbst die niedrigen Mieten nicht mehr auf, wie überall in Berlin drohten Exmittierungen (Ausweisung aus einer Wohnung, Anm. d. V), wie überall gab es dagegen Protestaufmärsche. Bei uns ähnelten sie eher Volksbelustigungen, hatten fast immer Erfolg. Und dabei zeigte sich schon ein Gemeinschaftsgeist, der in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen sollte.» Die Mieter solidarisierten sich und forderten eine Mietsenkung, um die zunehmende Entmietung der Künstlerkolonie zu beenden. Sie wählten die Schriftsteller Karl Otten und Sigmund Reis sowie den Schauspieler Rolf Gärtner zu Mieterräten, die die Interessen der Gesamtmieterschaft vertraten. Zwangsräumungen verhinderten die Bewohner, indem sie in kürzester Zeit die geräumten Möbelstücke von der Strasse wieder hinauf in die jeweilige Wohnung trugen. Viel war es meistens ohnehin nicht. Gustav Regler beschrieb in seiner Biographie «Das Ohr des Malchus» (1958) den Lebensstandard in der Künstlerkolonie so: «Es waren billige Wohnungen, und doch bezahlte kaum einer seine Miete; weder die Gehälter noch die sogenannten Einkünfte der freien Berufe reichten aus. In den meisten Behausungen lag nur eine Matratze am Boden. Die Künstler assen von Seifenkisten, über die sie Zeitungen gebreitet hatten; keiner verhungerte, man half sich gegenseitig und wanderte von Wohnung zu Wohnung, man roch, wo einer Arbeit gehabt hatte und etwas Speck und Käse zu finden war.» 12

15 Laubenheimer Platz (heute: Ludwig-Barnay-Platz) Im Januar 1933 zeigten sich für die solidarische Mietergemeinschaft erste Erfolge. Den Bewohnern wurde eine Mietsenkung um 8% gewährt. Gleichzeitig erhielten jedoch die drei Mieterräte, die sich in den vergangenen Wochen besonders engagiert hatten, die Kündigung ihrer Wohnungen zum 1. April Organisierter Selbstschutz gegen SA-Übergriffe in den Jahren Neben den Mieterräten bildete sich noch ein anderer Schutzverband zu Beginn der 30er Jahre in der Künstlerkolonie heraus. Die Parterre-Wohnung von Alfred Kantorowicz ( ) in der Kreuznacher Strasse 48 wurde ein Treffpunkt kritisch gesinnter Menschen. Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, von seinen Freunden «Kanto» genannt, war erst 1931 in die Kommunistische Partei eingetreten. Mit Gleichgesinnten gründete er die Zelle «Künstlerblock», deren Zellenwart er war. Gustav Regler übernahm die Funktion des Organisationsleiters. Da die Nationalsozialisten wussten, dass in der fortan «Roter Block» genannten Kolonie Nazi-Gegner auf engstem Raum zusammenlebten, kam es immer wieder zu Übergriffen der SA. Axel Eggebrecht beschrieb diese Zeit in seinen Erinnerungen so: «SA zog provozierend durch unser Viertel. Spät abends wurden einzelne Heimkehrer am U-Bahnhof Breitenbachplatz angerempelt,... Als die Bedrohung nicht aufhörte, gründeten wir einen Selbstschutz....Die wenigen, die mit den Nazis liebäugelten, waren geächtet, verkrochen sich oder zogen fort... 13

16 Ohne Rücksicht auf politische Unterschiede bildete sich spontan ein fünfköpfiger Ausschuss, der die Organisation des Selbstschutzes vor SA-Übergriffen übernahm. Alfred Kantorowicz schrieb in seinen Erinnerungen «Deutsches Tagebuch», dass etwa 400 von den rund Bewohnern der Künstlerkolonie aktiv am Selbstschutz beteiligt waren. In den drei Künstlerblocks aber zeigte sich auch nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 bis zum Tage des Reichstagsbrandes nicht eine einzige Fahne mit dem Hakenkreuz... Rückten die SA-Stürme an, so waren wir vorbereitet, sie zu empfangen... An Wahltagen prangten die drei Blocks trotzig im Schmuck Hunderter von schwarz-rot-goldenen und roten Fahnen und Transparenten...» Gelegentlich erhielt der Selbstschutz auch Hilfe von Nazi-Gegnern aus anderen Stadtteilen Berlins. Nach dem Reichstagsbrand vom 27/28. Februar 1933 war Kantorowicz, wie andere KP-Mitglieder, der ersten Verhaftungswelle der Nationalsozialisten ausgesetzt. Bei einem Freund konnte er sich verstecken und setzte von dort aus seine Widerstandstätigkeit einige Wochen lang weiter fort. «In einem Keller stand noch ein Vervielfältigungsapparat, und die Genossen zogen den Text eines bereits von mir auf eine Wachsplatte getippten Flugblattes gegen die Nazis ein paar hundertmal darauf ab, und wir steckten die Blätter noch vor Morgengrauen in die Briefschlitze der Bewohner der Künstlerblocks am Laubenheimer Platz oder hefteten sie an Mauern und Bäume, verstreuten sie vor den Eingängen der U-Bahn, neben Zeitungsständen, auch in der Nähe grösserer Betriebe...» Kantorowicz berichtet in seinen Erinnerungen ebenfalls davon, dass er mit seinen Genossen im März 1933 Parolen mit Ölfarbe an Hauswände und auf Strassen geschrieben hat: «Für Arbeit, Freiheit, Brot der Künstlerblock bleibt rot!» oder «Gegen Krieg und Barbarei wählt Kommunisten, Liste drei!» Gemeint waren die Reichstagswahlen zum 5. März. Kantorowicz musste als Jude und Kommunist wie viele andere Bewohner der Künstlerkolonie Ende März 1933 die Flucht ins Ausland antreten. Sein erster Wohnort im Exil war Paris, wo er Mitbegründer des «Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Exil» und der «Freiheitsbibliothek» wurde. Im Herbst 1936 kämpfte er als Offizier der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Zurückgekehrt nach Frankreich kam er 1939 in verschiedene Internierungslager, u.a. Les Milles, bis ihm 1941 die Flucht in die Vereinigten Staaten gelang. Die Bewohner der Künstlerkolonie wussten, dass sie vom NS-Terror zunehmend bedroht waren. Bereits im Februar 1933 war es vereinzelt zu Wohnungsdurchsuchungen gekommen. Axel Eggebrecht berichtet, dass der Selbstschutz zur Verteidigung der Wohnblocks Waffen organisierte und Wachposten aufstellte. Eggebrecht wurde 1933 verhaftet und kam für kurze Zeit ins KZ. Zwei Jahre lang erhielt er Schreibverbot. Von 1935 bis 1945 nutzte er die Möglichkeit, an Drehbüchern mitarbeiten zu können. Gross-Razzia und Verhaftungswelle im «Roten Block» Am 15. März 1933 führten als «Schutzpolizei» getarnte SA-Trupps eine Gross-Razzia in der Künstlerkolonie durch, um den verhassten «Kulturbolschewisten» ein Ende zu bereiten. Das «Neuköllner Tageblatt» vom berichtete: «Die Kommandos fuhren auf verschiedenen Wegen nach dem Breitenbach- und Laubenheimer Platz und besetzten von dort aus überraschend die Zugänge zu den verschiedenen Strassen und zu den Häusern in der Kreuznacher, Laubenheimer und Bonner Strasse. Polizeiposten mit Karabinern sperrten den gesamten Verkehrund riegelten das Viertel hermetisch ab...einige Wohnungsinhaber verbarrikadierten sich derartig in ihren Wohnungen, dass die Polizei über Feuerwehrleitern durch die Fenster mit Gewalt eindringen musste.» 14

17 Bei den Wohnungsdurchsuchungen kam es zu Diebstählen und sinnlosen Verwüstungen. Belastendes Material wurde beschlagnahmt, Bewohner misshandelt und 14 Deutsche sowie einige ungemeldete Ausländer verhaftet Der Journalist Walter Zadek (geb. 1900), der seit 1925 Ressortchef beim «Berliner Tageblatt» und seit 1930 Leiter der bedeutenden Nachrichtenagentur «Zentralredaktion für deutsche Zeitungen» war, berichtet in seinem Buch «Sie flohen vor dem Hakenkreuz» (1981) u.a. von seiner Verhaftung in der Künstlerkolonie. «... Ich besass Arbeitsräume (Laubenheimer Strasse 3, seit 1932, Anm. d. V.) in der nahe gelegenen Künstlerkolonie'.... In meiner Wohnung (Bonner Strasse 3, seit 1930, Anm. d.v.) hatte, schon seit ich Ressortchef beim Berliner Tageblatt gewesen war, alle vierzehn Tage eine Art jour stattgefunden, an dem sich Dichter, Politiker, Musiker usw. gegenseitig an- und aufregten, darunter Maler des Bauhauses, Mitarbeiter der Weltbühne, Schauspieler von Reinhardt u.a..., am 15. März 1933 werden die Wohnblocks der.künstlerkolonie von Polizei und SA-Leuten umstellt. Ich werde durch sieben schwerbewaffnete Jungen des Kommando zur besonderen Verwendung' misshandelt und mit blutendem Gesicht die Treppe hinunter gestossen. Halb bewusstlos höre ich:....wirst du Judenschwein wohl schneller laufen!'... Unten werde ich auf einen Polizeiwagen hinauf gestossen...» Ein Foto (Seite 16) der Verhaftung erschien am 16. März 1933 mit einem entstellenden Bericht in den Nazi-Zeitungen. Walter Zadek wurde zusammen mit Theodor Balk, Manès Sperber, Curt Trepte, Günther Ruschin und anderen verhaftet. Wie die meisten der Verhafteten kam er zunächst in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz und danach für etwa vier Wochen in Gefängnishaft nach Spandau. Durch einen Zufall wurde er entlassen und konnte die Flucht ins Exil über Holland nach Belgien antreten, die ihn schliesslich im Dezember 1933 nach Palästina führte. 15

18 Verhaftete während der Razzia am 15. März 1933 (v. li. n. re.: Walter Zadek, Theodor Balk, Günther Ruschin, Curt Trepte, ein Ausländer)

19 Der Romancier und Essayist Manès Sperber ( ) hatte Anfang 1933 seine Wohnung in der Paulsborner Strasse 3 aufgegeben und sich bei einem Bekannten in der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz 5 einquartiert. Sperber, der seit 1927 in Berlin war und in dieser Zeit in die KPD eingetreten war, verbrachte seit dem Reichstagsbrand die Nächte meistens nicht mehr in seiner Wohnung, sondern bei politisch nicht gefährdeten Freunden. Mit seinen Genossen verbreitete er noch in den Märztagen 1933 Nachrichten über den Naziterror, um Bedrohte zu warnen und die verbrecherische Skrupellosigkeit der Nazis zu enthüllen. Aufgefordert durch seinen Bekannten Jensen, versteckte Sperber in seinem Quartier in der Künstlerkolonie zwei Armeepistolen und mehrere Revolver in drei Bettcouches. Die Munition verteilte er unter einigen Genossen. Durch einen Zufall verbrachte Manès Sperber ausgerechnet die Nacht zum 15. März 1933 in dieser Wohnung. Während der Razzia wurde er verhaftet und in «Schutzhaft» genommen. Die Waffen blieben unentdeckt. Im April 1933 erhielt er seine Entlassung und konnte als österreichischer Staatsbürger über Jugoslawien nach Paris emigrieren trat er aus der kommunistischen Partei aus. Bedeutende Werke Sperbers sind u.a. die Romantrilogie «Wie eine Träne im Ozean» ( ) und «Erinnerungen» ( ) erhielt er den Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Einzelschicksale in der Künstlerkolonie und die Flucht ins Exil Susanne Leonhard wohnte ab 1931 im gleichen Haus wie Axel Eggebrecht, zusammen mit ihrem zehnjährigen Sohn Wolfgang (geb. 1921), der Mitglied der Jungen Pioniere war und die von dem Reformpädagogen Fritz Karsen (SPD) geleitete Karl-Marx-Schule in Neukölln besuchte. (Siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe). Susanne Leonhard war früh in die Kommunistische Partei eingetreten und vorübergehend mit einem Sowjetdiplomaten verheiratet erfolgte ihr Austritt aus der Partei, sie blieb aber weiterhin eine überzeugte Revolutionärin in der Tradition Rosa Luxemburgs. Bis zu ihrer Emigration arbeitete sie als Redakteurin für die Parteizeitung «Rote Fahne» ging sie mit ihrem Sohn Wolfgang ins Exil nach Schweden und 1935 in die UdSSR. Im sowjetischen Exil wurde Susanne Leonhard verhaftet. Wolfgang Leonhard machte sich nach dem Krieg als politischer Schriftsteller in der Bundesrepublik vor allem durch sein autobiographisches Buch «Die Revolution entlässt ihre Kinder» (1955) einen Namen. Die Schauspielerin und Schriftstellerin Hedda Zinner (geb. 1907) lebte seit 1929 mit ihrem Mann Fritz Erpenbeck ( ), Schriftsteller und Regisseur, in der Künstlerkolonie im Barnayweg 3 (heute: Steinrückweg). Nach ihrem Eintritt in die KPD arbeitete sie als Korrespondentin für die «Rote Fahne». Ihre Begeisterung für die KPD war typisch für viele Intellektuelle zu Beginn der 30er Jahre. Im Bewusstsein der drohenden Gefahr durch den Nationalsozialismus und enttäuscht von der, aus ihrer Sicht, schwachen SPD, sahen viele in der KPD die einzig ernstzunehmende politische Kraft. Erst die Erlebnisse im Exil, z.b. Berichte über Schauprozesse und Terrormassnahmen Stalins, vor allem die «grossen Säuberungen» in den Jahren , denen viele Unschuldige zum Opfer fielen, führten bei vielen KP- Mitgliedern zu einem Sinneswandel. Zahlreiche Bewohner der Künstlerkolonie haben ihre desillusionierenden Erfahrungen mit der Kommunistischen Partei beschrieben, die meist zum Austritt und zu entschiedener Gegnerschaft gegen jede Form von Totalitarismus führten, so bei Axel Eggebrecht, Alfred Kantorowicz, Wolfgang Leonhard, Manès Sperber, Ernst Bloch, Arthur Koestler,... um nur einige zu nennen. 17

20 Hedda Zinner Hedda Zinner gehörte nicht zu diesen scharfen Kritikern jeder totalitären Ideologie. Sie emigrierte 1933 mit ihrem Mann nach Prag und 1935 nach Moskau. Nach dem Kriegsende kehrten beide nach Berlin (Ost) zurück. Hedda Zinner wurde 1959 Vizepräsidentin der «Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland». In den siebziger Jahren beschrieb sie in ihrem autobiographischen Roman «Fini» die Aktivitäten der Antifaschistin Fini Freising von Anfang 1932 an im «Roten Block». Ebenfalls ins Exil flüchten musste das Schauspielerehepaar Steffie Spira-Ruschin (geb. 1908) und Günther Ruschin. Sie wohnten in einer kleinen Wohnung in der Bonner Strasse 9. Steffie Spira wurde 1928 zur «Vertrauensfrau» der Bühnengenossenschaft gewählt und ging kurze Zeit darauf an die Volksbühne unter Erwin Piscator. Sie wirkte an der Uraufführung von Bertolt Brechts Stück «Mann ist Mann» unter der Regie Erich Engels mit. Der mit Brecht befreundete Regisseur wohnte auch in der Künstlerkolonie in der Kreuznacher Strasse trat Steffie Spira-Ruschin in die KPD ein. Gemeinsam mit ihrem Mann schloss sie sich der politischen Theatergruppe «Truppe 1931» an, die der Regisseur Gustav von Wangenheim leitete. Wie von Wangenheim lebten noch weitere Mitglieder der «Truppe 1931» in der Künstlerkolonie, so die Schauspieler Hans Meyer-Hanno (S. 25 ff.) und Curt Trepte. 18

21 Von Wangenheim schrieb unter Mitwirkung des ganzen Theaterkollektivs Stücke, so «Die Mausefalle», «Da liegt der Hund begraben» und zuletzt «Wer ist der Dümmste?», das 1933 von den Nazis verboten wurde, da mit dem «Dümmsten» im Stück Adolf Hitler gemeint war. Die «Truppe 1931» hatte grossen Erfolg, spielte monatelang im «Kleinen Theater» Unter den Linden und ging auf Tournee bis in die Schweiz. Die politische Theaterarbeit der Gruppe fand mit Hitlers Regierungsantritt ein jähes Ende. Während der Razzia am 15. März 1933 durchsuchten SA-Leute auch die Wohnung der Ruschins. Steffie Spira wurde zum nächsten Polizeirevier gebracht, kurze Zeit später aber wieder freigelassen. Sie trat sogleich ihre Flucht in die Schweiz an. Ihren Mann, Günther Ruschin, hatten SA-Männer zum Polizeigefängnis am Alexanderplatz mitgenommen. Später kam er nach Moabit in Einzelhaft. Mitte Mai 1933 wurde er dort überraschend mangels Beweisen freigelassen. Er packte sofort seine Koffer und folgte seiner Frau nach Zürich. Später erfuhr er, dass zwei Stunden nach seiner Abreise die SA erschienen war, um ihn in Schutzhaft zu überführen. Von der Schweiz ging das Ehepaar Ruschin zu Fuss nach Frankreich. In Paris brachte Steffie Spira 1939 ihren Sohn zur Welt. Es ging der Familie damals ziemlich schlecht, zumal sie kaum Französisch sprachen. Dennoch spielte Steffie Spira weiter Theater, bis sie Ende 1939 für zwei Jahre in ein Internierungslager gebracht wurde, während man ihr ihr neugeborenes Kind wegnahm, «evakuierte». Mit grossem Glück entging sie 1941 dem drohenden Abtransport nach Auschwitz, fand kurze Zeit darauf auch ihren Sohn und Mann wieder. Zu dritt traten sie im November 1941 von Marseille aus die Seereise ins Exil nach Mexiko an, wo sie mit Anna Seghers (S. 166) und Egon Erwin Kisch (S. 166) Freundschaft schlossen kehrte die Familie Ruschin nach Berlin (Ost) zurück, wo Steffie Spira in die SED eintrat. Obwohl sie bis heute überzeugte Marxistin geblieben ist, forderte die populäre Schauspielerin bei der grossen Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz mutig und entschieden die damalige DDR-Führung auf abzutreten. Die Schriftstellerin Dinah Nelken ( ) bekam durch die Vermittlung einer Freundin eine Wohnung in der Künstlerkolonie. Sie fühlte sich von der Gegend sehr angezogen, da dort lauter interessante Menschen lebten. Unter dem Pseudonym Bernhardine Schneider schrieb sie einen Roman mit autobiographischen Zügen, «Eineinhalb-Zimmer-Wohnung», der die Künstlerkolonie als lokalen Hintergrund verrät und noch im Jahr 1933 erschien. Grosses Aufsehen erweckte sie jedoch mit einem «literarischen Nebenprodukt», dem kleinen Roman «Ich an Dich. Roman in Briefen für Liebende und solche, die es werden wollen.», den sie zusammen mit ihrem Bruder Rolf Gero im ersten Jahr ihrer Emigration 1937 in Wien fertigstellte. Dinah Nelken, die aus ihrer geschiedenen Ehe einen Sohn zu versorgen hatte, schloss sich dem Kommunisten Heinrich Ohlenmacher an, den sie später heiratete. Nach dem 30. Januar 1933 beteiligte sie sich an illegalen Aktionen gegen die Nazis. Auch als ihr Lebensgefährte verhaftet und in das KZ Esterwegen verschleppt wurde, blieb sie im Widerstand aktiv. Ihr Bruder Rolf Gero verliess Deutschland bereits Erst als 1936 Heinrich Ohlenmacher aus der KZ-Haft freikam, folgte Dinah Nelken mit ihrem Sohn und dem Lebensgefährten dem Bruder ins Wiener Exil. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich gelang es ihnen, nach Jugoslawien zu entkommen und sich auf der Insel Korcula zu verstecken. Inzwischen wurde das völlig unpolitische Buch der Emigrantin mit jüdischem Namen «Ich an Dich» 1939 unter dem Titel «Eine Frau wie du» mit Brigitte Horney und Joachim Gottschalk (S. 134f.) in den Hauptrollen verfilmt 19

22 Dinah Nelken 1941, als deutsche und italienische Truppen Jugoslawien besetzten, unterstützten Dinah Nelken, Rolf Gero und Heinrich Ohlenmacher die Partisanen auf der Insel Korcula durch Nachrichtenschmuggel und Lebensmittelversorgung. Als der Druck der Besatzer zu stark wurde, wich Dinah Nelken mit ihrem Bruder und dem Mann 1943 nach Italien aus. In Rom lebten sie während der deutschen Besatzung sieben Monate illegal und in ständiger Angst entdeckt zu werden kehrte sie mit ihrem Mann nach West-Berlin zurück. Eine herausragende Künstlerpersönlichkeit, die in der Künstlerkolonie lebte, war der Lyriker und Dramatiker Walter Hasenclever ( ). Mit seinem Drama «Der Sohn» (1914) über den Vater-Sohn-Konflikt wurde er zur Identifikationsfigur für die rebellierende Jugend und zum Repräsentanten der expressionistischen Bewegung. Aufgrund seiner Fronterfahrungen im 1.Weltkrieg entwickelte er sich zu einem radikalen Pazifisten (Foto S. 21). Von lebte Hasenclever am Laubenheimer Platz 3. Zu Beginn der Diktatur setzten die Nazis seinen Namen auf die Liste der ausgebürgerten Intellektuellen. Sie nannten ihn einen «Asphalt-Literaten» und verboten und verbrannten seine Bücher. Sein Weg ins Exil führte ihn über Frankreich, Jugoslawien und London nach Italien. Wieder in Südfrankreich, wurde er zu Beginn des 2. Weltkrieg verhaftet. Er kam in das Lager «Les Milles». Aus Angst vor den anrückenden deutschen Truppen setzte er 1940 mit einer Überdosis Veronal seinem Leben ein Ende. Von lebte in der Bonner Strasse der Schriftsteller und Journalist Arthur Koestler (geb. 1905): Als zionistischer Siedler war er 1926 nach Palästina gegangen und arbeitete drei Jahre lang als Auslandskorrespondent im Nahen Osten. 20

23 Walter Hasenclever 1930 wurde er Redakteur beim Ullstein-Verlag nahm er an der Polarexpedition mit dem «Graf Zeppelin» teil. Dieses Jahr liess ihn aber auch politisch Stellung beziehen: «Nach der Septemberwahl des Jahres 1930 hatte ich miterlebt, wie der liberale Mittelstand seine Überzeugungen verriet und alle seine Grundsätze über Bord warf. Aktiver Widerstand gegen die braune Flut schien somit nur möglich, indem man sich entweder den Sozialdemokraten oder den Kommunisten anschloss. Ein Vergleich der Vergangenheit dieser beiden, ihrer Energie und Entschlossenheit, schloss die ersteren aus und begünstigte die letzteren». Arthur Koestler trat 1931 in die KPD ein und verlor daraufhin seine Stellung beim Ullstein-Verlag. «Nach dem Verlust meiner Stellung war ich frei von allen bürgerlichen Fesseln... Ich gab meine Wohnung in dem teuren Bezirk Neu-Westend auf und zog in eine Wohnung am Bonner-Platz (gemeint ist die Bonner Strasse, Anm. d. V); das Haus wurde der,rote Block genannt, da die meisten Mieter, meistens mittellose Schriftstellerund Künstler, für ihre radikalen politischen Ansichten bekannt waren. Dort trat ich der kommunistischen Strassenzelle bei und durfte endlich das richtige Leben eines regulären Parteimitglieds führen... Unsere Zelle hatte ungefähr zwanzig Mitglieder.. Wir hatten mehrere Literaten unter uns, zum Beispiel Alfred Kantorowicz und Max Schroeder, den Psychologen Wilhelm Reich... einige Schauspieler des Avantgardtheaters,Die Mausefalle...» 21

24 Ernst Bloch Arthur Koestler 1933 flüchtete auch Arthur Koestler ins Exil, zuerst nach Paris, dann in die Schweiz nahm er als Korrespondent am Spanischen Bürgerkrieg teil. Aufgrund seiner inzwischen gemachten Erfahrungen mit dem Kommunismus trat er 1937 aus der Partei wieder aus. Die spanischen Faschisten verurteilten Koestler zum Tode und hielten ihn vier Monate lang in Einzelhaft gefangen. Er hatte Glück, wurde ausgetauscht und 1940 in Frankreich interniert. Er erkaufte sich die Freiheit mit dem Eintritt in die französische Armee. Er lebt seit 1942 in London. Mit seinen Freunden, Bertrand Russel und George Orwell, wandte er sich immer wiedervehement gegen jede totalitäre Ideologie. Sein Roman «Sonnenfinsternis» (1940) und seine politische Aufsatzsammlung «Der Yogi und der Kommissar» (1945) tragen autobiographische Züge und sind Belege für seine persönlichen Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit dem Stalinismus. Der Schriftsteller und Lyriker Martin Kessel ( ) zog 1928/29 in die Kreuznacher Strasse 48, wo er bis 1945 lebte. Nach dem 30. Januar 1933 wurde seine Wohnung zweimal durchsucht, er selbst blieb unbehelligt. Der zeitkritische Moralist schrieb über die Bewohner der Künstlerkolonie 1965 den grotesk-ironischen Roman «Lydia Faude». Er erhielt den Berliner Kunstpreis (1961) und das Grosse Bundesverdienstkreuz. In der Kreuznacher Strasse 52 lebte einer der bedeutendsten modernen, deutschen Philosophen, Ernst Bloch ( ). Von Marx und älteren Sozialutopien ausgehend, entwickelte er in den 20er Jahren «utopische Entwürfe einer sozialistischen Zukunft», die sich später zu einem theologischen Weltprinzip wandelten flohen Ernst Bloch und seine Frau Karolavor den Nationalsozialisten ins Exil. Nach den Stationen Wien, Paris und Prag lebten sie von 1938 bis 1949 in den USA. Bloch schrieb im Exil sein Hauptwerk «Das Prinzip Hoffnung», für das er in den Vereinigten Staaten keinen Verleger fand wurde es zum ersten Mal in Mexiko in spanischer Übersetzung herausgegeben. Ohne weitere Aussicht auf Veröffent- 22

25 lichung setzte Bloch seine Arbeit in den Exiljahren im Verborgenen fort schrieb er über die Situation in Deutschland: «Möge man leise reden.es ist ein Sterbender im Zimmer. Die sterbende deutsche Kultur, sie hat im Innern Deutschlands nicht einmal Katakomben zur Verfügung. Nur noch Schreckenskammern, worin sie dem Gespött des Pöbels preisgegeben werden soll; ein Konzentrationslager mit Publikumsbesuch. Das wird toll und immer toller. Was tut nur ein ehrlicher, ein begabter Mensch in diesem Land. Sein einfaches Dasein ist ihm gefährlich, er muss es verstecken. Jede Art von Begabung ist ihrem Träger lebensgefährlich, ausser der des Duckens. Unverhüllt wird Künstlern, die es sind, Kastrierung oder Zuchthaus angedroht; das ist kein Scherz, es gibt keinen Scherz aus solchem Munde. Man hat gelernt, das Lächerliche ernst zu nehmen». (Ernst Bloch, Gauklerfest unter dem Galgen) Ernst Bloch kehrte 1949 nach Deutschland zurück und wurde zunächst Professor in Leipzig. Da er aber mit der Staatsdoktrin der DDR der 50er Jahre nicht übereinstimmte, erhielt er 1957 die Zwangsemeritierung siedelte er in die Bundesrepublik über und bekam eine Professur an der Universität Tübingen. Der spätere Minister für Kultur in der DDR (1954), Johannes R. Becher ( ), wohnte bis zu Hitlers Machtantritt in der Künstlerkolonie in der Laubenheimer Strasse 2. Der expressionistische Lyriker, Dichter und Publizist hatte Philosophie und Medizin studiert und kam über die USPD (1917) und den Spartakusbund (1918) zurkpd wurde er Vorsitzender des «Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller» und zum Mitbegründer der Zeitschrift «Die Linkskurve». 1925/26 war er in einem Prozess wegen «Vorbereitung zum Hochverrat» angeklagt. Sechs Jahre später, 1932, arbeitete er als Feuilleton-Redakteur der «Roten Fahne». Der Kommunisten-Verfolgung durch die Nationalsozialisten entging er mit seiner Flucht ins Exil wurde Johannes R. Becher ausgebürgert. Sein Emigrantenweg führte ihn über Österreich, die Tschechoslowakei, die Schweiz und Frankreich 1935 in die Sowjetunion. Dort wurde er Chefredakteur der Zeitschrift «Internationale Literatur-Deutsche Blätter». Nach dem Kriegsende kehrte Johannes R. Becher nach Berlin (Ost) zurück. Neben anderen Zeitschriften begründete er 1949 die bedeutendste Literatur-Zeitschrift der DDR «Sinn und Form». Ausserdem war er Präsident des «Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands» in Ost-Berlin und seit 1954 Minister für Kultur. In seiner Rolle als Repräsentant des SED-Regimes blieb er bis heute umstritten. In der Kreuznacher Strasse 34 lebte der Schauspieler, Schriftsteller und Graphiker Erich Weinert ( ). Er trat 1923 im Berliner Kabarett «KüKa» auf und galt als populärer Rezitator, der mit dem Vortrag von Gedichten Massen begeistern konnte. Seit 1924 schrieb er für zahlreiche linksgerichtete Blätter, so die «Weltbühne», «Simplizissimus», «Lachen Links» und den «Eulenspiegel». Er war in einem Prozess wegen Gotteslästerung angeklagt und erhielt Redeverbot führte ihn der Weg ins Exil über die Schweiz nach Paris, ins Saargebiet, das damals noch dem Völkerbund unterstand, und 1935 nach Moskau. Er nahm 1937/38 am Spanischen Bürgerkrieg teil. Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde er in Südfrankreich interniert. Er erhielt politisches Asyl in der Sowjetunion, wo er von Präsident des «Nationalkomitees Freies Deutschland» (NKFD) war kehrte er nach Berlin (Ost) zurück und wurde Vizepräsident der Zentralverwaltung für Volksbildung in der DDR. Er schrieb engagierte Lyrik und Prosa gegen Militarismus, Nationalsozialismus und Faschismus, so z.b. «Der Tod fürs Vaterland» (Szenen, 1942) und «Erziehung vor Stalingrad» (Fronttagebuch, 1943) (Foto S. 24). 23

26 Erich Weinert Ernst Busch Der Sänger und Schauspieler Ernst Busch ( ) kam 1927 nach Berlin. Er spielte unter Erwin Piscator und lernte auf der Bühne Hans Eisler kennen. Aus der Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Zusammenarbeit und Freundschaft. Eislers Kompositionen und Buschs gesangliche Interpretationen wurden zu einem Symbol der Arbeitermusikbewegung. Gleich zu Beginn der 30er Jahre zog Ernst Busch mit seiner Frau Eva in die Bonner Strasse 11. Aufgrund seiner politischen Lieder («Roter Wedding») erhielt er den Spitznamen «Barrikaden-Tauber». Eine Hausdurchsuchung Anfang März 1933 in der Künstlerkolonie verschlief Ernst Busch unbeschadet in seiner Wohnung. Die SA glaubte nicht daran, dass der Künstler sich noch in Berlin aufhalten könnte. Er flüchtete ins Exil über Holland, Belgien, Zürich, Paris und Wien, schliesslich in die Sowjetunion. Wie viele Gleichgesinnte ging Busch 1937 nach Spanien und schloss sich den Internationalen Brigaden an. Nach Francos Sieg kehrte Busch nach Belgien zurück. Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in Belgien und den Niederlanden einmarschierte, wurde Ernst Busch zusammen mit vielen anderen deutschen Emigranten interniert, 1943 nach einem Fluchtversuch an der Schweizer Grenze verhaftet und der Gestapo ausgeliefert. Die Anklage gegen ihn in Berlin lautete «Vorbereitung zum Hochverrat», und er sollte zum Tode verurteilt werden. Durch die Fürsprache des Schauspielers und Intendanten Gustaf Gründgens den Klaus Mann (S.167) in seinem Roman «Mephisto» (1936) als Opportunisten und Mitläufer der NS-Zeit darstellte erhielt Busch jedoch «nur» eine vierjährige Zuchthausstrafe. Im April 1945 befreite ihn die sowjetische Armee aus dem Zuchthaus Brandenburg zog er nach Ost-Berlin und arbeitete unter Bertolt Brechts Regie im Berliner Ensemble. Er war einer der beliebtesten Schauspieler und Sänger in der DDR, blieb aber für den SED-Staat ein politisch unabhängiger und unbequemer Mann. 24

27 Zugehörigkeit von Bewohnern der Künstlerkolonie zu kommunistischen Widerstandskreisen nach 1939 Obwohl die Nationalsozialisten gleich zu Beginn ihrer Diktatur alle bekannten Künstler und Intellektuellen aus der Künstlerkolonie vertrieben, konnten sie den Widerstand nie ganz unterdrücken. In der Wohnung von Alexander Graf Stenbock-Fermor ( ) am Laubenheimer Platz 5 wurde im Herbst 1940 die Widerstandsgruppe «Revolutionäre Arbeiter und Soldaten» (RAS) gegründet. Stenbock-Fermor hatte 1922/23 als Bergarbeiter im Ruhrgebiet gearbeitet und sich vom Konservativen zum Marxisten gewandelt. Seit 1929 lebte er als freier Schriftstellerin Berlin und kam nach 1933 mehrmals in «Schutzhaft». Er erhielt Berufsverbot und seine Ausbürgerung. Stenbock-Fermor brachte in seiner Wohnung den ehemaligen Freikorpsführer Josef (Beppo) Römer ( ) und den Kommunisten Willy Sachse ( ) zusammen. In seiner Autobiographie «Der Rote Graf» (1973) schrieb er: «In unserer Wohnung am Laubenheimer Platz 5 trafen sich Römer und Sachse zum ersten Mal. Diese gegensätzlichen Naturen spürten bald ihre Zusammengehörigkeit. Nach einer langen politischen Diskussion fand man die gemeinsame Plattform. Das Ergebnis war eine Widerstandsgruppe, die sich später RAS nannte, Revolutionäre Arbeiter und Soldaten'. Uns war klar, dass die Gruppe kleingehalten werden musste, Aufnahme nur von Freunden, denen man absolut vertrauen durfte. Beim Verfassen von illegalen Flugschriften mussten die Autoren der Texte streng von den technischen Herstellern und Verbreitern getrennt werden». Beppo Römer näherte sich in seiner politischen Einstellung in den späten zwanziger Jahren der KPD und gab die Zeitschrift «Aufbruch» heraus, um die sich ein Kreis von Linksintellektuellen sammelte. Insgesamt verbrachte Römer von mehrere Jahre in Untersuchungs- und KZ-Haft, u.a. im berüchtigten Columbiahaus. Römer stand in Kontakt zu Nikolaus von Halem, der wiederum Verbindung zu Adam von Trott zu Solz, Justus Delbrück und Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg hielt. Der Schriftsteller Willy Sachse gehörte zu einer kommunistischen Widerstandsgruppe im Berliner Norden. Die illegalen Schriften der Gruppe RAS wurden auf dem Gelände des Segelclubs «Wiking» in Tegel hergestellt. Weitere Mitglieder der Gruppe waren der Schauspieler Hans Meyer-Hanno mit seiner Frau Irene, der Arbeiter Fritz Riedel und Alja Blomberg. Stenbock-Fermor schrieb dazu in seinen Erinnerungen: «Wir trafen uns abwechselnd bei mir, in der Wohnung von Alja Blomberg am Südwestkorso und oft bei Meyer-Hannos am Laubenheimer Platz 2. Hans Mayer-Hanno und seine Frau Irene wurden die eifrigsten Mitarbeiter. Wir verfassten Texte für antifaschistische Flugblätter und Flugschriften». Ab Ostern 1941 wurde die Wohnung von Josef (Beppo) Römer in der Mansfelder Strasse 23 bei Hildegard Goetz, seiner späteren Frau, der überwiegende Treffpunkt der Gruppe. Die wichtigste illegale Flugschrift war der Informationsdienst», eine anspruchsvolle Untergrundzeitschrift, die Römer herausgab. Verschickt wur- 25

28 den die Schriften von verschiedenen Postämtern aus an Adressen in Deutschland und im Ausland, ja sogar an die Front unter Feldpostnummern. Der Informationsdienst» erschien 1941 fast jeden Monat. Die Zielsetzung der Autoren war, der Kriegsvorbereitung gegen die Sowjetunion militärisch-politische Argumente entgegenzusetzen. Im Herbst 1941 stellte der Widerstandskreis um Römer Verbindung zu Robert Uhrig her, der um 1940 als Kopf des kommunistischen Widerstands in Berlin galt. Uhrig konnte über Römer seine Verbindung nach München und schliesslich bis Tirol ausdehnen. Anfang 1942 deckte die Gestapo den Römer-Kreis auf. Josef Römer, Willy Sachse und Fritz Riedel wurden zum Tode verurteilt und im Spätsommer 1944 hingerichtet. Hans Meyer-Hanno, der der Verhaftungswelle entgangen war, schloss sich der Widerstandsorganisation um Anton Saefkow und Franz Jacob an, die eine der grössten illegalen Gruppen mit den weitreichendsten Verbindungen war. Da Meyer-Hanno als Schauspieler zu bekannt war, blieb er in der Widerstandsarbeit mehr im Hintergrund; so durfte er bei grösseren Zusammenkünften nicht anwesend sein. Als die Gestapo Ende Juli 1944 die Saefkow-Gruppe auflöste, wurde er verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Es war eine verhältnismässig geringe Strafe, da Meyer-Hanno nur zum «äusseren Ring» der Gruppe gehörte und sich auf Nichtwissen berufen konnte. Seine Verurteilung lautete: wegen «Nichtanzeigens eines hochverräterischen Unternehmens». 26

29 Über das Ende seines Freundes Hans Meyer-Hanno schrieb Alexander Graf Stenbock-Fermor: «Im Zuchthaus Bautzen erhielt er eine leichte Tätigkeit im Büro. Ende April 1945 wurden die Häftlinge plötzlich mobilisiert, in eine Luftabwehrkaserne in der Nähe geführt, militärisch notdürftig eingekleidet und bewaffnet... Hans Meyer-Hanno versuchte, über die Mauer zu klettern, schrie:,lch schiesse auf keinen Menschen!* Das waren seine letzten Worte, er fiel unter den Kugeln der SS. Seine Frau Irene konnte, wie durch ein Wunder, Verschleppung und Vergasung entgehen». Alexander Graf Stenbock-Fermor war 1945/46 Oberbürgermeister von Neustrelitz und lebte seit 1947 als Film- und Fernsehautor in Berlin (West). Hilfe für Verfolgte: Helene Jacobs (Bonner Strasse 2) und Dr. Franz Kaufmann (Hobrechtstrasse 3) Helene Jacobs ( ) zog 1934 in eine Wohnung in der Bonner Strasse 2. Etwa zur gleichen Zeit trat sie in die Bekennende Kirche ein. Sie nahm regelmässig an den Veranstaltungen der Dahlemer Gemeinde teil und traf dort Pfarrer Niemöller sowie Pastor Gollwitzer. (Siehe die Steglitz / Zehlendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Helene Jacobs erinnert sich 1986 in einem Gespräch mit H.-R. Sandvoss: «Als ich 1934 auf Wohnungssuche war, kam ich auch in die ehemalige rote Künstlerkolonie. Viele der früheren Mieter waren bereits emigriert oder hatten, da sie kein Engagement erhielten, das Quartier wechseln müssen. Und trotzdem: Es roch hier mehr nach Menschlichkeit irgendwie habe ich es gespürt! Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass meine Chance, eine Wohnung zu erhalten, damit zusammenhing, dass andere Menschen rausgeekelt worden waren. Noch wohnten auch Schauspieler hier, zum Beispiel Joachim Gottschalk, wie ich hörte. In der Umgebung der Siedlung existierten damals noch Schrebergärten. In den Wohnungen gab es Heizung und warmes Wasser. Zudem befand sich alles in ruhiger Lage, und die Mieten waren nicht allzu hoch. Dies alles sprach mich an. Dass ein Koestler oder Weinert hier gewohnt hatten, war mir beim Einzug unbekannt und es lag scheinbar weit zurück. Natürlich wohnten auch Nazis hier, zum Beispiel im Nebenhaus jemand, der für den Völkischen Beobachter schrieb. Aber sie waren augenscheinlich nicht so bösartig, sondern nur auf ihren Vorteil aus, wie etwa die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Man hat gespürt, dass viele Bewohner keine Nazis waren. Man merkte es auch an der Art, wie sie sich bewegten: es wurde nicht mit Heil Hitler gegrüsst! Andererseits bestand aber auch keine riesige Verbundenheit (oder gar Hilfsbereitschaft für Verfolgte) unter der Mieterschaft, und vor dem Luftschutzwart, Frau Dr. Günther, musste man sich schon in Acht nehmen!» Beruflich war Helene Jacobs bei einem jüdischen Patentanwalt, Dr. Barschall, tätig. Er konnte bis 1938 praktizieren, musste sich jedoch nach dem Judenpogrom verstecken. Zeitweise nahm Helene Jacobs ihn in ihrer Wohnung auf. Monatelang bereitete sie die Ausreise von Dr. Barschall und seiner Familie vor. Sie fuhr nach 27

30 Amsterdam, um einen Teil des dortigen Vermögens der Familie vor dem Zugriff der Gestapo zu retten. Sie fuhr nach England, um dort einen Zwischenaufenthalt für die Familie zu organisieren, bevor sie die Einreisegenehmigung in die Vereinigten Staaten erhielten. Im Juli 1939 emigrierte die Familie Barschall schliesslich über Holland nach England und später nach Amerika. In der Friedenauer Gemeinde «Zum guten Hirten» lernte Helene Jacobs die Schriftstellerin Etta von Oertzen kennen. Mit ihr zusammen gelang es, einige Juden vor der Deportation zu bewahren, indem ausländische Diplomaten die Bedrohten in ihren Haushalten vorübergehend als Bedienstete anstellten. Als 1940 in Stettin die ersten Juden deportiert wurden, bildete sich in der Dahlemer Gemeinde eine Gruppe von Frauen, die eine Paketaktion nach Polen organisierte. Grosse, wertvolle Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung kamen zusammen und wurden von den Frauen verschickt. Frau Jacobs stellte für viele Pakete ihren Namen und ihre Anschrift als Absender zu Verfügung. So kam es, dass sie 1941 ihre erste Vorladung von der Gestapo erhielt. Die Paketaktion musste daraufhin eingestellt werden. In einer von Pastor Gollwitze rgegründeten Arbeitsgemeinschaft über Karl Barths Theologie lernte Helene Jacobs 1940 Dr. Franz Kaufmann ( ) kennen. Der Jurist war getaufter Jude und lebte in einer sogenannten «privilegierten Mischehe», die ihn zunächst vor Verfolgung schützte. Franz Kaufmann war Oberregierungsrat am Rechnungshof gewesen, bis er 1936 als «Jude» zwangspensioniert wurde. Kaufmann, der in Halensee in der Hobrechtstrasse 3 wohnte, war aktives Mitglied der Dahlemer B K, nahm aber auch Anteil an der Arbeit der Halenseer Bekenntnisgemeinde. Er wollte nicht nur über Gottes Wort reden, sondern auch danach handeln. Ein Schlüsselerlebnis für ihn wurde, als er von der Deportation eines ihm bekannten Ehepaares erfuhr. Die Tochter hatte ihm erzählt, wie ein «korrekt wirkender Beamter» die Eltern aus der Wohnung abgeholt hat. Hinter diesem banal scheinenden Vorgang erblickte Kaufmann die ganze Tragik des Geschehens. «Und wir», fragte er, «sind auch wir imstande, dies alles geschehen zu lassen, diesem gehorsamen Staatsbürger... und unseresgleichen ein ruhiges Gewissen zu lassen, als wenn nichts geschehen wäre?» Innerhalb der Arbeitsgemeinschaft machte er als erster den riskanten Vorschlag, Juden zu verstecken. Er stiess dabei vor allem auf Zustimmung einer Gruppe couragierter Frauen. Dies waren, neben Helene Jacobs, Hildegard Schaeder, Hildegard Jacoby und Gertrud Staewen, eine Freundin Karl Barths. Helene Jacobs: «Was mir an Franz Kaufmann so imponierte war, dass er sich vom Unglück anderer persönlich betroffen fühlte und nicht wie die meisten Menschen sagte: Das geht mich nichts an!.» Kaufmann nutzte seine Verbindungen aus den Tagen seiner beruflichen Tätigkeit als hoher Beamter. Erfand Rechtsanwälte, Ärzte, Frauen und Männer, die sich von seiner Entschlossenheit und seinem Wahlspruch «Illegalität aus Verantwortung» überzeugen liessen. Immer wieder ermutigte Franz Kaufmann verfolgte Juden unterzutauchen. Er selbst brachte sich dadurch in grösste Gefahr. Auf die vergeblichen Warnungen seiner Freunde hin antwortete er: «Ich habe es meiner Kirche gelobt, mich um die Verfolgten zu kümmern und muss mein Versprechen halten». Von 1940 bis zu seiner Verhaftung im August 1943 konnte er, unterstützt durch seine Helfer, zahllosen Verfolgten Hilfeleistungen geben. In seiner Wohnung, in der Hobrechtstrasse 3, fanden sie vorübergehend Unterschlupf, aber auch bei 28

31 Helene Jacobs (1938) Helene Jacobs in der Bonner Strasse 2 konnten die Untergetauchten zeitweise bleiben. Frau Jacobs kaufte für sie im Metzgerladen Schröder in der Eisenacher Strasse ein, denn Herr Schröder versorgte heimlich jüdische Familien mit zusätzlichen Fleischrationen. Da die Spenden von Lebensmittelkarten im Kreis um Dr. Franz Kaufmann nicht ausreichten, mussten sie illegal besorgt und gefälscht werden. Aber auch Postausweise, Führerscheine, Werkausweise, Kennkarten und Pässe wurden im Auftrag Dr. Kaufmanns teilweise auf dem Schwarzmarkt besorgt. Die Fälscherarbeit leistete ein jüdischer Graphiker mit dem Decknamen Günther Rogoff. Während des Jahres 1942 zeichnete er auf den Ausweisdokumenten und ausgewechselten Bildern den Stempel täuschend ähnlich nach. Als Rogoff Ende 1942 selbst steckbrieflich in Berlin gesucht wurde, nahm Helene Jacobs ihn für etwa acht Monate illegal in ihrer Wohnung auf. Er setzte dort seine Fälscherarbeit fort. Frau Jacobs übermittelte ihm die zu verändernden Ausweise und Bilder und brachte die «neuen» Ausweise den Verfolgten, die sich damit tagsüber bei Kontrollen ausweisen konnten. 29

32 Aufgrund einer anonymen Denunziation flog die Gruppe im Sommer1943 auf. Die Gestapo verhaftete im August Dr. Franz Kaufmann und hielt ihn über sechs Monate im KZ Sachsenhausen gefangen, wo er nach qualvollen Verhören und schweren Misshandlungen am 17. Februar 1944 ohne Gerichtsverfahren erschossen wurde. Er hat die Namen seiner Helfer nicht preisgegeben. Insgesamt wurden etwa 50 Personen verhaftet. Hildegard Schaeder kam bis zur Befreiung 1945 ins KZ Ravensbrück. Gertrud Staewen konnte sich ihrer Verhaftung rechtzeitig entziehen. Helene Jacobs wurde am 17. August 1943 verhaftet, als sie Dr. Franz Kaufmann am U-Bahnhof Breitenbachplatz treffen wollte. Es gelang ihr, die Gestapo durch ein Täuschungsmanöver so lange von ihrer Wohnung fernzuhalten, bis der dort illegal sich aufhaltende Günther Rogoff geflohen war. Das Berliner Sondergericht III verhängte im Januar 1944 gegen Frau Jacobs und Hildegard Jacoby sowie zehn weitere Angeklagte Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Frau Jacobs erhielt 2½ Jahre Zuchthaus und Hildegard Jacoby 1½ Jahre Gefängnis. In der Haft erkrankte Frau Jacoby schwer an Angina pectoris. Sie wurde am 2. Juni 1944 vorzeitig aus der Haft entlassen und starb noch am selben Tag. (Helene Jacobs erhielt die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit.) Josi von Koskull: Eine Oppositionelle im Umfeld der Künstlerkolonie Die Bibliothekarin und Schriftstellerin Josi Baronesse von Koskull (geb. 1897) wohnt in der Wetzlarer Strasse 13 und kannte seit ihrer Vertreibung aus dem Baltikum zu Beginn des ersten Weltkrieges Alexander Graf Stenbock-Fermor (S. 25f.). Da das Vermögen ihrer Familie beschlagnahmt worden war, musste Frau von Koskull ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Von arbeitete sie beim «Berliner Börsenkurier» in der Handelsredaktion wurde sie zur Briefzensur 30

33 eingezogen, da sie viele Sprachen, u.a. Russisch und Französisch fliessend von Kindheit ansprechen konnte. Als Frau von Koskull 1931 in die Nähe der Künstlerkolonie zog, traf sie dort zufällig ihren Landsmann Alexander Graf Stenbock-Fermor wieder. «Wir sind unabhängig voneinander hierhergezogen. Er war Kommunist. lch hatte auch sehr linke Ansichten, weil die Rechten eben die Nazis waren. Da wich man gerne aus». (Josi von Koskull am 30. Juli 1990) Weiter erinnert sich Frau von Koskull an die Atmosphäre, die von der Künstlerkolonie ausstrahlte: «Am Rüdesheimer Platz gab es ein Lokal, wo sich die Künstler gerne trafen. Die Stühle standen draussen im Sommer, es war preiswert und gut, da lernte man sich kennen» traf Frau von Koskull Beppo Römer bei Alexander Stenbock-Fermor. Sie wusste von Stenbock-Fermors Untergrundarbeit. Darüber hinaus war Frau von Koskull mit dem Architekten Dr.-Ing. Erich Gloeden und dessen Frau Dr. jur. Lieselotte Gloeden befreundet. Das Ehepaar lebte in der Kastanienallee 23 in Charlottenburg und half, obwohl selbst als»mischlinge1.grades» eingestuft, verfolgten Juden. Sie beschafften falsche Ausweispapiere und halfen beim «Untertauchen». Vom 29. Juli bis zum 3. September 1944 hielt sich in der Wohnung der Gloedens General Fritz Lindemann versteckt. Lindemann gehörte seit 1943 zum Verschwörerkreis um Henning von Tresckow und Stauffenberg. Nach dem 20. Juli 1944 beschloss er unterzutauchen. Bald darauf wurde ersteckbrieflich gesucht und eine Belohnung von RM auf seine Ergreifung ausgesetzt. In dieser Zeit gab Frau von Koskull in der Wohnung der Gloedens dem untergetauchten General Russisch-Unterricht, da Lindemann beabsichtigte, an der Ostfront überzulaufen und mit dem Nationalkomitee Freies Deutschland zusammenzuarbeiten. Frau von Koskull gelang es Ende August 1944 in der Briefzensur einen Hilferuf in russischer Sprache an die sowjetische Botschafterin in Schweden, Alekxandra Kollontai, zur Weitervermittlung an General Seydlitz in Moskau zu schmuggeln. Lindemann und seine Helfer wurden wenige Tage später denunziert. Am Nachmittag des3.september1944 war Frau von Koskull in der Kastanienallee 23. Sie erinnert sich: «Ich war bei Gloedens, meinen langjährigen Freunden, als die Gestapo uns alle verhaftete. Lindemann wollte aus dem Fenster springen. Man schoss auf ihn, er blutete sehr stark, starb (später) im Krankenhaus. Die Gloedens und ich kamen zum Verhör in die Prinz-Albrecht-Strasse. Dann in das Gefängnis am Alexanderplatz. lch hatte drei lange Verhöre zu überstehen, log mich frei, behauptete, L. nur als «Herrn Exner» zu kennen. Man liess mich laufen. Beide Gloedens... wurden mit dem Beil hingerichtet im Dezember 1944». Obwohl Frau von Koskull sehr wohl um die Identität Lindemanns wusste und Lebensmittelmarken für ihn besorgt hatte, war sie offenbar in der Auslandsbriefprüfstelle zum einen unabkömmlich, zum anderen lagen keine eindeutigen Beweise gegen sie vor. Insofern kam sie als einzige der Beteiligten mit dem Leben davon. 31

34 Wilmersdorfer Schulen zwischen Anpassung und Verweigerung Da in Wilmersdorf 3O% der Gymnasialschülerjüdischer Abstammung waren, zeigte die NS-Rassenpolitik hier besonders ihre Folgen. Reichsminister Rust ordnete im September 1935 Erhebungen über die Rassenzugehörigkeit der Schüler an. Im Grunewald-Gymnasium (Walther-Rathenau-Oberschule) hatte die Schulleitung bereits im Juni 1933 eine Liste über die «Nichtarier» anfertigen lassen. Von 656 Schülern waren 419 «Arier» und 237 «Nichtarier», die wiederum aufgeteilt wurden in «Kinder von Frontkämpfern» (119), «Jüdische Ausländer» (19),»nichtarische Staatenlose» (3) und «Halbjuden» (96). Dazu kamen noch «andere Ausländer»(16). Aufgrund des «Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen» vom 25. April 1933 und dem zunehmend spürbaren Antisemitismus, sahen sich viele Eltern gezwungen, mit ihren Kindern ins Ausland zu gehen oder sie zumindest an eine jüdische Schule umzumelden. Es gab fünf jüdische Privatschulen im Bezirk, von denen u.a. die Goldschmidt-Schule (S. 43f.) herausragte, da sie z.b. durch englische Lehrer mit in England gültigen Abschlüssen auf die Fortsetzung der Ausbildung im Exil und den Wegfall der Sprachbarriere vorbereitete. Im Jahre 1934 gab es am Grunewald-Gymnasium nicht mehr wie im Vorjahr 49, sondern nur noch 28 Abiturienten. Es erhielt die Plakette «100% arische Schule». Am Heinrich-von-Kleist-Realgymnasium (1945 aufgegangen im Grunewald-Gymnasium) waren 1936/37 von insgesamt 510 Schülern nur noch drei jüdischer Herkunft. Die Unterrichtsinhalte wurden zunehmend von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt, sichtbar vor allem in Aufsatz- und Abiturthemen. Der Sportunterricht erlangte ersten Stellenwert und war für die Jungen eine Art «paramilitärische Ausbildung», während bei Mädchen mit einem durchtrainierten Körperdavon ausgegangen wurde, dass sie im Allgemeinen belastbarer waren und propagandagemäss dem «Führer» viele Kinder «schenken» konnten. Aber auch im Musikunterricht fanden NS-ldeologie und Antisemitismus Eingang. Peter Prager, der bis 1936 das Grunewald-Gymnasium besuchte, erinnert sich in einem Essay über die private Goldschmidt-Schule (1984) an einen Musiklehrer am Grunewald-Gymnasium, der den Schülern Nazi-Lieder beibrachte. Eines hatte den Refrain «Wenn's Judenblut vom Messer spritzt, dann geht's nochmal so gut». Glücklicherweise gab es aber an fast allen hier genannten Wilmersdorfer Schulen überwiegend politisch gemässigte Lehrer und nur in Ausnahmen fanatisch überzeugte Nazis, zumeist äusserlich erkennbar am sogenannten «Bonbon» (NS-Parteiabzeichen), bzw. der braunen Uniform. Die Schüler merkten an bestimmten Verhaltensweisen, ob ihre Lehrer zu denen gehörten, die den Schulalltag ohne politische Einflussnahme zu bewältigen versuchten, so z.b. daran, wenn der Lehrer zur Begrüssung der Klasse den rechten Arm nur kurz und unbedeutend zum Hitler-Gruss erhob. Der «Deutsche Gruss» war im Januar 1934 per Schulordnung anstelle des täglichen «Guten Morgen!» in den Schulen eingeführt worden. Neben der Diskriminierung «nichtarischer» oder politisch oppositionell eingestellter Schüler wurden spätestens nach dem Erlass vom 9. April 1933 Lehrer jüdischer 32

35 Herkunft und politisch Andersdenkende aus dem Schuldienst entfernt bzw. degradiert, so z.b. Dr. Schade, der wahrscheinlich aufgrund seiner SPD-Mitgliedschaft seiner Schulleiterfunktion enthoben und an das Bismarck-Lyzeum (Hildegard-Wegscheider-Oberschule) als einfacher Lehrer versetzt worden war. Die Verfolgung Oppositioneller ging durch alle Ebenen. Sie machte auch nicht Halt vor Albert Witte, einem ehemaligen Mitglied des Reichsbanners. Er war Schulhausmeister am Goethe-Gymnasium (Paul-Eipper-Grundschule) in der Eisenzahnstrasse und wurde 1933 sofort entlassen. Am 23. Januar 1935 wurde er durch Gestapo-Beamte zusammengeschlagen, verhaftet und in die Prinz-Albrecht-Strasse gebracht, nach einer Kurzhaft jedoch wieder entlassen. Obwohl die Schule als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse zu betrachten ist, empfanden oftmals Schüler, die von NS-Diskriminierungsmassnahmen nicht direkt betroffen waren, den Schulalltag in der Hitler-Zeit häufig als banal. Der Schriftsteller Horst Krüger spricht diesbezüglich in seinen Erinnerungen an seine Schulzeit am Grunewald-Gymnasium sogar von der «Banalität des Bösen». Dabei ist zu bedenken, dass die ehemaligen Reformbestrebungen der Weimarer Zeit von den Nazis im Keim erstickt und das «Führerprinzip» in der Schule angeordnet wurde. Die Lehrerkollegien an Wilmersdorfer Gymnasien blieben offenbar jedoch im Kern weitgehend konstant, und es ist vorstellbar, dass Lehrer versuchten, ihre humanitäre Grundeinstellung durch einen möglichst «normalen» und gleichförmigen Schulalltag, oftmals orientiert an einer deutsch-nationalen Haltung, über zu starke NS-politische Einflussnahme hinwegzuretten. Sicherlich spielte die Angst um den eigenen Lehrerposten hierbei auch eine grosse Rolle. An der Cecilienschule Wilmersdorf Nikolsburger Platz 5 Die Schule am Nikolsburger Platz besuchten über 600 Schülerinnen. Bis 1933 war etwa jedes zweite Mädchen an der Cecilienschule jüdischer Herkunft, da das Einzugsgebiet der Schule Kaiserallee, Prager Platz und Bayerischer Platz-von jüdischen Familien bevorzugt bewohnt wurde. Dr. Ella Barowsky (geb. 1912) nach dem Krieg Bezirksbürgermeisterin (FDP) von Schöneberg und heute Stadtälteste erinnert sich 1992 gegenüber H.-R. Sandvoss: «Es war eine eher konservative Schule, aber ich habe doch viel Liberalismus mitbekommen. Wir hatten vorzügliche Lehrer. Darunter meine Geschichtslehrerin, die uns historische Fakten und soziale Zusammenhänge vermittelte. Sie könnte Sozialdemokratin gewesen sein. Unser Physiklehrer, Herr Meyer, war mit Sicherheit ein überzeugter Demokrat. (Als 1933 jemand im Lehrerkollegium positiv über den neuen Reichskanzler sprach, soll der Naturwissenschaftler sich sehr deutlich dazu geäussert haben, was dieser Hitler ihn könne!) Von der Lehrerschaft ist meiner Kenntnis nach 1933 nur ein Pädagoge,übergelaufen. Aber es war ausgerechnet jener, der uns in einer Arbeitsgemeinschaft über die Weimarer Reichsverfassung belehrt hatte. Eine Lehrerin jüdischer Herkunft war Fräulein Gisela Fridberg (Pariser Strasse 17 oder 18). Sie unterrichtete Latein und gab evangelischen Religionsunterricht. Sie verlor aufgrund der nazistischen.säuberungen der Schulen ihre Stelle in Wilmersdorf und wurde auch nur für kurze Zeit 33

36 Cecilienschule nach Prenzlauer Berg versetzt. Durch diesen radikalen beruflichen und persönlichen Einschnitt konnte sie einen weiteren privaten Schicksalsschlag nicht mehr verkraften und nahm sich am 4. Juli 1935 das Leben. (Damals war es dann aber immerhin noch möglich, sie in ihrer Familiengrabstelle auf dem Wilmersdorfer Friedhof beisetzen zu lassen und die Grabpflege bis 1939 im voraus zu bezahlen). Der Direktor der Cecilienschule, Herr Triebel, versuchte, seine jüdischen Schülerinnen noch so lange an der Lehranstalt zu halten, wie es ihm möglich war. Er war ein konservativer Mann aber eben kein Reaktionär.» Das Bismarck-Lyzeum, Siemensstrasse (Hildegard-Wegscheider-Oberschule, Lassenstrasse 16-20) Dr. Friedrich Abée war von Schulleiter am Bismarck-Lyzeum, das 1921 zur Studienanstalt (Realgymnasium) ausgebaut wurde gab es das erste Abitur für Mädchen in Grünewald. Von trug die Schule den Namen «Johanna-von-Puttkamer-Schule» (nach der Frau Otto von Bismarcks), da per Erlass der Nationalsozialisten alle Mädchenschulen von 1939 an Frauennamen tragen sollten. Ebenso wurden das Goethe-Lyzeum in Schmargendorf in «Frau- 34

37 Aja-Schule» («Frau Aja» war der Scherzname von Goethes Mutter) und das Hohenzollern-Lyzeum in Halensee in «Königin-Mathilde-Schule» umbenannt. Dr. Abée erinnerte sich nach dem 2. Weltkrieg an seine Zeit als Schulleiter am Bismarck-Lyzeum ( ) und schrieb u.a.,dass während der NS-Zeit die Schule den «Geist der Unabhängigkeit und Duldsamkeit» bewahrte. Oft wurde sie als «friedliche Oase im Berliner Schulleben empfunden». «Allen Anfeindungen und Denunziationen zum Trotz konnte sie bis zum Zusammenbruch die schlimmsten Auswirkungen verhüten». Eine Abiturientin des Jahres 1933, Leonore Brunner, erinnert sich, dass von 23 Prüfungskandidatinnen nur sieben sogenannte «Arierinnen» waren. Die noch amtierende Berliner Oberschulrätin, Dr. Hildegard Wegscheider, (aus politischen Gründen wurde die aktive Sozialdemokratin zum 1. April 1933 aller ihrer Ämter enthoben) war die Prüfungsvorsitzende. Die Grundtendenz der Schule damals nennt Frau Brunner deutsch-national, aber nicht nationalsozialistisch. Über die vom Elternhaus stark geförderten Jüdinnen berichtet sie, dass sie «reifer» und «redegewandter» gewesen seien. Die «Arierinnen» empfand sie dagegen als «naiver». Eine andere ehemalige Schülerin, Sibylle May, betont in ihrer Erinnerung an die Schuljahre am Bismarck-Lyzeum, , dass Dr. Abée als «Geheimtip» bei Eltern galt, die ihrem Kind eine betont nationalsozialistische Erziehung ersparen wollten. Frau May gehörte zu den vielen «halb- und vierteljüdischen» Schülerinnen, die Dr. Abée bis zur Schliessung der Schule 1943 und bis zum Abitur durchgebracht hat. Frau Ilse Kalden, die 1943 ihr Abitur am Bismarck-Lyzeum ablegte, sagt, dass sie durch das Vorbild der Lehrerechte Humanität kennengelernt hätte. Unvergesslich ist ihr der Einsatz Abées für die Schülerinnen, die unter dem zunehmenden Druck des «Dritten Reichs» immer mehr bedrängt wurden. Sie erinnert sich, dass jedes Schuljahr neue Mädchen in ihre Klasse kamen, aus anderen Teilen Berlins, sogar aus anderen mitteldeutschen Städten: «Sie schienen zuerst scheu und abwartend, bis sie Zutrauen fassten. Nach und nach erfuhren wir, dass sie fast ausnahmslos aus Glaubensgründen in Schwierigkeiten gekommen waren, dass sie aus anderen Schulen ausgewiesen wurden, weil sich irgendwo in ihrem Stammbaum ein jüdischer Vorfahre befand.» Dr. Abée nahm diese Schülerinnen vorbehaltlos auf, z.t. fanden sie selbst in seinem Hause Zuflucht. Der Schulleiter war sich bewusst, dass er damit ein erhebliches Risiko für sich und seine Familie in Kauf nahm. Die älteren Schülerinnen, die langsam begriffen, was um sie herum geschah, wurden misstrauisch. Jeden Fremden, den sie in der Schule antrafen, verdächtigten sie, ein Spitzel zu sein. Die christliche und politische Grundhaltung Dr. Abées kam sicherlich auch darin zum Ausdruck, dass bei Schulfeiern stets, wie vor1933 üblich, zunächst das» Vaterunser» gebetet, dann das «Deutschlandlied» und erst zuletzt das «Horst-Wessel- Lied» gesungen wurde. Der Schulleiter wusste von der ihn umgebenden Gefahr, trotzdem führte er eine grosse Anzahl gefährdeter Jüdinnen bis zum Abitur. Mit persönlichem Mut setzte er sich über alle ministeriellen Anordnungen, z.b. eine «100% arische Schule» zu leiten, hinweg, so dass die betroffenen Jüdinnen wie die «rein arischen» Schülerinnen nach 1945 durch ihr Abitur die gleichen Berufschancen hatten. 35

38 Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass für die meisten Jüdinnen der Weg ins Exil die einzige Rettung war. Eine andere ehemalige Schülerin, Ika Klar, die ebenfalls 1943 ihr Abitur am Bismarck-Lyzeum ablegte, erinnert sich: «Es war für uns ein sehr humanes und sehr liberales, geistig aufgeschlossenes Kollegium, das uns junge Mädchen betreut hat Wir haben uns in dieser ganzen Schulzeit immer recht wohl gefühlt Mit den Jüdinnen verband uns eine Klassenfreundschaft ohne jede Problematik, es gab keine Rassentrennung... Wir haben zusammen Klassenfeste gefeiert und Fahrten unternommen. Dann passierte es langsam, dass die jüdischen Schülerinnen aus unserer Klasse verschwanden. Es hiess, die Eltern machen eine Reise und sie bekommen besonderen Urlaub... Weder die Lehrer, die sicher alles wussten, noch der Direx haben irgendetwas verlauten lassen. Ich denke, dass selbst die Töchter nicht wussten, dass die Eltern in die Emigration gingen, um die gesamte Familie nicht zu gefährden.» Während die ahnungslosen «arischen» Mädchen die jüdischen Klassenkameradinnen um ihre «Reise» beneideten, war es für jene ein Entschluss des Abschieds von einer Gesellschaft, die bis dahin für sie Heimat und Geborgenheit bedeutete, und zu der sie sich zugehörig fühlten. Das Kollegium und die Elternschaft versuchten, politisch gesehen, ihre Töchter «vor allem zu bewahren». Dies gelang jedoch nicht immer. Frau May erinnert sich, dass im Sommer 1943 elf Schülerinnen aus ihrer Klasse mit der «Kinderlandverschickung» nach «Gotenhafen», heute Gdingen bei Danzig gebracht wurden. Keine der übrigen Klassenkameradinnen hat je von diesen Schülerinnen wieder etwas gehört. Von den sieben Jüdinnen, die mit Frau Klar eine Klasse besuchten, hat sie nach 1945 lediglich zwei wiedergetroffen. Eine von ihnen, Lieselotte Jakoby, hat mit ihrem Bruder als «U-Boot», d.h. als untergetauchte Juden, während der Hitler-Zeit in Berlin gelebt. Ihr Bruder wurde schliesslich «auf der Flucht erschossen». Die gesamte übrige Familie ist in Vernichtungslagern umgekommen. Von den anderen Jüdinnen hat Frau Klar nie wieder etwas gehört. Das Grunewald-Gymnasium (Walther-Rathenau-Oberschule) Herbertstrasse 2 In der Zeit der Weimarer Republik hatte das Grunewald-Gymnasium unter dem Studiendirektor Dr. Wilhelm Vilmar der Reformpädagogik in Berlin entscheidende Impulse vermittelt. Das Reformmodell Vilmars gab den Schülern die Möglichkeit der Wahl von Neigungsfächern und sah die Gemeinschaftserziehung beider Geschlechter in der Oberstufe vor. Im Frühjahr 1933 wurde Vilmar in den Ruhestand versetzt. Daraufhin wechselte die Schulleitung innerhalb von sechs Monaten noch zweimal. Im Kollegium herrschte die Angst, als Folge des «Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» vom 7. April 1933 als «unzuverlässiger Beamter» die Stelle zu verlieren. «Humanität können wir uns nicht leisten» verkündete Heiny Hempel, als er 1933 Vilmar als Schulleiter ablöste. Schliesslich wurde Wilhelm Waldvogel Schulleiter des Grunewald-Gymnasiums und blieb es bis

39 Klasse Oll im Grunewald-Gymnasium (1921): Dietrich Bonhoeffer (4.v. re.), Ellen-Marion Winter (3. v. li.) und Ursula Andreae (4. v. li.) Einige Schülerinnen und Schüler, die noch in der Reformzeit das Gymnasium unter Vilmars Leitung besucht hatten, sind später durch direkte oder indirekte Teilnahme am Widerstand gegen die NS-Diktatur hervorgetreten. Schüler und Schülerinnen der Klasse 0II im Jahre 1921 waren u.a. Dietrich Bonhoeffer, Ellen-Marion Winter und Ursula Andreae, eine Nichte Walther Rathenaus. Marion Winter heiratete später Peter Graf Yorck von Wartenburg, den Mitbegründer des Kreisauer Kreises. Dietrich Bonhoeffer ist im Zusammenhang mit seiner Widerstandstätigkeit für das Amt Abwehr unter Admiral Canaris (S. 107) am 5. April 1943 (mit Hans von Dohnanyi) verhaftet und am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordert worden. Bonhoeffer hatte zu Beginn der Unterprima, er war damals 15 Jahre alt, das Wahlfach Hebräisch genommen. Damit wurde sein Entschluss endgültig, Theologe und Pfarrer zu werden. Christine Bonhoeffer besuchte von das Grunewald-Gymnasium. Sie heiratete später Hans von Dohnanyi, der ab 1939 persönlicher Referent von Admiral Canaris war. In Zusammenarbeit mit Hans Osterlegte er eine Liste über Verbrechen der Nazi-Regierung an, um sie für den Tag nach einem geglückten Umsturz als Anklagematerial zu benutzen. Dohnanyi wurde am 8. April 1945 im KZ Sachsenhausen ermordet. Ebenso wie Hans von Dohnanyi hatten Justus Delbrück (von ) und Bernhard Klamroth (von ) das Grunewald-Gymnasium besucht. Delbrück verfügte ab 1933 über enge Beziehungen zu Dr.Josef (Beppo) Römer, dem 37

40 ehemaligen Führer des «Freikorps Oberland» Römer, der 1942 ermordet wurde, besass Kontakte zum «Solf-Kreis» und zu Nikolaus von Halem. Der Jurist und Industriemanager von Halem ( ) war bereits 1934 davon überzeugt, dass Hitler Deutschland in eine Katastrophe führen würde. Er hielt daher die Verbindung zu militärischen und zivilen Widerstandskreisen (u.a. zu Kurt von Hammerstein, Ernst Niekisch und Robert Uhrig) aufrecht. Delbrück war ab 1941 mit Jakob Kaiser befreundet und mit der Familie Bonhoeffer verschwägert. Er starb Ende Oktober 1945 in sowjetischer Gefangenschaft. Bernhard Klamroth hatte als Oberstleutnant den Sprengstoff für das Attentat vom 20. Juli 1944 Stauffenbergs Ordonnanzoffizier übergeben. Er wurde am 15. August 1944 hingerichtet kam das Grunewald-Gymnasium unter dem NS-linientreuen Schulleiter Wilhelm Waldvogel den Anforderungen des «Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen» vom 25. April nach. Die Folgen waren an dieser Schule besonders spürbar, da der Anteil jüdischer Schüler mehr als ein Drittel betrug. Im Jahre 1934 waren nur noch 28 Abiturienten an Stelle von 49 im Jahr zuvor zu verzeichnen. Im Juni 1933 wurde eine handschriftliche Liste über «Arier» und «Nichtarier» an der Schule angefertigt und von Klasse zu Klasse geprüft. Werner Goldberg, ein ehemaliger Schüler des Grunewald-Gymnasiums, erinnert sich: «Da wurde der Vilmar abgelöst, und es kam ein Herr Waldvogel, mit,riesenbonbon' (NS-Parteiabzeichen, Anm. d. Vf.) auf dem Revers, und der kam dann in die Klasse und sagte:,alle nicht-arischen Schüler aufstehen!' Na, da bin ich sitzengeblieben, da hat er mich angebrüllt:, Goldberg, sind Sie arisch?' Da habe ich gesagt:,weiss ich nicht.',na, stehen Sie gefälligst auf!' Na, und damit war für mich ja die Schule zu Ende. Ich bin nach Hause gekommen und war völlig zerstört und habe meinem Vater gesagt:,ln die Schule gehe ich nicht mehr!' Dann ist mein Vater noch zu dem Klassenlehrer gegangen, der kam dann auch noch an und war sehr nett zu mir, hat aber durchblicken lassen, dass doch diese»nationale Erhebung' für Deutschland richtig sei, daraufhin bin ich nach Hause gegangen und habe gesagt:,lch mach noch die Prüfung für die Obersekunda-Reife, dann sieht mich dieser Laden aber nicht mehr.'«viele jüdische Eltern schrieben Briefe an die Schulleitung, um ihre Kinder abzumelden. Oft brachten sie zum Ausdruck, dass sie sich in erster Linie als Deutsche fühlen. Nur wenige erkannten die persönlichen Konsequenzen der NS-Politik und gaben politische Motive bei der Abmeldung ihrer Kinder an, wie in dem Brief von Moritz Meyer nachzulesen ist (siehe nebenstehend). 38

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42 Solche deutlichen Briefe blieben jedoch die Ausnahme. Manche ahnten vielleicht nur etwas, denn oft fiel das Datum der Briefe mit wichtigen politischen Ereignissen zusammen, so bei Dora Niepmann aus Charlottenburg, die am 31. Januar 1933 an das Grunewald-Gymnasium schrieb: «Hierdurch teile ich Ihnen höflichst mit, dass ich aus pekuniären (finanziellen, Anm. d. Vf.) Gründen leider gezwungen bin, meinen Sohn Ernst vom heutigen Tage ab aus der Schule abzumelden.» 40

43 Oftmals versuchten die Eltern, ihre Kinder vor der Diskriminierung zu schützen, indem sie den Beweis antraten, dass der Vater Frontkämpfer im 1. Weltkrieg gewesen war, um somit unter die Ausnahmeregelung des Gesetzes zu fallen (s. S. 40). Andere Eltern schrieben ihre Abmeldebriefe im Sommer 1933 bereits vom Ausland aus. Falls die «nichtarischen» Schüler nicht von selbst begriffen, dass sie «unerwünscht» waren, half in hartnäckigen Fällen möglicherweise auch, die Schulleistungen entsprechender Schüler durch Zensuren absinken zu lassen, um auf diesem «Weg» Juden oder Halbjuden loszuwerden. Ein anderer ehemaliger Schüler des Grunewald-Gymnasiums, Peter Prager (Jg. 1923), der bis zum 13. Lebensjahr die Schule besuchte, erinnert sich, dass es im Jahr 1936 für jüdische Schülerzunehmend schwieriger wurde. Viele Mitschüler weigerten sich, neben Juden zu sitzen. Antisemitische Haltungen wurden nicht nur auf Abenden der Hitler-Jugend geschürt, sondern auch durch «pädagogische» Massnahmen der Lehrer, wenn sie z.b. die gesamte Klasse mit einem Test bestraften, nur «weil einer der jüdischen Jungen nicht aufgepasst hat». Die Unterrichtsinhalte flössten den jüdischen Schülern Stück für Stück Minderwertigkeitsgefühle ein, während die anderen ein Gefühl der Überlegenheit erhalten sollten. Peter Prager erinnert sich: «Wenn die Jungen auf dem Hof spielten, fragte ich sanft,ob ich mitspielen dürfe. Immer häufiger bekam ich zu hören:,juden können nicht mitmachen! Ich fand das normal. Bei den wenigen Gelegenheiten, wenn ich mitspielen durfte, teilte man mir nur minderwertige Rollen im Spiel zu...immer mehr jedoch bedauerte ich, dass ich Jude und deswegen minderwertig war und wünschte mir insgeheim, Arier wie meine Spielkameraden zu sein.» Eines Tages im Sommer 1936 kam Peter Prager aus der Schule und erzählte seiner Mutter, dass die Klasse im Deutschunterricht gelernt hätte, dass Juden eine Veranlagung mehr zum Verbrecher als zum Ehrenmann haben. Zum Beweis hatte der Lehrer Statistiken an die Tafel geschrieben. Die Schüler sollten dies als Hausaufgabe lernen, da es in einem Test abgefragt werden würde. Peters Mutter beschloss, ihren Sohn keinen Tag länger am Grunewald-Gymnasium zu belassen. Daraufhin meldete sein Vater ihn an der privaten Goldschmidt-Schule (S. 43) an. Ein anderer Schüler, Reinhard Bendix (Jg. 1916), besuchte von das Grunewald-Gymnasium. Als sein Vater, ein angesehener Rechtsanwalt, im Juni 1933 verhaftet wurde, vertraute sich Reinhard Bendix seinem Klasenlehrer G. an. Der damals 17jährige meinte, er brauche nun eine Teilzeitarbeit, um die Familie finanziell zu unterstützen. Ausserdem wollte er zu Beginn der Stunde nicht mit dem Hitler-Gruss grüssen, da es ansonsten in seinen Augen eine Billigung der Verhaftung seines Vaters darstelle. Der Klassenlehrer heuchelte Anteilnahme. Nach einigen Tagen wurde Bendix aufgefordert, dem Unterricht fernzubleiben. Schliesslich erhielt er mit der Post sein Abgangszeugnis, das weder er noch seine Eltern beantragt hatten, da es noch mitten im Schuljahr war. Das Zeugnis war gleichbedeutend mit der Schulentlassung, da der Klassenlehrer vermerkt hatte: «Er verlässt die Anstalt, um einen praktischen Beruf zu ergreifen». Wie Bendix später erfuhr, hatten einige Eltern im Elternbeirat um diese Formulierung gekämpft, um ihm den Wiedereintritt in das Gymnasium zu ermöglichen, wenn seine familiäre Situation sich gebessert hätte. 41

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45 Es sollte so aussehen, als ob er freiwillig die Schule verliess. Seine Weigerung, mit dem Hitler-Grusszu grüssen und die Tatsache, dass sein Vaterinhaftiert war, wurden bewusst ignoriert. Der Klassenlehrer und der stellvertretende Direktor hatten dagegen offenbar eine politische Aussage in seinem Zeugnis befürwortet, dass nämlich Mitschüler die Anwesenheit eines Juden, dessen Vater Regimegegner war, nicht länger duldeten. Reinhard Bendix musste das Grunewald-Gymnasium im ersten Viertel der Unterprima verlassen, ohne Aussicht auf das Abitur oder ein Studium. Das Traumatischste jedoch für ihn war, dass er sich vertraulich an seinen Lehrergewandt hatte und dieser ihn verriet. Durch seine ältere Schwester Dorothea knüpfte Bendix Kontakte zu Diskussionsgruppen sozialistischer Gymnasiasten, die wiederum Berührungspunkte zur Widerstandsgruppe Neu Beginnen (S. 55ff.) hatten.1933 trat er einer dieser Schülergruppen bei und überwand somit seine Isolierung seit seiner Entlassung aus dem Grunewald-Gymnasium. Er erhielt Informationen über die Geschichte der Arbeiterbewegung und lernte Grundregeln konspirativen Verhaltens kennen. Schliesslich fasste er jedoch den Entschluss zu emigrieren. Ebenfalls Schüler des Grunewald-Gymnasium war Lothar Killmer, genannt «Wanja», den Horst Krüger 1936 kennenlernte. Beide wohnten in Eichkamp, und Krüger berichtet in seinem Artikel «Das Grunewald-Gymnasium» über seinen Freund Wanja, dass erzürn «Trutzbund der Nationalbolschewisten» von Ernst Niekisch gehörte. Zusammen mit anderen Oppositionellen wurde er 1939 wegen «Vorbereitung zum Hochverrat» verhaftet. Im Prozess vor dem Volksgerichtshof, 1942, erhielt Killmer fünf Jahre Zuchthaus. Er überlebte das Kriegsende und wurde aktives SED-Mitglied in der DDR. Das Reformmodell des Grunewald-Gymnasiums wurde 1936/37endgültig aufgegeben. Die Gemeinschaftserziehung (mit Mädchen) in der Oberstufe und das Unterrichtsfach «Hebräisch» wurden abgeschafft und die Schule in «Grunewaldschule, Oberschule für Jungen» umbenannt. Die jüdische Privatschule Dr. Leonore Goldschmidt (Hohenzollerndamm 110a) Peter Prager, der 1936 vom Grunewald-Gymnasium an die private Goldschmidt- Schule wechselte, berichtet in seinen Essay (1984), dass ihn gleich am ersten Tag die offene Umgangsweise zwischen Lehrern und Schülern sowie untereinander beeindruckte. Ebenso neu für ihn war, in einer gemischten Klasse mit zwanzig Mädchen zusammen unterrichtet zu werden. Minderwertigkeitsgefühle hatten in dieser Schule, die seit 1935 bestand, keinen Platz. «Witze gegen die Nazis wurden in aller Offenheit gemacht, und die Nazi-Rassenlehre war verpönt. Während der Unterrichtsstunden brauchte ich keine Angst vor etwaigen antisemitischen Bemerkungen der Lehrer zu haben», erinnert sich Peter Prager. Häusliche Probleme, wie antisemitische Schikanen, unter denen z.b. die Eltern litten, wurden offen angesprochen. Der Einzelne wurde als individuelle Persönlichkeit geachtet und geschätzt. In der Goldschmidt-Schule konnte Prager sich auf die Emigration nach England vorbereiten, da ein Prüfungszentrum der University of Cambridge eingerichtet worden war. Englische Lehrer unterrichteten in englischer Sprache Geographie, Geschichte, Kunst, Arithmetik u.a. Prager lernte somit bereits in Berlin sehr 43

46 schnell Englisch, um für das Exil vorbereitet zu sein. Das Abschlusszeugnis an der Schule berechtigte zum Studium an den meisten englischsprachigen Universitäten. Bis zum Judenpogrom 1938 berührte der Antisemitismus in Deutschland die englischen Lehrer nicht weiter. Doch das änderte sich schlagartig. Als Peter Prager am Morgen nach dem 9. November1938 zur Schule fuhr, bemerkte er die Vielzahl der Feuerwehrautos, die die umliegenden Häuser vor einem Überspringen des Feuers brennender Synagogen geschützt hatten. Einige Schulkameradinnen weinten, weil ihre Väter am frühen Morgen verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht worden waren. Gerade als die erste Unterrichtsstunde begonnen hatte, stürmte Frau Dr. Goldschmidt, die Leiterin der Schule, in Pragers Klasse und rief: «Weg mit den Stiften! Draussen ist ein Mob der Hitler-Jugend, der unter Umständen versuchen wird, die Schule in Brand zu stecken. Ich möchte, dass jeder sofort die Schule über den Hinterausgang verlässt. Kommt in drei Tagen zurück, wir hoffen, dass sich bis dahin die Situation beruhigt haben wird». Die Hitlerjungen, die an diesem Morgen ihren Schulunterricht schwänzten, standen draussen vor dem Haupteingang, johlten und bemerkten nicht, wie die jüdischen Schüler die Goldschmidt-Schule über den Hinterausgang verliessen. Die Goldschmidt-Schule wurde an diesem Tag nicht niedergebrannt, aber verschiedene Lehrerfehlten. Sie waren verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt worden. Die bis dahin politisch etwas gleicht gültigen englischen Lehrer erkannten nun die Bedrängnis der Juden durch die Nationalsozialisten. Etwa drei Wochen später war für Peter Prager der Zeitpunkt gekommen, an dem er mit seinen Eltern ins Exil nach England ging wurde die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen. Das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium Kranzer Strasse 3 Das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium wurde 1908 begründet und ging 1945 im Grunewald-Gymnasium auf. Dr. Rudolf Malsch ( ), der nach dem Kriegsende 1945 neuer Schulleiter des ehemaligen Grunewald-Gymnasiums wurde, war 1914 vom Paulsen-Gymnasium in Steglitz an das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium als Oberlehrer gewechselt. Dr. Malsch, der Theologie, Musik, Geschichte, Germanistik, Geographie und Philosophie studiert hatte, leitete vor 1933 eine literarische Vereinigung, «ein Sammelbecken kritischer Intellektueller», an der interessierte Schüler der Oberstufe und junge Lehrer teilnahmen. Nach der Etablierung der Nazi-Diktatur löste sich diese Gruppe, in der moderne Literatur der 20er Jahre gelesen und diskutiert wurde, langsam auf. Im Jahre 1919 hatte Dr. Leffson die Leitung des Heinrich-von-Kleist-Gynasiums übernommen und wechselte 1929 als Direktor an das Fichte-Gymnasium in der Emser Strasse wurde er dort als ein von den NS-Rassegesetzen Betroffener aus seinem Amt entfernt. Am 1. April 1941 schrieb Dr. Malsch an seinen Kollegen August Leffson:. der Bildungsabbau geht seinen zwangsläufig schicksalhaften Gang weiter... An eine gediegene und vertiefende Schularbeit ist überhaupt nicht zu denken..., weil Schule und Lehrer infolge unverantwortlicher Aussagen bekannter Parteigrössen nicht mehr ernst genommen werden.» 44

47 Rudolf Malsch In einer Ansprache im Januar 1942 hob Dr. Malsch die Haltung einzelner Pädagogen der Schule besonders hervor, die im «Geiste wahrer und echter Humanität und Menschenliebe...» tätig waren. «Dieser Geist hielt Güte für wirksamer als Härte.. Freiwilligkeit für wertvoller als Drill und Zwang.» Im Juni 1942zog das Heereswaffenamt in das Gebäude in der Kranzer Strasse. Der Unterricht fand nun im Grunewald-Gymnasium in der Herbertstrasse statt. Im August 1944 hatte das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium nur noch 182 Schüler und wurde bei Kriegsende aufgelöst. Der Schriftsteller und Maler Peter Weiss ( ), der mit seinen wohlhabenden Eltern in der Preussenallee 42 in Westend wohnte, besuchte von das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium in Schmargendorf. Kurz vor der Emigration der «nichtarischen» Familie nach England im März 1935 wurde Peter Weiss' jüngere Schwester Margit Beatrice ( ) von einem Auto vor dem Elternhaus überfahren. Dieses traumatische Erlebnis beeinflusste noch lange das künstlerische Schaffen von Peter Weiss und verdeckte sogarfür einige Jahre seinen Blick 45

48 auf die politische Umwelt. Sein Exil führte ihn von England nach Prag, in die Schweiz und Anfang 1939 nach Schweden, das ihm 1946 die schwedische Staatsbürgerschaft gewährte. Im dritten Band seines Romans «Die Ästhetik des Widerstands», der1981 erschien, beschrieb Peter Weiss in eindrucksvoller und authentischer Weise u.a. die Widerstandsarbeit von Mitgliedern der «Roten Kapelle». Die Hindenburg-Oberrealschule, Am Volkspark 36 (Friedrich-Ebert-Oberschule, Blissestrasse 22) Die Hindenburg-Oberrealschule, die bei Kriegsende 1945 aufgelöst wurde, leitete ab 1930 Prof. Dr. Jacobsthal. Die aktiven und ehemaligen Schüler und Lehrer der Schule nannten sich die «Hindenburger». Sie schätzten ihren Direktor, Dr. Jacobsthal, von dem sie wussten, dass erwährend der Weimarer Zeit wegen seiner national-konservativen Einstellung von politischen Linken erbittert bekämpft worden war. Die «Hindenburger» stimmten mit Dr. Jacobsthal im April 1933 überein, als er sich aus Freude über den politischen Umschwung «aus innerster Überzeugung zu unseres Reichskanzlers Streben» bekannte. Dr. Jacobsthal war Jude.1934 wurde er der Leitung der Schule enthoben, aus dem Schuldienst entlassen und in den Ruhestand versetzt. Nach seiner Entlassung blieb Jacobsthal eng mit dem Ehemaligen-Verein verbunden, vor allem mit dem Vorsitzenden, Dr. Arnold Springborn (Jg. 1907), der seine nationalsozialistische Überzeugung in vielen Artikeln in der Ehemaligen- Zeitschrift kundtat. Dr. Jacobsthal hielt nach 1934 selber deutsch-national gesinnte Vorträge im Verein und beteiligte sich an öffentlichen Diskussionen. Der zunehmende Antisemitismus in Deutschland und die persönliche Degradierung hatten ihn von seiner national-konservativen Grundhaltung nicht abbringen können. Als die Situation für Dr. Jacobsthal in Deutschland lebensgefährlich wurde, warnte Springborn ihn und verhalf ihm zur Ausreise nach Holland. Der ehemalige Schüler der Hindenburg-Oberrealschule, der 1933 erst 26 Jahre alt war, hatte im Propagandaministerium unter Goebbels Karriere gemacht und war bald zum Abteilungsleiter aufgestiegen. Diese Position ermöglichte ihm die Hilfe für seinen jüdischen Freund. Ein anderer ehemaliger Schüler der Hindenburg-Oberrealschule, Jan Rosenfeld (Jg. 1915), ging ins Exil nach Frankreich erhielt er von der «Vichy»-Regierung des unbesetzten Frankreichs die französische Staatsangehörigkeit unter der Bedingung, als Agent für sie tätig zu sein. Er wurde zum französischen Militär eingezogen und schliesslich in Südfrankreich von deutschen Soldaten (1941?) festgenommen. Die SS verschleppte ihn nach Theresienstadt, wo er 1945 von amerikanischen Soldaten befreit wurde. 46

49 Jugendliche wehren sich Bei der Bündischen Jugend Hitlers gesetzliche Zwangsmassnahmen zur «Gleichschaltung des Deutschen Volkes» machten in den ersten Monaten des Jahres 1933 auch nicht vor der deutschen Jugendbewegung halt In einer Vielzahl von Jugendgruppen und Bünden, deren Ursprung im «Wandervogel» vom Beginn des 20. Jahrhunderts zu suchen ist, waren am Anfang der Nazi-Diktatur etwa sechs Millionen Jugendliche organisiert. Nur 1% der Mitglieder gehörte bereits der Hitler-Jugend an. Ostern 1933 wurden die Jugendorganisationen zwangsweise in die HJ überführt. Einige bündische Führertraten mit ihrer Gruppe in das «Deutsche Jungvolk» ein, um unter diesem Deckmantel ihr geschlossenes Eigenleben fortzuführen. Heinrich Graf von Einsiedel gehörte einer Pfadfindergruppe an, die in der Bettinastrasse am Diana-See ein verwildertes Grundstück mit einer Blockhütte zur Verfügung hatte. Diese Pfadfindergruppe ging im «Gleichschaltungsprozess» mit zwei anderen bündischen Gruppen in einer Sonderformation des «Deutschen Jungvolkes» auf, hiess von nun an «Das Reiterfähnlein» und unterstand der Schirmherrschaft Hermann Görings, da zwei seiner Neffen in dieser Gruppe waren. Heinrich Graf von Einsiedel erinnert sich 1989: «Wir waren damit natürlich ein elitärer Sonderverein. Wir unterstanden nicht der Reichsjugendführung und kamen uns als etwas Besseres vor...trotzdem entstand eine gewisse kritische Distanz... zum Dritten Reich.» Nicolaus Sombart (Jg. 1923), Sohn des Nationalökonomen Werner Sombart, wohnte mit seinen Eltern in der Humboldtstrasse 35a. Er gehörte ebenfalls wie von Einsiedel zu dieser Gruppe und schreibt später in seinen Erinnerungen, dass sich die Mitglieder regelmässig in dem kleinen Blockhaus am Diana-See trafen. «Auch in diesem Kreis war die Verachtung für die Nazis und vor allem die Hitlerjugend selbstverständlich». Heinrich Graf von Einsiedel erinnert sich: «Wenn die Nazis von Rasse redeten, dann lachten wir uns eins und dachten eben, die wirkliche Rasse sind wir. Wir sind die Besseren. Wir verachteten im Allgemeinen die Hitlerjugend,...» Sombart beschreibt in seinem Buch v. Einsiedel als den Mittelpunkt der Gruppe. Die Einstellung der Mitglieder bezeichnet er als «antibürgerlich» mit «asketischem Ideal» und «Romantik» am Lagerfeuer oder auf wochenlangen Fahrten durch Deutschland, Schweden, Norwegen und Finnland. Dabei standen «Kameradschaft», «Männlichkeit» und «Treue» sowie keinerlei Kontakt zu Mädchen an erster Stelle. Einsiedel wie Sombart bezeichnen das Beziehungsgeflecht dieser bündischen Gemeinschaft als «homo-erotisch», in der die männliche Ausstrahlung eine Rolle spielte. 47

50 Einer der prominenten Jugendführer, an dem sich auch v. Einsiedel orientierte, war Eberhard Koebel (Jg. 1907), der seit 1920 zum «Wandervogel» gehörte. Seit 1927 setzte er sich unter dem Pseudonym «tusk» für die Bildung einer einheitlichen «Deutschen Jungenschaft» ein. Am 1. November 1929 gründete er die «dj » als «geheime Verschwörung» zur Erneuerung der Jugendbewegung. Als neuen Hauptgegner empfand «tusk» die Hitler-Jugend. Im Frühjahr1932 legte er die Leitung der «dj 1.11.» nieder und trat dem Jugendverband der KPD bei. Im Herbst 1934 wurde Koebel verhaftet, da er versuchte, Einfluss auf die Hitlerjugend zu gewinnen. Es gelang ihm jedoch kurz darauf, über Schweden nach London zu emigrieren. ln England hielt er Kontakt zur «Freien Deutschen Bewegung», aus der die spätere «Freie Deutsche Jugend» hervorging. Heinrich Graf von Einsiedel berichtet, dass er 1939 eine Fahrt nach Norwegen und Nordschweden «auf den Spuren des,tusk» mit Freunden unternommen hat. Dies zeigt, welche mystische Bewunderung der bereits im Exil lebende Jugendführer Koebel erlangt hatte. Im Verhalten der Mitglieder des «Reiterfähnleins» war der oppositionelle Einfluss ihrer jungen Führerpersönlichkeiten ebenfalls durchgeschlagen, denn v. Einsiedel erzählt (1989) von einer «Riesenschlägerei» mit der Hitlerjugend 1937 auf der Koenigsallee wurde v. Einsiedel vor dem Grunewald-Gymnasium (Walther-Rathenau- Oberschule), das er als Schüler besuchte, von der Gestapo verhaftet und in die Prinz- Albrecht-Strasse gebracht, wo Beamte ihn bis in die frühen Morgenstunden verhörten. Die Bündische Jugend war durch «bündische Umtriebe», wie die Nazis es nannten, der Hitler-Jugend immer wieder aufgefallen, obwohl ihre prominenten Führer gleich zu Beginn der Diktatur verhaftet worden waren. Um die Bewegung endgültig zu zerstören, sollten die ehemaligen Führer erneut belastet werden. Die Gestapo wollte von v. Einsiedel Beweismaterial über homosexuelle Beziehungen der Jugendführer erhalten, um sie aufgrund des 175 verurteilen zu lassen. Graf von Einsiedel sagte nichts Verwertbares aus wurde er offiziell aus der HJ ausgestossen. Wie Nicolaus Sombart wurde v. Einsiedel im zweiten Weltkrieg zunächst Jagdflieger geriet er in russische Gefangenschaft und warb unter den Mitgefangenen dafür, sich offen gegen das verbrecherische Hitler-Regime zu erklären. Als im Sommer 1943 auf Initiative der sowjetischen Führung das «Nationalkomitee Freies Deutschland» (NKFD) gegründet wurde, bekleidete Leutnant von Einsiedel darin das Amt des Vizepräsidenten musste er wie andere Mitglieder des NKFD erkennen, dass ihre politischen Ziele unerreichbar blieben. Jazz-Fans Am humanistischen Fichte-Gymnasium begann 1933 der Abbau des 1924 eingerichteten reform-gymnasialen Schulzweigs war es ein sogenanntes Reform- Realgymnasium (mit Latein) und eine Oberrealschule (ohne Latein). Auf eine ministerielle Entscheidung hin wurden die Fächer Griechisch und Hebräisch abgeschafft und die Schule zum «Normaltyp der Knabenschule». Ein ehemaliger Schüler, Horst H. Lange (Jg. 1924), erinnert sich: «Wir hatten viele Lehrer,die ausgesprochene Anti-Nazis waren, darunter einen Lehrer, der war ehemaliger Abgeordneter der SPD. Der hat nie mehr darüber gesprochen, aber ein Nazi- Freund war der keinesfalls». Horst Lange beschreibt das Fichte-Gymnasium als sehr tolerant, auch in Bezug auf die jüdischen Mitschüler. Nach und nach wurden es jedoch bis ca.1939 immer weniger. (Ein jüdischer Mitschüler und Freund von Herrn Lange hiess Simon. Er wohnte in der Konstanzer Strasse und konnte glücklicherweise noch 1939 aus Deutschland herauskommen.) 48

51 Klassenfoto Horst H. Lange (Fichte-Gymnasium) Horst H. Lange erinnerte sich 1989: «Aber die Halbjuden blieben und waren vollkommen gleichberechtigt, da gab's überhaupt keinen Unterschied.» Herr Lange erinnert sich an nur einen nationalsozialistisch gesinnten Lehrer, der die Katholiken in seiner Klasse diskriminierte. Ein Mitschüler beschwerte sich einmal: Sie geben uns ja nur noch schlechte Zensuren, weil wir Katholiken sind!' Da ist der Lehrer ausgeflippt. Es hat einen Riesenkrach gegeben, er hat gebrüllt, aber es ist nichts daraufhin gekommen, denn der Direx hat sowas geradegebogen.» Horst H. Lange, der wie viele seiner Klassenkameraden ein begeisterter Jazz-Fan war, verfügte bereits als Schüler über ein Aufnahmegerät, mit dem es möglich war, Originalschallplatten auf Folien zu kopieren (Foto S. 50). Aber auch direkt aus dem Radio nahm er überwiegend vom englischen Sender BBC gesendete Swing- und Jazzmusik auf. Die Aufnahmegeräte, die eigentlich für industrielle Zwecke gedacht und auch damals schon sehr teuer waren, ritzten mit einem Stahlstichel den Ton in weiche Schallfolien. Die Folien bezog er über «Geheimquellen», z.b. den Fotoladen «Talbot» in der Tauentzienstrasse 1, gegenüber dem KaDeWe. Die so vervielfältigte Swing- und Jazzmusik verkaufte er an Interessenten in der Schule. «Wir hatten das nicht kommerziell aufgezogen; nur zum Spass. Eine Kopie kostete damals etwa 2,50 Mark. 1,50 Mark kostete die Folie. Eine Originalschallplatte kostete auch etwa 2,50 Mark, aber während der Kriegszeit musste man zwei alte dafür hergeben.» (H. Lange, Interview vom ). Alle Jazz-Freunde hatten Spitznamen. Herr Lange hiess «Tommy», und sein Tonstudio «Tommy's Bude». Es war in einem Zimmer der Ladenwohnung hinter dem Blumengeschäft seiner Mutter am Olivaer Platz Nr. 11 eingerichtet. 49

52 Tonstudio von Horst H. Lange Horst H. Lange schrieb in einem Beitrag über Jugendkultur im 20. Jahrhundert «Jazz: eine Oase der Sehnsucht» (1986): «Bereits 1941 gab es Razzien der Gestapo in Schulen, wo nach diesen Tonfolien gesucht wurde. Bei uns kamen sie an einem Tag, an dem zufällig keiner eine Folie mithatte. In anderen Schulen so hörten wir- hatte es Scherereien und Verhaftungen gegeben.» Er berichtet weiter, dass die Jazz-Fans die Musik zu Hause hörten und jede Provokation vermieden, im Gegensatz zur sogenannten «Swing-Jugend», die sich betont anders kleidete und die Musik auch in der Öffentlichkeit hörte, z.b. im Schwimmbad, und manchmal sogar dazu tanzte, «hottete». (Siehe die Charlottenburg- und die Pankow-Reinickendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Für die Jazz-Fans gab es trotzdem «unangenehme Momente, z.b... im Gymnasium, da kam auf einmal die Gestapo, um nach Folien zu suchen. Sie kam einfach in den Unterricht rein,» erinnert sich Herr Lange. Es war etwa Anfang Die Gestapo befahl den Schülern: «Alles aufstehen, Mappen raus!...von der Bank wegtreten!» und es wurden alle Bänke und Mappen durchsucht. Durch reinen Zufall hatte ich an dem Tag nichts mit. Meist hatte ich ja was dabei, manchmal auch amerikanische Comics, die ich dann zeigte. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass ich nichts mithatte... Die Lehrer wussten nichts.» (Interview vom ). Am Fichte-Gymnasium gab es verhältnismässig viele ausländische Schüler, darunter oftmals Söhne von Botschaftsangehörigen und Journalisten, die fast alle im Berliner Westen, rund um den Kurfürstendamm», wohnten. Herr Lange spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer «internationalen Schule». In seine Klasse gingen u.a. Nord- und Süd-Amerikaner und Italiener. 50

53 Jazz-Fan Horst H. Lange «Das erweiterte natürlich den Horizont, und wir waren über vieles aufgeklärt, das den Jugendlichen in anderen Gegenden Deutschlands vorenthalten blieb. So kam ich z.b. schon recht zeitig mit amerikanischen Comics in Berührung, die es sogar noch bis zum Dezember 1939 (!) an den internationalen Zeitungsständen Berlins zu kaufen gab... Ich erwähne dies nur, um zu zeigen, dass man im Grunde genommen alles bekommen konnte, wenn man nur wollte und das Wissen besass., Jazz is where you find it, dies alte Jazzerwort galt auch damals.» Jazzmusik, die bei den Nazis als «Nigger- und Judenmusik» verpönt war, war nie gesetzlich verboten. Ab 1939 gab es zwar ein Rundfunkverbot und mit der Verfügung vom 11. Oktober 1938 wurde «Swingtanz» verboten. Der Swing war die «kultivierte Zähmung» des Jazz (Horst H. Lange). Die Swingjugend wurde in Berlin etwas abwertend «Swing-Heinies» genannt. Sie kristallisierte sich ab 1936 in grösserem Umfang heraus und bestand aus jungen Leuten, die diese Musik in erster Linie zum Tanzen «brauchten». Sie kleideten sich gut, waren gepflegt, hatten etwas längeres Haar, was das Missfallen der Hitlerjugend erregte. «Man trug Zweireiher, weite Hosen, Krawatte oder Fliege, Hüte usw.; im Winter Trenchcoats (à la US-Reporter-Look) oder Kamelhaar- bzw. Teddy-Mäntel, steife Hüte und vereinzelt sogar Gamaschen.» Die «Jazzer» kleideten sich ebenso bewusst wie die «Swing-Heinies», jedoch dezent und ohne aufgesetzte Symbolik, wie zentimeterdicke Kreppsohlen (möglichst gelb) oder breitrandige Hüte. Die «Jazzfreunde» waren untereinander bekannt und somit «halb organisiert», sie trafen sich in loser Verbindung oder in Zirkeln und waren fast alle anti-nationalsozialistisch eingestellt. 51

54 In den Reihen der Organisation Todt Peter Weiss, dessen Vater Jude war, lebte mit seiner Mutter Susanne und seiner Schwester Edith am Kurfürstendamm 132. SeinVaterwar 1938 nach Italien gegangen, nachdem er aus «rassischen» Gründen seine Existenzgrundlage in Berlin verloren hatte wurde er in Neapel interniert, so dass ihn seine Familie nicht mehr wiedersah. Peter Weiss besuchte die Volksschule in der Joachim-Friedrich-Strasse. Der Übergang zum Goethe-Gymnasium in der Westfälischen Strasse wurde ihm als Halbjude verwehrt. Als einziger «Nichtarier» in der Klasse litt er unter regelmässiger Diskriminierung, die seine persönliche Entwicklung zunächst beeinträchtigte. Nach Beendigung der Schulzeit, 1940, bekam Peter Weiss aufgrund seiner Herkunft keine Lehrstelle, sondern musste als Landhelfer bei einem Bauern arbeiten. Erst über Umwege und Beziehungen erhielt er 1941 eine Lehrstelle in einem Installations-Betrieb. Als Peter Weiss Ende 1943 seine Gesellenprüfung abgelegt hatte, bekam er im März 1944 eine Vorladung vom Landesarbeitsamt. Peter Weiss erinnert sich: «Ich war also 17 oder gerade 18 geworden. Ich wurde die Treppe raufgeschickt. Da standen Uniformierte mit Gewehren....Ich kam zu einem Arzt, der hat einen nur angeguckt und gesagt: «Alles in Ordnung!» und,geh n Sie zum Vermittler!» Da bekam ich einen Dienstverpflichtungsbescheid, da stand drauf.aktion Hase». Das war die Aktion, die für jüdisch Versippte durchgeführt wurde, die nicht mehr wehrunwürdig waren... Man sagte mir, am Montag sollte ich morgens um 7 Uhr in Eichkamp sein.» In Eichkamp, nicht weit vom Bahnhof Grünewald, lag eine Barackenverwaltung der «Organisation Todt» (O.T.). Susanne Weiss begleitete ihren Sohn dorthin. Nach Stunden des Wartens mussten alle jungen Männer draussen antreten. «... da haben sie uns abgezählt, haben die Namen festgestellt. Es sollten wohl 200 sein. Es waren aber nur 187 da, also 13 sind offenbarweggeblieben, sind gar nicht erst gekommen. Die Leute mit den Maschinengewehren bildeten um uns einen Kordon. Dann mussten wir losmarschieren in Richtung Bahnhof Grünewald. Meine Mutter und die anderen Angehörigen, die da waren, zogen hinterher. Wir gingen durch den Tunnel, der unter der S-Bahn durchführte zur anderen Seite. Da sind zwei abgehauen, da es im Tunnel so schummerig war. Da waren die Aufgänge zu den einzelnen S-Bahnsteigen, und da sind noch zwei weggekommen... Ich hätte ja gar nicht gewusst, wo ich hin sollte und wovon ich hätte leben sollen... Dann brachten sie uns zum Güterbahnhof Grünewald... Am Aufgang zum Bahnhof mussten die Angehörigen stehen bleiben...wir bekamen eine Suppe zu essen, dann wurden wir eingeteilt zu je 40 in einem Güterwagen. Rechts und links lag ein Ballen Stroh, den wir uns verteilen konnten. Es war gar nicht genug Platz, dass da alle liegen konnten.» Peter Weiss erhielt von seiner Mutter über einen Wachmann eine Aktentasche mit einem Brot und einer Flasche Mineralwasser, die später noch eine wichtige Rolle spielte. Gegen Abend ging der Transport los. 52

55 Peter Weiss «Wir sassen da drin und wussten nicht, wo das hingeht Es gab für jeden Wagen ein Brot und ein Päckchen Margarine. Wir teilten uns das Brot ein, jeden Tag gab es einen Abschnitt... Wir bekamen nichts mehr zu essen, obwohl die Fahrt insgesamt etwa zehn Tage dauerte.» Schlafen konnten die Zwangsverpflichteten jeweils nur zwei Stunden, da im Güterwaggon auf jeder Seite nur acht liegen konnten, während die anderen dicht gedrängt in der Mitte sassen. Für die Wachmannschaften, strafversetzte SS-Leute, war ein richtiger Personenwaggon angehängt worden. Unterwegs blieb der Zug von Zeit zu Zeit auf einem Abstellgleis stehen, die Wachleute umstellten den Zug, machten die Türen auf und liessen Gefangene zum Austreten heraus. Die Fahrt ging Richtung Westen. Am 9. Tag hielt der Zug in Brüssel auf einem riesigen Güterbahnhof... Da durften wir uns wie bei jedem Halt beim Posten melden, um hinter den Güterwagen auszutreten. Dabei entdeckter einer von uns Waggons mit Rotweinfässern. Da sind wir einer nach dem anderen austreten' gegangen, haben die Kontrollpfropfen an den Fässern geöffnet und jeweils eine Flasche abgefüllt.» Es war die einzige Flasche, über die die Gefangenen verfügten, die Mineralwasserflasche, die Peter Weiss noch kurz vor seiner Deportation von seiner Mutter erhalten hatte. Die meisten der Gefangenen waren nach kurzer Zeit betrunken, da sie seit neun Tagen kaum etwas gegessen oder getrunken hatten. 53

56 Durch den Alkohol wurden wir mutig. Wie auf ein Kommando stürzten wir aus den Güterwagen und bauten uns vorn bei den D-Zugwagen auf, wo die Wachmannschaften sassen. Einer von uns, so ein Grosser, riss sich das Hemd vorne auf und brüllte:.schiesst uns doch gleich tot, bevor ihr uns verhungern lasst Die Wachmannschaften standen da, totenbleich, legten kein Gewehr an, nichts. Der Kommandant sagte:.seid doch vernünftig...' Er versprach uns, Essen zu beschaffen. Nach einer halben Stunde kam das Rote Kreuz mit einem Wagen, und wir kriegten warme Suppe und Brot...» Peter Weiss erlebte zum ersten Mal, wie in bestimmten Situationen Ohnmächtige mächtig werden. Im weiteren Verlauf seiner Deportation bis zum Bunkerbau an der französischen Kanalküste bekam Peter Weiss aber schliesslich die Rache seiner Bewacher zu spüren, durch stundenlanges Appellstehen, mangelnde und schlechte Nahrung sowie Schwerstarbeit und harte, willkürliche Bestrafungen. Nach einer missglückten Flucht gelang es Peter Weiss im April 1945 mit gefälschten Papieren erneut zu fliehen und sich nach Berlin durchzuschlagen. Seine Mutter versteckte ihn während des letzten Kriegsmonats. 54

57 Neu Beginnen Seit 1929 hatte sich in Berlin um den Marxisten Walter Löwenheim eine geheime Organisation gebildet, die sich zunächst nur «Org» nannte und nach dem leninistischen Modell von Berufsrevolutionären aufgebaut war. Junge, radikale Funktionäre der SPD, KPD und anderer Linksparteien schlossen sich ihr an, da sie davon überzeugt waren, dass die Arbeiterbewegung der drohenden Gefahr des internationalen Faschismus nicht gewachsen sei. Über den,bruderkampf der linken Parteien verzweifelt und überzeugt davon, dass die Nazis die Arbeiterbewegung zerschlagen würden, wollten sie, dass zumindest ein kleiner, elitärer Kern die faschistische Periode überlebte, um eine politische Alternative zu bieten, sobald die Zeit für ein neues Beginnen gekommen war. Unter dem Decknamen Miles gab Walter Löwenheim im September 1933 seine in Deutschland geschriebene und in Karlsbad gedruckte Schrift «Neu beginnen! Faschismus oder Sozialismus» heraus. Sie gelangte auch in den deutschen Untergrund und erregte unter Sozialisten viel Aufsehen, da der Autor im Gegensatz zur SPD und KPD mit einer längeren terroristischen Herrschaft rechnete. Miles schrieb: «Darum lehnen wir auf das Schärfste alle terroristischen Massnahmen und solche Kampfmethoden ab, die, auf Illusionen über den Faschismus beruhend, unnötige Opfer fordern, ohne dem Kampfe gegen das System irgendwie zu nützen.» Die Widerstandsgruppe, die von nun an Neu Beginnen oder «Miles»-Gruppe hiess, lehnte gefährliche Widerstandsaktionen, wie Massenverbreitung von Flugblättern, ab. Sie trat nach aussen durch keinerlei Propagandatätigkeit innerhalb Deutschlands in Erscheinung. Die Mitglieder, 1933 rund 100 Personen und etwa 200 Sympathisanten, wurden in kleinen Gruppen zu drei bis fünf Teilnehmern zusammengefasst. Oft kannten sie sich nur unter ihren Decknamen und trafen sich im Freien oder in ihren Privatwohnungen. Die Kleingruppen analysierten die politische Situation in Deutschland, veranstalteten Schulungsabende und sammelten Informationen aus Betrieben, über die Aufrüstung und die Stimmung in der Bevölkerung. Zu Aufklärungszwecken gingen Berichte ins Ausland. Die Mitglieder der kleinen Arbeitsgruppen erfuhren erst allmählich, dass sie Teil einer grösseren Organisation waren spaltete Neu Beginnen sich auf, da Löwenheim (zuletzt Babelsberger Strasse) emigrieren und den Faschismus vom Ausland aus weiter bekämpfen wollte. Dagegen bildete sich eine Opposition um Richard Löwenthal, Karl Frank und Werner Peuke, die Löwenheim «absetzten». Dieser reiste verärgert mit einem Teil seiner Anhänger ins Exil, um von dort aus die Widerstandsarbeit fortzusetzen. Sein letzter Wohnort lag ab 1936 in Grossbritannien. Bald darauf gelang der Gestapo ein empfindlicher Schlag gegen die illegale Gruppe. Im Juli 1935 hatte sie zwei Koffer mit geheimen Aufzeichnungen der «MiIes»-Gruppe aus dem Müggelsee gefischt. Die Gestapo verhaftete daraufhin verschiedene Mitglieder von Neu Beginnen, darunter sechs Wilmersdorfer. In drei Berliner Prozessen wurden 1936/37 insgesamt 36 Personen angeklagt und zu mehrjährigen Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt. Ehemalige Kommunisten waren dabei zuvor brutalen «Verhören» ausgesetzt gewesen. Trotz aller Verfolgungsmassnahmen schaffte die Gestapo es nicht, die Widerstandsarbeit von Neu Beginnen bis 1945 ganz auszuschalten. 55

58 George Eliasberg und Ernst Bry George Eliasberg Deidesheimer Strasse 10 Der Chemiker Dr. George Eliasberg ( ) gehörte zusammen mit Richard Löwenthal ( ) Ende der zwanziger Jahre zur Reichsleitung der kommunistischen Studentenorganisation «Kostufra». Beide schlossen sich vor 1933 der Gruppe Neu Beginnen an, in der Dr. Eliasberg während der illegalen Tätigkeit bald eine führende Stellung einnahm. Eliasberg, der in der Deidesheimer Strasse 10 wohnte, agierte unter dem Decknamen Stefan Neuberg. Seine Lebensgefährtin war Erna Franke mit dem Decknamen Ilse Schwarz, da sie ebenfalls zu NB gehörte wurde Eliasberg ausgebürgert und musste als «Nicht-Arier» seine akademische Laufbahn beenden. Aufgrund des «Müggelsee-Fundes» verhaftete die Gestapo Dr. Eliasberg Anfang September Erna Franke konnte flüchten. Eliasberg kam in die Prinz-Albrecht-Strasse und das KZ Columbia-Haus, wo er misshandelt wurde und dauerhafte Schäden seiner Gesundheit davontrug. Eliasberg war einer der Hauptzeugen im Prozess Es gab nur wenige Beweise und in erster Linie Vermutungen gegen ihn, so dass er seine Verteidigung darauf abstellte, dass die ganze Gruppe bereits in der Auflösungsphase begriffen war und sich überhaupt «nur» mit weltanschaulichen Theorien beschäftigt hatte. (Einige seiner Mitverschwörer verübelten ihm später diese Argumentation während des Prozesses.) Trotzdem erhielt Eliasberg eine viereinhalbjährige Zuchthausstrafe. Ausserdem wurde ihm im September 1936 sein Doktortitel von der Universität Berlin entzogen. Anfang 1940 erhielt er als «unerwünschter Ausländer» die Ausweisung aus dem Deutschen Reich und musste unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus am 8. März 1940 das Land verlassen. Über Italien, wo er zwei Monate interniert wurde, und die Dominikanische Republik gelangte George Eliasberg 1941 nach New York. Dort arbeitete er als Kommentator für die deutschen Sendungen der «Stimme Amerikas» unter dem Pseudonym Stefan Weyl. Nach dem Kriegsende nahm er sofort wieder Kontakt zu alten Kampfgefährten in Deutschland auf, so zu Fritz Erler und Kurt Mattick, und half ihnen beim Wiederaufbau der Sozialdemokratie. Er selbst kehrte erst in den 60er Jahren nach Deutschland (West) zurück. 56

59 Ernst Bry Landshuter Strasse 3 Zur Arbeitsgruppe um Dr. Eliasberg gehörte der Student Ernst Bry (Jg. 1917), der in der an Wilmersdorf angrenzenden Landshuter Strasse 3 bei Bendix wohnte und bereits als Gymnasiast 1934 zu N B stiess. Ertrug den Decknamen Klatt und nahm an Zusammenkünften teil, in denen über «Neu beginnen!» referiert wurde hielt Ernst Bry einen Grossteil des Organisationsnetzes, etwa Personen, zusammen. Nach den ersten Verhaftungen liess Bry aus Sicherheitsgründen die politische Arbeit zumeist ruhen. Die Mitglieder beschränkten sich auf die Betreuung der Inhaftierten und ihrer Familien. Dennoch wurde Ernst Bry im April 1936 mit dreizehn weiteren Gruppenmitgliedern verhaftet. Bry erhielt mit einem Jahr Gefängnis eine relativ milde Strafe. Nach seiner Entlassung im Mai 1937 emigrierte er nach Palästina. Hedwig Leibetseder Düsseldorfer Strasse 14 Die Jüdin Dr. Hedwig Leibetseder ( ) wohnte in der Düsseldorfer Strasse 14 und kam 1930/31 durch Eberhard Wiskow, einen alten Vertrauten Löwenheims, zu NB. Sie nahm an zahlreichen Wohnungstreffs teil, die mitunter auch bei ihr stattfanden, und führte innerhalb der Gruppe den Namen Gertrud Rath. Da sie zum eingeweihten engeren Kreis von NB gehörte, hat sie Mitglieder geworben und Beiträge eingezogen. Darüber hinaus erhielt sie Berichte aus den Betrieben, wertete sie aus und leitete sie weiter. Als sich NB 1935 spaltete, blieb sie Anhängerin der «Miles»-Gruppe um Walter Löwenheim, ebenso wie ihr Mann Walter Leibetseder, der selbst Leiter einer Fünfergruppe war. Im April 1936 fuhr Hedwig Leibetseder nach Prag, um die Anklageschrift des ersten Prozesses gegen N B in Mikrofotografie ins Ausland zu bringen. Bei ihrer Rückkehr wurde sie festgenommen. Durch einen Selbstmordversuch wollte sie sich ihrer Verhaftung entziehen: 57

60 sie sprang aus dem 5. Stockwerk des Hinterhauses Düsseldorfer Strasse 14. Wie durch ein Wunder überlebte sie mit schweren Rippenbrüchen, Verletzungen der Wirbelsäule und teilweisem Gehörverlust Im Prozess gegen «Leibetseder und Genossen» erhielt sie eine zwei Jahre und vier Monate dauernde Zuchthausstrafe, ihr Mann dagegen «nur» drei Jahre Gefängnis. Hedwig Leibetseder kam nach ihrer Strafzeit erneut in Gestapohaft in das KZ Lichtenburg. Aufgrund ihrer «rassischen» Herkunft musste sie sich von ihrem Mann scheiden lassen und wurde schliesslich im März 1939 nach Wien entlassen, da sie gebürtige Österreicherin war. Später folgte sie Walter Löwenheim ins Exil nach England. Edith Jacobsohn Edith Taglicht Edith Jacobsohn Zähringerstrasse 3a Die Nervenärztin Dr. Edith Jacobsohn ( ) gehörte seit Anfang 1933 zu N B und führte den Decknamen John. Sie wohnte in der Zähringerstrasse 3a und stellte ihre Wohnung für Zusammenkünfte zur Verfügung. Erna Franke und Edith Schumann arbeiteten mit ihr zusammen. Sie selbst hielt ebenfalls Referate, die als psychoanalytische Vorträge getarnt waren, jedoch in politischen Diskussionen über Marxismus und Faschismus endeten. Ende 1935 verhaftete die Gestapo Dr. Jacobsohn, was internationale Proteste in Psychoanalytikerkreisen auslöste, da sie sich bereits seit 1928 einen Namen als Lehranalytikerin gemacht hatte. Sie weigerte sich, Informationen über Patienten an die Gestapo weiterzugeben. Stattdessen schrieb sie während ihrer eigenen Haftzeit zwei Arbeiten unter dem Titel «Beobachtungen über die psychologische Auswirkung der Verhaftung bei weiblichen politischen Gefangenen», die sie später in New York veröffentlichte wurde Edith Jacobsohn zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie erkrankte Ende 1937 und lernte in der Krankenstation Hedwig Leibetseder kennen. Anfang 1938 erhielt Frau Jacobsohn einen Krankenurlaub und durfte die Haftanstalt kurzfristig verlassen. Sie nutzte die Gelegen- 58

61 heit zur Flucht über die «grüne Grenze» nach Prag und schliesslich New York, wo sie 1940 anfing, als Psychoanalytikerin zu praktizieren. Dort wurde sie eine Autorität in der Deutung und Behandlung von Depressionen. Edith Taglicht Pariser Strasse 18a Die Österreicherin Dr. Edith Taglicht ( ) kam 1927 nach Deutschland und arbeitete ab 1928 als Religionslehrerin der jüdischen Gemeinde in Berlin bis zu ihrer Verhaftung Ende Sie war an der Rückert-Schule in Schöneberg tätig und wohnte in der Pariser Strasse 18a bei Paret. Sie stellte ihre Wohnung für Treffen zur Verfügung und übernahm Kurierdienste. Innerhalb der Gruppe NB trug sie den Decknamen Ted. Nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft emigrierte sie in die Vereinigten Staaten (1939) und eröffnete 1940 eine Privatschule für lernbehinderte Schüler, die bis 1989 existierte. Edith Schumann Kurfürstendamm 111 Zu dem illegalen Kreis von NB, der sich u.a.in der Wohnung von Dr. Edith Taglicht in der Pariser Strasse 18a traf, gehörte neben Dr. Edith Jacobsohn eine dritte Frau mit dem Vornamen Edith und einem Doktortitel: Die Nationalökonomin Dr. Edith Schumann (Jg. 1886). Edith Schumann gehörte von der SPD an, wechselte dann zum Spartakusbund, aus dem 1919 die KPD entstand. Sie nahm an der Münchener Räterepublik teil und war deswegen von Mai bis Juli 1919 in Haft ging Frau Schumann nach Berlin und war Frauensekretärin beim ZK der KPD. Von 1924 bis 1928 wurde sie nach Russland geschickt und war Sekretärin von Clara Zetkin in Moskau. In dieser Zeit führte sie den KPD-Decknamen Herta Sturm. Aufgrund von politischen Differenzen mit dem ZK kehrte Frau Schumann Anfang Oktober 1928 nach Berlin zurück. Sie wohnte am Kurfürstendamm 111. Obwohl sie führende Funktionärin und Rednerin der KPD gewesen war, erhielt sie in Berlin keine Parteiaufgaben mehr. Sie arbeitete aushilfsweise beim Arbeitsamt Süd-West und dem Statistischen Reichsamt. Obwohl ihre KPD-Tätigkeit 1928 bereits beendet war, nahmen die Nationalsozialisten Edith Schumann von März 1933 bis Januar 1934 in «Schutzhaft». Nachdem sie aus der Haft entlassen war, kam sie in Kontakt zu Walter Löwenheim und später, nach dessen Emigration, zu Erna Franke. Mit ihr zusammen war Edith Schumann beauftragt, die Provinzarbeit zu leisten. Beide waren engste Mitarbeiterinnen von Eberhard Wiskow, der die Provinzkontakte für die Informationsbeschaffung koordinierte. Innerhalb der illegalen Arbeit für NB führte Edith Schumann die Decknamen Gerda Stein und Ellen Croner. Sie hatte Kontakt zu George Eliasberg, betreute selbst eine Arbeitsgemeinschaft und leitete Berichte weiter, die sie in ihrer Gruppe sammelte. Im Sommer 1935 kam die Anweisung, die illegale Arbeit einzustellen, was jedoch nur teilweise geschah. Im September 1935 verhaftete die Gestapo Edith Schumann und folterte sie offenbar, da in der Anklageschrift davon die Rede ist, dass sie bestimmte Namen «nicht preisgeben» wollte. Draufhin beging Frau Schumann einen Selbstmordversuch und hinterliess der Anklageschrift zufolge einen Abschiedsbrief mit u.a. folgendem Inhalt: «Ich kann aber auch nicht die Wahrheit sagen, denn ich darf keinen meiner einstigen politischen Gesinnungsfreunde belasten. Darum muss ich schweigen.» 59

62 Edith Schumann erhielt eine hohe Zuchthausstrafe und ging nach Verbüssung der Haft, laut Aussage der Witwe des führenden SAP-Mitglieds Jacob Walchers, ins Exil, wo sie verstarb. Kontakte zur «Deutschen Volksfront» Hermann Brill, Karlsruher Strasse 13 Ende 1936 war die Mitgliederzahl von NB in Berlin aufgrund der vielen Verhaftungen und Emigration von «Miles»-Anhängern auf etwa 30 Personen zurück gegangen. Um die eigene Isolierung zu durchbrechen, ergaben sich durch die Vermittlung sozialistischer Exilkreise Kontakte zur «Deutschen Volksfront». Die «Deutsche Volksfront» war im Dezember 1936 von den ehemaligen USPD-Mitgliedern Otto Brass ( ) und Dr. Hermann Brill ( ) gegründet worden. Hermann Brill, der in der Karlsruher Strasse 13 wohnte, war der geistige Kopf der Gruppe. Die ursprünglich 27 Diskussionspunkte zur «Gründung einer Deutschen Volksfront» fasste er in zehn Punkten zusammen. Nach diesem Programm wurde die Gruppe im Exil auch «10-Punkte-Gruppe» genannt. Kurzgefasst lauteten die Forderungen: 1. Sturz und Vernichtung der Diktatur 2. Recht und Gerechtigkeit für alle 3. Freiheit des Glaubens und der Weltanschauung 4. Volle Selbstregierung und Selbstverwaltung des deutschen Volkes 5. Einstellung des Wettrüstens und der Kriegswirtschaft 6. Volle Aussöhnung und Verständigung mit Frankreich 7. Beseitigung der Not und Arbeitslosigkeit 8. Rettung der Spareinlagen und Versicherungen vor der Inflation 9. Aufhebung der Zwangswirtschaft und Einziehung des Grossgrundbesitzes 10. Verstaatlichung der Schwerindustrie, der Chemie, der Energieerzeugung und der Banken Otto Brass reiste im Januar 1937 über die «grüne Grenze» nach Prag und überreichte dem Exil-Parteivorstand der SPD das 10-Punkte-Programm. Ausserdem knüpfte er Kontakte zum ZK der KPD, um auch die kommunistische Seite für die «Deutsche Volksfront» zu gewinnen. Die «Zehn-Punkte» fanden weite Verbreitung im Deutschen Reich. Radio Barcelona und ein illegaler Sender in Berlin-Treptow bzw.-lichtenberg sendeten sie (laut Brill). Aufgrund der kontroversen Diskussion in sozialistischen Kreisen schrieb Hermann Brill Anfang 1938 noch einen Kommentar dazu, der unter dem Titel «Freiheit» im März und April 1938 an alle Vertrauensleute in Deutschland verschickt wurde. Darin heisst es u.a.: «Die Volksfront ist keine imaginäre Grösse. Die Volksfront besteht in Deutschland. Sie lebt in den Herzen und Gehirnen aller derjenigen, die Freiheit statt der Unterdrückung, die Selbstbestimmung statt der Führung 1, Recht und Gerechtigkeit statt Terrorismus, Frieden statt Kriegsdrohungen,..., Butter statt Kanonen wollen... Die Volksfront ist die Einheitsfront derjenigen, die unter der Diktatur anständig und vernünftig geblieben sind». 60

63 Während Brass über Prag die Verbindung zu N B durch Kurt Schmidt herstellte, reiste Hermann Brill im Dezember 1937 nach Brüssel, um mit Fritz Adler, dem Sekretär der Sozialistischen Arbeiter-Internationale über eine Anerkennung des 10- Punkte-Programms durch die Internationale zu verhandeln. Darüber hinaus fanden regelmässig Teffen der Gruppe im Jahr 1937statt, häufig in Brills Wohnung. Es wurde über politische und wirtschaftliche Tagesfragen diskutiert. Hermann Brill hatte dazu Artikel der Auslandspresse übersetzt. Kurt Schmidt von N B verfasste Stimmungsberichte aus den Betrieben und tauschte sie mit Schriften der Gruppe Brill/Brass aus. In dieser Zeit bestritt Frau Martha Brill den Lebensunterhalt für ihren Mann und die Kinder, da Hermann Brill 1933 aus dem Staatsdienst entlassen worden war. Von 1920 bis 1933 war Brill Mitglied des Landtags in Thüringen gewesen. Er gehörte seit 1922 der SPD an und promovierte 1928 in der Rechtswissenschaft. Zum Richter ernannt, führte Brill bereits damals einen zähen Kampf gegen die thüringischen Nationalsozialisten, vor allem gegen den NSDAP-Innenminister Frick, dessen Sturz Brill schliesslich erreichte. Es ging dabei um den Einbürgerungsversuch des Österreichers Hitler 1930/31. In einem Untersuchungsausschuss (1932) vernahm Hermann Brill Hitler als Zeuge. Nach der Sitzung fasste er den Entschluss, sich «diesem Manne zu widersetzen». In seinem Buch «Gegen den Strom» schrieb Hermann Brill 1946: «Ich hatte Hitler gehört und gesehen, länger als 30 Minuten hatte er mir gegenüber gestanden und auf meine Fragen antworten müssen. Ich besass ein aus eigener Anschauung geschöpftes wohlbegründetes Urteil über ihn. Er erschien mir damals als ein hysterischer Brutalist, ungebildet, zynisch, durch und durch unwahrhaftig, arrogant, unbeherrscht, bereit, jeden anderen physisch und moralisch niederzuschlagen.» 61

64 Die Nationalsozialisten rächten sich nach ihrer Machtübernahme an Brill und 1935 nahmen sie ihn vorübergehend in «Schutzhaft» entzogen sie ihm die Pension. Daraufhin war Brill erwerbslos und konnte nur noch teilweise unter anderem Namen in Wirtschaftszeitungen einige Artikel veröffentlichen. Seine Wohnung wurde dreimal von der Gestapo durchsucht, die einen Grossteil seiner wertvollen Bibliothek beschlagnahmte. (Berichtet 1989 Edeltraut Schönewald, Brills spätere, langjährige Mitarbeiterin.) Durch eine Unvorsichtigkeit flog die «Deutsche Volksfront» im September 1938 auf. Wegen der «Flut gehässigster und feindseligster Angriffe gegen die nationalsozialistische Regierung», d.h. Vorbereitung zum Hochverrat, wurden Hermann Brill und Otto Brass vom Volksgerichtshof im Juli 1939 jeweils zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt Des Weiteren wurden der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und preussische Landtagsabgeordnete Johannes Kleinspehn (Gasteiner Strasse 27) und die Buchhalterin Franziska Polatscheck (Gasteiner Strasse 27) verurteilt, weil sie bei der Vervielfältigung der Matrizen für die Untergrundschrift «Freiheit» mitgewirkt hatten. Beide Widerstandskämpfer verschleppte man nach Verbüssung ihrer Strafe ins Konzentrationslager. Dort kamen sie ums Leben. Weil Hermann Brill im Zuchthaus Brandenburg illegal eine Gedenkstunde für einen Sozialdemokraten hielt, wurde er in das KZ Buchenwald verlegt. Dort schützte ihn die Solidarität der politischen Mitgefangenen. Heimlich stand er mit an der Spitze eines von Häftlingen aus 16 Nationen gebildeten internationalen Volksfrontkomitees. Als «Bund demokratischer Sozialisten» veröffentlichte das Komitee nach der Befreiung des Konzentrationslagers das «Buchenwälder Manifest» vom 13. April 1945 für «Frieden, Freiheit, Sozialismus!» Nach dem Krieg wurde Hermann Brill zunächst Ministerpräsident von Thüringen, floh aber wegen der Verfolgung unabhängiger Sozialdemokraten. Von war er Staatssekretär in der hessischen Staatskanzlei und danach Professor an der Universität Frankfurt am Main. 62

65 Die Sozialistische Arbeiterpartei Leitungsmitglied Walter Fabian Seesener Strasse 67 Ein Teil der SPD-Linken gründete im Oktober 1931 die SAP aus Opposition gegen den Panzerkreuzerbau und die Tolerierungspolitik der SPD in Bezug auf die sozial sehr harten politischen Massnahmen des Reichskanzlers Heinrich Brüning. Im April 1932 trat eine Minderheit der Kommunistischen Opposition (KPO) der SAP bei und führte ihr eine Gruppe erfahrener Arbeiterfunktionäre zu. Reichsweit verfügte die SAP nun über ca Mitglieder gab es etwa Anhänger in Berlin, darunter annähernd 800 junge Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Arbeiter, Schüler, Journalisten, Angestellte und Studenten. Obwohl die SAP bei Wahlen politisch einflusslos blieb, bildete sie einen höchst aktiven Teil der deutschen Arbeiterbewegung. Sie kämpfte kompromisslos für die Einheitsfront der Arbeiter gegen den Faschismus. Dabei machten sich ihre Mitglieder über die tatsächliche Entwicklung in Deutschland keine Illusionen. Frühzeitig bereiteten sie sich auf Verbot, Verfolgung und Illegalität vor. Auf ihrem zweiten illegalen Parteitag im März 1933 in der Nähe von Dresden beschlossen die Delegierten, Widerstand gegen die NS-Diktatur zu leisten und neben der Inlandsleitung ihrer Partei eine Auslandsleitung mit Sitz in Paris zu bilden. In derzeit von wurden allein in Berlin weit über 100 SAP-Mitglieder von der Gestapo verhaftet, 50 von ihnen verurteilt und zehn hingerichtet. In der Untersuchungshaft erlitten die meisten schwere Misshandlungen mit lebenslangen seelischen und körperlichen Folgen. Dabei entwickelte die SAP ihre Widerstandsarbeit unter grössten Vorsichtsmassnahmen. Illegale Zusammenkünfte fanden an ständig wechselnden Orten statt, Decknamen wurden benutzt, und gefährdete Mitglieder tauchten sofort unter oder wurden über die «grüne Grenze» ins Exil geschleust. Mit illegalen Kampfschriften wie dem «Banner des revolutionären Marxismus», den «Informationen aus Politik und Wirtschaft» oder «Was will die SAP?» förderte die Partei einen Sammlungsprozess der aktivsten und unabhängigsten Kräfte der Arbeiterbewegung zum Sturz des Faschismus. Der Inlandsleitung der SAP gehörten neben dem Neuköllner Max Köhler, Klaus Zweiling und Dr. Walter Fabian an. Dr. Fabian war Chefredakteur der einzigen Tageszeitung der SAP, der Sozialistischen Arbeiterzeitung (SAZ), in Breslau gewesen und nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 untergetaucht. Von Breslau ging Fabian nach Berlin, wo er sich leichter verbergen konnte. Für einige Monate wohnte er bei seinem Verwandten Dr. Hoffnung in der Seesener Strasse 67 in Wilmersdorf. Ab August 1933 lebte er ständig wechselnd zur Untermiete, bis er im Frühjahr 1934 eine «Sommerwohnung» in Neubabelsberg fand. Aber auch diese Bleibe musste Dr. Fabian Anfang Januar 1935 fluchtartig verlassen, um über das verschneite Riesengebirge illegal in die Tschechoslowakei zu gelangen. Wenige Stunden nach seiner Flucht erschien die Gestapo in Neubabelsberg, um Walter Fabian zu verhaften. Nachdem Max Köhler und Klaus Zweiling im August 1933 bereits festgenommen worden waren, hatte Walter Fabian bis Januar 1935 die Reichsorganisation der SAP weitgehend alleine weitergeführt. Sein Exil führte ihn nach Paris, wo er in der 63

66 Auslandszentrale der SAP mitarbeitete, die ein vordringliches Ziel darin sah, mit Hilfe von Veröffentlichungen die Selbstdarstellung des NS-Regimes zu entlarven. Heimlich wurden zuverlässige Informationen von und nach Deutschland geschmuggelt und in viele Städte des Reiches weitergeleitet Dabei halfen persönliche Beziehungen zu ausländischen Botschaften, aber auch solidarische Eisenbahner oder Binnenschiffer aus Nachbarstaaten, die bei ihren Dienstfahrten über die Grenze illegale Kampfschriften mitnahmen. Walter Fabian beschrieb 1981 den Sinn seiner Untergrundarbeit so: «Wir arbeiteten für die Zukunft, für das, was nach Hitler kommen würde. Unser Widerstand war in gleichem Masse moralischer wie politischer Natur: Wir wollten möglichst vielen Sozialisten und anderen Nicht-Nationalsozialisten Kraft geben, ihren Idealen treu zu bleiben und ihre Zuversicht zu bewahren». Käthe Schuftan Hohenzollerndamm 206 Die Malerin Käthe Schuftan (Jg. 1899) war mit dem Bezirksleiter der SAP in Breslau, Rechtsanwalt Dr. Ernst Eckstein, sehr eng befreundet gewesen. Die Gestapo verhaftete Ernst Eckstein gleich nach dem Reichstagsbrand und folterte ihn in der Haft zu Tode. Seine Freundin, Frau Schuftan, war als Jüdin und Sozialistin besonders gefährdet. Sie flüchtete nach Berlin und wohnte am Hohenzollerndamm 206 bei Frankenstein. Da sie sich weiter an der Widerstandsarbeit der SAP beteiligte, wurde sie zusammen mit anderen Mitgliedern der Gruppe Ende November 1933 verhaftet. Mehrere SA-Männer im Gestapo-Haus Rosinenstrasse in Charlottenburg misshandelten Käthe Schuftan seelisch und körperlich. Sie wurde mit einem Gummiknüppel geschlagen, ausgezogen und mehrfach ausgepeitscht. Ein SA-Mann brüstete sich später dem Mitgefangenen Hans Ils gegenüber, er habe «die Schuftan zur Sau gemacht». (Siehe die Charlottenburg-Darstellung dieser Schriftenreihe.) 64

67 Ausserdem beschlagnahmte die Gestapo 60 Bilder der Malerin und vernichtete sie. Zwei Werke, die das Museum in Breslau angekauft hatte, wurden noch auf der Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt und dann zerstört. Im Massenprozess vor dem Volksgerichtshof gegen «Köhler und Genossen» Ende November 1934 erhielt Käthe Schuftan eine zweijährige Gefängnisstrafe. Ihr wurde u.a. vorgeworfen, unter dem Decknamen «Ruth Kaspar» Kurierdienste und die Zeitungs- und Flugblattverteilung im Unterbezirk Westen geleistet zu haben. Ausserdem half sie Walter Fabian bei seinem illegalen Schriftverkehr, indem sie Geheimbriefe an eine Deckadresse in Paris schickte sowie mit Geheimtinte Briefe nach Prag schrieb. Da die Untersuchungshaft angerechnet wurde, kam Käthe Schuftan am 1. Dezember 1935 aus dem Frauengefängnis frei. Als Jüdin betrieb sie ihre Auswanderung, die im Jahre 1939 erfolgte. Sie ging nach England, wo sie sich jahrelang als Hausangestellte durchschlagen musste. Nach 1948 versuchte sie wieder als Künstlerin tätig zu sein, was ihr in England jedoch nur sehr geringe Einkünfte brachte. Hans Ils Kurfürstendamm 136 Ende Dezember 1933 wurde Hans Ils (Jg. 1906) verhaftet und ebenso wie Käthe Schuftan von SA-Leuten schwer misshandelt. Ils, der in Berlin Jura studierte und am Kurfürstendamm 136 lebte, war 1928 in die SPD eingetreten und gehörte seit 1931 als Gründungsmitglied der SAP an. Im Frühjahr 1933 war Hans Ils an der Umstellung der SAP auf die Illegalität massgeblich beteiligt. Die politische Arbeit bestand in erster Linie im Sammeln von Nachrichten, Verbreiten von Informationen und Einrichten unverdächtiger Stützpunkte. Ausserdem versteckte Ils den Hamburger Fluchthelfer Cohn-Süss in seiner Wohnung und besorgte verschiedene Deckadressen, wo illegale Post aus Prag, Basel, Paris und Oslo einging. Dies wurde ihm bei seiner Verurteilung (zwei Jahre Zuchthaus) besonders vorgeworfen. Ils, der u.a. im KZ Oranienburg litt, stand nach seiner Haftentlassung unter Polizeiaufsicht. Eine Fortführung seines Jurastudiums wurde ihm verweigert. Er arbeitete als Angestellter und sollte 1943 zur «Bewährung vordem Feind» an die Front, war wegen einer Gelbsuchterkrankung jedoch nicht «verwendungsfähig» trat er wie viele SAP-Mitglieder der SPD bei. In den sechziger Jahren wirkte er als Bundestagsabgeordneter. Werner Jahr und Peter Loewy Weitere Mitglieder der SAP, die in Wilmersdorf lebten, waren der Angestellte Werner Jahr (Jg. 1913) und Peter Loewy ( ). Jahr, der in der Kaiserallee 26 (Bundesallee) wohnte, gehörte von November 1931 bis September 1932 dem Sozialistischen Jugendverband (SJV) der Berliner SAP an. In der illegalen Zeit der Partei stellte er seine Wohnung als Deckadresse zur Verfügung und beauftragte den Schüler Wolfgang Bötzer, Kurierdienste zu erledigen. Ausserdem deponierte Käthe Schuftan illegale Schriften bei Werner Jahr. Er wurde zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Ähnlich milde fiel das Urteil für den Angeklagten Peter Loewy aus, der Zeitungen der SAP verteilt und seine Wohnung als Deckadresse zur Verfügung gestellt hatte. Er empfing mehrere Briefe aus dem Ausland und leitete sie weiter. Nach seiner Verhaftung kam er in das KZ Columbiahaus und wurde dort misshandelt. Später sass er in Einzelhaft in der Strafanstalt Plötzensee. 65

68 Seine Haftentlassung fand am 1. August 1935 statt. Erwanderte nach Palästina aus und verstarb dort Die relativ geringen Haftstrafen in diesem zentralen SAP-Prozess waren z.t. auf eine internationale Protestkampagne zurückzuführen, die SAP-Exilpolitikerwie Willy Brandt organisiert hatten. Besonders in Paris erregte der Prozess Aufsehen, so dass Ende Oktober 1934 etwa Arbeiterin einer Grossveranstaltung die Freilassung der Angeklagten forderten. Französische Schriftsteller wie Romain Rolland, André Gide und Henri Barbusse schickten Protesttelegramme an die deutsche Regierung, (vor allem wegen der Misshandlungen in der Haft). Fürsorgerin Hilde Ephraim Bayerische Strasse 20 Eine der Aufgaben, die sich die SAP gestellt hatte und bis zum Kriegsende durchhielt, war die Betreuung der Familien von Inhaftierten sowie die Unterstützung Haftentlassener. Die Fürsorgerin Hilde Ephraim war eine der Betreuungspersonen der illegalen SAP. Sie machte ohnehin fürsorgerische Besuche für die jüdische Gemeinde in Wilmersdorf und Charlottenburg. Sie selbst wohnte mit ihrer Mutter in der Bayerischen Strasse 20 und arbeitete innerhalb der SAP unter dem Decknamen Paula Kaiser. Hilde Ephraim war die engste Mitarbeiterin von Herbert Heerklotz, dem Leiter des Unterbezirks Nord-Berlin. Die Charlottenburgerin Elise Tilse (Jg. 1910), die selbst 1933/34 in Schutz- und Untersuchungshaft gekommen war, beschrieb Hilde Ephraim, die die Eltern Frau Tilses betreute, folgendermassen: 66

69 «Nachdem ich verhaftet worden war,..im November 1933, hat sich eines Tages an der Wohnungstür meiner Eltern in Charlottenburg, Mommsenstrasse, ein gut gekleidetes, sehr sympatisches, junges Mädchen gemeldet.... Meine Eltern waren nun sehr vorsichtig und dachten, die junge Dame sei ein Spitzel. Das junge Mädchen war eine Jüdin, daher konnte dann doch eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Sie kam in unregelmässigen Abständen: (alle) 14 Tage, drei Wochen.» Bei den Besuchen sollten die Angehörigen moralisch und bei grosser Not auch materiell unterstützt werden. Dabei wurde ausserdem über den Fortgang der Prozesse sowie die Behandlung der Gefangenen gesprochen. Nach Elise Tilses Haftentlassung im September 1934 besorgte Hilde Ephraim für sie einen Erholungsurlaub bei den Quäkern in Bad Pyrmont reiste Frau Tilse auf Kosten der Quäker für 14 Tage dorthin. Ihre Freundschaft zu Frau Ephraim brach bis zu deren Verhaftung 1936 nicht ab. Von ihrer Freundin erfuhr Frau Tilse politische Neuigkeiten, die nicht in den Zeitungen standen, hörte von der Weiterentwicklung der SAP im Ausland, von einzelnen führenden Genossen und deren Schicksal. Einen schweren Schlag erhielt die Inlandsleitung der Partei mit der Verhaftung von Herbert Heerklotz Ende Januar Heerklotz erhielt vordem Volksgerichtshof 15 Jahre Zuchthaus, Hilde Ephraim, die ebenfalls verhaftet worden war, bekam eine vier Jahre dauernde Zuchthausstrafe. Obwohl Frau Ephraim in der «Schutzhaft» schwer misshandelt wurde, deckte sie ihre Genossen und belastete immer wieder allein sich selbst. In der Haft erkrankte sie schwer an Tbc, so dass sie in ein Zuchthaus bei München verlegt wurde. Dort erlitt sie einen Tobsuchtsanfall und kam in eine psychiatrische Anstalt, in der 1940 Elise Tilse ihre Freundin noch einmal aufsuchte. Frau Ephraim erkannte sie jedoch nicht mehr. Etwa ein Jahr später kam die Mitteilung nach Berlin, Frau Ephraim sei in Polen «an einer Gesichtsrose» verstorben. Kurze Zeit darauf ist die Mutter von Hilde Ephraim aus Berlin ebenfalls deportiert worden. Hilde Ephraim antwortete während ihres Prozesses 1937 auf die Frage, warum sie das alles gemacht habe: «Aus Liebe zu den Menschen. In meinem Leben war es immer meine Richtschnur gewesen, den Armen und Leidenden zu helfen». Dieses Zitat ist bezeichnend für die Einstellung vieler emanzipierter Juden zu Beginn dieses Jahrhunderts, die sich sozialistischen Ideen oder Parteien anschlossen, um die Lebensverhältnisse nicht nur des Arbeiters, sondern der Menschen allgemein zu verbessern. Sie wollten ein Leben in Freiheit und ohne Diskriminierung verwirklichen. «Sonnenstrahl an einer Zellenwand, Du bist wie eine grosse helle Hand, Die in ein dunkles Schicksal greift. So dringt der unergründlich weise Weltenwille Noch in die weltenferne Zellenstille Und wärmt und reift.» (Erste Strophe eines Gedichts Hilde Ephraims aus ihrer Haftzeit.) 67

70 Trotzkisten Uhlandstrasse 161 Illegaler Teffpunkt Robert Springer Der Wilmersdorfer Robert Springer ( ) gehörte schon vor 1933 der «Linken Opposition der KPD», den sogenannten Trotzkisten, an. Sie versuchten, in bewusster Abgrenzung zur Politik von SPD, SAP und KPD, eine «Aktions-Gemeinschaft gegen den Faschismus» von der Mitgliederbasis aus zu bilden. Seit dem Sommer 1931 veröffentlichte die Gruppe ihre Ziele in der Zeitschrift «Permanente Revolution» und bereitete sich bereits im August 1932 auf eine Weiterarbeit in der Illegalität vor. ln diesem Fall sollte die Zeitung unter dem Titel «Unser Wort» herausgegeben werden. Die Mitgliederteilten sich in Fünfergruppen auf. Bis in das Jahr 1933 hinein arbeitete Robert Springer im Hauptpostamt Berlin SW 11 am Anhalter Bahnhof. Im Zuge der Kommunistenverfolgung wurde er fristlos entlassen. Er übernahm daraufhin eine Hauswartstelle in Wilmersdorf. Unter dem Decknamen Walter war er weiter politisch aktiv. Im Dezember 1934 wurde erzürn Leiter des Bezirks Berlin bestimmt. Seine illegale Tätigkeit bestand u.a. darin, die Berliner Trotzkisten zusammenzuhalten, für die politische Weiterbildung unter den Genossen zu sorgen und vor allem die Zeitung «Unser Wort» zu verbreiten. Die Zeitung erschien alle vierzehn Tage und wurde seit April 1933 in der Schweiz (Basel) hergestellt. Robert Springerstellte Kopien der Zeitung her und verkaufte sie an Gleichgesinnte in einer Auflage von jeweils etwa 300 Exemplaren. Führende Mitglieder der Trotzkisten waren Werner Müller (Deckname: Grothe) und Oskar Grossmann. Letzerer wurde bereits Anfang 1934 verhaftet, erst 1936 entlassen und sofort ausgewiesen. (Wie zahlreiche führende Trotzkisten war Grossmann jüdischer Herkunft). Die Gruppenmitglieder gerieten untereinander wiederholt in heftigen politischen Streit, wobei sich einige Mitglieder zeitweise abspalteten und zur illegalen SAP stiessen. Insgesamt bestand die Berliner Gruppe aus etwa 60 Mitgliedern, die in 12 bis 15 Untergruppen aufgeteilt und z.t. bis Ende 1936 aktiv waren. Im November 1935 wurden Robert Springer und Werner Müller festgenommen. Vor dem Volksgerichtshof erhielten beide acht Jahre Zuchthausstrafe. Robert Springer soll, nach Aussagen seines Schwagers Albert Ortmann, am 13. Juni 1942 im KZ Wewelsbrück ermordet worden sein. 68

71 Sozialdemokraten gegen Gewalt und Diktatur Angeklagte im Prozess 1934: Oswald Zienau und Fritz Strauss Nachdem die Nationalsozialisten Anfang 1933 massiv mit der Verfolgung der Kommunisten begonnen hatten, richtete sich ihr Hass zunehmend auch gegen die Sozialdemokratische Partei. Die «Reichstagsbrandverordnung» vom 28. Februar 1933 setzte aufgrund des Artikels 48 der Weimarer Verfassung die Grundrechte ausser Kraft. Dies sollte im weimarischen Sinn nur vorübergehend möglich sein, um einen politischen Notstand zu beseitigen, doch Hitler nahm den Reichstagsbrand als fadenscheinigen Vorwand, um die Kommunisten zu bekämpfen und liess die «Verordnung zum Schutz von Volk und Staat», wie sie offiziell hiess, bis zum Untergang der Diktatur in Kraft. Obwohl ausschliesslich «zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte» vorgesehen, bildete die Verordnung die Grundlage, jedermann ohne richterlichen Haftbefehl festnehmen zu können. Die Unterdrückung der Arbeiterbewegung durch den NS-Staat ging zügig voran: Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften «gleichgeschaltet» und am 22. Juni die SPD verboten. Anfang Juni hatte sich bereitsein Exilvorstand der SPD in Prag gebildet. Vor allem jüngere Parteimitglieder, die noch nicht verschleppt oder emigriert waren, bildeten von nun an die illegale Berliner SPD-Organisation. Es gab Verbindungen über das gesamte Stadtgebiet, die die Verbreitung von Untergrundschriften ermöglichten, wie z.b. den «Neuen Vorwärts», der vom Exilvorstand in Prag herausgegeben wurde, oder den «Proletarischen Pressedienst», der in Berlin entstand. (Siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Von Oktober bis Dezember 1933 erfasste eine grosse Verhaftungswelle die illegale Berliner SPD. In der Folge kam es 1934 zu mehreren Massenprozessen, in denen die Angeklagten der Aufrechterhaltung der verbotenen SPD, der Vorbereitung zum Hochverrat und der Verbreitung sozialdemokratischer Untergrundschriften beschuldigt wurden. In einem dieser Prozesse, dem Kammergerichtsverfahren gegen Theo Wiechert und 16 weitere Mitglieder der SPD und SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend), wurden auch zwei Wilmersdorfer Sozialdemokraten, der Kaufmann Fritz Strauss ( ?) und der Schriftsteller Dr. Oswald Zienau (Jg. 1893) verurteilt. Oswald Zienau, der in der Pfalzburger Strasse 61 wohnte, war Redakteur bei der «Vossischen Zeitung». Seit Januar 1912 gehörte er als Mitglied der SPD an. Nach der Auflösung der Partei war er neben seinen Genossen August Weber, Paul Hessberg und Theo Wiechert in der Bezirksleitung der illegalen SPD-Organisation. Ende Oktober 1933 beschlossen diese leitenden Funktionäre bei einer Zusammenkunft im Café König, ein illegales Informationsblatt für die Berliner Genossen herauszugeben, da die Lieferung des Prager «Neuen Vorwärts» ausgeblieben war. Zienau und Weber lieferten die Manuskripte. Bereits wenige Tage späterstellten Hessberg und Wiechert Exemplare auf einem Vervielfältigungsapparat her. Zum 1. Dezember 1933 gab die Gruppe eine zweite Ausgabe ihrer Schrift heraus. Daneben nahm Zienau regelmässig an den Zusammenkünften mit anderen Kreisleitern der illegalen SPD teil. Anfang Januar 1934 wurde Oswald Zienau frühmorgens in seiner Wohnung verhaftet. Bei der Durchsuchung beschlagnahmte die Gestapo «5 kg altes Tendenzmaterial» sowie eine Schreibmaschine, auf der Zienau die Manuskripte für die illegale Arbeiterzeitung geschrieben hatte. 69

72 Das Urteil im Prozess «Wiechert und Genossen» lautete für Oswald Zienau zweieinhalb Jahre Gefängnis. Im Juli 1936 wurde Zienau schliesslich aus dem Strafgefängnis Berlin-Tegel entlassen. Er nahm nach einiger Zeit Kontakt zu Otto Brass, dem Mitbegründer der «Deutschen Volksfront», auf. Auf Veranlassung dieser illegalen Widerstandsgruppe reiste Zienau im Spätherbst 1937 ins Exil nach Paris, um dort an der politischen Arbeit der «Deutschen Volksfront» teilzunehmen. Später lebte er in Zürich und kehrte erst 1950 nach Berlin zurück. Oswald Zienau litt sein Leben lang an den Spätfolgen der Misshandlungen während seiner Gestapohaft Von war er zur Hälfte gelähmt und ab 1945 in ständiger ärztlicher Behandlung. Fritz Strauss wohnte in der Rauenthaler Strasse 11 und war erst 1932 in die SPD eingetreten. Er hatte Kontakt zu Oswald Zienau und Herbert Doeschner, dem Herausgeber des «Proletarischen Pressedienstes». Strauss half dabei, den organisatorischen Zusammenhalt der SPD im Untergrund aufrechtzuerhalten und wirkte mit an der Verteilung des «Proletarischen Pressedienstes» in Wilmersdorf. Fritz Strauss wurde Ende Oktober 1933 festgenommen. Er musste als Jude und Sozialdemokrat während seiner Haft in der Prinz-Albrecht-Strasse besonders schwere körperliche Misshandlungen erleiden. Der ebenfalls verhaftete Genosse Willi Gleitze erinnert sich daran: «Man musste sich gerade an die Mauer stellen. Dann erhielt man Schläge in den Leib. Als daraufhin der Kopf nach vorne fiel, gab es Kinnschläge, worauf der Kopf an die Wand knallte. Fritz Strauss, ein mitangeklagter, jüdischer Genosse, bekam ein vollkommen blaues Gesicht. Er musste das Lied singen:,es blüht ein Veilchen himmelblau, und dann wurde ihm in die Augen geschlagen.» Für Fritz Strauss, Willi Gleitze und sechs der anderen Mitangeklagten gab es in der Urteilsverkündung des Gerichts am 30. August 1934 den Freispruch. Die Freigesprochenen erhielten jedoch keine Entschädigung für die in der Untersuchungshaft erlittenen Misshandlungen. Fritz Strauss, der nach seiner Entlassung in die Helmstedter Strasse 29 zog, wurde im August 1942 mit seiner Frau Käthe (Jg. 1905) und den Kindern Evelin (geb. 1926), Hans-Michael (geb. 1936) und Judith (geb. 1938) nach Riga deportiert. Sie sind von dort nie mehr zurückgekehrt. Helene Hirscht Kaiserallee 46 Die Schriftführerin der SPD-Wilmersdorf, Helene Hirscht (Jg. 1900), arbeitete von 1928 bis zum 1. Juli 1933 als Stenotypistin im Polizeipräsidium. Sie hielt brieflichen Kontakt mit Auslandskreisen der SPD in Prag. Im September 1934 verhaftete sie die Gestapo in der Jenaer Strasse 6 wegen «Verbreitung von Greuelnachrichten». Im Oktober 1934 kam sie in das KZ Moringen. Anfang März 1935 wurde Helene Hirscht nach Wilmersdorf in die Kaiserallee 46 entlassen. Jungbanner um Alfred Nau Eichkamp, Zikadenweg 72 Wohnung von Alfred Nau Herbert Braun ( ) gehörte zu einer Gruppe junger Sozialdemokraten und Reichsbanner um Alfred Nau, 1933/34 Hauptverbindungsmann der illegalen 70

73 Berliner S PD zum Exilvorstand der Partei in Prag. Alfred Nau ( ) wohnte im Zikadenweg 72 in Eichkamp. Treffpunkt der Gruppe war die Wohnung des Baumeisters Bauer in der Trabener Strasse 45. Die Mehrheit der etwa sechzehn jungen Sozialisten kam aus Eichkamp und Halensee. Dagegen lebte Herbert Braun ab 1933 mit seinen Eltern in der Wallotstrasse 10 im Grünewald. Über die Widerstandsaktionen gleich zu Beginn der NS- Diktatur berichtet er: «Wir hatten die Möglichkeit, mit Hilfe von Reichsbahnangestellten von Eichkamp bzw. von der Trabener Strasse im Grünewald aus in die Waschanlage für S-Bahn- Züge zu gelangen und legten dort hektographierte Blätter mit dem Titel Roter Vorwärts in die Gepäcknetze.» Darüber hinaus unterhielt die Gruppe einen illegalen Sender, um Nachrichten zu verbreiten. (Alfred Nau berichtet 1959, dass der Kurzwellensender sowie ein Kurzwellenfunknetz bereits vor dem Verbot der SPD existierten, damit für den eventuellen Ausfall der normalen Nachrichtenübermittlung die Verbindung der SPD-Zentrale mit den Bezirksorganisationen der Partei aufrechterhalten werden konnte.) In einem gemieteten Motorboot fuhren Gruppenmitglieder auf der Havel, dem Müggelsee oder dem Tegeler See. Zwei Funkamateure sassen in der Bordküche und sendeten im Umkreis von sechs Kilometern. 71

74 Herbert Braun berichtet: «Nach den Worten Achtung! Achtung! erfolgten Informationen über Verhaftungen. Unsere Fahrstrecke ging vom Wannsee bis nach Tegel, denn unser Aufenthaltsort musste immer gewechselt werden. Ebenfalls zur Tarnung lagen an Deck unsere Mädels in Badeanzügen und grüssten Vorbeisegelnde mit Heil Hitler. Am hinteren Teil des Bootes hing eine grosse Hakenkreuzfahne.» Ende 1934 flog die Gruppe durch die Denunziation einer Beteiligten auf. Alfred Nau kam von Dezember 1934 bis Februar 1936 in Untersuchungshaft in die Prinz-Albrecht-Strasse. Ein Prozess gegen ihn endete mit einem Freispruch, da die Beweismittel offenbar nicht ausreichend waren. Dagegen wurde sein Mitverschwörer, der Volkswirt und frühere Leiter des Berliner Reichsbannerbüros Kurt Baurichter (Zikadenweg 13), zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Herbert Braun wurde-in einem anderen Verfahren-vom Kammergericht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die er in Plötzensee und Tegel verbüsste. Am Entlassungstag holte ihn die Gestapo am Gefängnistor in Tegel ab und brachte den Sozialdemokraten und «Nicht-Arier» Braun in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz. In einer Zelle für «Zigeuner, Juden und Landstreicher» verbrachte Braun etwa vier Wochen. Danach kam er in das KZ Sachsenhausen, wo er Augenzeuge grausamster Misshandlungen wurde. Im Dezember 1938 kam Herbert Braun unter der Bedingung frei, Deutschland innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Seiner Mutter war es inzwischen gelungen, eine Schiffspassage für die Familie nach Shanghai zu besorgen. Das Haus in der Wallotstrasse und alle Wertgegenstände musste sie vorher zwangsverkaufen. Von lebten sie im «Ghetto Shanghai». Die Eltern Herbert Brauns starben in dieser Zeit, und er selbst erkrankte schwer ging Herbert Braun nach Israel und kehrte erst 1951 nach Deutschland zurück. (Alfred Nau rückte nach dem Krieg in den Führungskreis der SPD in Bonn auf, wo er sehr viele Jahre als «Schatzmeister» amtierte. Kurt Baurichterwirkte als Regierungspräsident in Düsseldorf.) Stummer Massenprotest Wilmersdorf, Krematorium Auch lange nach dem Verbot der SPD (Juni 1933) und der Zerschlagung ihrer Widerstandsgruppen Mitte der 30er Jahre bemühten sich gesinnungstreue Anhänger, der alten Partei und ihren Idealen von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit die Treue zu halten. Sie taten es meist in getarnter Form von Ausflügen, Familienfeiern und Gesangsfesten, wählten aber auch verhalten demonstrative Akte, wie etwa die massenhafte Teilnahme bei den Beerdigungen verfolgter Berliner Sozialdemokraten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Feierlichkeiten bei den Beisetzungen (bzw. Trauerfeiern) von Clara Bohm-Schuch (1936) und Franz Künstler (1942) im Krematorium Baumschulenweg siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe und die von Franz Klühs im Krematorium Wilmersdorf. Anfang 1938 war der frühere stellvertretende Chefredakteur des SPD-Zentralorgans «Vorwärts», Franz Klühs, an den gesundheitlichen Folgen einer dreijährigen Strafhaft (Tegel) verstorben. Vergeblich suchte sein Schwager Ernst Thape, einen prominenten Redner für die Trauerfeier zu gewinnen, holte sich aber nur Absagen, darunter vom früheren Reichstagspräsidenten Paul Lobe. So blieb es schliesslich Thapes Aufgabe, die Trauerrede zu halten. 72

75 In seinen Lebenserinnerungen («Von Rot zu Schwarz-Rot-Gold») erinnert er sich an das Ereignis: «Bei der Trauerfeier waren mehr als tausend Menschen anwesend. Trotz des kalten Januartages standen die Türen zur überfüllten Halle des Krematoriums weit offen für die vielen, die draussen bleiben mussten. Als ich bei meiner Einlieferung ins Konzentrationslager anderthalb Jahre später zum Ausfüllen des Personalfragebogens vernommen wurde, herrschte mich der SS-Mann an:, Das hast du dir so gedacht, im Kriege dich drücken und in Berlin noch unverschämte Reden halten! Was wir alle vorher ahnten, wurde also bestätigt. Die Feier war von der Gestapo kontrolliert worden....im September 1942 starb Franz Künstler, der Organisator dieser Trauerfeier, an den Folgen der Misshandlungen im Konzentrationslager.» Ernst Thape, 1939 verhaftet, wurde erst 1945 aus dem Konzentrationslager befreit. Im KZ Buchenwald hatte er mit Hermann Brill (s. S.60ff.) und anderen Häftlingen zu jenem überparteilichen Volksfrontkomitee gehört, das das «Buchenwald- Manifest» formulierte. Kurt Funk Der Journalist Kurt Funk ( ) war in der Steglitzer S PD aktiv. Auf einer Parteiveranstaltung lernte er 1932 seine Frau Käthe (Jg. 1911) kennen. Beide zogen 1934 in das Haus Kaiserplatz Nr.7 (heute: Bundesplatz) in Wilmersdorf. In dieser Zeit gehörte Kurt Funk bereits einer sozialdemokratischen Initiative mit dem Tarnnamen «Bund für humane Technokratie» an, die am 1. September 1933 in Berlin gegründet worden war. Sozialisten und Demokraten aus verschiedenen Teilen der Stadt trafen sich zu Vorträgen im «Alten Askanier» in Kreuzberg. Die über30 Personen umfassende Gruppe flog im Januar 1935 auf. Während einer abendlichen Veranstaltung wurden alle Teilnehmer von der Gestapo verhaftet und in die Prinz- Albrecht-Strasse gebracht. Die meisten wurden bald wieder entlassen, nicht so Kurt Funk, der wegen des Verdachts der «Neugründung einer politischen Partei» und als verantwortlicher Redakteur für Veröffentlichungen der Initiative noch 73

76 etwa zwei Wochen im KZ Columbiahaus festgehalten und misshandelt wurde. Inzwischen fand eine Durchsuchung der Wohnung des Ehepaares Funk statt. Durch die Geistesgegenwart Käthe Funks konnte die Gestapo jedoch kein belastendes Material entdecken: Frau Funk hatte alle «anrüchigen Papiere», vor allem die politischen Gedichte ihres Mannes, rechtzeitig beiseite geschafft. Nach seiner Entlassung war Kurt Funk zunächst nicht mehr politisch aktiv. Privat schrieb er weiter an seinen politischen Gedichten, die er nach dem Krieg unter dem Titel «Gedanken zur Zeit» veröffentlichte. Der Deutsche Fluch (1934) Heil Hitler ist kein deutscher Gruss, so grüssen Deutschlands Feinde, der Lügner mit dem Pferdefuss und seine braunen Freunde! Heil Hitler ist kein deutscher Gruss, so grüsst die Hitlerbande. So grüsst ein Schurke noch am Schluss,,Heil Hitler! Welche Schande! Heil Hitler ist kein deutscher Gruss, so grüsst kein Mann von Ehre, so grüsst ein Sklave, wenn er muss. Heil Hitler! Die Misere. Heil Hitler ist kein deutscher Gruss, er ist ein Wahnsinnszeichen. Heil Hitler ist ein deutscher Fluch, bis die braune Pest muss weichen. Während des Krieges wurde Kurt Funk als Soldat eingezogen. Seine unversöhnliche Gegnerschaft zum NS-Regime machte er deutlich, als er im Januar 1945 desertierte. Er nannte es seinen «Sonderfrieden mit der Wehrmacht». Funk tauchte unter und wohnte bis zum Kriegsende illegal in Berlin u.a. im Haus Kurfürstendamm 175 bei einer Frau Koppel und in der darunter liegenden Wohnung des Ehepaares Edith und Franz Kloss. Kloss war ehemaliger Kriegskamerad Funks, jedoch wegen seiner jüdischen Frau als wehrunwürdig bereits aus dem Heer entlassen. Kurt Funk und Franz Kloss schlossen sich mit noch ein paar Freunden zusammen, um Flugblätter gegen die NS-Diktatur und den Krieg herzustellen. Sie nannten sich «Die roten Wehrwölfe». In einem Keller in der Xantener Strasse wurden die Flugzettel gedruckt, später in Hausbriefkästen gesteckt und verteilt. 74

77 Hildegard Wegscheider Sächsische Strasse 6 Dr. Hildegard Wegscheider ( ) legte 1895 als erste Frau in Preussen ihr Abitur ab und promovierte 1898 in Halle. Während ihrer ersten Semester in Zürich, 1893, trat sie der Sozialdemokratischen Partei bei wurde sie preussische Landtagsabgeordnete der SPD und 1920 Oberschulrätin in Berlin und Brandenburg. Von ihrem Gehalt spendete sie die Hälfte für Hilfsorganisationen oder direkt an Bedürftige. Im Frühjahr 1933 verlor die Demokratin aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit ihre Ämter. Sie war gezwungen, während der NS-Diktatur ihren Lebensunterhalt mit Privatunterricht zu verdienen. Zunächst wohnte Hildegard Wegscheider bei ihrer jüngeren Schwester in Tempelhof. In der Kriegszeit zog sie in die Sächsische Strasse 6 in Wilmersdorf. Viele ihrer Freunde und Bekannten kamen in Gefängnisse, Zuchthäuser oder Konzentrationslager. Solange es möglich war, schickte sie ihren deportierten jüdischen Freunden Päckchen nach Theresienstadt. Aufgrund ihrer christlichen Einstellung erlebte Hildegard Wegscheider die Grausamkeiten der NS-Zeit als ganz persönliche Schuld. So wurde ihre Wohnung immer mehr eine Zufluchtstätte für Verfolgte. In derzeit von traf sich bei ihr ein Kreis von Oppositionellen. In ihren Erinnerungen schrieb sie: «Bei mir versammelten sich jeden Sonntagmorgen eine kleine Zahl meist jugendlicher politischer Freunde zum Frühstück. Dieses Frühstück hat sich oft lange hingezogen. Für uns alle war dieser Zusammenhalt von grösster Bedeutung. Es waren Entschlüsse zu fassen, man musste besprechen, wem man vertrauen könnte und wo Vorsicht am Platze schien. Man musste auch klarsehen über die jeweilige Lage. Bis zum Beginn des Krieges hielt der ganze Kreis sehr gut zusammen». Hildegard Wegscheider (1946) 75

78 In der Kriegszeit ging Hildegard Wegscheiders Verantwortungsbewusstsein für ihre Mitmenschen so weit, dass sie nicht mehr wagte, in Geschäften Lebensmittel für sich einzukaufen, weil sie glaubte, sie nähme dadurch anderen Menschen Nahrung fort. Juden fanden Unterschlupf bei ihr, und schliesslich versteckte sich auch ein Deserteur in ihrer Wohnung. In ihren Erinnerungen heisst es: «Ich konnte ihn nicht mit in den Keller nehmen wegen der Militärstreifen, die durch den Keller gingen. Auch in der Wohnung wagte er während der Angriffe nicht zu bleiben; er versteckte sich in den Trümmern! Meine Kraft reichte nicht mehr! Alles um mich und in mir war dunkel, hoffnungslos!» Gegen Kriegsende erkrankte Frau Wegscheider schwer ihre Lebenskraft war fast aufgebraucht im Überlebenskampf während der Hitler-Zeit. Aber die bedeutende Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frau gab nicht auf. Nach dem Krieg arbeitete sie wieder in der SPD im Wilmersdorfer Bezirksvorstand, in Kulturund Schulausschüssen mit. Zu ihrem 75. Geburtstag wurde 1946 das ehemalige Bismarck-Lyzeum im Grünewald in Hildegard-Wegscheider-Oberschule umbenannt (Foto S. 75). Siegfried Nestriepke Eberbacher Strasse 20 Der Journalist und Gewerkschaftshistoriker Dr. Siegfried Nestriepke ( ) kam 1914 als Redakteur für den «Vorwärts» nach Berlin. In der Gewerkschaftsbewegung engagierte er sich bereits damals für den Aufbau eines Angestelltenzweiges. Nach dem 1. Weltkrieg schrieb er ein umfangreiches Werk über die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung wurde er zum Generalsekretär der Volksbühne gewählt, die damals schon etwa Mitgliederzählte. Die Volksbühnenbewegung hatte ihren Ursprung in dem von B. Wille 1890 in Berlin gegründeten Theaterverein mit dem Ziel, insbesondere Arbeitern durch preisgünstige Vorstellungen Zugang zum Theater zu verschaffen. Die Idee griff in den 20er Jahren auch auf andere Städte im Deutschen Reich über. Das Generalsekretariat in Berlin hatte die Aufgabe, die Volksbühnenvereine organisatorisch und inhaltlich im Volksbühnengedanken zu vereinigen. Siegfried Nestriepke organisierte die jährlichen Tagungen bis 1928 und reiste ständig im Land umher. Dabei knüpfte er neue Verbindungen und hielt Vorträge zu kulturerzieherischen Themen. In Berlin wohnte er in der Eberbacher Strasse 20. Von 1930 bis 1933 war Nestriepke Verwaltungsdirektor der Volksbühne im Theater am Bülowplatz. Der Verband der Deutschen Volksbühnenvereine zählte damals rund 1/2 Million Einzelmitglieder in 305 örtlichen Vereinen. Dramaturgisch stand der Kritiker Julius Bab ( ) der Volksbühne zur Seite. Er redigierte die «Vereinsblätter» und jeweiligen Programmhefte. Weltanschaulich war auch er Sozialdemokrat und kämpfte gleich Siegfried Nestriepke in den 20er Jahren gegen das aufkommende kommunistische Theater. Dies brachte ihn in Widerstreit zu Erwin Piscator. Der politisch engagierte, den Kommunismus unterstützende Inszenierungen realisierte. Julius Bab, der mehr das «Bür- 76

79 Julius Bab Siegfried Nestriepke gediehe» schätzte, massregelte Piscator wegen dessen politischer Linie im Theater. Der Regisseur und seine Freunde eröffneten schliesslich eine eigene Bühne. (Julius Bab, der 1933 Dramaturg des Jüdischen Kulturbundes wurde, floh 1939 in letzter Minute vor den Nazis nach Frankreich und 1943 nach NewYork. Er kam nur noch besuchsweise 1951 und 1953 nach Berlin.) Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde die traditionelle Volksbühnenorganisation zerschlagen, indem die Nazis die führenden Köpfe wie Dr. Nestriepke in die Arbeitslosigkeit entliessen und die Vereine auflösten oder gleichschalteten. In den Augen des neuen Regimes galt die Volksbühne als sozialdemokratisch oder gar kommunistisch «verseucht». Die grossen Tage des Theaters am Bülowplatz waren vorbei, obwohl zuweilen auch gegen die offiziell befohlenen weltanschaulichen Ansichten angespielt wurde. Nestriepke fand nach längerer Arbeitslosigkeit als stellvertretender Leiter der Filmtheaterbetriebe eine neue Existenz. (Ende 1946 wurde Dr. Siegfried Nestriepke für etwa sechs Monate Stadtrat für Volksbildung und Kunst. Er half beim Wiederaufbau der Berliner sozialdemokratischen Parteiorganisation. Vor allem machte er sich aber einen Namen in der Neugründung der Freien Volksbühne in West-Berlin. Im vereinseigenen «Theater am Kurfürstendamm» konnte 1949 der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden.) 77

80 Gewerkschafter Dr. Otto Suhr (Kreuznacher Strasse 28) In der Kreuznacher Strasse 28 lebte während der NS-Diktatur der Angestelltengewerkschafter Dr. Otto Suhr ( ) mit seiner Frau Susanne. Seit 1919 war er Mitglied der SPD und bekleidete von das Amt des Arbeitersekretärs des Gewerkschaftskartells in Kassel. Zu seinem Freundeskreis gehörten bereits in den 20er Jahren die Politiker Carlo Mierendorff und Theodor Haubach, der Arbeitsrechtler Ernst Fraenkel sowie der Pädagoge Adolf Reichwein. Suhr, der als Dozent für Wirtschaftspolitik in der Erwachsenenbildung tätig war, folgte einem Ruf der Angestelltenverbände, in Berlin eine erste wirtschaftswissenschaftliche Abteilung zur Koordinierung wissenschaftlicher und praktischer Kräfte aufzubauen. Mit diesem Auftrag kam Dr. Otto Suhr 1925 nach Berlin. Als am 20. Juli 1932 die Gewerkschaften über einen sofortigen Generalstreik nach der Absetzung der preussischen Landesregierung Braun-Severing (SPD) abstimmten, war Otto Suhr mit einigen wenigen (u.a. dem Angestelltengewerkschaftsführer Siegfried Aufhäuser) für den Streik. Am gleichen Abend sprach er auf einer grossen Versammlung im Arbeiterbezirk Lichtenberg. Für einen Streik konnte er jedoch beim damaligen Ausmass der Arbeitslosigkeit niemanden gewinnen. Weihnachten 1932 veröffentlichte Otto Suhr in der «Berliner Volkszeitung» einen Artikel mit der Überschrift «Faschistische Gefahr grösser denn je». Er prophezeite damals, dass eine nationalsozialistische Diktatur keine kurzlebige Episode bleiben würde und schätzte ihre Dauer auf etwa zwölf Jahre. Da er befürchtete, seine Arbeit zu verlieren, kündigte er am 1. Januar 1933 seine zu teure Wohnung in Tiergarten, um eine kleine, billigere zu mieten. Nach Hitlers Machtübernahme war der Gewerkschaftsverband, dem Otto Suhr angehörte, der Afa-Bund, der einzige Verband, der sich der allgemeinen Gleichschaltungstendenz entzog, indem er seine Selbstauflösung zum 30. März 1933 beschloss. Anfang Juli 1933 Überstand das Ehepaar Suhr eine stundenlange nächtliche Hausdurchsuchung durch die SA. Aufgrund der Verfolgung durch den NS-Staat begannen sich die Reihen der Freunde Otto Suhrs zu lichten. Den Weg ins Exil lehnte er für sich persönlich entschieden ab. «Wie wollen wir es ändern, wenn alle Weggehen?» fragte er. Nach dreijähriger Arbeitslosigkeit bot sich Otto Suhr 1936 die Möglichkeit, als freier Mitarbeiter für den Wirtschaftsteil der «Frankfurter Zeitung» (FZ) Fachberichte zu schreiben. Um politisch unverfänglich zu bleiben, spezialisierte er sich auf den Bereich der Konsumgüterindustrie. Das Erscheinen der Zeitung wurde 1943 von den Nazis verboten, da sie einen innenpolitischen Gefahrenherd in ihr sahen. Währenddessen beteiligte sich Otto Suhr an der illegalen Arbeit ehemaliger Angestelltengewerkschafter wie Bernhard Göring. Nachrichten wurden über winzige Flugblätter oder den «Mundfunk» verbreitet. Eine Zeitlang traf Otto Suhr fast täglich den liberalen Politiker und Publizisten Theodor Heuss in der Staatsbibliothek, da beide dort für ihre Arbeiten in der «Frankfurter Zeitung» recherchierten. Dabei tauschten sie heimlich Nachrichten aus. Seinen Freund Adolf Reichwein traf Otto Suhr, als «normaler Museumsgast» getarnt, im Berliner Volkskundemuseum Unter den Linden. Reichwein, «religiöser Sozialist» und Mitglied des Kreisauer Kreises, hatte dort eine Anstellung als Museumspädagoge. 78

81 Otto Suhr nahm ausserdem an regelmässigen Treffen eines kleinen Kreises «religiöser Sozialisten» um Adolf Grimme und Bernhard Göring teil. Die wöchentlichen Zusammenkünfte fanden häufig bei Familie Jahn in Tempelhof statt. Als Adolf Grimme 1942 verhaftet wurde, musste sich der Kreis auflösen. Die konspirative Tätigkeit Otto Suhrs konnte der Gestapo nicht verborgen bleiben. Bei Kriegsausbruch, 1939, wurde Suhr rechtzeitig vor einer neuen Verhaftungswelle gewarnt. Es gelang ihm, sich zehn Wochen lang versteckt zu halten und sich so dem Zugriff der Gestapo zu entziehen. Susanne Suhr, seine Frau, erhielt in dieser Zeit regelmässig Gestapo-Besuch in ihrer Wohnung. In den ersten Septembertagen 1939 verhaftete die Gestapo mehrere führende SPD- und Gewerkschaftsmänner und brachte sie in das KZ-Sachsenhausen. Einige sind nicht zurückgekehrt. Nach dem 20. Juli 1944 musste Otto Suhr wieder wochenlang untertauchen, da er nach wie vor Kontakt zu Adolf Reichwein gehalten und seit längerer Zeit an vorbereitenden Besprechungen zur Umsturzaktion teilgenommen hatte. In der letzten Phase des Regimes rückte der Rest des Freundeskreises, dem Otto Suhr angehörte, enger zusammen. Ein «planwirtschaftlicher Arbeitskreis» wurde gegründet; ihm gehörten neben Otto Suhr Gert von Eynern, Ludwig Heuss (der Sohn von Theodor Heuss), Robert Tielmanns, Ludwig von Einsiedeln, H. v.trotha u.a. an. Sie führten konkrete Vorbereitungsbesprechungen für die Zeit nach dem Ende der Diktatur. (Otto Suhr war nach dem Krieg Stadtverordneter in Berlin (1946) und später Präsident des Abgeordnetenhauses. Von 1955 bis zu seinem Tod 1957 war er Regierender Bürgermeister von Berlin.) 79

82 Die «Kreisauer» Carlo Mierendorff und Theodor Haubach In der Cunostrasse 65 in Schmargendorf wohnte Dr. Carlo Mierendorff ( ), der engste Freund Dr.Theodor Haubachs ( ). Beide kannten sich seit ihrer Kindheit in Darmstadt. Carlo Mierendorff lernte bereits als Student den Gewerkschafter Wilhelm Leuschner kennen. In der Regierungszeit als Innenminister in Hessen berief Leuschner 1929 Mierendorff zu seinem Pressechef. Als jüngstes Mitglied der SPD-Reichstagsfraktion ( ) gehörte Mierendorff wie Julius Leber, Gustav Dahrendorf und Theodor Haubach zur Gruppe derjenigen drängenden Reformsozialisten, die für eine kämpferischere Politik der Partei stritten. Mierendorff brachte 1931 die sogenannten «Boxheimer Dokumente», das Programm eines Kreises von Nationalsozialisten, das die Unschädlichmachung politischer Gegner nach der «Machtübernahme» vorsah, ans Licht der Öffentlichkeit. Es enthüllte den wahren Gewaltcharakter der NSDAP und bewies die von ihr ausgehende, drohende Gefahr für die Weimarer Republik. (Ein Hochverratsprozess gegen den Führer der NS-Gruppe wurde 1932 niedergeschlagen.) Den hessischen Nationalsozialisten war Mierendorff besonders verhasst, und sie liessen es ihn nach 1933 grausam spüren. Obwohl er wusste. dass er als aktiver SPD-Politiker nach der Machtübernahme der Nazis in grosser Gefahr schwebte, lehnte er eine Flucht ins Ausland für sich selber ab. Mitte März 1933 tauchte Carlo Mierendorff unter und hielt sich u.a. bei seinem Freund, dem Dramatiker Carl Zuckmayer, in Berlin auf. Inzwischen beschattete die Gestapo Mierendorffs Frankfurter Rechtsanwalt und wartete auf eine Kontaktaufnahme zwischen den beiden. Anfang Juni 1933 nahm Mierendorffan einer illegalen Versammlung in Frankfurt teil, auf der über die Einheitsfront diskutiert wurde. Es kam auch zu einem Treffen mit seinem Anwalt, bei dem Mierendorff verhaftet und nach Darmstadt gebracht wurde. Nachdem SA-Leute ihn misshandelt hatten, führten sie ihn in einem Umzug durch die Stadt. In ausländischen Zeitungen gab es Proteste gegen die Misshandlung Dr. Carlo Mierendorffs, die die hessische Regierung jedoch dementierte. Bis 1938 hielten die Nazis Mierendorff im KZ Buchenwald gefangen, wo er schwerste Arbeit verrichten musste und wiederholt mit Erschiessung bedroht wurde. Nach seiner Entlassung aus dem KZ hielt er weiter Kontakt zu seinen politischen Freunden. Zusammen mit Theodor Haubach, Julius Leber und Adolf Reichwein vertrat er die Standpunkte der Sozialdemokratie im Kreisauer Kreis. Innerhalb dieser Widerstandsgruppe erörterten Carlo Mierendorff und Theodor Haubach in den Jahren 1942/43 die Wirtschaftspläne, die die Volkswirtschafter Horst von Einsiedel und Carl-Dietrich von Trotha erarbeitet hatten. Häufig tagte die «Arbeitsgruppe Wirtschaft» in der Schillerstrasse 3 im Hause Trothas in Lichterfelde. Zusammen mit führenden illegalen Gewerschaftern, wie Wilhelm Leuschner, wollten sie zu einem gemeinsamen Aktionsprogramm kommen. Der nationalsozialistischen Verhaftungswelle gegen den Kreisauer Kreis im Sommer und Herbst 1944 fiel Carlo Mierendorff nicht mehr zum Opfer, da er Anfang Dezember 1943 bei einem Bombenangriff in Leipzig ums Leben kam. Sein Freund Theodor Haubach hielt im Februar 1944 für ihn eine Gedenkrede auf dem Waldfriedhof in Darmstadt. Ein Jahr später wurde Haubach, inzwischen schwer krank, von den Nationalsozialisten im Januar 1945 wegen seiner Mitwirkung im Kreisauer Kreis in Plötzensee gehenkt. Der Journalist Haubach war 1929 unter dem Minister Carl Severing (SPD) in das Reichsinnenministerium als Pressereferent berufen worden. Von Herbst 1930 bis 80

83 Carlo Mierendorff Theodor Haubach Juli 1932 war er dann Pressechef im Berliner Polizeipräsidium. Er engagierte sich stark in der Bundesleitung des «Reichsbanner» und fand zudem um 1930 Anschluss an die «religiösen Sozialisten». Im November 1934 wurde Theodor Haubach verhaftet und für mehrere Monate in «Schutzhaft» genommen. Nach seiner Entlassung bildeten sich um ihn und den ehemaligen Polizeimajor Karl Heinrich illegale Gruppen des «Reichsbanner», dessen stellvertretender Bundesvorsitzender er vor 1933 gewesen war. Die 1924 gegründete überparteiliche Republikschutztruppe war von den Nazis sofort verboten worden. Aber auch noch in der Illegalität war sie militärisch straff organisiert und soll allein in Berlin Mitglieder gehabt haben. Sie versuchte, über die Stadt hinaus ein Kontaktnetz im Reich aufzubauen, vertrieb sozialdemokratische Untergrundschriften, wie den «Vorwärts» oder die «Sozialistische Aktion», und half in Not geratenen Familien von Inhaftierten. (Siehe die Spandau-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Dr.Theodor Haubach, der in Berlin-Eichkamp im Falterweg 11 und dann in der Bregenzer Strasse 6 wohnte, wurde 1934 erneut verhaftet und für zweieinhalb Jahre in das KZ Esterwegen gebracht. Nach seiner Entlassung arbeitete er in der Privatwirtschaft, hielt aber weiter Verbindung zu seinen Parteifreunden und fand schliesslich zum Kreisauer Kreis. Im September 1939 wurde er ein drittes Mal festgenommen, kam jedoch nach langen Verhören bald wieder frei. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 verhaftete die Gestapo Theodor Haubach zum vierten Mal und brachte ihn bis September 1944 in das KZ Ravensbrück. Vordem Volksgerichtshof wurde er im Januar 1945 zum Tode verurteilt und noch im gleichen Monat (am ) hingerichtet. 81

84 Widerstand aus den Reihen der KPD Als Arbeiterpartei hatte die KPD «naturgemäss» in den besseren, ja exklusiven Wohngegenden des Berliner Südwestens sehr viel weniger Anhänger, als in den proletarischen Mietsquartieren des Nordens und Ostens der Stadt. (Dafür trugen Kommunisten und Sozialdemokraten in den bürgerlichen Hochburgen zumal unter der gemeinsamen Bedrohung durch die SA ihren erbitterten Richtungsstreit auch nicht so heftig aus wie in den reinen Arbeitergegenden.) Zudem waren die Kommunisten gegen Ende der Weimarer Republik grösstenteils eine Partei der Arbeitslosen geworden. In Wilmersdorf gab es keine regelrechten Arbeiterviertel. Lediglich in einigen wenigen Strassen mit billigen Mietwohnungen oder in Laubenkolonien wohnten überwiegend Arbeiter, so zum Beispiel in dem Teil der Berliner Strasse, der parallel zur Wilhelmsaue verläuft, am sogenannten «Wanzenberg» an der Blissestrasse und um den Paretzer Platz (heute Birger-Forell-Platz) herum. Versammlungslokale des «Roten Frontkämpferbundes» (RFB) jener Schutz- und Wehrorganisation der KPD, die man bereits 1929 verbot, die aber illegal weiterbestand befanden sich in der Sigmaringer Strasse 16 und Badensche-, Ecke Gerdauer Strasse. Der Leiter des örtlichen RFB, Robert Opitz, wohnte in der Badenschen Strasse 29. Die KPD hatte aber auch unter den Intellektuellen ihre Anhänger (S. 166 ff.). Viele von ihnen mussten 1933 emigrieren, da sie durch Säuberungen und Verhaftungen - besonders in der Künstlerkolonie (S ) bedroht waren. Ein deutliches Beispiel für das brutale Vorgehen der SA war der Überfall auf einige Kommunisten, die am 8. Februar 1933 nach der letzten KPD-Versammlung in den Spichernsälen auf dem Nachhauseweg von SA-Leuten aus dem Hinterhalt heraus beschossen wurden. Fünf Personen wurden zum Teil schwerverletzt. Die Fichte-Sportlerin Alice Radzey erhielt einen Lungensteckschuss. Sie wurde sofort in das Gertraudenkrankenhaus eingeliefert. Noch am gleichen Abend versuchten SA-Mitgliederden leitenden Professor dahingehend zu beeinflussen, Alice Radzey sterben zu lassen. Sie überlebte indessen ihre lebensgefährlichen Verletzungen, musste aber nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus erleben, dass einige ihrer Genossen sich dem Druck der Nazis gebeugt hatten und zur SA übergelaufen waren. Auch in anderen Teilen Wilmersdorfs berichten Zeitzeugen von «Überläufern», so in der Breite Strasse in Schmargendorf. Trotzdem blieben noch einige versprengte Reste der unterdrückten Partei übrig, die sich auf unterschiedliche Art und in voneinander getrennten Untergruppen betätigten. In der ersten Phase des kommunistischen Widerstands trifft dies besonders auf Anhänger des früheren «Roten Frontkämpferbundes» die meist in Laubenkolonien anzutreffen waren und auf Gewerkschafter zu. Illegale Gewerkschafter Im Juni 1934 verhandelte das Berliner Kammergericht gegen die Berliner Führung der illegalen kommunistischen Metallarbeitergewerkschaft (E.V.M.B.=Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins), die in Berlin etwa Arbeiter umfasst haben soll. Die Berliner KPD war am Ende der Weimarer Republik (1932/33) nur noch sehr schwach in den Betrieben vertreten. Dies nicht nur wegen der allgemei- 82

85 nen grossen Arbeitslosigkeit, sondern auch, weil ihre kämpferischen Gewerkschafter besonders rasch herausgeworfen wurden. Unter den 34 Angeklagten des oben genannten Kammergerichtsprozesses waren lediglich zwei Wilmersdorfer: die Prüferin Santa Feineis aus Schmargendorf, Heiligendammer Strasse 8 und der Maschinenschlosser Heinz Gützlaff aus Wilmersdorf, Regensburger Strasse 33a. Beide verbreiteten illegale Broschüren der KPD, suchten Kontakt zu Arbeitern in Betrieben (Siemens, Mix & Genest), sammelten Geld für die Untergrundarbeit und versuchten, die Stimmung unter der Arbeiterschaft zu ergründen und im Sinne des revolutionären Umsturzes zu beeinflussen. Die antifaschistische Metallarbeiterorganisation flog schon im Dezember 1933 auf. Das Berliner Kammergericht verurteilte Santa Feineis ( ) zu zwei Jahren Gefängnis und Heinz Gützlaff (1905-?) zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. Trotz dieser und weiterer Verhaftungen betätigten sich auch noch in den folgenden Jahren immer wieder einzelne illegale Gewerkschafter der KPD in Wilmersdorfer Werkstätten und Betrieben. Dabei ist nicht allein an das Halenseer Reichsbahnausbesserungswerk zu denken, wo wiederholt Flugblätter auftauchten, sondern auch an kleine und mittlere Unternehmen wie: Allgemeine Baugesellschaft Lenz & Co., Wilmersdorf, Mecklenburgische Strasse 57, Blaupunkt Werke G.m.b.H., Wilmersdorf, Forckenbeckstrasse 9/13 und Büssing N.A.G., Halensee, Cicerostrasse 23. An diesen Orten bestanden kleine illegale Kreise von Beschäftigten, die Untergrundschriften verbreiteten, Aufklärungsarbeit unter Kollegen betrieben, einzelne Sabotageakte durchführten und Geld, Lebensmittel und Kleidung für ausländische Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge sammelten. Zumindest bei Blaupunkt (s.o.) soll es deswegen zu Verhaftungen gekommen sein, wobei ein Kollege wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Sabotage zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. 83

86 Heinz Riegel Erna Ueberrhein Im Geheimapparat der KPD Die Redakteurin Erna Ueberrhein ( ) wohnte in der Nassauischen Strasse 7-8 und warvon 1931 bis 1932 als Redaktionssekretärin bei der politischen Zeitschrift «Blätter des Deutschlandbundes» tätig. Vorher hatte sie als Privatsekretärin mehrere Jahre bei dem oldenburgischen Ministerpräsidenten Theodor Tantzen-Heering gearbeitet, der der Demokratischen Partei angehörte und Mitglied des Reichstages war. In dieser Zeit entwickelte Frau Ueberrhein ihre politische Gesinnung, die auf die Freiheit und Würde des Menschen ausgerichtet war, gegen jeden äusseren Zwang. Aufgrund ihrer politischen Einstellung konnte sie ihren Beruf nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr ausüben. Sie arbeitete als Stenotypistin und erhielt im Juni 1934 durch die Unterstützung von Freunden eine Anstellung im Heereswaffenamt. Inzwischen war Frau Ueberrhein zu der Überzeugung gelangt, dass die Gewaltherrschaft in Deutschland zwangsläufig in einen Krieg führen würde. Daher suchte sie Anschluss an eine Widerstandsgruppe, denn sie glaubte, die illegale Arbeit werde dazu beitragen, das Regime zu stürzen und einen Krieg zu vermeiden. So machte sie einem Widerstandskreis, von dem sie nur einen Herrn Diehl kannte, Nachrichten aus dem Heereswaffenamt zugänglich. Ein Mitglied der Gruppe hat sie verraten, denn Ende Juni 1935 verhaftete sie die Gestapo und brachte sie in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz. Im März 1937 wurde sie im Prozess vor dem Volksgerichtshof gegen «Diehl und Genossen» zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl ihr «Vorbereitung zum Hochverrat» bzw. «Landesverrat» nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. In der Haft erlitt Erna Ueberrhein schwere gesundheitliche Schäden: sie erkrankte an Tbc und wurde herzleidend. Nach ihrer Haftentlassung 1939 musste sie grösste Schwierigkeiten überwinden, 84

87 um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber auch nach 1945 fiel es ihr schwer, beruflich wieder Fuss zu fassen. Neben Erna Ueberrhein waren im Prozess vor dem Volksgerichtshof auch der Elektromeister Gerhard Diehl ( ), der Physiker Dr. Felix Bobek ( ), der Schlosser Ewald Jahnen ( ) und der Chemiker Heinz Riegel (Jg. 1903) wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Landesverrat angeklagt. Heinz Riegel, der in der Brandenburgischen Strasse 20 wohnte, berichtete 1983 als letzter Überlebender der illegalen Widerstandsgruppe, dass er unter der Leitung von Ewald Jahnen von Ende 1933 bis zur Verhaftung der Mitglieder im Mai 1935 in der Betriebsspionage der KPD («Betriebs-Berichterstattungs-Apparat») mit arbeitete. Davor hatte Riegel, der seit 1926 KPD-Mitglied war, zeitweise den von Hans Kippenberger geführten-sogenannten «Militärapparat» der Partei im Berliner Südwesten geleitet. Die illegale Tätigkeit dieser Gruppe, die 1933 durch Verrat aufflog, bestand vor allem in der Adressenbeschaffung für geheime Treffen sowie der Material- und Waffenlagerung. Daneben lernte Heinz Riegel in der KPD- Halensee, der er angehörte, so prominente Mitglieder wie Erwin Piscator, John Heartfield und dessen Bruder Wieland Herzfelde kennen. Über die von Heinz Riegel Ende 1933 übernommene Widerstandstätigkeit innerhalb der Betriebsspionage berichtete er 1983, dass in erster Linie Informationen gesammelt und ins Ausland weitergeleitet wurden. So teilte, wie bereits erwähnt, Frau Ueberrhein Nachrichten aus dem Heereswaffenamt der Gruppe mit. Diese und andere Berichte hielten Ewald Jahnen und Dr. Bobek, der im Osram-Versuchslabor arbeitete, auf präpariertem Filmmaterial fest, das sie heimlich in die Tschechoslowakei zur Auslandsleitung der KPD weitertransportierten. Jahnen hatte sich bereits früher führend innerhalb der «Roten Ruhrarmee» für die KPD betätigt. Er bekannte sich auch nach seiner Verhaftung im Mai 1935 weiterhin offen zum Kommunismus. Trotz schwerer Misshandlungen im KZ Columbiahaus und in der Prinz-Albrecht- Strasse verriet er keinen seiner Genossen. Am 6. März 1936 wurde er in seiner Zelle erschossen. Dr. Felix Bobek und Gerhard Diehl erhielten vom Volksgerichtshof 1937 die Todesstrafe. Sie wurden am 22. Januar 1938 in Plötzensee hingerichtet. Das Urteil für Heinz Riegel, der ebenfalls in der Untersuchungshaft schwer misshandelt wurde, lautete auf vier Jahre Zuchthaus. Nach Verbüssung der Strafe emigrierte er 1939 über Italien, Jugoslawien und Russland nach Schanghai. (1947 kehrte er nach Deutschland zurück.) Hilde Rubinstein Die Malerin und Schriftstellerin Hilde Rubinstein (Jg. 1904) gehörte der KPD seit 1930 an. Im November 1933 wurde sie verhaftet und kam für zehn Monate in Untersuchungshaft. Das Kammergericht warf ihr im Prozess Anfang September 1934 Vorbereitung zum Hochverrat vor und verurteilte sie zu eineinhalb Jahren Gefängnis. Der politische Leiter ihrer Widerstandsgruppe war Karl Tilgner, der im Juni 1936 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Frau Rubinstein, die damals am Kurfürstendamm wohnte, berichtete, dass Karl Tilgner für die KPD sehr aktiv war. Seine Fünfergruppe, zu der auch Frau Rubinstein gehörte, agierte unter Decknamen und war überwiegend nachts tätig. Die Mitglieder klebten Zettel mit kommunistischen Parolen an Hauswände oder warfen sie in Hausbriefkästen. Hilde Rubinstein emigrierte nach Verbüssung ihrer Haft im September 1935 nach Schweden. 85

88 Hilde Rubinstein Obwohl sie in Schweden in Sicherheit lebte, wagte Frau Rubinstein im Dezember 1936 einen Besuch in der Sowjetunion. Dort wurde sie als angeblicher «trotzkistischer Kurier» für zehn Monate inhaftiert. Ende 1937 kehrte sie wieder nach Schweden zurück, wo auch ihr Kind verblieben war. Bis 1982 lebte sie als «ewige Emigrantin schwedischer Staatsbürgerschaft und als deutsche Schriftstellerin» in Schweden. Verborgene Druckerei und Waffenlager Der Zimmermann Fritz Lorke war KPD-Mitglied und bis 1932 Vorsitzender des Kleingartenvereins Kissingen e.v. zwischen der Forckenbeck- und Cunostrasse. Zum Ende der Weimarer Republik hin organisierte er Arbeitslosenspeisungen und die Betreuung von Schulkindern während der Ferien auf dem Vereinsgelände. Dennoch wurde er als Kommunist von nationalsozialistischen Vereinsmitgliedern Anfang der 30er Jahre zunehmend angefeindet und schliesslich widerrechtlich aus dem Vorstand gejagt. Anfang April 1933 fand zudem eine Razzia auf dem ausgedehnten Kleingartengelände nach kommunistischen Verstecken statt. Die Siedler Heinrich Simm und Walter Reck wurden in einer Laube festgenommen, in der sie Flugblätter gedruckt hatten. Der Hilfsarbeiter Walter Reck war seit 1930 Mitglied der KPD. Er machte seit Oktober 1932 für den kommunistischen Materialverwalter des Unterbezirks Südwest, Karl Horn, Verstecke für illegale Waffenlager aus. Er selbst lagerte in seiner Laube im Akazienweg 21 Schwarzpulver. Auf dem Grundstück seines Laubennachbarn, dem Schriftsteller Richard Kaufmann (Akazienweg 46), mauerte er einen Hohlraum in den Schornstein. Dort versteckte Reck, in einen Zinkkanister verpackt, 19 Pistolen sowie 900 Schuss Munition. Dieses Waffenlager wurde im November 1933 bei einer Polizei-Razzia entdeckt. Darüber hinaus brachte Walter Reck zur Herstellung von Sprengstoff bestimmte Chemikalien seinem Freund Körner in den Keller einer Grossgarage in der Warne- 86

89 münder Strasse 21. Ein weiteres Waffenlager befand sich bei dem Portier Bruno Kempfer (KPD-Mitglied seit 1923) in der Auguste-Viktoria-Strasse 62. Hier lagerten illegal 18 Pistolen und 990 Schuss Munition. In der Breiten Strasse 50 und der Pfalzburger Strasse 74 befanden sich noch zusätzliche Verstecke. Im Dezember 1934 fand der Prozess wegen «des Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz in Tateinheit mit der Vorbereitung zum Hochverrat» vor dem Kammergericht statt. Walter Reck wurde zu zwei Jahren und neun Monaten Zuchthaus verurteilt, Bruno Kempfer zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis und Richard Kaufmann zu zehn Monaten Gefängnis. Der Druckereibesitzer Alfons Mattert (KPD) lebte in der Westfälischen Strasse 37 und druckte bis Oktober 1933 die «Rote Fahne», Hand-, Flug- und Klebezettel. Er wurde verhaftet und erhielt dreieinhalb Jahre Zuchthaus. Sein Sohn Eugen Mattert (Jg. 1911) verteilte noch bis 1934/35 illegal die «Rote Fahne» an Baustellen. Fluchthelfer Dr. Karl Steiner ( ), der 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zur SPD als Syndikus der «Reichskraftsprit GmbH» entlassen wurde, arbeitete illegal im Rahmen der Berliner KPD. Steiner, der in Rechts- und Staatswissenschaften promoviert hatte, betrieb nach seiner Entlassung eine Grossgarage in Halensee, die Autorepartur-Werkstatt Otto Mayer in der Nestorstrasse Mit Hilfe eines dort angestellten Fahrers konnte er mehreren politisch Verfolgten zur Flucht ins Ausland verhelfen. Am 25. August 1936 wurde Karl Steiner verhaftet. Er erhielt in einem Prozess vor dem Kammergericht im November 1937 eine zweijährige Zuchthausstrafe. (Siehe die Pankow-Reinickendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Grossgarage in Halensee, Nestorstrasse

90 Ruth Mock In der Düsseldorfer Strasse 76 lebte Ruth Mock (Jg. 1912), die 1930 über eine Amerikanerin aus Boston, Miss Bloom, zu einem Gesprächskreis stiess, der bis 1940 regelmässig zusammenkam. Miss Bloom vertrat kommunistische Ansichten und gehörte zur Kirche der Christlichen Wissenschaft, der auch Ruth Mock beitrat Die kleine Gruppe von vier bis fünf Mitgliedern las Bücher zum Thema Kommunismus und diskutierte darüber. Auch Hitlers «Mein Kampf» wurde gelesen und besprochen. Die Teilnehmer kannten sich, bis auf die Leiterin, Miss Bloom, nur beim Vornamen. Treffpunkt war zunächst das russische Restaurant «Die ewige Laterne» am Hohenzollerndamm. Nach 1933 verlegte die Gruppe ihren Gesprächskreis aus Sicherheitsgründen in ein angemietetes Zimmer in der Landhausstrasse 36. Es ging den Teilnehmern darum, sich politisch im sozialistischen Sinn zu stärken und gegen das nationalsozialistische Umfeld zu schützen. Ausserdem unterstützten sie einzelne Juden und warnten sie vor bevorstehenden Deportationen. Die Kirche der Christlichen Wissenschaft wurde 1941 reichsweitverboten und das gesamte Eigentum von der Gestapo beschlagnahmt. Die Kirche in der Wilhelmsaue 112, erst 1937 fertiggestellt, übernahm 1943 die Waffen-SS. Das Kirchenschiff diente während des Krieges als Kino. In kleinen Gruppen traf sich die Gemeinde dennoch heimlich privat weiter. Marta Astfalck-Vietz In der Prager Strasse 17, im Gartenhaus, lebte seit 1932 die Fotografin Marta Astfalck-Vietz (Jg. 1901) mit ihrem Mann, dem Architekten Hellmuth Astfalck, den sie 1928 geheiratet hatte. In der Wohnung nebenan wohnte Peter Limann, der Verbindung zu kommunistischen Widerstandskreisen hatte. Für eine von Limann vermittelte, ihr nicht näher bekannte Widerstandsgruppe stellte Frau Astfalck-Vietz bis Kriegsausbruch ihre Dunkelkammer zur Verfügung. Mit dem Kennwort «Rudi» gelangten immer wieder andere Menschen, die sich mit ihren Decknamen vorstellten,zu ihr. Frau Astfalck erinnert sich:»...,dann kamen zwei oder drei Personen, die damals noch in der Reichskanzlei arbeiteten. Denen gab ich meine Dunkelkammer,..., es war die frühere Mädchenkammer. Da haben sie die ganze Nacht über gearbeitet, haben Blätter kopiert, die sie tagsüber aus der Reichskanzlei entwendet hatten....ich hatte Vergrösserungskästen und Lichtvorrichtungen, so dass sie das machen konnten.» Am nächsten Morgen mussten die entwendeten Dokumente wieder in der Reichskanzlei sein. Für Frau Astfalck war die anonyme Arbeit nachts in ihrer Dunkelkammer nicht ungefährlich, da das Wasser für das Fixierbad stundenlang lief, und sie ihre «Gäste» möglichst ungesehen im Dunkeln wieder aus dem Haus herauslassen musste. Einmal wurde sie vom Hauswart gewarnt, der sie auf das Geräusch des Wassers aufmerksam machte. Sicher hatte er sie auch nachts die Tür zur Strasse auf- und zuschliessen hören. Doch er verriet sie nicht. Das Hauswartsehepaar gehörte zu den «Zeugen Jehovas» und ist später in einem Konzentrationslager umgekommen. Frau Astfalck half darüber hinaus politisch Verfolgten und Juden, die sie zeitweise in ihrer Wohnung versteckte. Sie erhielt eine Vorladung zur Gestapo, und ihre Wohnung wurde durchsucht. Aber auch eine Befragung der Hauswartsleute brachte keine Beweise gegen Frau Astfalck an den Tag. Bis zum Kriegsende unterstützte das Ehepaar Astfalck etwa zehn bis zwölf untergetauchte Juden. 88

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92 Die «Rütli-Gruppe» (Wiesbadener Strasse 45) Hans (Hanno) Günther ( ) wuchs in der Familie eines Buchhändlers auf und besuchte von die Rütli-Schule in Neukölln. Sie war eine der wenigen Reformschulen der Weimarer Zeit und stark durch die Bestrebungen des Reformpädagogen Kurt Löwenstein geprägt. Bis 1936 besuchte Hanno Günther die Schulfarm auf der Insel Scharfenberg, die er aber aufgrund seiner oppositionellen Haltung dem NS-Staat gegenüber in der 9. Klasse wieder verlassen musste. (Siehe die Pankow-Reinickendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Günther begann daraufhin eine Lehre bei dem Bäcker Reichel am Kaiserplatz (Bundesplatz) in Wilmersdorf. Als Lehrling fand er über frühere Schulfreunde Kontakt zu einer kommunistischen Gruppe, der auch Elisabeth Pungs angehörte. Die Kommunistin organisierte in ihrer Wohnung in der Wiesbadener Strasse 45 ab 1936/37 einen Gesprächsund Schulungskreis von Regimegegnern, in dem auch Künstler (wie Alfred Schmidt- Sas) und Intellektuelle jüdischer Herkunft mitwirkten. Nach Kriegsbeginn (1939) beschlossen Elisabeth Pungs und Hanno Günther, von den Diskussionen zu Widerstandsaktionen überzugehen. Sie verfassten Flugblätter, Aufrufe und Klebezettel, die sie selber herstellten und gemeinsam verteilten. Mit Parolen wie «Für Freiheit und Friede! Krieg dem Kriege I» befestigten sie sie heimlich an Litfasssäulen und Plakataushängen der NSDAP. Im Juli 1940 verfasste die Gruppe die Flugschrift «Das freie Wort», die die Arbeiterschaft u.a. aufforderte, langsamer zu arbeiten und sich solidarisch mit den politischen Gefangenen zu zeigen. Die Flugschrift erschien in sechs Folgen und hatte jeweils eine Auflage von Stück. (Siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Nach einem Klassentreffen ehemaliger Rütlischüler konnte Hanno Günther den Kreis der Aktiven im Januar 1941 durch Dagmar Petersen, Emmerich Schaper und Bernhard Sikorski vergrössern. Die Treffen, zu denen auch das Abhören von Feindsendern gehörte, fanden an verschiedenen Orten statt, u.a. in der Wohnung der Eltern von Dagmar Petersen in der Waghäuseler Strasse 8. Ein persönlicher Bekannter Dagmar Petersens, der Arbeiter Wolfgang Pander, gehörte ebenfalls zu dem Kreis. Elisabeth Pungs warnte mit Hilfe ihres Bekannten Herbert Bochow, einem erfahrenen kommunistischen Widerstandskämpfer, Hanno Günther vor der grossen Gefahr bei der Verbreitung von Untergrundschriften. Im Januar 1941 beendete Günther daher diese Aktion. Trotzdem gelang es Ende Juli 1941 der Gestapo, den gesamten Freundeskreis zu verhaften. Die Anklage lautete: Vorbereitung zum Hochverrat für die Jahre , obwohl der Kontakt der ehemaligen Rütli-Schüler auf die Zeit von Dezember1940 bis Juni 1941 begrenzt war. Trotz des teilweise sehr jugendlichen Alters der Mitglieder dieser Widerstandsgruppe wurden fast alle zum Tode verurteilt. Es nützte auch nichts, dass Hanno Günther die gesamte Verantwortung als «Rädelsführer» auf sich nahm. Hanno Günther, Wolfgang Pander und Bernhard Sikorski wurden Anfang 1942 in Plötzensee hingerichtet. Auch Alfred Schmidt-Sas (Pariser Strasse 30) verlor an diesem Schreckensort das Leben. Emmerich Schaper starb an den Folgen der Haft. Dagmar Petersen, die als «Halbjüdin» zusätzlich gefährdet war, erhielt sieben Jahre Zuchthausstrafe, die sie überlebte. Elisabeth Pungs entging dem für sie bestimmten Todesurteil aufgrund einer schweren Erkrankung an Tbc. Ihrem Anwalt gelang es durch geschicktes Taktieren, ihren Prozess immer weiter hinauszuzögern, bis sie schliesslich im Tbc-Sanatorium in Stahnsdorf «vergessen» wurde. Mitte Mai 1945 kehrte sie in ihre Wohnung in der Wiesbadener Strasse zurück, starb jedoch im August 1945 an den Folgen ihrer Krankheit. 90

93 Schulze-Boysen/Harnack-Organisation Seit Mitte der 30er Jahre sammelte sich um den jungen Referenten im Reichsluftfahrtministerium, Harro Schulze-Boysen ( ), ein dem NS-Regime gegenüber oppositionell eingestellter Freundeskreis. In diese Zeit fiel auch die erste Begegnung mit dem Referenten im Reichswirtschaftsministerium, Arvid Harnack ( ), der bereits seit 1932 die integrierende Persönlichkeit einer anderen Gruppe von Nazigegnern geworden war. Ein direktes Zusammenwirken der Kreise um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen entstand jedoch erst nach einem erneuten Treffen im Jahre 1940 durch die Vermittlung von Adam und Greta Kuckhoff. Der Name «Rote Kapelle», unter dem diese Widerstandsgruppe bis heute bekannt ist, war 1941 als allgemeiner Fahndungsname für eine in Westeuropa vermutete Spionagegruppe geprägt worden. Als die Gestapo im Dezember 1941 in Brüssel die von Leopold Trepper berufsmässig geführte sowjetische Spionageorganisation aufdeckte, übertrug sie von dort den Fahndungsnamen auf den (ganz anders entstandenen) Berliner Kreis, der nur in sehr lockerer Verbindung zu der Trepperschen Organisation stand. Die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation zählte in Berlin über 100 Mitglieder. Ihre Widerstandstätigkeit konzentrierte sich vor allem auf die Verteilung illegalen Schriftmaterials in Deutschland, d.h. Flugblätter, Flugschriften und Klebezettel wurden entworfen, gedruckt und verteilt. Daneben wurden intensive politische Gespräche geführt, Nachrichten gesammelt, Fluchthilfe geleistet und Kontakte zu ausländischen Zwangsarbeitern hergestellt. Darüber hinaus bemühte sich die Gruppe vor allem durch Hans Coppi Funkkontakte zum Ausland herzustellen. Coppi war im Mai 1940 durch die Vermittlung von Lotte Schleif und Heinrich Scheel zur Schulze-Boysen/Harnack-Organisation gekommen. Ab Juni 1941 wurde er als Funker eingesetzt. Er arbeitete zusammen mit Kurt Schulze und dem Wilmersdorfer Helmut Marquart (Jg. 1923), der ein möbliertes Zimmer in der Westfälischen Strasse 56 bewohnte. Ab Ostern 1942 half Helmut Marquart u.a. bei der Reparatur von Funkgeräten. Über Mittelsmänner erhielt Hans Coppi von Arvid Harnack verschlüsselte Nachrichten und versuchte, sie per Funk nach Moskau oder Brüssel weiterzuleiten. Dabei traten wiederholt technische Probleme auf. Die Funkversuche fanden in einer Wohnlaube in Borsigwalde, der Wohnung Oda Schottmüllers in Charlottenburg und der Wohnung Erika von Brockdorffs in Friedenau sowie an anderen Orten statt. Als leitender Mitarbeiter im Reichsluftfahrtministerium erhielt Harro Schulze- Boysen kriegswichtige Nachrichten, die seine illegalen Helfer nach Moskau lancierten, so auch 1941 die Warnung von dem geplanten Einmarsch in die Sowjetunion. Aber Stalin glaubte auch der Warnung aus Berlin nicht. (Helmut Marquart wurde im September 1942 in der Westfälischen Strasse 56 verhaftet und in die Prinz-Albrecht-Strasse gebracht. Obwohl er im Juli 1943 vom Reichskriegsgericht mangels ausreichender Beweise freigesprochen wurde, inhaftierte ihn die Gestapo im September 1943 und verbrachte ihn in das KZ Sachsenhausen. Im März 1945 wurde er nach mehreren Gnadengesuchen seines Vaters aus der KZ-Haft entlassen.) Dem oppositionellen Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen und seiner Ehefrau Libertas ( ) gehörten seit Mitte der 30er Jahre an: Elisabeth und Kurt Schumacher (Bildhauer), Marta und Walter Husemann (Redakteur), die Ärztin Elfriede Paul und ihr Lebensgefährte Walter Küchenmeister (Schriftsteller), Oda Schottmüller (Bildhauerin und Tänzerin), der Schriftsteller Günther Weisenborn, Lotte Schleif und Gisella von Pöllnitz. Ein Treffpunkt der Gruppe waren 91

94 Walter Küchenmeister die Praxis- und Wohnräume der Ärztin Dr. Elfriede Paul ( ) im «Sächsischen Palais» in der Sächsischen Strasse 63a. Seit 1936 hatte Elfriede Paul ihre Zulassung als praktische Ärztin, und viele Mitglieder des oppositionellen Freundeskreises um Harro Schulze-Boysen gehörten zu ihren tatsächlichen Patienten. Kurt Schumacher machte Anfang 1937 Elfriede Paul mit Walter Küchenmeister ( ) bekannt und bezog sie in die Widerstandstätigkeit mit ein. Bis zum Kriegsausbruch trafen sich in ihrer Praxis Mitglieder der Gruppe zu politischen Schulungen und Vorbereitungen verschiedener Flugblattaktionen. Zur Jahreswende 1938/39 nutzte Elfriede Paul Auslandsreisen nach Paris und London, um die Emigration von verfolgten Juden vorzubereiten. Elfriede Paul war seit 1921 KPD- Mitglied, ihr Lebensgefährte, Walter Küchenmeister, gehörte bereits seit 1919 der KPD an. Er hatte sich 1918 am Kieler Matrosenaufstand beteiligt, war 1929 nach Berlin übergesiedelt und betätigte sich als freier Schriftsteller. In den Jahren 1933/34 war er zweimal inhaftiert, u.a. im KZ Sonnenburg. Nach seiner Entlassung hatte er weiterhin Kontakte zu kommunistischen Gruppen begegnete er bereits Harro Schulze-Boysen und Kurt Schumacher. Er gehörte somit zum Kern der um Schulze-Boysen entstehenden oppositionellen Gruppe. Küchenmeister initiierte Sammlungen für politische Gefangene und führte Schulungen unter Studenten der «Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst» durch. Ostern 1939 begleitete ihn Elfriede Paul zu einem Kuraufenthalt in die Schweiz, um illegale Kontakte zur dortigen KPD-Auslandsleitung zu knüpfen. Eine engere Zusammenarbeit kam jedoch nicht zum Tragen, da das Sekretariat der KPD in Paris ideologische Bedenken signalisierte. Im Sommer 1939 beteiligte sich Elfriede Paul zusammen mit Kurt Schumacher an der Ausschleusung des im gleichen Jahr aus dem KZ entflohenen Rudolf Bergtel in die Schweiz. Lotte Schleif hatte dem bereits seit 1933 verfolgten Kommunisten Bergtel zuvor illegale Unterkunft gewährt. Die Bibliothekarin stellte ihre Wohnung 92

95 in der Kaiserallee 172 in den Jahren ausserdem für Treffen und Vervielfältigungsarbeiten der illegalen KPD zur Verfügung. Seit dem Sommer 1939 gehörte Lotte Schleif dem Widerstandskreis um Harro Schulze-Boysen an. Elfriede Paul schrieb in ihren Erinnerungen «Ein Sprechzimmer der Roten Kapelle» (1981): «Wirklich, eine bessere Tarnung als meine Praxis gab es für uns politisch Gefährdete kaum. Wenn die Genossen zu mir kamen, fielen sie in keiner Weise auf. Kurt und seine Frau Elisabeth waren gut gekleidet, sportliche und angesehene Bürger. Harro fand überall freundliche Aufnahme. Jung und schlank, sehr freundlich im Umgang, wirkte er auf alle Menschen anziehend.» Weiter erinnerte sich Elfriede Paul in einem Interview: «Harro Schulze-Boysen brachte Zeitschriften, bebilderte und geheime Materialien mit, darüber wurde gesprochen,... Elisabeth,...sie war ja Grafikerin,...sie bekam Anweisungen, wie sie das Material kopieren und verkleinern musste. Wir haben diese Texte zum Teil bis auf Briefmarkengrösse verkleinert und vervielfältigt.» Der Bildhauer Fritz Cremer (Jg. 1906), der selbst in der Düsseldorfer Strasse 48 wohnte, berichtete, dass die unbesetzte Pförtnerloge im «Sächsischen Palais» als Informationsstelle diente. Im Gegensatz zu Fritz Cremers Arbeiten galten Kurt Schumachers Plastiken nach 1933 als «entartet». Seine Frau, Elisabeth Hohenemser ( ), die er 1934 heiratete, musste den Lebensunterhalt verdienen. Sie arbeitete im Arbeitsschutzmuseum in der Fraunhoferstrasse als Grafikerin und Fotografin. Im Fotolabor dieses Museums bearbeitete sie nachts die Fotos für die Widerstandsarbeit. Als «Halbjüdin» war sie zunehmend gefährdet. Die sogenannte «Künstler-Gruppe» der «Roten Kapelle» hielt seit Mitte der 30er Jahre auch Kontakt zum Kreis um Adam Kuckhoff, Arvid Harnack und später John Rittmeister. Der Schriftsteller Adam Kuckhoff ( ) war ein Freund Adolf Grimmes und seit 1928 mit John Sieg bekannt. Mit seiner Frau Greta wohnte er seit 1938 in der Wilhelmshöher Strasse 18 in Friedenau. Bereits seit 1933 bestand ein Gesprächskreis Oppositioneller um Adam und Greta Kuckhoff. Die Diskussionsthemen waren vor allem der wirtschaftlichen Neuordnung Deutschlands unter Einführung der sozialistischen Planwirtschaft gewidmet. Ein Experte in diesen Gesprächen war Arvid Harnack, der über die Arbeiterbewegung in den USA promoviert hatte. Der Pianist Helmut Roloff (Jg. 1912) schloss sich 1940 der Widerstandsarbeit an. Er wohnte in der Trautenaustrasse 10 und hatte seit Kriegsbeginn Kontakt zu dem Zahnarzt Helmut Himpel in der Lietzenburger Strasse 6. Dieser gehörte, wie seine Lebensgefährtin Maria Terwiel, zur «Roten Kapelle». Helmut Roloff erinnert sich an seine Verbindung mit Helmut Himpel: «Als er mich eines Tages fragte, ob wir zusammenarbeiten wollten, kannte ich seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe noch nicht, ja, ich wusste überhaupt wenig von solchen Verbindungen. Wir trafen uns in der Wohnung Himpels, und bei einer dieser Gelegenheiten bekam ich Einblick in die weite Verzweigung von Schulze-Boysens Organisation, die absichtlich so eingerichtet war, dass keine der zahlreichen Untergruppen etwas von den anderen wusste. Wir be- 93

96 schäftigten uns mit Flugblatt-Vervielfältigungen und deren Versendung. Im September 1942 übergab mir Himpel einen kleinen verschlossenen Koffer, den ich wegbringen sollte. Auf meine Frage, was darin sei, antwortete er:,das dürfen Sie nicht wissen. Ich sagte noch: Also, wenn der Koffer gefunden wird, ist der Kopf ab. Dann nahm ich den Koffer und stellte ihn in meinem Zimmer hinter ein kleines Notengestell unter meinen Flügel». Maria Terwiel Am 17. September 1942 wurde Roloff verhaftet. Der Koffer fiel der Gestapo bei der Wohnungsdurchsuchung in die Hände. Er enthielt ein Funkgerät. Maria Terwiel ( ) musste 1935 ihr Jurastudium abbrechen, da sie «Halbjüdin» war. Sie zog daraufhin wieder zu ihrer Familie in die Seesener Strasse 16. Seit Beginn der 30er Jahre war sie mit Helmut Himpel befreundet. Sie verlobten sich 1940 und zogen zusammen in die Lietzenburger Strasse 6. Als leidenschaftliche Nazigegnerin suchte sie nach Gleichgesinnten, unterstützte Juden durch Lebensmittelkarten und Beschaffung von Personalpapieren. Die gläubige Katholikin vervielfältigte auf ihrer Schreibmaschine mehrere Flugschriften, so auch die Predigten des Bischofs Graf von Galen gegen «Euthanasie» im Sommer Bereits im Jahr 1940 erhielt sie über Helmut Himpel Kontakt zur Schulze-Boysen/ Harnack-Organisation. In der Lietzenburger Strasse organisierte sie mit Himpel, Roloff und anderen den Versand der Flugschriften an Adressen aus dem Telefonbuch und an die Front. Ein weiterer Helfer dieses Kreises war Ernst Happach ( ), der in der Markgraf-Albrecht-Strasse 8 in Halensee wohnte. Der Handelsvertreter war seit 1919 KPD- Mitglied und hatte sich bereits 1933 wiederholt an Flugblattaktionen beteiligt. Ab 1940/41 stellte er in seiner Wohnung auf einem dort deponierten Vervielfältigungsapparat Flugblätter für die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation her. Die fertigen Flugblätter wurden hauptsächlich von seinem Sohn, Heinz Happach, zur Wohnung von Helmut Himpel gebracht, um von dort aus weiterversandt zu werden. 94

97 Als im September 1942 die Organisation aufflog, wurde Maria Terwiel ebenso wie Helmut Himpel verhaftet und am 26. Januar 1943 mit ihm zusammen zum Tode verurteilt. Ihre Hinrichtung fand am 5. August 1943 in Plötzensee statt. Insgesamt verhaftete 1942 die Gestapo 119 Mitglieder der «Roten Kapelle», 58 von ihnen wurden zum Tode verurteilt und in Plötzensee besonders grausam hingerichtet. Zu ihnen gehörten Arvid und Mildred Harnack, Walter Husemann, Walter Küchenmeister, Adam Kuckhoff, John Rittmeister, Oda Schottmüller, Harro und Liberias Schulze-Boysen, Elisabeth und Kurt Schumacher sowie John Sieg. Elfriede Paul und Günther Weisenborn erhielten sechs Jahre Zuchthaus, Lotte Schleif acht Jahre. Fritz Cremer entging den Nachforschungen der Gestapo durch seine häufigen Auslandsaufenthalte und seine Einberufung zur Wehrmacht 1940 als Flaksoldat auf Kreta. Helmut Roloff wurde im Prozess am 26. Januar 1943 durch die Solidarität der Mitangeklagten gerettet. Er erinnert sich: «Da alle Verhafteten bis zuletzt aussagten, dass ich nicht gewusst hätte, was in dem Koffer war und dass bei unseren Zusammenkünften immer nur musiziert worden sei, wurde ich zwar noch mehrfach vernommen, aber am Tag nach der Verurteilung Himpels und Maria Terwiels am 27. Januar 1943 dank dieser tapferen Haltung meiner Freunde entlassen». Die Aussage Roloffs bekommt besondere Bedeutung vor dem Hintergrund unsagbarer Folter, die die Hauptangeklagten erdulden mussten. Die Gestapo, vom Ausmass der Organisation vollkommen überrascht, wollte soviele Namen wie möglich aus den Häftlingen herauspressen. Im Zuge der Verhaftungswelle wurden zehn Sende- und Empfangsgeräte, zwei Vervielfältigungsapparate sowie ein Fotovergrösserungsapparat zur Herstellung von Bescheinigungen, Ausweispapieren und Lebensmittelkarten sichergestellt. In der Aschaffenburger Strasse 14 wohnte Clara Nehmitz ( ), die ebenfalls zur «Roten Kapelle» gehörte. Seit 1927 war sie mit dem Kommunisten Wilhelm Guddorf befreundet half sie bei der illegalen Herausgabe der KPD-Zeitung «Die Rote Fahne», wurde deswegen verhaftet und am 4. Juli 1933 zu eineinhalb Jahren Gefängnis wegen «Vorbereitung zum Hochverrat» verurteilt. Nach ihrer Entlassung im Mai 1935 wurde sie Lektorin bei der Ufa in Babelsberg. Ab 1939 gewährte sie Wilhelm Guddorf nach dessen Entlassung aus dem KZ Unterschlupf in ihrer Wohnung. Beide waren an Entwürfen für Flugblätter beteiligt und standen in Kontakt zu Lotte Schleif und anderen. Clara Nehmitz wurde Anfang Oktober 1942 in ihrer Wilmersdorfer Wohnung verhaftet, in das Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht und im Verhör misshandelt. Obwohl sie bereits Ende November 1942 wieder entlassen wurde, blieb sie weiterhin unter Polizeiaufsicht. Aufgrund wiederholter Nachforschungen der Gestapo verliess Frau Nehmitz Anfang 1945 Berlin und lebte bis zum Kriegsende illegal in Potsdam. Der Architekt Hans Henniger ( ?) wohnte in der Ludwigkirchstrasse 1 und stand seit 1941 in Kontakt mit John Graudenz, einem ausgesprochen aktiven Mitglied der Schulze-Boysen/Harnack-Organisation. Henniger, der seit 1934 dem Reichsluftfahrtministerium angehörte, gab Informationen aus seinem beruflichen Umfeld an Graudenz weiter. Im Zuge der Verhaftungswelle im Herbst

98 wurde Henniger am 9. Oktober verhaftet. Im Januar 1943 verurteilte ihn das Reichskriegsgericht zu vier Jahren Gefängnis wegen «Ungehorsams im Felde und Preisgabe eines Staatsgeheimnisses». Im Juni 1943 erhielt Henniger die Möglichkeit der Frontbewährung, geriet im Januar 1944 in sowjetische Gefangenschaft und gilt seither als verschollen. Ebenfalls zum weiteren Kreis der Schulze-Boysen/Harnack-Organisation gehörte die Tante Harro Schulze-Boysens, Elsa Boysen ( ). Sie wohnte in der Cunostrasse 67b in Schmargendorf. Als Fachübersetzerin für sieben Sprachen war sie seit 1922 bei der Firma Siemens & Halske am Anhalter Bahnhof tätig. Sie unterhielt eine enge freundschaftliche Beziehung zu Harro und Libertas Schulze- Boysen. Beruflich stand sie ausserdem in Kontakt zu Mildred Harnack. Elsa Boysen erhielt mehrere illegale Schriften der «Roten Kapelle». Ende September 1942 wurde auch sie in ihrer Wohnung verhaftet und in das Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht. Nach ihrer Haftentlassung im Dezember 1942 verlor sie ihre Anstellung bei der Firma Siemens & Halske. Bis zu ihrem Tod in der Nachkriegszeit lebte sie in Berlin. 96

99 Verfolgte Künstler Die Maler und Graphiker E. O. Plauen, George Grosz und Felix Nussbaum Der satirische Zeichner Erich Ohser ( ) ist bis heute wegen seiner Bildersequenzen «Vater und Sohn», die er über Jahre in der «Berliner Illustrierten» unter dem Pseudonym e.o. plauen publizierte, bekannt Wie Erich Kästner, mit dem er befreundet war und dessen Bücher er illustrierte, belegten die Nationalsozialisten ihn mit einem Arbeitsverbot Bis 1943 gelangen ihm dennoch heimlich Veröffentlichungen. Mit seinem Freund Erich Knauf redete er allzu oft im Luftschutzkeller über die tatsächliche Kriegslage.1944 wurden beide denunziert und wegen «Wehrkraftzersetzung» vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Erich Ohser (Hoffmann-v. Fallersleben Platz 2) hat jedoch bereits vor der Urteilsvollstreckung in seiner Zelle seinem Leben ein Ende gesetzt. Der Maler George Grosz ( ) lebte von 1928 bis zu seiner Emigration 1933 in der Trautenaustrasse 12. Mit seinen satirischen Bildern und Zeichnungen kämpfte er gegen Militarismus, Obrigkeitsstaat und Untertanenmentalität in Deutschland. Er sah sich als moralistischer Maler, der die Gesellschaft verändern und verbessern wollte. Er illustrierte Veröffentlichungen des von Wieland Herzfelde und John Heartfield gegründeten Malik-Verlages am Kurfürstendamm 76. In der Weimarer Republik waren die Ausstellungen und Veröffentlichungen von George Grosz mehrfach von Skandalen begleitet. So wurde er für das Erscheinen der Mappe «Ecce homo» wegen seiner rücksichtslosen Darstellung des Sittenverfalls in der Gesellschaft und der Auswüchse der Inflationszeit vor Gericht gestellt und verurteilt schrieb er an einen Freund: «Keine Frage, meine Blätter sind ja auch mit das Stärkste, was man gegen diese bestimmte deutsche Brutalität gesagt hat. Heute sind sie wahrer denn je und man wird sie sich in, verzeihe,humaneren Zeiten einmal zeigen,...» Die Nationalsozialisten verboten seine Bilder im gleichen Jahr als «entartete Kunst». 285 seiner Arbeiten wurden aus deutschen Museen entfernt und er selber ausgebürgert. Grosz war sich aber bereits vorher der politischen Gefahr bewusst gewesen, so dass er Anfang Januar 1933 mit seiner Frau nach New York emigrierte, wo er einen Lehrstuhl an einer Kunstschule übernahm erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft und kehrte erst kurz vor seinem Tode 1959 nach Berlin zurück. Der Maler Felix Nussbaum ( ) lebte seit 1928 in der Xantener Strasse 23. Er erhielt 1932 ein Stipendium der Deutschen Akademie in Rom, das es ihm ermöglichte, bis 1934 in Italien zu bleiben. Wegen antisemitischer Angriffe kehrte der «Jude Nussbaum» nicht mehr nach Berlin zurück, sondern emigrierte 1935 über Paris nach Belgien. Dort wurde er im Mai 1940 beim Einmarsch der deutschen Truppen als «feindlicher Ausländer» verhaftet, nach Frankreich abgeschoben und im Lager Saint-Cyprien interniert. Ihm gelang die Flucht zurück nach Brüssel, wo er bis 1944 illegal im Untergrund lebte. In diesen Jahren der Isolation entstanden zahlreiche Selbstportraits, so u.a. das «Selbstbildnis mit Judenpass» (1943). 97

100 Aufgrund einer gezielten Denunziation im Juni 1944 verhaftete ihn die Gestapo in seinem Brüsseler Versteck. Zusammen mit seiner Frau Felka Nussbaum-Platek wurde er mit einem der letzten Deportationszüge aus Belgien Ende Juli 1944 zur Ermordung nach Auschwitz deportiert. Architekt Max Taut Der Architekt Max Taut ( ) lebte im Lärchenweg 15 in Eichkamp. Er bestimmte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit seinem Bruder Bruno Taut und dem gemeinsamen Partner Franz Hoffmann neben anderen bekannten Architekten wie Mies van der Rohe und Hans Scharoun ganz entscheidend die Architekturentwicklung in Berlin und über die Stadt hinaus. Anfang 1919 legte Max Taut einen Bebauungsplan für die Siedlung Eichkamp vor. Auf dem 133 Hektar grossen Gelände sollten nach seinen Vorstellungen annähernd Menschen in naturnahen Siedlungshäusern ein gesundes Zuhause in der Grossstadt finden. Es wurde jedoch nur ein kleiner Teil des Gesamtplanes 1919/20 parallel zur AVUS verwirklicht. 1927/28fügte Max Taut noch einige Häuser dazu. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte sein Bruder Bruno Taut; er selbst galt als «unerwünscht». Das Büro «Taut und Hoffmann» bestand von 1909 bis Während der NS-Diktatur wurde teilweise nur Franz Hoffmann als alleiniger Architekt des Büros angegeben. In derzeit von musste Max Taut sich auf wenige Kleinbauten, insgesamt acht Projekte, beschränken. Bei der Einweihung seines Sparkassen- Reichsknappschaftsgebäude von Max Taut am Breitenbachplatz

101 neubaus in Genthin am 26. November 1936 wurde sein Name nicht genannt. Als Architekt der Avantgarde der 20er Jahre und aufgrund seiner früheren Tätigkeit für Gewerkschaften und Genossenschaften war er in den Augen der Nazis, die ihn zeitweise mit totalem Berufsverbot belegten, verdächtig. Max Taut versuchte, «gesunde und menschenwürdige Wohnungen» zu schaffen. Aus dieser Zielsetzung heraus entstanden 1927/28 die Siedlung Ruhleben am Brombeerweg sowie 1930 in Reinickendorf drei dreigeschossige Wohnblöcke an der Waldowstrasse. Ausserdem entwarf Max Taut 1927 zwei Einfamilienhäuser für die Stuttgarter Werkbundsiedlung am Weissenhof, die später von den Nazis als «entartete Kunst» verspottet wurde. Neben einem modernen Bürohaus für den ADGB in der Wallstrasse im Bezirk Mitte aus den Jahren 1922/24 schuf Max Taut 1929/30 ausserdem das Gebäude der Reichsknappschaft am Breitenbachplatz in Wilmersdorf. Max Taut verstarb 1967 in Berlin. Komponist Leon Jessel Im Haus Düsseldorfer Strasse 47 lebte von der Komponist Leon Jessel ( ). Mit seiner Operette «Schwarzwaldmädel» war er 1917 fast allen Deutschen bekannt. Die Nationalsozialisten nahmen 1941 den Siebzigjährigen in Haft. Im Januar 1942 starb Leon Jessel im Jüdischen Krankenhaus in Berlin, nachdem er wenige Stunden zuvor in Lumpen gehüllt, aus Mund und Nase blutend und zum Skelett abgemagert eingeliefert worden war. Robert Stampa (Dorsay) wird hingerichtet (Pommersche Strasse 3) Robert Dorsay ( ) stammte aus einer Bremer Schauspielerfamilie. Schon früh fiel seine grosse tänzerische Begabung auf erhielt er ein Engagement im «Kabarett der Komiker» (Ka De Ko) in Berlin und 1936 seine erste Filmrolle neben Anny Ondra und Hans Söhnker in dem Film «Flitterwochen» war Robert Dorsay ein gefeierter Operettenstar. Im Revuetheater «Admiralspalast» 99

102 Mein lieber Eddy! Nun sind schon 14 Tage vergangen, wo ich hier wieder diese Scheisse mitmachen muss. Zum Glück bin ich jetzt G. v. H. und in der G en.-komp. Eigentlich ärgere ich mich darüber, dass ich unserem geliebten Führer beim Endkampf nicht helfen kann, zu dumm! Ich hätte so gern mein Leben eingesetzt für die herrliche Idee der NSDAP. Aber wir gewinnen auch so die Überzeugung, wie man es nicht machen soll. Das Leben ist lebenswert. Besser wir gehen jetzt in den paar Jahren mit geflickten Kleiden herum als wenn wir unser Leben in Lumpen verbringen müssen (Dr. Goebbels). Hier wimmelt es jetzt nur soo von neuen Rekruten. Neue schon aber alte Ich sehe sie schon im Kampf mit unseren Feinden Gott werden die lachen. Wann ist endlich Schluss mit dieser Idiotie. Idiotie. Anders kann man es schon gar nicht bezeichnen. Die ganze Angelegenheit wird immer lächerlicher. Jetzt müssen wir sogar alles Extrazeug abgeben. Wir dürfen nur noch eine Kluft, für Wochen- und Sonntags haben. Es ist alle. Die jetzt, vorige Woche gekommenen Rekruten stehen treu und brav in ihren Civil-Klamotten auf dem Kasernenhof und werden gedrillt. Es ist das Ende! Die bösen Engländer scheinen ja an Berlin grosses Interesse zu haben. Sie kommen ja immer häufiger, häufiger ist gut. Ich habe das ohrenbetäubende Gefühl sie wollen wohl mit Gewalt in Berlin Trümmer erzeugen. Na, ich kann sie nur warnen. Wenn Göring erst böse wird und mit zwei Maschinen in London Rache nimmt na, ich kann den Tommis sagen, selbst wenn sie von den zwei Maschinen eine abschiessen, wird die eine bestimmt 3-7 Bomben in der Nähe von London abwerfen, und das wird furchtbar! Weil wir eine Heldennation sind. Bei Otto Gebühr hat die Katastrophe angefangen. Damals bei Kunersdorf. Das waren noch Zeiten.. Ausserdem habe ich mit den 4 Millionen Toten Unrecht, Unser geliebter Führer hat es unsja am Heldengedenktag gesagt: Tote ist nicht schlimm Wenn ich diesen Brief beendet habe, mach ich mir eine schöne Stulle mit Adolf Hitler-Gedächtnis-Crem (Kunsthonig) und lege mich ins Bettchen, denke an schöne Stunden in Berlin und lasse, durch das herrliche Essen hier in der Kaserne verführt, einen kräftigen Kommisforz fliegen und scheisse auf die ganze Monarchie Grüsse Mag und die ganze Mischpoche und lasse Dich von mir im Geist umarmen. Deutschland erwache! Dein Bobby 100

103 sang er u.a. «Komm, tanz mit mir Swingtime» in Berliner Schnoddrigkeit und zu teilweise «schräger» Musik, als das Senden von Swing-Musik im Rundfunk bereits ausdrücklich untersagt und das Swingtanzen in Tanzlokalen verboten war. (S. 48 ff.) Dorsaywar beliebt im Kollegenkreis und machte aus seiner oppositionellen politischen Einstellung kein Geheimnis. Umwerfend komisch erzählte er die neuesten Flüsterwitze und genoss dabei wegen seines öffentlichen Erfolges zunächst Narrenfreiheit. Im April 1939 heiratete er Luise Mentges. Mit Beginn des 2. Weltkriegs wurde es für den unbequemen Schauspielerzunehmend schwieriger, engagiert zu werden erhielt er seine Einberufung zur Wehrmacht nach Osterode in Ostpreussen. In der Eintönigkeit des Militäralltags schrieb Robert Dorsay im März 1943 einen Brief (S. 100) an seinen Berliner Freund Eddy Haase. Dieser Brief drückte Dorsays Bitterkeit und Verdruss über sein Leben in der NS-Zeit auf ironische Weise aus. Der Brief wurde von der Gestapo abgefangen und führte im Juni 1943 zur Verhaftung Robert Dorsays. Im August 1943 verurteilte das Reichskriegsgericht Dorsay zu 2 Jahren Zuchthaus. Im Oktober 1943 wurde erneut verhandelt. Seiner Frau war es verboten, den Gerichtssaal zu betreten. Ihm wurde vorgeworfen, «vor 1933 fast ausschliesslich an jüdischen Theatern engagiert» gewesen zu sein, er sei «daher vollkommen jüdisch zersetzt». Daraufhin erhielt Robert Dorsay (Foto S. 99) das Todesurteil. Am 29. Oktober 1943wurde er in Plötzensee hingerichtet. Werner Finck opponiert Der bekannte Schauspieler und Kabarettist Werner Finck ( ) wohnte in der Ravensberger Strasse 5. Der gebürtige Görlitzer begann 1929 seine Karriere im jungen Berliner Bohème-Kabarett «Die Unmöglichen». Die meisten Texte schrieb Dinah Nelken (S. 19 f.), die auch beschloss, Finck in ihr neuestes Programm mit einem seiner Sketche aufzunehmen. Bald arbeitete Finck mit anderen jungen Berliner Künstlern zusammen, so z.b. Hans Meyer-Hanno, Rudolf Platte, Theo Lingen, Ernst Busch, Hanns Eisler und E. O. Plauen. 101

104 Das Kabarett «Die Katakombe» in der Bellevuestrasse wurde gegründet, und Werner Finck machte dort ein literarisch-politisches Programm, das zunehmend öffentlichen Anstoss erregte. Das Zusammengehen der Zentrumspartei mit der NSDAP kommentierte Finck beispielsweise so: «Da wird man wahrscheinlich das Hakenkreuz aufteilen müssen: Die Katholiken werden das Kreuz haben mit denen und der Haken wird bei den Nazis sein». Die Nationalsozialisten nannten Werner Finck 1933 eine der «verheerendsten Gestalten der Berliner Asphaltkultur». Die Gleichschaltungsphase versinnbildlichte Finck mit dem Wachsen einer «1 000jährigen Eiche»: «Vor ein paar Monaten war sie noch ganz klein, dann reichte sie mir bis an die Knie, und jetzt steht sie mir schon bis zum Hals.» Aufgrund der vielen politischen Spitzen im Programm gegen das NS-Regime liess Goebbels die «Katakombe» schliessen und Werner Finck verhaften. Er kam bis zum Juli 1935 in das KZ Esterwegen, wo er u.a. mit Carl von Ossietzky, Julius Leber und Theodor Haubach zusammentraf. Nach seiner Entlassung bekam er ein Jahr lang Arbeits- und Auftrittsverbot. Unter der Leitung Willi Schaeffers brachte Werner Finck 1936 im Ka De Ko, dem Kabarett der Komiker am Lehniner Platz, wieder äusserst brisante, politische Themen auf die Bühne. In seinen Erinnerungen schrieb er 1972: «Mit dem unschuldigsten Augenaufschlag kamen da Dinge zur Sprache, über die offen zu reden längst keiner mehr wagte.» Goebbels liess 1939 auch das Ka De Ko schliessen und einige der Schauspieler vorübergehend inhaftieren. Finck rettete sich vor der erneut drohenden KZ-Haft, indem er sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete. Im Verlauf des Krieges ermittelte die Gestapo weiter gegen Finck wegen des «Verdachts staatsfeindlicher Konspiration». Es wurden Verbindungen zu Widerstandskreisen vermutet, da Werner Finck, offenbar ohne es zu ahnen, stillschweigende Protektion u.a. von Generaloberst Erich Hoepner, Herbert Mumm von Schwarzenberg und Fabian von Schlabrendorff genoss. Die Gestapo verhörte ihn mehrfach, seine Frau wurde wegen «des Abhörens von Feindsendern» inhaftiert. Nach dem Krieg schrieb Werner Finck über seine Auftritte während der NS-Zeit: «Nie war die Kunst der geschliffenen politischen Spitze lebensgefährlicher als damals, niemals aber auch so reizvoll.» 102

105 Gruppe Turicum Schmargendorf, Cunostrasse 69a Treffpunkt bei Hans G. Bentz Dr. Christian Hallig (Jg. 1909) arbeitete seit Juli 1933 als Dramaturg und Autor bei der Ufa in Berlin. Er gehörte zu jenen Menschen, die dem Nationalsozialismus gegenüber eine innere oppositionelle Haltung einnahmen. Aktiv handelte er gegen das NS-Regime, als er im Sommer 1936 Kontakt zu einer Wilmersdorfer Widerstandsgruppe auf nahm, die der Journalist Hans G. Bentz (Jg. 1902) gegründet hatte. In seinem Haus in Schmargendorf, Cunostrasse 69 a, trafen sich regelmässig Journalisten, Anwälte, Mediziner und Künstler. Seine Frau Annemarie, ebenfalls Journalistin, leitete die Nachmittage. Hans G. Bentz, der als stellvertretender Chefredakteur bei der Berliner Morgenpost arbeitete, hatte bereits 1934 während eines Urlaubs in Paris versucht, höhere Offiziere von der aus Deutschland drohenden Kriegsgefahr zu überzeugen, was jedoch misslang. Zurück in Deutschland versuchte er, die Generäle von Bredow und Schleicher vor Hitler zu warnen, ebenfalls vergeblich. Bentz verfügte über gute Auslandskontakte, so kannte er den Schweizer Journalisten Dr. Johannes Conrad Meyer, der als Korrespondent für die Neue Züricher Zeitung in Berlin arbeitete, die amerikanische Journalistin Sigrid Schulz sowie den US-Generalkonsul Hans Geist. Diese Gruppe wollte durch das Sammeln und Weitergeben von Informationen an das Ausland von aussen zum Sturz der Diktatur beitragen. Ihr eigentliches Ziel war aber, die NS-Zeit zu überleben, um später beim Aufbau eines demokratischen Deutschlands mitwirken zu können. Daneben leistete die Gruppe Hilfe für Verfolgte, vor allem für Juden. Erst im Februar 1940 gab sich dieser Widerstandskreis den Namen Turicum. Im März 1940 wurde Dr. Meyer aus Deutschland ausgewiesen. Er kehrte nach Zürich zurück. Der Kontakt zu ihm konnte aber weiter aufrechterhalten werden durch den Presseattaché der Spanischen Botschaft in Berlin, Dr. Ramon Carriga. Christian Hallig wurde im Juni 1940 zur Wehrmacht einberufen und 1941 zur Heeresfilmstelle versetzt. Während dieser Tätigkeit stellte er geheime Erkundigungen über militärische Vorhaben an. Als im März 1941 auch Hans G. Bentz zur Wehrmacht eingezogen werden sollte, tauchte er mit seiner Frau und der Mutter unter. Die Familie wechselte ständig ihren Aufenthaltsort. Im Herbst 1944 kamen sie nach Mittenwald, wo sie bis zum Kriegsende unbehelligt lebten. Christian Hallig traf Hans Bentz zufällig im Oktober 1944 in Mittenwald wieder, da die Heeresfilmstelle dort einen Lehrfilm über Gebirgsverteidigung plante. Auf heimlichen Wanderungen stellte Hallig damals fest, dass es, wie die US-Armee glaubte, keine Festung Hitlers in den Alpen gab. Ende April 1945 wurde er von amerikanischen Soldaten festgenommen. Während seiner Vernehmung gelang es ihm, verantwortliche Offiziere davon zu überzeugen, das geplante Bombardement auf Mittenwald und Umgebung nicht durchzuführen, da es dort, wie ursprünglich angenommen, gar keine Alpenfestung gab. Etwa zur gleichen Zeit war es Turicum-Mitgliedern um Hans Bentz in Mittenwald gelungen, neun KZ-Häftlinge bei einem der damals stattfindenden Todesmärsche zu befreien. 103

106 Opposition aus militärischen und bürgerlichen Kreisen Viele Familien, deren Angehörige im bürgerlichen und militärischen Widerstand eine Rolle gespielt haben, wohnten in der Villenkolonie Grünewald und verkehrten untereinander. Die persönlichen Beziehungen gründeten auf familiären Bindungen oder Freundschaften, die bereits vor 1933 in der Schulzeit, während des Studiums oder des Berufslebens geschlossen worden waren. Solche «gewachsenen» Widerstandskreise waren weitgehend vor Gestapo-Spitzeln geschützt und hatten eine gut funktionierende Kommunikation untereinander. Berufliche Positionen wurden genutzt, um politisch wichtige Informationen an den gleichgesinnten Freundeskreis weiterzugeben. Die Familie des Neurologen Karl Bonhoeffer wohnte von in der Wangenheimstrasse 14. Ganz in der Nähe lebte die Familie des Physikers Max Planck, in der Wangenheimstrasse 21. Klaus Bonhoeffer war eng mit Justus Delbrück, einem der Söhne des Historikers Hans Delbrück, befreundet. Später heiratete er dessen Schwester Emmi. Die Familie Delbrück lebte in der Kunz-Buntschuh-Strasse 4. Ausserdem waren die Bonhoeffer-Kinder mit den Geschwistern Dohnanyi befreundet. Hans von Dohnanyi besuchte das Grunewald-Gymnasium und heiratete später Christine Bonhoeffer. Das offen und grosszügig geführte Haus der Bonhoeffers in der Wangenheimstrasse 14 (und ab 1935 in der Marienburger Allee 43 in Charlottenburg) war und blieb ein bestimmendes Zentrum nicht nur für die engste und weitere Verwandtschaft, sondern auch für viele gleichgesinnte Freunde. Ab 1933 wurde Hans von Dohnanyi Dietrich Bonhoeffers intensivster Informant in konspirativer und politischer Hinsicht, da dieser von 1929 bis 1938 als persönlicher Referent des Ministers Gürtner im Reichsjustizministerium tätig war. Bonhoeffer hatte früh die Gefahr erkannt, die vom Nationalsozialismus vor allem für die Juden ausging. Er hielt im April 1933 einen Vortrag mit dem Titel «Die Kirche vor der Judenfrage», in dem er die Pflicht des Christen zum Widerstand gegen staatliche Unrechtshandlungen begründete. Am 18. Juli 1933 wurde er von der Gestapo zum Verhör in die Prinz-Albrecht- Strasse vorgeladen. Ebenfalls im zur Villenkolonie Grünewald gehörenden Teil der Paulsborner Strasse lebte im Haus Nr. 50 die Familie Klamroth. Der Sohn Bernhard wurde im 2. Weltkrieg engster Mitarbeiter von Berthold Graf Schenk von Stauffenberg und war mit diesem aktiv am Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 beteiligt. Neben diesem Kreis von überwiegend jüngeren Widerstandskämpfern, die 1940 Mitte bis Ende 30 waren, lebten in Grünewald auch noch wesentlich ältere Mitglieder der aktiven Verschwörung gegen Hitler: Der Diplomat Otto Kiep ( ) wohnte in der Taubertstrasse 15 und der Wehrwirtschaftsexperte Georg Thomas ( ) im Haus Nr. 14 derselben Strasse. Admiral Wilhelm Canaris ( ), der im eigentlichen Sinn kein aktiver Verschwörer war, aber die Aktivitäten von Oster und Dohnanyi deckte, hatte zeitweise seinen Privatwohnsitz in der Douglasstrasse

107 Erwin von Witzleben ( ) wohnte in der Lassenstrasse 19/21 und (der zurückhaltende) Franz Halder ( ) in der Kronberger Strasse 12. Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch ( ), Mitglied der «Mittwochsgesellschaft», stellte sein Haus in der Herthastrasse 11 für konspirative Gespräche zur Verfügung und setzte sich auch später für inhaftierte Widerstandskämpfer ein. Hans Oster Bayerische Strasse 9 Eine zentrale Persönlichkeit des militärischen Widerstands war Hans Oster ( ), der mit seiner Familie in der Bayerischen Strasse 9 in Wilmersdorf lebte. Er war ein entschlussfreudiger und energiegeladener Mann, der schon früh zum Gegner der NS-Diktatur wurde. Er galt als einer der Hauptverbindungsmänner innerhalb des militärischen und bürgerlichen Widerstands und war massgeblich an der Ausarbeitung von Umsturzplänen beteiligt. Unermüdlich trieb er zögernde Militärs an. Die Intrigenaffaire gegen Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch ( ) zu Beginn des Jahres 1938 war offensichtlich auf Himmler und Heydrich zurückzuführen. Noch im gleichen Jahr erhielt Fritsch, der der Homosexualität beschuldigt wurde, zusammen mit Werner von Blomberg seine Entlassung. Obwohl schliesslich die Haltlosigkeit der gegen Fritsch erhobenen Behauptungen erwiesen wurde, hatte sich Hitler durch die Blomberg-Fritsch-Affaire der letzten vorsichtigen Kritiker seiner Kriegspläne entledigt. Diese politische Entmachtung der Heeresspitze bestätigte einige jüngere Offiziere und Beamte in ihrer Ablehnung gegenüber dem NS-Regime. Der «Fall Fritsch» wurde von militärischer Seite aus u.a. von Hans Oster (Oberst in der militärischen Abwehr des Admirals Wilhelm Canaris) untersucht sowie von der zivilen Seite aus durch Hans von Dohnanyi, der Referent des Justizministers Franz Gürtner war. Während der sogenannten «Fritsch-Krise» gruppierten sich um Hans Oster und Hans von Dohnanyi Hitler-Gegner, die die entstandene Unruhe im Heer zur Aufwiegelung des Militärs nutzen wollten. In Zusammenarbeit mit Truppenoffizieren planten sie, durch die Verhaftung Hitlers das Regime zu beseitigen. Hitler sollte danach wegen der begangenen Regierungsverbrechen vor Gericht gestellt werden. Nachdem Generaloberst Ludwig Beck als Chef des Generalstabs des Heeres vergeblich versucht hatte, die Möglichkeiten seines Amtes auszuschöpfen, um auf Hitler einzuwirken, bzw. die Heeresspitze, die Generalität, zu beeinflussen, trat er im August 1938 zurück. Sein Nachfolger wurde General Franz Halder. Aus der Überzeugung heraus, dass Deutschland für einen Krieg 1938 noch nicht genügend gerüstet war, Hitler aber an seinem Plan, die Tschechoslowakei anzugreifen, festhielt, entschloss Halder sich mit Hilfe General von Witzlebens, Hitler zu verhaften. Dies sollte im Augenblick der Kriegserklärung geschehen. Das «Münchener Abkommen» vom 29./30. September 1938 vereitelte jedoch den bis in alle Einzelheiten vorbereiteten Plan. Da Hitler an seinen Angriffsplänen gegen den Westen im Herbst 1939 festhielt, befahl Halder, die Staatsstreichpläne von 1938 zu verändern und einen Putsch erneut vorzubereiten. Eine Ausweitung des Krieges sollte unter allen Umständen vermieden werden. Die Widerstandsgruppe um Hans Oster arbeitete einen Attentatsplan aus, der vorsah, Hitler durch eine Bombe zu töten, die Erich Kordt, Mitglied eines Widerstandskreises im Auswärtigen Amt (AA), in die Nähe Hitlers in die Reichskanzlei schmuggeln sollte. Der Anschlag, der für den 11. November 1939 geplant war, kam 105

108 jedoch nicht zur Ausführung, da Hans Oster aufgrund der verschärften Sicherheitskontrollen nach dem Münchener Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 keinen Sprengstoff und Zünder beschaffen konnte. Bei Kriegsausbruch hatten die Hoffnungen des bürgerlichen Widerstandes auf Generalstabschef Franz Halder und Generaloberst von Brauchitsch gelegen. Beide Personen erwiesen sich jedoch letzten Endes als nicht genügend standhaft. Von Ludwig Beck und Wilhelm Canaris gedrängt, erklärten sie sich für den Fall, dass Hitler noch im Winter 1939/40 einen Angriff im Westen befehlen würde, bereit, den Führer zu stürzen. Am 5. November 1939 warf Hitler der Armeeführung in einer dramatischen Auseinandersetzung Feigheit vor. Brauchitsch glaubte zudem, Hitler wüsste von den Putschvorbereitungen und brach daraufhin zusammen. Alle Versuche der militärischen Opposition, den Chef des Generalstabs des Heeres, General Franz Halder, und den Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, zu einer weiteren Aktion gegen Hitler zu bewegen, blieben erfolglos. Die unentschlossene Wehrmachtsführung sah erst in Misserfolgen Hitlers nach Kriegsbeginn Aussichten für einen Staatsstreich. Dieser Rückzug der Generalität schwächte auch den bürgerlichen Widerstand. Mit dem Wissen und der Protektion von Wilhelm Canaris arbeitete jedoch weiterhin der Widerstandskreis um Hans Oster im Amt Abwehr im OKW (Oberkommando der Wehrmacht) am Tirpitzufer (heute: Reichpietschufer 74-76) Pläne zur Ausschaltung Hitlers aus. Unterstützt wurde die Arbeit Osters von einer kleinen Gruppe aktiver Regime- Gegner, die im Auswärtigen Amt tätig waren. Zu ihnen gehörten der Jurist und ehemalige Generalkonsul in New York, Dr. Otto Kiep, der Botschaftsrat Dr. Theodor Kordt, die Legationsräte Dr. Erich Kordt, Hans-Bernd von Haeften sowie Dr. Adam von Trott zu Solz. 106

109 Hans Oster war 1939 zum Oberst befördert und Leiter der Zentralabteilung des Amtes Abwehr geworden. Durch den Ausbruch des Krieges konnte ab Ende des Jahres 1939 der Kreis der Verschwörer ausgeweitet werden, indem Oppositionelle eingezogen und somit dem Zugriff der Gestapo entzogen werden konnten. Gezielt beriefen Oster und Canaris Gleichgesinnte in Positionen in ihrer Dienststelle, so u.a. Justus Delbrück und Dietrich Bonhoeffer im Jahr Die Gruppe Oster nutzte Bonhoeffers gute Auslandsbeziehungen. Als ein in der Ökumene geschätzter Pfarrer hatte er illegal Signale von der Fortsetzung des deutschen Widerstandes ins Ausland zu bringen und umgekehrt Informationen von ausländischen Freunden an die Verschwörer weiterzuleiten. Bonhoeffer reiste im Auftrag der Abwehr nach Schweden, Norwegen, Italien und der Schweiz. Zusammen mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi half er, gedeckt und geschützt durch Canaris, einer kleinen Gruppe verfolgter Juden in die Schweiz zu entkommen. Ein weiterer bekannter Widerstandskämpfer, der seit 1939 im Amt Abwehr arbeitete, war der Rechtsanwalt und Mitbegründer des Kreisauer Kreises, Helmuth James Graf von Moltke. Erarbeitete als Sachverständiger für Völkerrechtsfragen unter Canaris und kämpfte um die Beibehaltung völkerrechtlicher Grundsätze während des Krieges, insbesondere das Schicksal von Kriegsgefangenen und Geiseln betreffend. Neben den illegalen Widerstandsaktivitäten im Amt Abwehr wurde Hans Oster auch privat konspirativ tätig. In seiner Wohnung in der Bayerischen Strasse 9 traf er sich u.a. häufig mit Hans Bernd Gisevius und dem niederländischen Militärattaché Major Gijsbertus Sas. Vor allem Gisevius war es zu verdanken gewesen, dass die Hintergründe zur «Fritsch-Krise» aufgedeckt wurden. Während der Kriegszeit war er als Vizekonsul in Zürich für das Amt Abwehr tätig. Er knüpfte Kontakte zum amerikanischen Nachrichtendienst und informierte diesen über Aktionen und Pläne des bürgerlichen und militärischen Widerstandes in Deutschland. Nachdem Hans Oster im Spätherbst 1939 erfahren hatte, dass Hitler einen militärischen Überfall auf die neutralen Staaten Belgien und die Niederlande plante, fühlte er sich verpflichtet, dies seinem Freund Major Sas im November 1939 mitzuteilen. Sas leitete die Informationen nach Belgien weiter. Der Angriff wurde jedoch wegen ungünstiger Witterungsbedingungen für die Luftwaffe immer wieder verschoben. Als Oster schliesslich am 9. Mai 1940 Sas mitteilte, dass der Angriff auf die Niederlande für den nächsten Tag geplant sei, wurde diese Warnung von der Gegenseite nicht mehr ernstgenommen. Ende Mai 1940 waren Holland und Belgien besetzt. Als Anfang April 1940 die deutsche Invasion in Dänemark und Norwegen stattfand, informierte Oster wiederum vorher seinen Freund Sas über die unmittelbar bevorstehenden Überfälle auf diese beiden Länder. Ostersetzte dabei seine Hoffnungen darauf, eine militärische Niederlage Hitlers herbeizuführen und dadurch innenpolitisch dem Staatsstreich näher zu kommen. Hans Oster betonte einmal in Bezug auf die Konspiration mit seinem Freund Sas:»Man kann nun sagen, dass ich ein Landesverräter bin, aber das bin ich in Wirklichkeit nicht, ich halte mich für einen besseren Deutschen als alle die, die hinter Hitler herlaufen. Mein Plan und meine Pflicht war es, Deutschland und die Welt von dieser Pest zu befreien». 107

110 Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich wollten das von Canaris systematisch ausgebaute Amt Abwehr sehr bald dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) einverleiben. Es war zu anhaltenden Kompetenz- und Machtkämpfen zwischen beiden Behörden gekommen. Angebliche finanzielle Unregelmässigkeiten von Hans von Dohnanyi und die Verbindung zur Bekennenden Kirche gaben im April 1943 den von Himmler und Heydrich lange gesuchten Anlass, einzelne Mitarbeiter der Abwehr, wie von Dohnanyi und Bonhoeffer, zu verhaften. Hans Oster wurde sofort entlassen und von der Gestapo überwacht. Im Februar 1944 erhielt Admiral Wilhelm Canaris seine Entlassung. Nach dem misslungenen Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 wurden die engen Kontakte zwischen der militärischen Opposition beim Befehlshaber des Ersatzheeres und dem Amt Abwehr bekannt. Hans Oster hatte nach einem gelungenen Putsch Präsident des Reichskriegsgerichtswerden sollen. Am 21. Juli 1944 wurde er bereits verhaftet. Wilhelm Canaris und Justus Delbrück fielen der Verhaftungswelle ebenfalls zum Opfer. Hans Oster, Wilhelm Canaris und Dietrich Bonhoeffer starben am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg, Hans von Dohnanyi einen Tag zuvor im KZ Sachsenhausen. Justus Delbrück konnte das Kriegsende zunächst überleben, wurde jedoch einige Tage nach seiner Befreiung im Mai 1945 von der sowjetischen Geheimpolizei unter einem Vorwand abgeholt und starb bald darauf in russischer Gefangenschaft. Otto Kiep Taubertstrasse 15 Derehemalige Generalkonsul in New York, Dr. Otto Kiep, war seit 1939 im Zentrum der bürgerlichen und militärischen Opposition. Er war 1933 in politische Schwierigkeiten geraten, weil er an einem Essen zu Ehren Albert Einsteins teilgenommen hatte erbat und erhielt er seinen Abschied aus den Diensten des Auswärtigen Amtes. Im gleichen Jahr wurde er Offizier bei der militärischen Abwehr. Otto Kiep stand mit Oppositionellen wie Ernst von Harnack (SPD) und General Thomas in Verbindung. Ausserdem erhielt er geheime Informationen überdas Amt Abwehr und die Verschwörergruppe im Auswärtigen Amt. Der Diplomat Kiep war ein wichtiges Bindeglied in der aktiven bürgerlichen und militärischen Opposition. Er verkehrte im «Solf-Kreis», bei Hanna Solf, der Witwe des 1936 verstorbenen deutschen Botschafters in Tokio. In lockerer Beziehung trafen sich NS-Gegner von bei Frau Solf in der Tiergartener Alsenstrasse 9. Daneben gehörte Kiep auch jener «Teegesellschaft» um Frau von Thadden an, die sich in deren Wohnung in der Carmerstrasse 12 traf. (Siehe die Charlottenburg-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Otto Kiep liess bei der Teegesellschaft erkennen, dass er sich über den Kriegsausgang keine Illusionen machte. Durch einen Spitzel flog der Kreis 1943 auf. Über 70 Teilnehmer sollen festgenommen worden sein. Helmuth James Graf von Moltke wurde ebenfalls verhaftet, da er Otto Kiep vor der bevorstehenden Festnahme gewarnt hatte. Seiner Schwester Ida Westphal teilte Otto Kiep am 26. September 1943 u.a. Folgendes mit: «...Wenn wir aber nicht bald selber etwas unternehmen, um das Steuer des Staatsschiffes umzudrehen, dann gehen wir mit katastrophaler Sicherheit dem völligen Verderben entgegen...» 108

111 Otto Kiep Erwin von Witzleben Bald darauf wurde Kiep verhaftet, da seine Äusserungen über den Kriegsausgang in der Teegesellschaft durch den Spitzel Dr. Reckzeh an die Gestapo weiter geleitet worden waren. Die Gestapo verhaftete ebenfalls seine Frau Hanna Kiep und brachte sie in das KZ Ravensbrück. In Kissen verborgen schmuggelte sie Nachrichten aus dem Lager. Sie enthielten taktische Hinweise für ihre Familie zum Prozess ihres Mannes. Hanna Kiep erhielt im August 1944 aus der Strafanstalt Plötzensee ein letztes Gedicht von ihrem Mann. Am 26.August 1944 wurde er hingerichtet. Seine Frau überlebte. Erwin von Witzleben Lassenstrasse 19/21 Erwin von Witzleben, der am 20. Juli 1944 bereits längst im Ruhestand war, übernahm während des Putsches den Oberbefehl über die Wehrmacht. Von ihm, den eine besondere Freundschaft mit Hans Oster verband, erhofften sich die Verschwörer, dass er die Wehrmacht hinter die neue Regierung bringen könnte. Aufrufe an die Soldaten, die über den Rundfunk ausgestrahlt werden sollten, waren bereits vorbereitet. Erwin von Witzleben war seit Langem ein aktiver Gegner der Hitler-Diktatur. Er kannte und schätzte die wichtigsten Männer des militärischen Widerstands bereits seit vielen Jahren. Planmässig versammelte er Regime-Gegner um sich wurde er Generalfeldmarschall und 1941 Oberbefehlshaber West in Frankreich. Damals plante er, unterstützt durch Goerdeler und von Hassell, Hitler bei einer Parade im Mai 1941 auf der Champs-Élysées in Paris von Offizieren erschiessen zu lassen. Das Vorhaben scheiterte, da Hitler nicht erschien. 109

112 Im März 1942 musste von Witzleben wegen einer schweren Erkrankung seinen Abschied nehmen. Die zentrale Position, die er in den militärischen Widerstandsplanungen besetzt hatte, konnte erst im Juli 1943 wieder ausgefüllt werden, als Henning von Tresckow Kontakt zur Verschwörergruppe im Amt Abwehr auf nahm. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 wurde Erwin von Witzleben verhaftet und am 8. August 1944 hingerichtet. Erich Hoepner Hohenzollerndamm 100 Nicht weit von der Villenkolonie entfernt lebte Generaloberst Erich Hoepner ( ) am Hohenzollerndamm 100. Obwohl Hoepner dem NS-Regime von Anfang an kritisch gegenüberstand, machte der inzwischen 50jährige kontinuierlich Karriere: 1936 wurde er zum Generalmajor ernannt, 1938 Generalleutnant und am 1. April 1939 zum General der Kavallerie. Während der Sudetenkrise im September 1938 hatten die oppositionellen Generäle Franz Halder und Erwin von Witzleben sowie Oberst Hans Oster Erich Hoepner eine aktive Rolle in ihren Staatsstreichplänen zugedacht. (Hitler sollte damals für geisteskrank erklärt und vor Gericht gestellt werden.) Der aussenpolitische Erfolg Hitlers auf der Münchener Konferenz am 29./30. September 1938 machte jedoch alle Widerstandspläne zunichte. Am Polenfeldzug nahm Erich Hoepner als Befehlshaber des XVI. Armeekorps teil. Zwei Jahre später, im Juni 1941, wurde erzürn Befehlshaber der Panzergruppe 4 ernannt. Im Dezember 1941 zog Hoepner, entgegen dem Befehl Hitlers, seine Armee zurück, um sie, der tatsächlichen militärischen Lage entsprechend, vor der sicheren Vernichtung zu bewahren. Daraufhin wurde Erich Hoepner am 8. Januar 1942 auf Befehl Hitlers wegen «Feigheit und Ungehorsam» aus der Armee ausgestossen. Dieser Ausstossungsbefehl war ungesetzlich und wurde erst später durch einen Reichstagsbeschluss rückwirkend legitimiert. Vom September 1939 bis Januar 1942 lag Erich Hoepners Dienststelle zusammen mit der Henning von Tresckows in der heutigen Bundesallee Durch seinen plötzlichen Ausschluss aus der Wehrmacht geriet Hoepner mit seiner Familie in grosse finanzielle Bedrängnis. Ende September 1943 unterrichtete General Friedrich Olbricht Erich Hoepner von dem Umsturzplan «Walküre». Friedrich Olbricht hatte 1940 die Leitung des Allgemeinen Heeresamtes des Oberkommandos des Heeres (OKH) als Nachfolger für General Friedrich Fromm übernommen. Der Sitz des OKH lag im sogenannten Bendlerblock in der Bendlerstrasse (heute: Stauffenbergstrasse) in Tiergarten. Dort arbeitete Friedrich Olbricht zusammen mit Mertz von Quirnheim die Befehle der Verschwörer auf der Grundlage des Operationsplans «Walküre» aus, der offiziell zur Niederwerfung eines möglichen Aufstandes von Zwangsarbeitern oder anderen Unruhen in Berlin gedacht war. In diesem Fall sollten die vollziehende Gewalt und die militärische Führung auf den Befehlshaber des Ersatzheeres übergehen. Diese Position hatte General Friedrich Fromm seit dem 1. September 1939 inne. Nach dem erfolgten Attentat auf Hitler sollten Truppenverbände des Ersatzheeres in den einzelnen Wehrkreisen wichtige Verwaltungs- und Parteistellen besetzen, um so die Voraussetzungen für den Umsturz im Reich und an der Front zu schaffen. Eine führende Rolle in den Staatsstreichplänen der oppositionellen Offiziere im Bendlerblock nahm zunächst Oberst Henning von Tresckow ein und ab Oktober 110

113 Ehepaar Hoepner 1943 Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, dessen Vorgesetzter General Friedrich Olbricht war. Als Stauffenberg am Mittag des 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler im Führerhauptquartier Wolfschanze bei Rastenburg in Ostpreussen verübte, traf etwa zur gleichen Zeit der zum Soldaten degradierte Generaloberst Erich Hoepner in der Bendlerstrasse ein. General Olbricht berief unter dem neuen Titel «Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet» Erich Hoepner zum Nachfolger Friedrich Fromms, da dieser sich am 20. Juli 1944 schwankend verhielt. Mit der Billigung Fromms hätten gleich nach dem erfolgten Attentat die vorbereiteten Befehle an die Wehrkreiskommandos übermittelt werden sollen, um dort die Exekutivgewalt zu übernehmen. Aufgrund einer Nachrichtensperre erfuhren die Verschwörer im Bendlerblock jedoch erst mit dem Eintreffen Stauffenbergs auf dem Flughafen in Rangsdorf um 15 Uhr 45 telefonisch von dem erfolgten Attentat. Somit gingen die Befehle mit erheblicher Verspätung per Fernschreiber an die Wehrkreise, unterzeichnet von Erich Hoepner. Friedrich Fromm wurde inzwischen in seiner Dienstwohnung im Bendlerblock unter Arrest gestellt. Trotz der eingetretenen Verzögerung trieben die Verschwörer den Umsturzversuch energisch voran. In der Nacht zum 21. Juli 1944 musste der Staatsstreich dennoch als gescheitert erkannt werden. Auf Befehl Friedrich Fromms wurden die Hauptverschwörer Stauffenberg, Olbricht, Mertz von Quirnheim und Haeften im Hof der Bendlerstrasse erschossen. Erich Hoepner wurde verhaftet, am 8. August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tage hingerichtet. Friedrich Fromm kam ebenfalls in Haft. Seine schwankende Haltung während des Umsturzversuchs war schliesslich sein Verhängnis. Er wurde am 12. März 1945 hingerichtet. 111

114 Georg Thomas Taubertstrasse 14 General Georg Thomas ( ) war seit November 1939 Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) im Bendlerblock in Tiergarten. Diese Dienststelle war bereits seit 1936 für das NS-Wiederaufrüstungsprogramm zuständig. Seit 1937 stand Georg Thomas in engem Kontakt zu Ludwig Beck, ab 1938 auch zu zivilen Widerstandskreisen um Erwin Planck, Johannes Popitz, Carl Goerdeler und Ulrich von Hassell. Ein Plan dieser Männer war, mit Hilfe einer von General Thomas verfassten Denkschrift, den Überfall auf Polen 1939 zu verhindern. Darin hiess es u.a.: «Ein Angriff auf Polen wird einen Weltkrieg zur Folge haben. Einen Weltkrieg aber wird Deutschland nicht durchhalten.» Thomas versuchte, Wilhelm Keitel, den Chef des OKW, von seiner Meinung zu überzeugen. Er hielt dabei auch Kontakt zu Canaris. Keitel wehrte jedoch alle Bedenken gegen den Überfall ab. Ebenfalls im Jahr 1939 vermittelte General Thomas den Kontakt zwischen der Gruppe Beck/Goerdeler und Franz Halder. Ausserdem stand er mit Erwin von Witzleben in ständigem Austausch. Somit war er unzweifelhaft an den frühen Umsturzplanungen beteiligt. Anfang 1940 drängte er darauf, dass die Generalität den Angriff auf Holland und Belgien verweigere. Hitler sollte dann durch die Berliner Garnison verhaftet werden und die Armee das Regiment übernehmen verfasste General Thomas mit Hilfe Goerdelers eine zweite Denkschrift über die deutsche Wirtschaftslage. Bis zu seiner Entlassung Anfang 1943 betonte Thomas immer wieder die Notwendigkeit eines baldigen Kriegsendes, allerdings mehr aus militärischer Überzeugung, als aus der Kritik an der Diktatur selbst (analysierte der Historiker Hans Rothfels 1964 in seinem Buch «Die deutsche Opposition gegen Hitler»). General Thomas wurde nach dem misslungenen Staatsstreich vom 20. Juli im Oktober 1944 verhaftet. Während der Verlegung von KZ-lnsassen gegen Kriegsende konnte er im April 1945 von amerikanischen Truppen in Südtirol befreit werden. Er starb 1946 in amerikanischer Gefangenschaft. Erwin Planck Wangenheimstrasse 21 Dem Widerstandskreis um Carl Goerdeler, Ulrich von Hassell und Fritz von der Schulenburg schlossen sich in locker verknüpften Gruppen weitere Persönlichkeiten an, die hohe Regierungsämter bekleidet hatten. Zu ihnen gehörte Erwin Planck ( ), der von Staatssekretär unter Schleicher in der Reichskanzlei gewesen war. (Nach 1933 war er Direktor der Eisengrosshandlung Otto Wolff.) Von Anfang an stand Erwin Planck dem Hitler-Regime kritisch gegenüber. Im Verlauf der Diktatur kam er auch in Kontakt zur Gruppe um Hans Oster im Amt Abwehr. Im Februar 1940 drängte von Hassell darauf, dass Erwin Planck zusammen mit Johannes Popitz den Abgesandten des amerikanischen Präsidenten Roosevelt, Sumner Welles, treffen sollte. Während des Besuchs, der vom 1. bis zum 5. März stattfand, kam es jedoch nicht zu dem vorgesehenen Treffen. Erwin Planck war neben Jens Jessen und Johannes Popitz an der Erarbeitung der innenpolitischen Pläne von Hassells beteiligt. In einem «Programm» vom Januar/ Februar 1940 lauteten wesentliche Punkte: 112

115 Erwin Planck Georg Thomas - Entschlossenheit der deutschen Regierung, den Krieg weiterzuführen, bis die alte Reichsgrenze gegenüber Polen gesichert sei; - Betonung des Einheitsgedankens der deutschen «Volksgemeinschaft»; - die NSDAP sollte aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt werden; - für das politische Leben des Reiches sei «eine Mitarbeit des Volkes sicherzustellen» und «eine Kontrolle des Staatslebens auf der Grundlage der örtlichen und körperschaftlichen Selbstverwaltung» zu gewährleisten. Dieses «Programm» sah also noch kein parlamentarisches System vor. Aus dem konservativen Denken der Autoren heraus lag die Betonung auf einem Berufsbeamtentum als wesentlichem Pfeiler der Staatsreform. Verständlich wird dieser Standpunkt vor dem Hintergrund Hitlers militärischer Erfolge, die es noch möglich erscheinen liessen, Teile des politischen und gesellschaftlichen Aufbaus aus derzeit vor dem Ersten Weltkrieg zu retten. Erst seit der Konferenz der Anti-Hitler-Koalition im Januar 1943 in Casablanca, die die bedingungslose Kapitulation Deutschlands forderte, gab es eine veränderte Haltung in der bürgerlichen und militärischen Opposition, die das Regime nun beseitigen wollte, ohne Rücksicht auf einen erträglichen oder unerträglichen Frieden. Es ging in erster Linie darum,den Krieg abzukürzen, um Unzähligen das Leben zu retten. Vor diesem Hintergrund sagte Erwin Planck, ähnlich wie Henning von Tresckow: «Das Attentat muss versucht werden, allein schon um der moralischen Rehabilitierung Deutschlands willen..., selbst wenn dadurch keine unmittelbare Besserung der aussenpolitischen Chancen einträte.» Da Erwin Planck mit in die Vorbereitungen des Attentats vom 20. Juli 1944 verwickelt war, wurde er nach dem gescheiterten Umsturzversuch verhaftet und wie seine Leidensgenossen misshandelt. Sein 86jähriger Vater Max Planck versuchte vergeblich mit einer grossen Anzahl von Gnadengesuchen das Leben seines Sohnes zu retten. Die Schreiben blieben unbeantwortet. Am 23. Januar 1945 wurde Erwin Planck in Plötzensee hingerichtet. 113

116 Ferdinand Sauerbruch Herthastrasse 11 Die Nationalsozialisten versuchten, den konservativen Professor Ferdinand Sauerbruch ( ) für ihre politischen Ziele einzuspannen, da er aufgrund seiner medizinischen Leistungen bereits in den 20er Jahren weltweite Anerkennung erhalten hatte. Der Chirurg weigerte sich aber, selbst auf die persönliche Aufforderung Hitlers hin, in die NSDAP einzutreten, mit der offen ausgesprochenen Begründung, er sei kein Antisemit. Ausserdem war er mit einer Reihe jüdischer Kollegen eng befreundet und hielt diese Freundschaften bis ins Exil aufrecht. Jüdische Assistenten konnten ihre Promotion auch noch nach 1933 bei ihm beenden. Darüber hinaus versuchte er persönlich, den damaligen Kultusminister Rust zu einer Rücknahme der antisemitischen Massnahmen zu bewegen. Besondere Bedeutung erhält diese Reaktion Sauerbruchs vordem politischen Hintergrund, dass bald nach 1933 etwa 45% aller reichsdeutschen Humanmediziner Mitglieder der NSDAP waren. Eine scheinbar unpolitische Berufsauffassung verhinderte eine organisierte Gegenwehr der Mediziner, als die NS-Regierung begann, Kollegen als «Bolschewisten» oder «Juden» zu diskriminieren und sie ihrer Existenzgrundlage zu berauben. Die medizinische Elite floh grösstenteils ins Exil. Bis zum Sommer1933 hatten 235 Professoren der Medizin und Biologie das Deutsche Reich verlassen. Ferdinand Sauerbruch nahm 1935 jedoch demonstrativ an der Beerdigung des Malers Max Liebermann auf dem Jüdischen Friedhof am Schönhauser Tor teil. Bis zur Schliessung des Jüdischen Krankenhauses führte Sauerbruch dort Operationen durch und verhalf einigen jüdischen Kollegen zur Emigration. Er selbst glaubte, «der ganze Spuk könne nicht lange dauern» und dachte somit nur kurze Zeit an eine Auswanderung. In Kontakt zu bürgerlichen und militärischen Widerstandskreisen kam Ferdinand Sauerbruch vor allem durch seine Mitgliedschaft in der «Mittwochsgesellschaft». 114

117 Diesem Kreis, der bereits 1863 gegründet worden war, gehörte eine kleine Gruppe hochangesehener Wissenschaftler und Persönlichkeiten jeweils bis zum Tode an. Obwohl die Mittwochsgesellschaft selbst keinen verschwörerischen Charakter besass, bildete sich seit 1939 ein kleinerer Kreis Gleichgesinnter heraus, der entschlossen war, Hitler zu stürzen. Von waren neben Ferdinand Sauerbruch folgende Personen Mitglieder der Mittwochsgesellschaft: Die Historiker Oncken, Meinecke und Stroux, der Geograph Penck, der Zoologe Diels, die Professoren Litzmann, Fischer, Baetgen, der Goetheforscher Spranger, der Physiker Max Planck sowie der Kreis der zum Umsturz Entschlossenen: der frühere preussische Finanzminister Johannes Popitz, der Botschafter Ulrich von Hassell, der Nationalökonom Jens Jessen und Generaloberst Ludwig Beck. Beck hatte Sauerbruch in Kontakt mit Goerdeler, Olbricht, Thomas und Oster gebracht. Johannes Popitz war bereits seit Jahren Sauerbruchs bester Freund. Obwohl Ferdinand Sauerbruch sich nicht aktiv an den Umsturzplanungen beteiligte, stellte er dennoch sein Haus in der Herthastrasse 11 in der Villenkolonie Grünewald für konspirative Gespräche des engen Verschwörerkreises zur Verfügung. Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der 1943 schwerverwundet vom Afrikafeldzug nach Berlin gebracht und von Professor Sauerbruch behandelt worden war, führte in dessen Haus, nachdem er halbwegs genesen war, ein mehrstündiges vertrauliches Gespräch mit Beck und Olbricht. Dabei ging es offenbar um konkrete Attentatspläne. Am 18. Juli 1944 war Ludwig Beck zum Abendessen bei Sauerbruch. Gegen 22 Uhr fuhr dieser Beck zu Olbricht. An der geheimen Unterredung zwischen Beck und Olbricht nahm Sauerbruch nicht teil, wartete jedoch das Ende ab und fuhr schliesslich Ludwig Beck nach Hause. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 gerieten Ferdinand Sauerbruch sowie sein Sohn Peter, der Regimentskamerad Stauffenbergs war und mit diesem korrespondiert hatte, in den dringenden Verdacht, an den Attentatsplanungen beteiligt gewesen zu sein. Der Chef des RS HA in der Prinz- Albrecht-Strasse, Kaltenbrunner, übernahm persönlich die Vernehmung Sauerbruchs. Es war der Gestapo nicht entgangen, dass Sauerbruch am Abend des 18. Juli 1944 mit Beck zu Olbricht gefahren war. Ebenfalls hatte die Gestapo eine handschriftliche Liste Sauerbruchs mit den Namen Popitz, Beck, Hassell, Olbricht, Jessen, Kempner und Planck gefunden. Aufgrund dieses Beweismaterials befand er sich in höchster persönlicher Gefahr und hätte ebenso wie die anderen zum Tode verurteilt werden können. Wahrscheinlich wurde er nicht zuletzt wegen seiner grossen Popularität als Chirurg von den Nazis wieder freigelassen, die kein Interesse daran hatten, seinen Namen mit dem Widerstand gegen Hitler in Zusammenhang zu bringen. Der gescheiterte Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 und die darauffolgende Vernehmung durch die Gestapo machten Sauerbruchs Bemühungen, sich für bereits inhaftierte Oppositionelle einzusetzen, zunichte hatte Sauerbruch als Zeuge im Prozess gegen Pfarrer Niemöller für diesen ausgesagt. Nach der Verhaftung von Christine und Dietrich Bonhoeffer sowie Hans von Dohnanyi, 1943, versuchte Sauerbruch u.a. durch ärztliche Atteste den Prozessbeginn hinauszuzögern. Er erreichte, dass Hans von Dohnanyi in die Gefängniszelle der Charité überwiesen wurde, wo Sauerbruch Direktor der chirurgischen Klinik war. Das hohe Ansehen, das Sauerbruch während der Nazi-Zeit genoss, zeigte sich in den vielen Auszeichnungen, die ihm verliehen wurden. Er hatte sich hohen NS- 115

118 Funktionären sowie Hitler selbst als ärztlicher Ratgeber zur Verfügung gestellt. Somit erhielt er ausserordentliche Privilegien, die ihn letztendlich schützten in den Augen mancher Kritiker aber auch diskreditierten. Nach dem Kriegsende ernannte die sowjetische Stadtkommandatur in Berlin Sauerbruch zum Stadtrat für das Gesundheitswesen und berief ihn zum Direktor der chirurgischen Klinik in der Charité. Die Entnazifizierungskommission stellte 1946 abschliessend über Sauerbruch fest, er sei «selbstverständlich vom Nationalsozialismus stark umworben» worden, «seine Einstellung aber war und blieb zurückhaltend». Jakob Kaiser Wittelsbacher Strasse 28 Jakob Kaiser ( ) war von im Reichsvorstand der Christlichen Gewerkschaften Deutschlands und galt als einer ihrer führenden Vertreter. Der Zentrumsabgeordnete war von Anfang an ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten. Er missbilligte die Zustimmung der christlich orientierten Zentrumspartei zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 ebenso wie das Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan vom Juli Jakob Kaisersetzte sich nach der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 gemeinsam mit Wilhelm Leuschner zum Ziel, die Arbeiterbewegung in einer Einheitsgewerkschaft zusammenzufassen. Wilhelm Leuschner, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), weigerte sich im Juni 1933 auf der Konferenz des Internationalen Arbeitsamtes in Genf, die neue NS-Zwangsgewerkschaft, die Deutsche Arbeitsfront sowie ihren anwesenden Führer Robert Ley anzuerkennen. Als Folge dieser Haltung wurde Leuschner nach der Konferenz an der deutschen Grenze verhaftet und für ein Jahr in das KZ Lichtenburg verschleppt. Der Vorstand der Christlichen Gewerkschaften wurde aus seiner Zentrale in der Kaiserallee (Bundesallee) vertrieben und das Gesamtvermögen beschlagnahmt. Jakob Kaiserkämpfte als «Bevollmächtigter vor der Reichsfeststellungsbehörde» um die Herausgabe des Gewerkschaftsvermögens (24 Mio. Reichsmark) und um die Rechte der ehemaligen Gewerkschaftsangestellten. Sein eigentliches Ziel war aber die Organisation der illegalen Arbeit. Etwa 600 Männer und Frauen standen untereinander in informellem Kontakt. Zunächst pendelte Jakob Kaiser noch zwischen Berlin und Köln, da das Rheinland und Westfalen die eigentlichen Zentren der Christlichen Gewerkschaften waren. Schliesslich blieb aber Kaisers Familie in Köln, während er in der Wohnung seiner Mitarbeiterin und späteren Frau, Dr. Elfriede Nebgen, in der Wittelsbacher Strasse Unterkunft fand. Neben Frau Nebgen unterstützten Jakob Kaiserin seiner illegalen Arbeit der ehemalige christlich-gewerkschaftliche Jugendführer Albert Voss sowie die ehemalige Frauenreferentin Mina Amann. In der Wohnung Elfriede Nebgens traf sich Jakob Kaiser ab 1934 mindestens einmal in der Woche mit Wilhelm Leuschner. Es fanden regelmässig bis zum 20. Juli 1944 intensive politische Gespräche zwischen dem christlichen und dem sozialistischen Gewerkschaftsführerstatt kam der konservative evangelische Gewerkschafter Max Habermann in den Kreis um Jakob Kaiser. 116

119 Kaiser, Leuschner und Habermann verfassten in der Wittelsbacher Strasse eine Denkschrift, die sie 1936 über Generaloberst Heye dem Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, zukommen liessen. Die Denkschrift blieb ohne Folgen. Aus der Kontaktaufnahme zu oppositionellen Militärs entwickelte sich aber eine besondere Verbundenheit Jakob Kaisers zu General Kurt von Hammerstein sowie dessen Familie. Ab 1936 gehörte der Rechtsanwalt Dr. Josef Wirmer zum Widerstandskreis um Jakob Kaiser. Der Katholik sozial-fortschrittlicher Haltung war seit 1938 auch Vertrauter Hans Osters und Hans von Dohnanyis sowie ab 1941/42 Carl Goerdelers erarbeitete Josef Wirmer zusammen mit Jakob Kaiser eine Liste mit Namen der politisch Beauftragten zur Beratung der Militärs in den einzelnen Wehrkreisen während des geplanten Staatsstreichs. Josef Wirmer hatte auch bereits 1939 den Kontakt zwischen Ludwig Beck und Kaiser/Leuschner hergestellt Jakob Kaiser Ende 1941 entstand eine enge Arbeitsgemeinschaft zwischen Kaiser/Leuschner/ Habermann und Wirmer/Goerdeler kamen Bernhard Letterhaus und Nikolaus Gross von der illegalen katholischen Arbeiterbewegung (KAB) dazu. Das Verhältnis dieser illegalen Arbeitsgemeinschaft zum «Kreisauer Kreis» war nicht ungetrübt. Jesuitenpater Delp schaute besorgt auf den Einfluss des «reaktionären» Goerdeler. Umgekehrt lehnte Helmuth James Graf von Moltke ein Attentat auf Hitler ab, während die Gewerkschafter Kaiser und Leuschner aber dafür waren. Als 1943 der Kreisauer Kreis durch Julius Leber erstmals Kontakt zu kommunistischen Kreisen, d.h. zur Saefkow-Jacob-Organisation aufnahm, waren Kaiser und Leuschner dagegen, da sie bei kommunistischen Organisationen die Gefährder Unterwanderung durch Spitzel befürchteten. Nach der Verhaftung Jakob Kaisers (April bis Oktober 1938) beobachtete die Gestapo die Wohnung in der Wittelsbacher Strasse. Als der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 gescheitert war, tauchten Josef Wirmer, Max Habermann und Jakob Kaiser unter. Mal versteckten sie sich in einem Lagerraum am Kurfürstendamm, dann in der Wohnung von Albert Voss im Eschwegering 7 in Tempelhof. Jakob Kaiser war schliesslich der einzige seines Widerstandskreises, der das Kriegsende überlebte. Mit Hilfe seiner politischen Weggefährtin Elfriede Nebgen konnte er erfolgreich in einem Keller in Babelsberg bei Gertrud Droste untertauchen. Seine Frau Therese Kaiser und Tochter Elisabeth kamen dagegen in Sippenhaft. Jakob Kaiser war nach 1945 einer der Mitbegründer der Berliner CDU und gehörte von 1949 bis 1957 als Minister für gesamtdeutsche Fragen den Kabinetten Konrad Adenauers an. 117

120 Widerstand aus katholischen Kreisen Im Gegensatz zur Bekennenden Kirche (S. 121), die sich schon früh gegen NSstaatliche Eingriffe in kirchliche Belange wehrte, glaubten weite katholische Kreise, ihre Institutionen während der Diktatur erhalten zu können. Noch im Juni 1933 konnte als Grossveranstaltung der Katholikentag im Grunewaldstadion durchgeführt werden. Das Reichskonkordat vom Juli 1933 schien eine Garantie für die Unantastbarkeit und Freiheit des Katholizismus zu sein. Die Nationalsozialisten hielten sich jedoch nicht an die Vereinbarungen und betrieben zielstrebig die Gleichschaltung der katholischen Verbände, die Zensur der kirchlichen Presse und die Behinderung katholischer Erziehung in Schulen und Heimen. Einzelne überzeugte Katholiken widersetzten sich den staatlichen Zwangsmassnahmen. Gemeinde Heilig Kreuz In der Kirche Heilig Kreuz in der Hildegardstrasse 3 a wirkte Pater Franziskus (Bernhard Robben, Jg. 1911), der bereits einmal im Juni 1937 für 17Tage in «Schutzhaft» genommen worden war. Im Sommer 1942 kam er erneut für vier Wochen in Haft, da es nach einer Veranstaltung der Pfarrjugend Heilig Kreuz zu Auseinandersetzungen mit der HJ gekommen war. Aus diesem Anlass durchsuchte die Gestapo Kaplan Robbens Wohnung und nahm ihn unter dem Vorwurf, die Jugendveranstaltung nicht rein religiös gehalten zu haben, fest. Robben wurde von der Gestapo mehrmals verhört. Im zum Gemeindegebiet Heilig Kreuz gehörenden Sankt-Gertrauden-Krankenhaus in der Paretzer Strasse fanden in der geräumigen Wohnung des Direktors Professor Sigismund Lauter während der gesamten NS-Diktatur Zusammenkünfte von Mitgliedern der Widerstandsbewegung statt. Dies berichtet Fabian von Schlabrendorff in seinem Buch «Offiziere gegen Hitler». Gemeinde Sankt Ludwig Auch diese Gemeinde begann schon früh, die Repressalien der Nationalsozialisten zu spüren verbot die Gestapo das Gemeindefest im Restaurant «Bahnhof Grünewald» und verfügte noch im gleichen Jahr die Schliessung des Kinderheims «Maria Schutz» wurde die katholische Schule verboten, das Schulgebäude beschlagnahmt und von der «Deutschen Arbeitsfront» genutzt. Zur 40-Jahr- Feier zum Bestehen der Kirche am Ludwigkirchplatz 1937 sprach Prälat Bernhard Lichtenberg. Dieser ungewöhnlich engagierte Katholik war bereits 1931 von den Nationalsozialisten in einer Hetzkampagne diffamiert worden. Euthanasie und Judenverfolgung trieben Lichtenberg zum offenen Widerstand gegen das NS-Regime. Nach dem Judenpogrom im November 1938 schloss er die Juden und KZ-Häftlinge ausdrücklich in seine Gebete und Predigten mit ein wurde er selber verhaftet und starb 1943 an den Folgen der Haft auf dem Weitertransport in das KZ Dachau. In Gestapohaft wegen Regimekritik geriet auch der katholische Pfarrer Pater Athanasius (Dr. Alois Kraechan, geb. 1884) aus Schmargendorf (Salvator-Kirche). Er war vom September 1939 bis Ende März 1940 inhaftiert. Mehrfach musste er Hausdurchsuchungen und die Beschlagnahmung von Schriften und Büchern erleiden. Einmal erhielt er eine Vorladung zur Polizei. weil er sich geweigert hatte, die Hakenkreuzfahne aufzuziehen. 118

121 Ilse Demme Saalfelder Strasse 7 Ilse Demme ( ) legte 1931 das Lehrerinnenexamen für Land- und Hauswirtschaftskunde in der Nähe von Wiesbaden ab. Sie war dort von 1932 bis 1934 als Lehrerin tätig, wurde aber aufgrund ihrer jüdischen Abstammung nicht in den Staatsdienst übernommen. Durch die Leiterin der landwirtschaftlichen Frauenschule kam Ilse Demme zunehmend in politische Schwierigkeiten, so dass sie im Oktober 1934 nach Berlin zog. Sie wohnte in der Saalfelder Strasse 7 und studierte zunächst Portugiesisch und Spanisch. Von arbeitete sie im Ibero-Amerikanischen Institut. Dort oblag ihr die Betreuung südamerikanischer Akademiker und Diplomaten. Sie versuchte, in diesem Kreis Aufklärungsarbeit über den tatsächlichen Charakter des NS-Regimes zu leisten. Ihre Tätigkeit wurde denunziert, und ein erster Haftbefehl gegen sie erging, dem sie sich aber geschickt entzog. Bis 1939 arbeitete sie daraufhin als Übersetzerin in der Ibero-Amerikanischen Handelsgesellschaft und hielt weiter Kontakt zu den südamerikanischen Diplomatenfamilien. Anlässlich von Einladungen ihrer ausländischen Gastgeber hörte sie sogenannte «feindliche Rundfunksender». Ilse Demme äusserte ihren Abscheu über das NS-Regime in kritischen Bemerkungen und im Abschreiben und Verteilen der Predigten des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen. Dieser hatte im Sommer 1941 in drei berühmt gewordenen Predigten die Euthanasie-Verbrechen der Nationalsozialisten enthüllt. Es war ein Protest gegen die Tötung von Geisteskranken, Kriminellen und Homosexuellen, die die NS-Regierung seit 1939/40 als «lebensunwertes Leben» vernichten liess. 119

122 Die Predigten des Grafen von Galen erregten in der Bevölkerung grosses Aufsehen und wurden von Hand zu Hand weitergegeben. Das Regime wagte nicht, gegen den Bischof vorzugehen. Hitler stoppte zunächst im August 1941 die Vernichtungsaktion. Inzwischen waren den Liquidierungen bereits 60-80'000 Menschen zum Opfer gefallen. Seit Mai 1941 arbeitete Ilse Demme als Büroleiterin im Luftfahrtgerätewerk Hakenfelde der Firma Siemens. Eine Arbeitskollegin denunzierte sie beim firmeneigenen «Abwehrbeauftragten» da Frau Demme «den Schriftwechsel des Bischofs von Galen mit der Reichsregierung während der Dienststunden auf der Schreibmaschine des Werkes vervielfältigte und auch braune und blaue Umschläge während der Dienststunden mit Anschriften» versah. Frau Demme wurde im November 1941 verhaftet und erhielt im Prozess 1942 wegen «Vergehens gegen das Heimtückegesetz» ein Jahr und drei Monate Gefängnis. Doch nach Verbüssung der Strafe blieb sie weiterhin auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei vom 1. Februar 1943 in Haft. In der Verfügung hiess es lediglich: «Von einer vorzeitigen Entlassung der Demme wird aus staatspolizeilichen Gründen abgesehen.» Frau Demme wurde Anfang April 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz überführt. Von September 1943 bis zum Kriegsende war sie im KZ Ravensbrück inhaftiert. Während der Evakuierung des Lagers Ende April 1945 gelang es ihr, zu fliehen und nach Berlin zurückzukehren. (Im Herbst 1946 wurde Ilse Demme Leiterin der Gartenarbeitsschule in der Dillenburger Strasse. Sie war Mitbegründerin und langjährige Vorsitzende des «Clubs Berufstätiger Frauen», der nach dem Kriegsende zum Sammelpunkt engagierter Berlinerinnen wurde. Ihm gehörten u.a. Dr. Katharina Heinroth (Direktorin des BerlinerZoos), die Ehefrau Ernst Reuters, Maria Gräfin von Maltzan und Marta Astfalck-Vietz an.) 120

123 Bekennende Kirche Im Sommer 1932 traten die «Deutschen Christen» (DC) an die Öffentlichkeit. Ihr Ziel war es, den evangelischen Glauben der nationalsozialistischen Weltanschauung unterzuordnen. Bei den Wahlen innerhalb der preussischen Landeskirche im November 1932 erhielten die DC auf Anhieb ein Drittel der Sitze. Die Nationalsozialisten gingen davon aus,dass es den DC gelingen würde, die in ihrer Mehrheit eher national-konservativ eingestellte Evangelische Kirche Deutschlands zu unterwandern und schliesslich eine «nationalsozialistische Staatskirche» zu erschaffen, d.h. alle evangelischen Kirchenorganisationen gleichzuschalten. Im Mai 1933 regte sich in einem Teil der evangelischen Kirche Opposition gegen die zunehmende Einmischung von aussen in innere Kirchenangelegenheiten. In der ehemaligen Geschäftsstelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in der Achenbachstrasse 18 (Lietzenburger Strasse 39) kamen im September 1933 bei Pfarrer Gerhard Jacobi die ersten gegen den NS-Staat engagierten evangelischen Geistlichen zusammen und bildeten den Pfarrernotbund (PNB). Aus diesem ging 1934 die BK hervor, die öffentlich ein Scheitern von Hitlers Gleichschaltungsversuch der Kirchen in Deutschland dokumentierte, denn trotz aller Unterdrückungsmassnahmen blieb die BK neben der Reichskirche bestehen. Sie umfasste die oppositionellen Pfarrer und Gläubigen, die den Gleichschaltungsversuchen entgegentraten. In den Gemeinden begann ein Kampf zwischen DC-und BK-Anhängern, die jedoch beide in der Minderheit blieben, da die Mehrheit der Pfarrer politisch-theologisch keine der beiden Positionen bezog, sondern «neutral» blieb, damit aber den DC weitgehend den Aktionsrahmen überliess. Mitglieder des Pfarrernotbundes in Wilmersdorfer Gemeinden waren: Kirche am Hohenzollernplatz: Pfarrer Eduard Lindenmeyer, Pfarrer Bernhard Teicke Kreuzkirche (Schmargendorf): Pfarrer Hugo Nehmiz, Pfarrer Friedrich Künkel, Pfarrer Franz Hildebrandt Auenkirche: Pfarrer Lunde Hochmeisterkirche: Pfarrer Hüffmeier Grunewaldkirche: Pfarrer Fey, Pfarrer Richard, Pfarrer Schott, Pfarrer Weise. Das Zentrum der Opposition bis hin zum aktiven Widerstand gegen die Auswirkungen der NS-Diktatur war in Wilmersdorf die Schwedische Victoriagemeinde in der Landhausstrasse 27-28, die in engem Kontakt zur BK stand (S. 147ff.). Kirche am Hohenzollernplatz In der im März 1933 eingeweihten und im expressionistischen Stil erbauten Kirche bildete sich sehr bald nach der Errichtung der NS-Diktatur eine feste Bekenntnis-Gemeinde, geleitet von den dort tätigen Pfarrern Eduard Lindenmeyer ( ) und Bernhard Teicke sowie dem Vikar Klapproth. Ihr DC-Gegenspieler war der ebenfalls dort angestellte Pfarrer Dr. Schettler, der mit allen Mitteln versuchte, Eduard Lindenmeyer vom Dienst suspendieren zu lassen. Das evangelische Konsistorium versetzte Eduard Lindenmeyer tatsächlich zum 1. April 1934 in den einstweiligen Ruhestand, weil er Abkündigungen des Pfarrernotbundes von der Kanzel verlesen hatte und vom Gemeinde-Gruppenleiter der DC denunziert worden war. 121

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125 In diesem Sinne verlas Pfarrer Lindenmeyer Abkündigungen der BK und hielt Fürbittgebete für bereits verhaftete Pfarrer. Erstand von Anfang an in engem Kontakt zu Martin Niemöller und Gerhard Jacobi. Bis 1937 veranstaltete Pfarrer Lindenmeyer zwei Gottesdienstreihen der BK, auf denen Pastor Niemöller sprach. Diese wurden noch bis zum Juni 1937 in der konservativen Wilmersdorfer Zeitung «Der Westen» annonciert. Da die Kirche am Hohenzollernplatz bereits damals sehr verkehrsgünstig lag, kamen zu den Veranstaltungen Mitglieder aus fast allen Wilmersdorfer Gemeinden, sogar aus Charlottenburg. In Lindenmeyers Pfarrwohnung fanden hin und wieder Treffen von Bekenntnis-Pfarrern statt, an denen auch Jacobi und Niemöller teilnahmen, berichtet Frau Inge Lindenmeyer, die Nichte von Eduard Lindenmeyer (1990). Diese Aktivitäten führten verstärkt zu Konflikten mit den Deutschen Christen. In den Protokollbüchern des Gemeindekirchenrates von Wilmersdorf ist unter dem Datum 9. Februar 1937 folgender Eintrag zu finden: «Pfarrer Lindenmeyer lässt bei seinem amtlichen Auftreten klar erkennen, dass er dem Geschehen in unserem Vaterlande...völlig verständnislos und ablehnend gegenübersteht. Es kann Männern, denen die Teilnahme an diesem Geschehen innere Verpflichtung ist, nicht zugemutet werden, sich in ihrer kirchlichen Arbeit durch einen derartigen Vorsitzenden leiten zu lassen.» Diese Eingabe war u.a. von DC-Pfarrer Dr. Schettler unterzeichnet. Dennoch legte Pfarrer Lindenmeyer seinen Vorsitz nicht nieder. Im Januar 1938 unterzeichnete Lindenmeyer eine Erklärung des Bruderrates der Bekenntnisgemeinde Berlin-Wilmersdorf an den Reichsführer SS Himmler für die Fortsetzung der illegalen Ausbildung von Pfarrern innerhalb der BK. 123

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127 Pfarrer Eduard Lindenmeyer musste sich mehrmals im Polizeipräsidium am Alexanderplatz melden. Einmal inhaftierte ihn die Gestapo dort acht Tage lang. Fritz Lindenmeyer setzte sich dann jedesmal für seinen Bruder ein. Da beide in Bern geboren waren, schützte sie offenbar ihre vermeintliche Schweizer Staatsbürgerschaft. Eduard Lindenmeyer erhielt mehrfach Warnungen vor Verhaftungswellen und tauchte jeweils für einige Zeit unter. Meist fuhr er dann zu Verwandten nach Augsburg, erinnert sich Inge Lindenmeyer. Da Eduard Lindenmeyer unverheiratet geblieben war, lebte er in der grossen Pfarrwohnung mit seinem Bruder Fritz und dessen Frau Agnes Maria sowie der damals 14jährigen Tochter Inge zusammen. Fritz Lindenmeyer ( ) arbeitete als Pastorin der Evangelischen Schiffermission, die sich um die geistliche und seelsorgerische Betreuung der Fluss- und Kanalschifferin Deutschland kümmerte. Der «Reichsverband der Binnenschiffermission» gab wöchentlich die Zeitung «Gute Fahrt» heraus, die den Binnenschiffern zugestellt wurde. Fritz Lindenmeyer schrieb Leitartikel für das Wochenblatt und machte aus seiner antinationalsozialistischen Haltung dabei keinen Hehl. So schrieb er am 15. August 1935: «Vor Eigendünkel muss jedes Volk sich bewahren. Gott kennt keine Unterschiede des Blutes und der Rasse. Er will, dass allen Menschen geholfen werde. Und gerade die von der Masse Ausgestossenen und Verachteten sind ihm immer die Nächsten und Liebsten gewesen. Hüten wir uns daher vor jedem menschlichen Hochmut. Sonst können auch wir die Erfahrung machen: Die Ersten werden die Letzten sein.» Im November 1935 wurde das NS-Blatt «Der Stürmer»(S.124) auf Fritz Lindenmeyer aufmerksam und diffamierte ihn in einer Ausgabe als «Volksverhetzer und Saboteur übelster Sorte». Er missbrauche das Evangelium zu «politischer Stänkerei» haben die NS-Behörden die «Gute Fahrt» verboten. In Schiffahrtskreisen war diese Zeitung sehr beliebt gewesen und wurde in Binnenhäfen wie Mannheim, aber auch in Hamburg gelesen. Friedrich Lindenmeyers Frau Agnes Maria ( ) war ebenfalls von Anfang an aktives Mitglied der Bekenntnis-Gemeinde. Die Missionarin, die bis 1908 zunächst in Japan und dann in China gewirkt hatte, gründete 1933 einen kleinen Kreis von zehn bis fünfzehn Frauen, die sich in der Lindenmeyerschen Pfarrwohnung trafen und über die politische Lage der Kirche in Deutschland sprachen. Die Tochter Inge Lindenmeyer erinnert sich: «Meine Mutter machte das auf biblischer Grundlage und unter Ablehnung von,blut und Boden (ldeologie). Der Kreis wurde langsam so gross, dass sie in den Gemeinderaum ausweichen mussten.» Frau Lindenmeyer annoncierte im «Westen» die Veranstaltungen des Gesprächskreises, bei denen sie Vorträge im Sinne der Bekenntnisgemeinde hielt. Bis zu 200 Zuhörer sollen sich zu diesen Anlässen im Gemeinderaum der Kirche am Hohenzollernplatz versammelt haben. Der Kreis nannte sich «Bekenntnis-Frauengemeinschaft» und war der BK angegliedert. 125

128 Eduard Lindenmeyer(l.v. re.), Fritz Lindenmeyer(2.v.re.) und Agnes Lindenmeyer d.v.li.) Die Teilnehmer erhielten rote Mitgliedskarten, um sich auszuweisen und den Kreis der Zuhörer geschlossen zu halten. Dennoch kam hin und wieder die Gestapo, um mitzuhören, was auf den Veranstaltungen der Agnes Lindenmeyer gesprochen wurde. Nach 1936 musste Frau Lindenmeyer ihre öffentliche Arbeit weitgehend einstellen, da sie, ebenso wie ihr Mann Fritz, wiederholt zum Verhör in das Polizeipräsidium am Alexanderplatz zitiert wurde. Die energische Frau liess sich von der Gestapo nicht einschüchtern und blieb innerlich ihrer Haltung treu. Ihre Tochter zitiert sie so: «Meine Mutter sagte:,ich stehe zu meinem Wort! Der Hitler könnte meinen Kopf haben, aber ich würde meine Gesinnung nicht ändern, was die Religion betrifft.» Kreuzkirche (Schmargendorf) Hohenzollerndamm 130 Hugo Nehmiz ( ) war seit 1915 Pfarrerin Schmargendorf. Er war massgeblich an der Planung eines Kirchenneubaus für die seit der Jahrhundertwende stark anwachsende Schmargendorfer Gemeinde beteiligt wurde schliesslich die von dem Architekten Dr. Günther Paulus im Stil des deutschen Expressionismus entworfene Kreuzkirche am Hohenzollerndamm, Ecke Forckenbeckstrasse eingeweiht. Die national gesinnte Zeitung «Der Deutsche» beschimpfte den Baustil nach der Einweihung garais den «Gipfel der Modernität». Seither provozierte die eigenwillige Gestaltung der Kreuzkirche Zustimmung wie Kritik. 126

129 Hugo Nehmiz Pfarrer Nehmiz war von 1929 bis zu seiner Pensionierung 1951 Pfarrer an der Kreuzkirche. Ihm zur Seite stand ab 1931 Pfarrer Friedrich Künkel ( ), der 1937 schwer erkrankte und starb. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verschärften sich bald die weltanschaulichen Gegensätze in der Kreuzkirchengemeinde. Mehrere Mitglieder des Gemeindekirchenrates (GKR) standen zusammen mit dem Hilfsprediger Krahn auf Seiten der DC, während sich die Pfarrer Nehmiz und Künkel zum Pfarrernotbund bekannten. Ihnen zur Seite stand der Hilfsprediger Franz Hildebrandt (Jg. 1909), der in der Misdroyer Strasse 49a wohnte und ein enger Freund Dietrich Bonhoeffers war. Franz Hildebrandt, ein entschlossener Mann der Opposition, beeindruckte durch die Qualität seiner Predigten. Als am 25. Januar 1934 der Dahlemer Pastor Martin Niemöller aufgrund seiner oppositionellen Haltung vom Dienst suspendiert wurde, predigte statt seiner der «andere Niemöller»: Franz Hildebrandt. (Vergleiche die Steglitz-/Zehlendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Es entbrannte ein regelrechter Kleinkrieg der DC gegen die Bekenntnisgemeinde, der sich vor allem an der Person Hugo Nehmiz entzündete. Pfarrer Nehmiz wurde nicht mehr vom GKR mit der Geschäftsführung der Gemeinde beauftragt, so dass er nach 1935 nur noch selten an den Sitzungen des GKR teilnahm. Aber auch die Gemeindeschwestern und Gemeindehelferinnen wurden überprüft, ob sie «zuverlässig auf dem Boden der Reichskirche stehen». Eine Gemeindehelferin erhielt vom GKR eine Verwarnung wegen Agitation für die BK und ihr Wirkungsbereich wurde eingeschränkt. Die drei Bekenntnis-Pfarrer sammelten in ihren Gottesdiensten für das Frauenwerk und den theologischen Nachwuchs der BK. Unterstützt wurden sie darin von den Mitgliedern ihres umfangreichen Bruderrates. Dazu gehörte u.a. der Bibliotheksrat Lic. theol. Friedrich Smend ( ), der in der Zoppoter Strasse 13 wohnte und in engem Kontakt zu Pfarrer Martin Niemöller stand. Smend korrespondierte auch noch mit Niemöller nach dessen Verhaftung In den dreissiger Jahren gehörte Friedrich Smend ausserdem der Leitung der Berliner BK um Pfarrer Jacobi an (Foto S. 128). 127

130 Otto Dibelius und Friedrich Smend Ab April 1938 wurde Pfarrer Nehmiz in seiner Arbeit von den aus der illegalen BK-Ausbildung kommenden Vikaren Knick und Hasper unterstützt. Weitere Mitglieder des Schmargendorfer Bruderrates waren Bruno Contag, der in der Orberstrasse 38 wohnte und dessen Frau in der «Evangelischen Frauenhilfe Schmargendorf» mitarbeitete sowie der Rechtsanwalt Canitz und Reinhold Moll aus der Kissinger Strasse 67, um nur einige zu nennen. Sie setzten sich jedesmal für Pfarrer Nehmiz ein, wenn dieser aus Kreisen der DC beim Evangelischen Konsistorium oder bei der Geheimen Staatspolizei angezeigt worden war. Insgesamt musste sich Hugo Nehmiz viermal den Vernehmungen im Polizeipräsidium am Alexanderplatz stellen, das letzte Mal, weil er im Januar 1939 einen nichtarischen Jungen in der Kreuzkirche konfirmiert hatte, der nach England emigrieren musste. Die Untersuchungen blieben glücklicherweise ohne Folgen, da Pfarrer Nehmiz über weitreichende Beziehungen verfügte, die ihn immer wieder geschützt haben. Nicht so dagegen erging es Pfarrer Hildebrandt, der wegen «Vergehens gegen das Sammlungsgesetz vom 5. November 1934» im Sommer 1937 fast vier Wochen in Untersuchungshaft sass und zu 400,- Reichsmark Strafe verurteilt wurde. Nach seiner Haft emigrierte er nach England. Zeitweise standen die Pfarrer aber auch unter Hausarrest, damit sie bestimmte Erklärungen der B K im Gottesdienst nicht verlesen konnten. In diesem Fall sprangen Laien ein, die den Text vor der Gemeinde in der Kirche verkündeten. 128

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132 Werner Goldberg erinnert sich an eine derartige Begebenheit in Schmargendorf: «Die Kirche war knüppeldicke voll an dem Vormittag... Gegenüber, auf der anderen Strassenseite, war ein Haufen von Überfallwagen mit SA-Hilfspolizei angefahren... (Nach dem Gottesdient) zog die ganze Gemeinde auf den Vorplatz der Kirche und sang dort stehend das Lied,Ein feste Burg ist unser Gott.» Darüber hinaus erinnert sich Werner Goldberg, der selbst von Pfarrer Nehmiz konfirmiert worden war, wie Mitglieder der Hitler-Jugend versuchten, die Gemeindejugendarbeit sowie den Konfirmandenunterricht des Pfarrers zu «sprengen». «Pfarrer Nehmiz hat beinahe jeden Monat Kaffeenachmittage mit den ehemaligen Konfirmanden gemacht. Ich besinne mich, dass einer dieser Kaffeenachmittage von der HJ auseinandergezwungen wurde, indem die plötzlich da in den Gemeindesaal eindrangen und das Ende der Veranstaltung verkündeten. Wir sassen alle sehr betroffen da. Dann haben sie gesagt:,alle H J-Mitglieder sofort raustreten zum Appell! Und wir wussten nicht, was wir machen sollten. Da hat Nehmiz gesagt: Kinder, also, das ist ein Befehl, dem müsst ihr jetzt folgen. Wir treffen uns nächsten Monat wieder! Somit nahm er der Situation zunächst die Schärfe. Die Hälfte (der Jugendlichen) blieb noch übrig, sehr betroffen und verängstigt. Die Folge war ein noch stärkeres Zusammenhalten im kirchlichen Kreis.» Nehmiz wandte sich wegen derartiger Störaktionen persönlich an die Leitung der Hitler-Jugend. In einem Schreiben vom Mai 1935 beschwerte er sich über sechs bis sieben Mitglieder der Ortsgruppe Schmargendorf, Primaner und Sekundaner des Heinrich-von-Kleist-Gymnasiums, die eine kirchliche Abendveranstaltung mit Konfirmierten «sprengten». Evangelische Frauenhilfe Die der BK verpflichtete «Evangelische Frauenhilfe Schmargendorf» organisierte Vorträge, so z.b. mit dem Thema «Christen mitten in der Welt», gehalten von der Oberin des Martin-Luther-Krankenhauses, zu dem auch Pfarrer Nehmiz in enger Verbindung stand. Zur Entlastung der in der Kriegszeit z.t dienstverpflichteten Mütter richtete die Frauenhilfe unter Frau Oldachs Verantwortung «Kinderstunden» ein, in denen nachmittags Kinder sachkundig betreut wurden. (Der Gemeindesaal unterhalb des eigentlichen Kirchenraumes musste 1940 an die Wehrmacht vermietet werden, die dort Mannschaften und Material der Luftabwehr unterbrachte. Während der Eroberung Berlins im April 1945 wurde im Kirchturm der Kreuzkirche eine Funkstation der Roten Armee errichtet.) Eine Schmargendorferin erinnert sich Erika Leo (Jg. 1901), eine Schmargendorferin seit 1933, zog es mit ihrer Schwester Toni Leo ( ) immer wieder in die Dahlemer Bekenntnisgemeinde. Dort hörte sie auch zum erstenmal Martin Niemöller und Franz Hildebrandt predigen. Besonders verehrte sie aber Helmut Gollwitzer. für den sie eine Zeitlang Predig- 130

133 ten abschrieb. Sie erinnert sich auch an die Lehrerin Fräulein Flammiger und die Halbjüdin Annemarie Hirsch, die Gollwitzers Predigten mitstenographierten. Frau Leo gab ihre Typoskripte weiter an Fräulein Flammiger, die sie in ihrer Wohnung in der Misdroyer Strasse 49a (im gleichen Haus wohnte Franz Hildebrandt), auf einem dort vorhandenen Vervielfältigungsapparat abzog. Die Predigten wurden in BK-Gottesdiensten ausgelegt und innerhalb Deutschlands, teilweise auch ins Ausland, verschickt. Frau Leo erinnert sich an 300 Adressen, über die sie verfügten. Der Kreis Bekennender Christen, dem Frau Leo angehörte, traf sich immer sonntags nach der Kirche in Schmargendorf. Leider weiss Frau Leo nicht mehr, wo diese Treffen stattfanden. Sie erinnert sich aber noch, dass BK-Pfarrer Traub, ein Freund Helmut Gollwitzers, daran teilnahm. (Interview mit Frau Erika Leo am 31. Juli 1992) Notgemeinde Halensee Zumindest in den Jahren 1942/43 spielte sich das Leben Bekennender Christen in Halensee weitgehend ausserhalb der Offizialkirche ab. Wie in anderen Teilen der Stadt (siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe) waren Anhänger der BK, die sich auf keinen eigenen Ortspfarrerstützen konnten, darauf angewiesen, in Privatwohnungen als sogenannte Notgemeinde zusammenzukommen tagte der Bibelkreis der BK Halensee in der Wohnung des Arztes Dr. Boris Schäfer, der am Hohenzollerndamm 161b wohnte. Nach dessen Einberufung zur Wehrmacht kam die Bekennende Gemeinde bei Frau Professor Holl in Halensee, Katharinenstrasse 27, zusammen und wurde von den Dahlemer Bekenntnispfarrern Mochalski und Traub (als Vertreter) geleitet. Darüber hinaus bestand im Frühjahr 1943 ein Männerbibelkreis, der in der Schmargendorfer Kalischer Strasse 30 bei Herrn Kraske tagte und ebenfalls von Pfarrer Traub betreut wurde. Zu den Teilnehmern dieser Versammlung zählte auch Dr. Franz Kaufmann (Hobrechtstrasse 3), der sich aufopfernd in der Hilfe für verfolgte und untergetauchte Juden engagierte und schliesslich sein Leben dafür geben musste (S.27-30). Inwieweit Helene Jacobs noch andere Mitglieder der Notgemeinde Halensee in die weitverzweigten Hilfsaktionen Dr. Kaufmanns einbezogen oder zumindest eingeweiht hatte, liess sich nicht mehr rekonstruieren. Käte Reuber, die Haushälterin Franz Kaufmanns, wurde im August 1943 von der Gestapo verhaftet und verschleppt, da sie den flüchtenden Dr. Kaufmann einige Tage in ihrer Wohnung versteckt hatte. Erst das Kriegsende brachte der Christin jüdischer Herkunft die Befreiung aus dem KZ. 131

134 Schicksale jüdischer Bürger in Grünewald und Wilmersdorf Die Villenkolonie Grünewald Die Villenkolonie Grünewald entstand 1889 im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kurfürstendamms zum Berliner Boulevard. Zur Zeit der Weimarer Republik lebten in Grünewald bereits viele der wichtigsten Repräsentanten aus Wirtschaft, Politikwissenschaft und Kultur. In jedem grösseren Villenhaushalt wurde mindestens zweimal im Jahr zu einem Abendessen oder Fest geladen. Befreundete Familien trafen sich zum Tee oder Spaziergängen um die Grunewaldseen. Es gab Hauskonzerte und Literaturabende, so dass vielseitige kulturelle Kontakte auf privater Ebene stattfanden. Der jüdische Anteil der Bewohner in Grünewald war sehr hoch, daher wurde die Zerstörung der kulturellen Vielfalt durch den Nationalsozialismus hier besonders spürbar. Im Palais des Bankiers Franz von Mendelssohn in der Bismarckallee 23 (heute: St.-Michaelis-Heim) verkehrten u.a. Albert Einstein und Walther Rathenau. Rathenau lebte seit 1910 im Grünewald, in der Koenigsallee 65. Er war der Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau. Anfang 1922 trat er das Amt des Aussenministers in der Weimarer Republik an. Stefan Zweig beschreibt Rathenau in seinen Erinnerungen als einen tief vereinsamten Menschen, der meinte, die Gefahr nicht scheuen zu müssen. Trotz verschiedener Morddrohungen entschied Rathenau, die Bewachung seiner Person einstellen zu lassen. Kurz darauf, am 24. Juni 1922, wurde er auf der Fahrt ins Aussenministerium in der Koenigsallee/Ecke Wallotstrasse von Tätern aus rechtsradikalen Kreisen als verhasster «Erfüllungspolitiker» und Jude erschossen. Rathenau hatte in seiner kurzen Amtszeit mit der Unterzeichnung des Vertrages von Rapallo, der eine Annäherung an Russland darstellte, einen grossen aussenpolitischen Erfolg für die Weimarer Republik erreicht. Rathenau verband eine komplizierte Freundschaft mit dem Publizisten Maximilian Harden ( ). Dieser wohnte in der Wernerstrasse 16 und war Herausgeber der kulturpolitischen Zeitschrift «Die Zukunft». In seinen Artikeln übte er scharfe Kritik an der Wilhelminischen Ära und verteidigte die Politik Bismarcks. Er gehörte im Jahre 1889 zu den Mitbegründern der»freien Bühne». Dieser Theaterverein pflegte in seinen Mitgliedsveranstaltungen vor allem die Aufführung naturalistischer Dramen, z.b. von Ibsen und Hauptmann, die z.t durch die Zensur der Kaiserzeit verboten waren. Obwohl Maximilian Harden auch die ersten Artikel Walther Rathenaus veröffentlicht hatte, kam es 1920 zum endgültigen Bruch zwischen beiden. Kurze Zeit nach dem Mord an Rathenau fiel Harden am 3. Juli 1922 ebenfalls einem Attentat zum Opfer. Vor seiner Haustür wurde er mit einer Eisenstange niedergeschlagen. Er überlebte, erholte sich jedoch nicht mehr und musste sein Lebenswerk, die Herausgabe der Zeitschrift «Die Zukunft», einstellen. In beiden Attentatsfällen gehörten die Mörder der rechtsgerichteten Organisation «Consul» an. Das Republikschutzgesetz vom 21.Juli 1922 blieb wirkungslos, da der weitgehend antidemokratisch eingestellte Justizapparat nicht mitzog. So blieben die Mörder überwiegend verschont, und Maximilian Harden wurde vor Gericht vom Opfer zum Angeklagten degradiert. Er sagte zu den Geschworenen: «Ihr Deutschen geht noch zugrunde durch eure Solidarität mit den Mördern!» 132

135 Harden verliess Deutschland und starb 1927 in der Schweiz. Nach dem Mord an Walther Rathenau fanden in Berlin Demonstrationen der Solidarität mit der jungen Republik statt. In der Villenkolonie hatte das Attentat Schrecken ausgelöst. Die trügerische Ruhe war vorbei und das Villenviertel zum Schauplatz der innersten Konflikte der Republik geworden. Im Allgemeinen jedoch blieben die Grunewalder vom politischen Tagesgeschehen verschont. Ihr Selbstverständnis beleuchtet Brigitte Bermann-Fischer in ihren Erinnerungen: «... Man war beunruhigt, aber man nahm die Dinge nicht so ernst. Der Glaube an die Sicherheit der Staatsgewalt, der Glaube an das Recht und die Unumstösslichkeit der Gesetze war zu stark in der Generation meiner Eltern, so dass ihnen der Gedanke an eine ernstliche Gefahr gar nicht kam...» Spätestens als Hitler 1933 Kanzler wurde, war die «ernstliche Gefahr» durch den Nationalsozialismus Realität geworden. Wichtige NS-Einrichtungen und Personen erhielten ihren Wohnsitz im Grünewald. Namhafte Juden und politisch Andersdenkende gaben ihre Häuser auf, gingen ins Exil oder wurden verhaftet. (1943 waren bereits viele Villen, vor allem in der Nähe des Eisenbahn-Westkreuzes, durch Bomben beschädigt oder zerstört.) Die meisten Grunewalder, die nicht ins Exil flüchten mussten, liessen sich von der NS-Präsenz in ihrem Wohnviertel nur begrenzt beeindrucken. Die alt eingesessenen Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler, Professoren, Industriellen und Bankiers lebten festverwurzelt in ihrem traditionellen Verständnis von Gesellschaft. Sie versuchten den Nationalsozialismus möglichst zu ignorieren. Als dies nicht mehr möglich war, zogen sich viele der geistig und künstlerisch Schaffenden in die «innere Emigration» zurück. Andere, wie Klaus und Dietrich Bonhoeffer, Erwin Planck, Justus Delbrück und Hans von Dohnanyi leisteten aktiven Widerstand gegen die Hitler-Diktatur und bezahlten dieses mit ihrem Leben. Exil Selbstmord Verstecke In der Erdener Strasse 8 lebte seit 1905 Samuel Fischer, einer der bedeutendsten deutschen Verleger nach der Jahrhundertwende. Er hatte 1886 seinen Verlag gegründet. Es lag ihm viel am persönlichen Kontakt mit den Autoren, deren Werke er verlegte. Daher entwickelte sich sein Haus in der Villenkolonie Grünewald bald zu einem literarischen Treffpunkt. Seinem verlegerischen Instinkt war es zu verdanken, dass ausländische Autoren wie Ibsen und Strindberg in Deutschland bekannt wurden und Thomas Mann, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig u.a. Autoren einem grösseren Leserkreis zugänglich gemacht werden konnten. Samuel Fischer starb im Oktober Er hatte sich bis zuletzt dagegen gewehrt, den Weg ins Exil zu gehen, obwohl die Situation für jüdische Grossverleger immer bedrängender wurde. Sein Schwiegersohn Gottfried Bermann-Fischer konnte 1935 unter grossen Schwierigkeiten mit den Verlagsrechten und dem Buchlager nach Wien ausweichen. Fischers Tochter Brigitte Bermann-Fischer und ihr Mann versammelten dort eine neue Generation von Schriftstellern um sich: Carl Zuckmayer, Joseph Roth, Klaus Mann, Ernst Toller, Walter Mehring und viele andere. Nach dem «Anschluss» Österreichs 1938 ging die Flucht der Verlegerfamilie weiter über Stockholm nach New York. 133

136 Hedwig Fischer, die Frau Samuel Fischers, lebte noch bis 1938 in ihrer Villa in der Erdener Strasse 8. Erst in letzter Minute entschloss sie sich zur Flucht nach Amerika. Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger ( ) der mit seinem Roman «Erfolg» (1930) schon frühzeitig vordem Rechtsradikalismus gewarnt hatte-wohnte seit 1930 im Grünewald in der Mahlerstrasse 8, die während der NS-Diktatur in Regerstrasse umbenannt wurde. Als er auf einer Vortragsreise in den USA war, plünderten Anfang 1933 Nationalsozialisten sein Haus, schlugen seinen Diener zusammen und zerstörten viele seiner Manuskripte und Bücher. Lion Feuchtwanger ging ins französische Exil. Von dort aus machte er auf die Missstände im Hitler- Deutschland aufmerksam. Sein erster Exilroman (1935) hiess «Die Geschwister Oppermann». Darin finden sich autobiographische Züge des Autors floh er über Portugal in die USA, wo er bis 1958 lebte. Alfred Kerr ( ), der während der Weimarer Republik die Theaterkritik zur literarischen Gattung erhoben hatte, lebte von mit seiner Familie in der Douglasstrasse 10. Er warnte sehr früh vor dem Erstarken des Nationalsozialismus. Er forderte ein linkes Aktionsbündnis gegen die Nazis, da er davon überzeugt war, dass nur Kommunisten und Sozialisten gemeinsam eine Chance hatten, die Machtübernahme der Nazis zu verhindern. Nachdem Hitler Kanzler geworden war, gab es für Kerr nur noch die Flucht. Er wusste, dass er als aktiver politischer Gegner der Rechten, als Jude und bekannter Repräsentant des kulturellen Lebens der Weimarer Zeit einer der von den Nazis meistgehassten Deutschen war. Im Februar 1933 wurde Alfred Kerr von einem Polizisten gewarnt, man könne ihm den Pass abnehmen. Seine Flucht führte ihn ins Exil nach London, wo er seit 1936 mit seiner Familie lebte. Seine Schriften fielen 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer. Über die plötzliche Flucht der Familie aus der Villenkolonie Grünewald ins Exil schrieb die Tochter Judith Kerr später einen autobiographischen Roman aus der Kindersicht mit dem Titel «Als Hitler das rosa Kaninchen stahl». Der Schauspieler Joachim Gottschalk ( ) lebte mit seiner jüdischen Frau Meta ( ) und dem gemeinsamen Sohn Michael ( ) in der Villenkolonie Grünewald im Seebergsteig 2. Gottschalk war ein junger Schauspieler, der in Filmen wie «Ein Leben lang» mit Paula Wessely oder»das Mädchen von Fanö» mit Brigitte Horney berühmt geworden war. Schon früh wurde Gottschalk von Goebbels aufgefordert, sich scheiden zu lassen, und obwohl seine Frau zunehmend persönlichen Demütigungen ausgesetzt war, weigerte er sich standhaft gegen eine Scheidung. Auch die Androhung des «Berufsverbots aus rassischen Gründen» sowie die Verpflichtung an Fronttheater und schliesslich der Gestellungsbefehl konnten Gottschalk von seinem Festhalten an seiner Familie nicht abbringen. Im Herbst 1941 hatte er mit seinem Film «Die schwedische Nachtigall» mit Ilse Werner einen grossen Filmerfolg. Zum erstenmal brachte er seine Frau zur internen Premierenfeier in den Künstlerklub mit, da ihm versichert worden war, dass kein Nazi unter den Anwesenden wäre. Im Verlauf des Abends erschien jedoch völlig unerwartet Goebbels auf dem Fest und küsste den anwesenden Damen die Hand auch Meta Gottschalk. Goebbels tobte, als er später erfuhr, einer Jüdin die Hand geküsst zu haben und verfügte die sofortige Deportation von Meta Gottschalk und ihres achtjährigen Sohnes Michael. Joachim Gottschalks Bitte, nach Theresienstadt mitgehen zu dürfen, wurde abgelehnt. 134

137 Joachim Gottschalk In dieser ausweglosen Situation gab es für die Familie Gottschalk nur noch den Freitod, um sich dem Zugriff der Nazis zu entziehen. In der Nacht zum 7. November 1941, wenige Stunden vor dem Abtransport in das KZ, nahmen sie sich durch ein rasch wirkendes Gift zusammen mit ihrem Kind das Leben. René Deltgen, alarmiert durch das Fernbleiben seines Kollegen bei der Bühnenprobe im «Theater in der Saarlandstrasse» (Hebbeltheater), liess die Wohnungstür der Gottschalks öffnen und fand die Toten sowie ihre Abschiedsbriefe. Es schadete dem Ansehen der Nazis, als sich die Nachricht vom Selbstmord der Familie wie ein Lauffeuerverbreitete und im Grünewald sowie unter der Kollegenschaft Gottschalks Entsetzen und Bestürzung auslöste. Doch zur Beerdigung (Stahnsdorf) kamen nur wenige. Ebenfalls in der Villenkolonie Grünewald lebte der Schriftsteller und Jurist Dr. Erich Ebermayer. Er wurde zu einem Chronisten der Jahre aus persönlicher Sicht, da er seine täglichen Erlebnisse regelmässig in Tagebüchern festhielt, die trotz späterer Hausdurchsuchungen durch die Gestapo die NS-Zeit überdauerten und 1959 von Ebermayer veröffentlicht wurden. Er war von Leipzig nach Berlin gezogen, um wie Erich Kästner Aufträge für Filmdrehbücher zu bekommen. Im Grünewald erwarb er das Haus Nr. 16 in der Herbertstrasse. Bekannt wurde er z.b. durch den Roman und das Drehbuch zu dem Film «Befreite Hände» mit Brigitte Horney sowie das Drehbuch zu «Traumulus» mit dem Schauspieler Emil Jannings in der Hauptrolle haben die Nazis fast alle seine Bücher verboten. Ausserdem warfen sie ihm vor, dass er eine jüdische Sekretärin beschäftigte sowie einen jüdischen und andere ausländische Verleger hatte schrieb er in sein Tagebuch:... Es ist die Tendenz dieser Bewegung, dass nachher alles immer noch viel schlimmer wird, als man vorher glaubte. Die Nazis haben die Technik des langsamen, immer stärkeren Anziehens der Schraube. So war es bisher überall: bei der Judenfrage, in der Aufrüstung, in der Kulturpolitik. Immer das gleiche: erst langsam, milde, vorsichtig dann immer radikaler und brutaler!» 135

138 Da Ebermayer sich nicht von seiner Linie abbringen liess, gab es für ihn wiederholt Probleme mit den NS-Kulturbehörden, Gestapoverhöre und heftige Zeitungsangriffe. Es gelang ihm schliesslich, seine Sekretärin vorder Deportation zu bewahren und mit Hilfe von Freunden in Bayern zu verstecken. Er selbst zog 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, auf einen Landsitz in der Nähe von Bayreuth, um den Kriegswirren in der Grossstadt zu entgehen. Zeitlebens verband Erich Ebermayer eine tiefe Freundschaft mit dem wesentlich älteren Dramatiker Gerhart Hauptmann, der bis zu seinem Tod 1946 eine fast väterliche Haltung dem jungen Drehbuchautor gegenüber einnahm. Zu Ebermayers weiterem Freundeskreis zählten bis in die Exilzeit hinein Klaus und Thomas Mann, Hermann Hesse und Stefan Zweig, um nur einige zu nennen. In der Beymestrasse 15 (heute: Furtwänglerstrasse), lag das Grundstück mit der Villa des jüdischen Kaufhausmitbegründers Franz Wertheim. Sein Sohn Fritz hatte eine «arische» Frau, Agnes Dahm, geheiratet und wohnte mit ihr und dem gemeinsamen Sohn John-Klaus in einem Einfamilienhaus in der Beymestrasse 16. Obwohl sich die Familie zum christlichen Glauben bekannte, bekam der Sohn während der Hitler-Diktatur zunehmend Schwierigkeiten in der Schule und durfte schliesslich nicht einmal mehr am Konfirmanden-Unterricht in der Grunewaldkirche teilnehmen wurde die Ehe von Agnes und Fritz Wertheim aus geschäftlichen und familiären Gründen geschieden. Die Eltern erhofften sich u.a. einen grösseren Schutz ihres Sohnes, wenn der jüdische Vater nicht mehr da war. Fritz Wertheim emigrierte zunächst nach Holland und ging nach dem Krieg in die Vereinigten Staaten, wo bereits sein Bruder lebte. Der Sohn, John-Klaus, der 1945 ebenfalls in die USA auswanderte, war in der Kriegszeit bei seiner Mutter geblieben wurde er, 17jährig, bei der Organisation Todt, (O.T.), zwangsverpflichtet, konnte aber noch rechtzeitig flüchten und sich in einem Laubengelände hinter dem Bahnhof Grünewald verstecken. Seine Mutter Agnes Wertheim brachte ihm heimlich Essen. 136

139 Daneben beherbergte und betreute sie während der NS-Diktatur Verfolgte in ihrem Einfamilienhaus in derbeymestrasse16.sofand Frau Lilli Bartels, die in Berlin untergetaucht war, in der Zeit von mehrmals bei Agnes Wertheim Unterschlupf, die sie ausserdem ganz uneigennützig mit Lebensmitteln versorgte und liebevoll betreute. Ebenso unterstützte Frau Wertheim Etty Keller und deren Eltern grosszügig mit Lebensmitteln bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz. Ruth Fash und ihr Mann fanden illegal Aufnahme in der Beymestrasse. Im Oktober 1944 wohnten Susanne Mendel und ihre Mutter ebenfalls dort. Infolge einer Denunziation erschienen «jüdische Ordner» (wahrscheinlich zwangsverpflichtete Mitglieder der jüdischen Gemeinde), um die beiden Frauen festzunehmen. Susanne Mendel konnte flüchten und hielt sich im November/Dezember 1944 weiterhin bei Agnes Wertheim verborgen. Ihre Mutter Leni Mendel wurde in das KZ Ravensbrück verschleppt. Ein weiterer Ort, an dem Juden im Grünewald überlebten, war das private Wohnheim in der Herbertstrasse 15, das bis 1939 Frau Emmi Ochs führte. Als «Volljüdin» wurde sie gezwungen, die Leitung in «arische» Hände zu übergeben und wurde wenig später mit ihrer Tochter Anita deportiert. Am 1. September 1939 übernahm Frau Johanna Lehmann ( ) das Haus in der Herbertstrasse. Zusammen mit ihrer Freundin Stephanie Grossmann hatte sie das Heim zunächst gepachtet, bis es später in ihren Besitz überging. Beide versuchten, Frau. Ochs und ihre Tochter vor der Deportation zu bewahren, was jedoch misslang. Im Wohnheim arbeitete nur jüdisches Personal, und auch die Gäste waren überwiegend Juden. Zusätzlich zu den ständigen Gästen, offiziell waren 20 gemeldet, kamen noch viele zum Mittagstisch, so dass an manchen Tagen etwa 60 Personen über Mittag zu Gast waren. Grünewald, Herbertstrasse

140 Stephanie Grossmann und Johanna Lehmann Gäste, die in der Herbertstrasse wohnten, waren u.a. der Dermatologe Hans Hübener. ein Reichsgerichtsrat Simonson mit Frau und Tochter Ilse, ein Professor Rosenstein, Herr Oswald Pieck mit Sohn und Tochter sowie Felix und Charlotte Tuch. Die meisten Bewohner des Heims waren zwischen 70 und 80 Jahre alt Eine der jüngsten war Frau Sobernheim, die Tochter eines bekannten Bankiers, sie war Anfang 40. Der Wechsel der Leitung des Hauses war gerade von den jüdischen Gästen ängstlich betrachtet worden. Frau Lehmann konnte jedoch bald alle Zweifel zerstreuen, da sie sich sehr verantwortungsbewusst und aufopfernd zeigte. Sie verstand es sogar, fast alle Bewohner vor der Deportation zu bewahren, da sie einen guten Kontakt mit der Polizeiwache Nr. 154 in der Herthastrasse 16 pflegte, vor allem mit dem Polizisten Wendt. Frau Lehmann erinnert sich: «Es waren drei Kontrollen im Ganzen, von der SS, aber in Zivil. Die Polizei hat immer dafür gesorgt, wenn die kommen, dass die Karteikarten (der Heimbewohner) rausgezogen wurden. Die Polizeiwache um die Ecke war mein «Freund und Helfer». Die wussten Bescheid. Die sagten:,vorsicht!, weiter nichts.» Die zuständige Polizeidienststelle wendete einen einfachen Trick an, indem sie gefährdete Bewohner als bereits evakuiert meldete. Als die Gestapobeamten dann bei Frau Lehmann klingelten, liess sie sie lediglich in das Esszimmer gehen und sagte, alle Gäste seien spazieren gegangen. In Wirklichkeit hatten sich die Bewohner absolut still in ihren Zimmern, auf dem Dachboden oder im Keller verborgen gehalten. Als der Druck auf die Juden immer stärker 138

141 Fräulein Sobernheim (li.) wurde, kamen ständig mehr Gäste in die Villa in der Herbertstrasse. Die jüdischen Mitbürger mussten zum Teil auf dem Dachboden leben, den Frau Lehmann wegen des Platzmangels mit mobilen Trennwänden hatte versehen lassen, um auch dort einige Verfolgte illegal unterzubringen. «Wir waren überbelegt. Unten, oben und überall wohnten sie, das war vollkommen egal, Hauptsache, sie waren untergekommen.» (Interview mit Frau Lehmann am 14. Dezember 1989). Es wurde zunehmend schwieriger, alle Gäste zu versorgen, obwohl die meisten ihre Lebensmittelkarten, falls vorhanden, mitbrachten. Frau Lehmann bekam 20 Lebensmittelkarten für ihr Heim zugeteilt. Das reichte bei Weitem nicht aus, wenn nicht andere, wie die Fischfrau in der zentralen Markthalle, oder der Kaufmann Kowalski ausgeholfen hätten. «Wir hatten einen guten Kaufmann, Kowalski, da habe ich immer die grosse Kanne (voll) Milch bekommen. Der hat mich auch mit Gries und anderen Dingen unterstützt.» (Frau Lehmann) Trotz starker Bemühungen konnte Frau Lehmann nicht alle Bewohner vor der Deportation bewahren. Professor Hübener wurde festgenommen und in das Sammellager in der Schulstrasse gebracht. Bevor er nach Theresienstadt kam, brachte Frau Lehmann ihm noch Decken und Essen. Frau Simonson kam ebenfalls mit ihrer Tochter Ilse nach Theresienstadt, während ihr Mann aus Altersgründen bereits in der Herbertstrasse verstorben und heimlich in Stahnsdorf beerdigt worden war. Ilse Simonson ist schliesslich in Auschwitz umgekommen. Bis auf Frau Sobernheim sind alle weiteren Gäste in der Villa geblieben; mehrere von ihnen verstarben, weil sie alt waren. 139

142 Frau Lehmann erinnert sich: «Frau Sobernheim, die wurde abgeholt. Das ist die einzige, die ich nicht retten konnte, weil sie auf mich nicht gehört hat. Ich wusste, dass sie abgeholt werden sollte. Ich habe (zu ihr) gesagt:,bleiben Sie hier, ich verstecke Sie!,Nein, sagte sie,,ich gehe, und das ist meine Pflicht. Ich werde gerufen, und ich gehe.» Ein «jüdischer Ordner» erschien, um Frau Sobernheim abzuholen. «Also,sie hatte ein kleines Köfferchen gepackt und sass in ihrem Zimmer. Da sagte ich:, Ja, muss das sein? Da sagte er:,frau Sobernheim, kommen Sie bitte mit! Da musste sie gehen. Sie hat sich nicht mehr umgeschaut und gewinkt. Sie war vollkommen erledigt, dass das alles so kommen musste.» Frau Grossmann, die Partnerin von Frau Lehmann, musste als sogenannte Nichtarierin von 1943 bis 1945 an ständig wechselnden Orten untertauchen. Frau Lehmann half ihr ebenso wie Frau Herta Dambitsch, die bereits vor 1939 in dem Altenwohnheim als Dienstmädchen tätig gewesen, von Frau Lehmann übernommen und auch in der späteren illegalen Zeit beherbergt worden war. Der Schriftsteller Georg Zivier lebte in der Trabener Strasse 25. Da er mit seiner «arischen» Ehefrau seit 1933 einen Sohn hatte, lebte er in einer sogenannten «privilegierten Mischehe», durch die er weitgehend während der NS-Diktatur als Jude geschützt war. Er erhielt allerdings Berufsverbot, so dass seine Frau mit Schreibmaschinenarbeiten den Lebensunterhalt der Familie bestreiten musste. Georg Zivier leistete als Arbeiter am Stettiner Bahnhof Zwangsarbeit ab, konnte aber heimlich nebenbei unter dem Namen seines Freundes einige Bücher veröffentlichen. Insgesamt wurde seine Frau dreimal von offizieller Seite aufgefordert, sich scheiden zu lassen, was sie jedoch jedesmal verweigerte. Viele seiner verfolgten jüdischen Freunde schickte Georg Zivier zu Maria Gräfin von Maltzan (S. 157ff.), mit der er und seine Frau eng befreundet waren. Er selber hat aber auch seinen bedrohten Freunden geholfen, so z.b. Max Treitel, der sich mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern manchmal tageweise in der Trabener Strasse 25 versteckte; das war etwa 1941/42. In dieser Zeit brachte Treitel seine Bilder und Zeichnungen zu den Ziviers, um sie vor Zerstörungen zu schützen. Max Treitel, der ein Meisterschüler Lovis Corinths war, hatte 1933 als Jude Malverbot von den Nazis erhalten. Als die Situation für die Familie Treitel 1943 immer auswegloser wurde, versuchte Georg Zivier seinen Freund zum Untertauchen zu bewegen. Er sollte sich in einem Wochenendhäuschen der Ziviers verstecken. Treitel wollte aber seine kranke Schwester nicht allein lassen, während die andere schon illegal bei einem Freund lebte. Die Mutter hatten die Nazis bereits nach Theresienstadt gebracht. Schliesslich ist auch Max Treitel mit seiner Schwester deportiert worden. Eine seiner letzten Zeichnungen erscheint vor diesem Lebenshintergrund wie eine apokalyptische Vision (siehe Seite 141): Heinrich Spiero Der Literatur- und Kulturhistoriker Dr. Heinrich Spiero ( ) übernahm 1935 den «Reichsverband nichtarischer Christen» und benannte ihn 1936 in «Paulusbund» um. Heinrich Spiero, der von 1936 bis 1942 in der Odenwaldstrasse 22 wohnte, war 1917 als Mitarbeiter in das Kriegsministerium unter Walther Rathenau von Hamburg nach Berlin berufen worden. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er als freier Schriftstellerin der Stadt und veröffentlichte u.a.in der «Vossischen Zeitung» Artikel und Buchbesprechungen. Durch Vorträge und Biographien brachte er der 140

143 (Zeichnung von Max Treitel) 141

144 Öffentlichkeit zeitgenössische Dichter nahe, insbesondere Wilhelm Raabe und Detlev von Liliencron.1928 schrieb er das Buch «Berlin in Geschichte und Kunst» verbrannten die Nazis Bücher des «Volljuden» Spiero, schlossen ihn aus der Reichskulturkammer aus und erteilten ihm Redeverbot. Der vormals hochgeehrte Wissenschaftler, die Universität Göttingen hatte ihm erst 1931 die Ehrendoktorwürde verliehen, war nun nach der NS-Rassenlehre ein gesellschaftlich Ausgestossener. Wie ihm, dem gläubigen Christen, ging es auch vielen anderen getauften Juden in Deutschland, die sich bis 1933 als gleichberechtigte Staatsbürger gefühlt hatten. Obwohl gleich zu Beginn der Judenverfolgung 1933 die grossen jüdischen Organisationen mit der Gründung der «Reichsvertretung der deutschen Juden» auf die nationalsozialistische Entrechtungspolitik aktiv reagierten, fühlten sie sich fürdie «nichtarischen» Christen nicht zuständig. Selbst die beiden grossen Staatskirchen, Protestanten und Katholiken, konnten sich zunächst nicht entschliessen, etwas für die christlichen «Nichtarier» zu tun. Im Juli 1933 wurde auf die Initiative des Schauspielers Gustav Friedrich hin der «Reichsverband nichtarischer Christen» gegründet, unterstützt von der kirchlichen Opposition. Heinrich Spiero Zum Vorstand gehörten die liberale Frauenrechtlerin Dr. Alice Salomon und der BK-Superintendent Dr. Carl-Gunther Schweitzer. Als Heinrich Spiero 1935 den Vorsitz des Verbandes übernahm, lenkte er die Arbeit in neue Bahnen. Er beschaffte Gelder, organisierte die Kinderverschickung, erneuerte die Auswandererberatung und aktualisierte das «Mitteilungsblatt» des Verbandes, das 1936 in einer Auflage von Stück erschien. Dabei erhielt er Unterstützung aus Kreisen der BK und der Katholischen Kirche. Der Verband, der 142

145 1933 erst Mitglieder zählte, hatte unter Spieros Leitung 1936 reichsweit einen Zuwachs auf Mitglieder erreicht. Gesellschaftliche Ereignisse wurden organisiert, um der Isolation vieler «Nicht-arier» vorzubeugen. Es gab Kunstausstellungen, Konzerte, Tanzveranstaltungen, Ausflüge, Jugendgruppen, Sommerfeste und vieles mehr. Kinder erhielten die Möglichkeit von Ferienaufenthalten in dänischen oder schwedischen Familien. Das «Mitteilungsblatt» behandelte Fragen, die sich aus der Rassengesetzgebung ergaben und veröffentlichte Stellenangebote und -gesuche, da z.b. im März 1935 ein Drittel der Mitglieder des Verbandes arbeitslos waren. Im Januar 1937 befahl die NS-Regierung den Ausschluss aller «Volljuden» aus dem Verband, der unter der Bezeichnung «Vereinigung 1937» für die «Mischlinge» noch zwei weitere Jahre bestand. Für die übrigen gründete der nun ehemalige Vorsitzende Spiero eine kleine private Hilfsstelle in der Brandenburgischen Strasse 41. Über seine Arbeit informierte erin Rundbriefen. Ein besonderer Schwerpunkt war nach wie vor die Auswanderungsberatung, die Spiero jedoch von offizieller Seite nicht genehmigt worden war. So bemühte er sich, unterstützt von Pfarrer Martin Albertz, Hilfe aus England für diesen Teil der Arbeit zu bekommen. Seine freundschaftliche Verbindung zu George Bell, dem Bischof von Chichester, löste auch dieses Problem. Bells Schwägerin Laura Livingstone kam im September 1937 nach Berlin und organisierte vor allem die Emigration jüdischer Kinder nach England. Der Grundstein für das spätere «Büro Pfarrer Grüber» war gelegt worden, in das das «Büro Spiero» im Juli 1939 aufgrund der ständig wachsenden Aufgaben eingegliedert wurde. Heinrich Spiero ist während seiner Tätigkeit für verfolgte Judenachtmai verhaftet und verhört worden. Er kam immer wieder frei. Zur Emigration konnte er sich dennoch nicht entschliessen, obwohl ihm eine Professur in Amerika offenstand. Der Deportation entging er 1943, weil seine Tochter Christiane llisch sich schützend vor ihn stellte. Frau llisch lebte in einer sogenannten «privilegierten Mischehe» und nahm die Eltern illegal bei sich auf. Jüdische Einrichtungen Jüdisches Altersheim und «Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens» Das jüdische Altersheim (heute Max-Bürger-Krankenhaus) in der Berkaer Strasse wurde 1930 von dem Architekten Alexander Beer ( ) erbaut beschlagnahmte die SS das Gebäude und liess die letzten Bewohner sowie das Pflegepersonal deportieren und in Konzentrationslagern ermorden erfolgte die Deportation Alexander Beers nach Theresienstadt, wo er Anfang Mai 1944 umgekommen ist. Der «Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens» (C.-V.) war seit 1930 im Haus Emser Strasse 42 angesiedelt und der dazugehörende Philo-Verlag im angrenzenden Haus Pariser Strasse 44. Der 1893 gegründete C.-V. vertrat wie viele Juden eine deutsch-nationale Gesinnung, um «die deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens ohne Unterschied derreligiösen und politischen Richtung zu sammeln und sie in dertatkräftigen Wahrung ihrer staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung sowie in der unbeirrbaren Pflege deutscher Gesinnung zu bestärken.» Der C.-V. war die grösste jüdische Organisation in Deutschland und vertrat beharrlich die staatsbürgerlichen Rechte der deutschen Juden. Er gehörte zu den Vorkämpfern gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden der C.-V. sowie der Philo-Verlag verboten. 143

146 Deportationen vom Bahnhof Grünewald Die fortschreitende Entrechtung und Verfolgung von Juden in Deutschland fand im Pogrom vom 9. November 1938 einen vorläufigen Höhepunkt In Wilmersdorf wurden u.a. die drei Synagogen Prinzregentenstrasse 69-70, Markgraf-Albrecht- Strasse und Franzensbader Strasse 7-8 zerstört. Die ausgebrannte Synagoge in der Levetzowstrasse in Tiergarten diente als Sammellager unmittelbar vor der Deportation. Viele Juden erkannten erst jetzt die Gefahr, die von Deutschland für sie ausging. Von Berliner Juden (1933) lebten 1939 noch etwa in der Stadt Juden waren also bereits im Exil odergehörten zu den ca Menschen, die im Selbstmord den letzten Ausweg vor der Verfolgung sahen. Die Nationalsozialisten schränkten die Emigrationsmöglichkeiten für Juden zunehmend ein. Ausserdem trennten sich viele nur sehr schwer von Berlin, der angestammten Heimat vieler Juden, die sich immer noch in erster Linie als Deutsche betrachteten. So ist es verständlich, dass in den Anfangsjahren des Zweiten Weltkrieges (von ) nur ca Juden Berlin verliessen. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 über die Kennzeichnung der Juden und die Einführung des Judensterns im Reich am 19. September 1941 signalisierten die Nazis den Anfang ihrer Politik der «Endlösung» in Deutschland. Gleichzeitig mit den ersten Deportationen erliessen sie am 23. Oktober 1941 ein Emigrationsverbot. Die Nationalsozialisten benutzten neben den Bahnhöfen Putlitzstrasse und Lehrter Bahnhof den S- und Güterbahnhof Grünewald als Deportationsbahnhof. Von diesen drei Bahnhöfen wurden zwischen Oktober 1941 und April 1945 in 63 Transporten insgesamt jüdische Mitbürger Berlins in die Vernichtungslager, vor allem nach Auschwitz, deportiert. Am 15. und 16. Oktober 1941 begannen die ersten «Evakuierungen» von 500 bis Juden, die auf Befehl der Gestapo in das Sammellager in der Levetzowstrasse in Tiergarten gebracht worden waren. Am 18. Oktober wurden sie von dort bei starkem Regen zum Bahnhof Grünewald gebracht, der den Nazis wegen seiner Abgelegenheit am Rande der dünn besiedelten Villenkolonie als geeignet für Deportationen erschien. Der erste Zug ging in das Ghetto Lodz. Von Protesten Grunewalder Bürger gegen die Transporte ist nichts bekannt, obwohl diese sicher nicht völlig unbemerkt vor sich gingen, da immerhin Gruppen von bis zu Juden von der Synagoge in der Levetzowstrasse mitten durch die Westberliner Stadtmitte, über den Kurfürstendamm bis zum Bahnhof Grünewald geführt wurden. Nur Schwache und Gebrechliche waren in offene Lieferwagen gesetzt worden, die anderen Menschen mussten in bewachten Reihen gehend die Strecke zurücklegen. Die meisten dieser Transporte sind nachts durchgeführt worden. Hildegard Henschel, die Frau des letzten Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Berlin während der Nazi-Zeit, Moritz Henschel, schrieb 1947 einen ausführlichen Bericht überden ersten Transport vom Sammellager zum Bahnhof Grünewald: «...Die SS hatte ihre offenen Lastwagen vorfahren lassen, teils waren es Stehtrucks, diese Lastwagen durften aber nur Schwache und Kinder benutzen, alle andern mussten in einem langen Zuge durch die Stadt laufen. Es regnete weiter in Strömen, die Verladung in alten, aber ordentlichen, sauberen Personenwagen, nach einem von der Gemeinde ausgearbeiteten System, ging ohne Gedränge und ohne Ungerechtigkeiten vor sich,... SS, zum Teil mit Reitpeitschen versehen, überwachte die Einwaggonierung,...Die Haltung der Opfer war bewundernswert, jeder wusste, dass es ein sich Auflehnen nicht gab, die einzige Auflehnung, die möglich war, war der Selbstmord. Misslang der Selbstmord aber, so zog er später die beschleunigte Evakuierung nach sich...» 144

147 Inge Deutschkron berichtet in ihrem Buch «Ich trug den gelben Stern» ebenfalls von Deportationen vom Bahnhof Grünewald, 1942, als ihre letzten Verwandten verschleppt wurden: «... Die Deportationszüge fuhren nun vom Bahnhof Grünewald ab, weil einige Berliner am Lehrter Bahnhof Zeugen der ersten Deportationen geworden waren und nicht unbedingt zustimmende Bemerkungen gemacht hatten... Über BBC hörten wir im November 1942 das erste Mal von Vergasungen und Erschiessungen. Wir konnten und wollten es nicht glauben. Die Reihen um uns lichteten sich...» Die Deportationen von Juden waren für die Reichsbahn eine zusätzliche «Einnahmequelle», da sie pro Person und gefahrenen Schienenkilometer vier Pfennige verlangte; für Kinder zwei. Dies war der Beförderungstarif für die dritte Wagenklasse, d.h. Personenwagen, obwohl die Reichsbahn gerade in den späteren Jahren der Deportationen Viehwaggons bereitstellte. Nach Verhandlungen der SS wurde ein Sondertarifvereinbart, der um die Hälfte geringer war, wenn mindestens 400 Personen in einem Transport waren. Bekannt ist ausserdem, dass vom Sommer 1944 bis Februar 1945 etwa 1'000 Häftlinge, die zum KZ-Aussenlager Falkensee gehörten, auf dem Güterbahnhof Grünewald Zwangsarbeit leisteten. Eine Zeitzeugin, Marta Mierendorff, erinnert sich an ein junges Ehepaar Wohlmuth, das sie mit gefälschten Papieren zur Schweizer Grenze gebracht hatte. «...Sie kamen hinüber, wurden aber von den Schweizer Grenzbeamten ausgeliefert... Verhöre hatte es nicht gegeben, also keine Fragen, woher sie Personal- und Reisepapiere hatten. Sicherlich, weil man wusste, dass man sie ohnehin ermorden würde...» In diesem Zusammenhang berichtet Frau Mierendorff über den Bahnhof Grünewald: «Im übrigen wurde auf diesem Bahnhof auch gemordet. Im Jahre 1943 wurde dort das junge Ehepaar Wohlmuth aus Berlin, Deutschmeisterstrasse 2,,auf der Flucht erschossen...» Eine andere Zeitzeugin, eine Anwohnerin des Bahnhofs Grünewald, erinnert sich an eine weitere Begebenheit, als sie eines Vormittags die Trabener Strasse entlangging: «... Es waren ein paar Leute auf der Strasse... Zuerst hatte ich Lastwagen gesehen, die waren offen (und) da waren Leute drauf...(frauen und Kinder). Die wurden an der Erdener Strasse ausgeladen. Dann mussten sie die ganze Strasse unter Bewachung mit ihren Kindern (in Reihen) hier entlanggehen. Sie hatten immer das jüngste Kind an der Hand.... Ich dachte, ich wollte am liebsten ein Kind nehmen und vielleicht retten, aber das ging gar nicht....es war so still, die Kinder sprachen nicht, man hörte eigentlich nur das Schlurfen der Füsse... Ich war ganz schnell nach Hause gegangen....vom Atelier konnte ich direkt auf die Gleisanlagen schauen, und da standen die Züge schon bereit... Es waren geschlossene Waggons, da wurden sie sehr schnell reingeschubst... Es traute sich keiner in der Nachbarschaft darüber zu reden; die Angst war zu gross...» 145

148 146 Schwedische Kirche, Landhausstrasse 27-28

149 Hilfe für Verfolgte Hilfefürbedrohte Menschen wurde während der NS-Diktatur auf unterschiedlichste Art und Weise geleistet Gerade in Berlin gab es einige tausend Bürger, die unter grosser persönlicher Gefahr Juden schützten. «Unbesungene Helden» werden jene Berliner genannt, die untergetauchten Verfolgten beistanden. Von einigen Beispielen soll im Folgenden berichtet werden. Die Schwedische Victoriagemeinde Landhausstrasse Die Schwedische Victoriagemeinde, die seit 1903 in Berlin existiert, zog 1922 in die Landhausstrasse in Wilmersdorf, nachdem die Gemeinde die Grundstücke Nr. 26, 27 und 28 sowie die Kaiserallee 39 und 40 (heute: Bundesallee) erworben hatte. Die auf dem Grundstück in der Landhausstrasse gelegene Villa liessen die Schweden in eine Kirche mit Schule und Pfarrwohnung umbauen. Der Glockenturm daneben ist heute das noch einzig erhaltene Bauwerk von damals, da die Kirche am 22. November 1943 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt wurde und im Kampf um Berlin am 1. Mai 1945 vollständig ausbrannte sinnlos angesteckt von russischen Soldaten. Der schwedische Geistliche Birger Forell trat 1929 sein Amt als Gesandtschaftspfarrer in Berlin an. Seine Gemeinde umfasste etwa Menschen, die weitverstreut in allen Stadtteilen lebten. Es waren zumeist Handwerker und Kaufleute, aber auch Arbeiter. Daneben gab es Vertreter grosser schwedischer Firmen sowie die Angehörigen der schwedischen Botschaft. Diese waren es gewohnt, in grossem internationalen Stil zu leben, so dass sie Weltoffenheit und diplomatisches Geschick von Birger Forell erwarteten. Bereits zwei Jahre nach seinem Amtsantritt war Forells Pfarrwohnung ein Zufluchtsort für viele in Not geratene und hilfesuchende Menschen. Die Weltwirtschaftskrise hatte die in Deutschland lebenden Schweden z.t. schwerer getroffen als die Deutschen; denn als Arbeitslose bekamen sie keine Unterstützung, auch wenn sie schon lange in Berlin lebten und Steuern gezahlt hatten. So machte sich Forell 1931 auf den Weg nach Schweden, um dort Geld für die arbeitslosen Gemeindemitglieder in Berlin zu erhalten. Forells deutscher Bekanntenkreis reichte weit in die politische Linke hinein, ohne dass er selbst sich parteipolitisch festgelegt hatte. Zu seinen Freunden zählten die religiösen Sozialisten um Professor Siegmund-Schultze, einem Gegner der Nazis, der 1933 emigrierte. Mit dem Beginn des nationalsozialistischen Terrors 1933 wurden sie aus ihren beruflichen Stellungen vertrieben und gerieten so mit ihren Familien in grösste wirtschaftliche Not. Birger Forell unterstützte finanziell nun ebenso diese politisch verfolgten Freunde. Neben der materiellen Hilfe fanden ebenfalls viele tröstende und informative Gespräche in seiner Wohnung statt, an denen führende Mitglieder der Bekennenden Kirche, wie Martin Niemöller, teilnahmen. Forell reiste durch Deutschland, um sich auch in anderen Teilen des Landes von der Schärfe des inzwischen entbrannten Kirchenkampfes zu überzeugen. So schrieb er aus eigenem Erleben Berichte an Kirchenführer im Ausland, vor allem 147

150 nach Schweden, Finnland, Norwegen und England, um sie über die politische Lage in Deutschland zu informieren und um Unterstützung für die Bedrängten zu erhalten. Nur wenige jedoch brachten Verständnis für Forells Anliegen auf, so sein eigener Erzbischof Erling Eidern und der Bischof Bell von Chichester, der bereits selbst eine persönliche Informationsreise nach Deutschland plante. Auf Forells Vorschlag hin suchten der Erzbischof Eidern und der Bischof von Chichester als zwei angesehene Vertreter der Ökumene im April 1934 Hitler direkt auf, um ihm ihre Kritik der gegenwärtigen Kirchenleitung in Deutschland darzulegen und den Rücktritt des Reichsbischofs Müller herbeizuführen. Dieses und ein weiteres Treffen Eidems mit Hitler blieben jedoch ohne spürbare Folgen für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen. Erzbischof Eidern, der Bischof von Chichester und der norwegische Bischof Berggrav trafen bei ihren Besuchen in Berlin im Hause Forells u.a. Otto Dibelius, Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer, um sich von führenden Köpfen der BK über die kirchenpolitische Lage in Deutschland informieren zu lassen. Inzwischen hatte Forell seine Kontakte zu einer grossen Stockholmer Zeitung, dem «Svenska Dagbladet» genutzt. Am 27. August 1933 erschien dort ein langer Artikel Forells unter der Überschrift «Vern segrade? Evangeliska kyrkoval och katolskt konkordat i Tyskland». Darin setzte er sich kritisch mit der Situation in Deutschland auseinander, berichtete vom Konkordat mit dem Vatikan vom 20. Juli 1933, den evangelischen Kirchen wahlen, den Deutschen Christen, dem Judenboykott, der Rassenlehre der Nazis und der zunehmenden Entmachtung der Kirche durch den NS-Staat. Zusätzlich rief die Zeitung zu einer Spendenaktion für die Schwedische Gemeinde in Berlin auf. Der Redakteur Stridsberg schrieb im November 1933 an Forell: «Ich kann gar nicht ausdrücken, wie froh ich überdas glückliche Ergebnis der Sammlung bin... Ich hoffe, dass wir damit Ihre Sorgen wirklich erleichtern können.» Die vielen Besucher in der Landhausstrasse sowie Forells rege Auslandskontakte blieben den staatlichen Dienststellen in Berlin nicht lange verborgen. Im September 1933 wurde er vom Polizeichef der Wache gegenüber der Kirche gewarnt: «Ja, sehen Sie, Herr Pastor, wir haben jetzt ein paar Mann zu uns einquartiert bekommen sie wohnen im Stockwerk über uns, über die wir keine Macht haben,...». Forell wusste, was das hiess: Geheime Staatspolizei.»...Seien Sie doch bitte vorsichtig und sagen Sie das auch ihren ausländischen Gästen, damit nur nichts geschieht...» Die Zivilcourage dieses Polizeichefs, leider wird sein Name nicht genannt, bezeugte Forell nach dem Zusammenbruch 1945, so dass der mutige Warner von damals wieder in den Polizeidienst eingestellt wurde. Doch schon einen Monat nach dieser Warnung verhandelte Forell mit nordischen Kirchenführern übereine Hilfsaktion für die in Bedrängnis geratenen deutschen Pfarrer. Im Januar 1934 wurde er das erste Mal vom schwedischen Gesandten gewarnt, er solle seine Briefkontakte ins Ausland einschränken, da seine eigenen Briefe zwar unzensiert über den diplomatischen Weg aus Deutschland herausgingen, aber die Antwortbriefe zensiert und somit für ihn gefährlich werden könnten. Trotz dieser Warnungen, die dem persönlichen Schutz Birger Forells dienten, verfasste er von Juni 1935 bis März 1939 anonyme Berichte über die Situation in Deutschland, leitete sie weiter an interessierte Sympathisanten im Ausland und vermittelte so einen genauen Überblick über die Lage der Kirche. Durch seine ökumenischen Kontakte konnte er leicht Informationen verbreiten, obwohl es für ihn sehr risikoreich war, da er streng bewacht wurde. 148

151 Birger Forell Vielleicht vertraute er aber auch darauf, dass die Schwedische Gemeinde in Berlin diplomatische Privilegien genoss und er als Ausländer vor den nationalsozialistischen Behörden noch manches sagen konnte, was einem Deutschen nicht mehr erlaubt war. Er hat diese Möglichkeiten ausgenutzt, wo er nur konnte. Neben seinen schriftlichen Bemühungen, die Auslandskirche angesichts der Krise in Deutschland aus ihrer Lethargie zu reissen, nutzte er, wenn möglich, die persönliche Vorsprache hielt er in Edinburgh vor der Generalversammlung der schottischen Kirche einen Vortrag über die damals gegenwärtigen Probleme der Kirche in Deutschland. Im Juli 1937 fuhr er zur Weltkirchenkonferenz in Oxford. Den Mitgliedern der BK waren vorher die Pässe abgenommen worden, so dass ausser Vertretern der Freikirchen die Deutschen in Oxford überhaupt nicht vertreten waren. Birger Forells Aktionen zeigen, dass er sich aus eigenem, inneren Antrieb zum Anwalt der Bekennenden Kirche im Ausland machte. Ausserdem arbeitete er mit der Hilfsstelle für «nichtarische Christen» zusammen, beeindruckt vom entschlossenen Handeln Pfarrer Heinrich Grübers, den er später einmal als jemanden bezeichnete, der «mit Einsatz aller seiner Kräfte, mit Wagnis und Mut sich für die Verfolgten und Bedrückten eingesetzt» hat. Mit Hilfe von Forells guten Auslandskontakten konnten Visa beschafft werden, um Juden oder politische Gegner der Nationalsozialisten aus Deutschland herauszuhelfen. Diese Hilfeleistung reichte jedoch bald nicht mehr aus, da sie z.t. sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Immer mehr politisch oder rassisch Verfolgte mussten schnell untertauchen. So hatte Forell 1938 in der Schwedischen Kirche zwei Stuben im Dachgeschoss ausbauen lassen, wo Verfolgte tagsüber Zuflucht suchten. Der Eingang in der

152 Gemeindefest Landhausstrasse wurde zwar meist von der Gestapo bewacht, aber es gab noch einen versteckten Eingang von der Kaiserallee (Bundesallee) aus durch den Garten. So war es möglich, unbemerkt aus dem Grossstadtbetrieb der belebten Kaiserallee in die Stille des grossen Gartens zu gelangen oder umgekehrt, rasch aus ihr wieder im Verkehr unterzutauchen. Durch eine Spende, die dem schwedischen Gesandten zur Verfügung gestellt worden war, kaufte Forell 1938 von der Witwe des beim Röhmputsch 1934 ermordeten Georg Strasser ein Grundstück in Zehlendorf, auf dem er ein Heim für hilfebedürftige Schweden plante. Aber nicht allen konnte Forell rechtzeitig helfen. Tief bewegte ihn das Schicksal Jochen Kleppers, der sich im November 1941 hilfesuchend an den schwedischen Pastor wandte. Jochen Klepper hatte ein von christlichem Gedankengut getragenes Buch über Friedrich Wilhelm I., den Vater Friedrich II., geschrieben sowie zahlreiche Kirchenlieder. Er selbst hatte von den Nationalsozialisten nichts zu befürchten, jedoch war er mit einer Jüdin verheiratet, die aus erster Ehe zwei jüdische Töchter hatte. Der älteren war es 1936 noch rechtzeitig gelungen, nach England zu gehen. Die jüngere erhielt durch einen Bewunderer Kleppers, Reichsinnenminister Frick, einen «Schutzbrief». Die Tochter wurde dennoch als Jüdin 150

153 zwangsverpflichtet und musste den Judenstern tragen. Klepper versuchte, eine Auswanderungserlaubnis für seine Stieftochter zu erhalten, jedoch vergeblich. Als am 6. November 1941 der Schauspieler Joachim Gottschalk (S.134f.) sich zusammen mit seiner jüdischen Frau und seinem kleinen Sohn das Leben nahm, war Klepper zutiefst betroffen. Gottschalk hatte, ebenso wie Kleppers Familie, eine Sondergenehmigung gehabt. Klepper wandte sich an Birger Forell, damit er ihm und seiner Familie zur Auswanderung verhelfen sollte. Sofort setzte sich der Pfarrer für eine Ausreisegenehmigung ein. Es dauerte über ein Jahr, in dem die Hoffnungen der Familie Klepper immer geringer wurden. Endlich, am 5. Dezember 1942 erhielt Kleppers Stieftochter die Einreisegenehmigung nach Schweden. Doch Klepper selbst und seine Frau erhielten keine Ausreisegenehmigung mehr von den deutschen Behörden. Die Situation in Deutschland hatte sich inzwischen so zugespitzt und der Druck auf die Juden so zugenommen, dass Jochen Klepper, seine Frau und Stieftochter völlig verzweifelt und am Ende ihrer Kraft in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 freiwillig in den Tod gingen, nachdem die Tochtereine Aufforderung zum Abtransport ins Lager erhalten hatte. Forell war zutiefst erschüttert. Er machte sich und den schwedischen Behörden Vorwürfe, nicht zügiger gearbeitet zu haben, um die ganze Familie zu retten. Im April 1942 war Birger Forell endgültig aus Berlin nach Schweden zurückgerufen worden. Es hatte von nationalsozialistischer Seite eine offene Drohung gegeben, dass sein weiteres Verbleiben in Deutschland unerwünscht sei. So konnten die schwedische Regierung und der schwedische Gesandte Forells Sicherheit in Deutschland nicht mehr diplomatisch gewährleisten. Birger Forell wirkte trotzdem im humanitären Sinn weiter: Von 1944 bis 1948 organisierte er im Auftrag des Bischofs Bell von Chichester Hilfsdienste für deutsche Kriegsgefangene in England und baute ab 1947 ein Lager für Flüchtlinge in Espelkamp auf gründete er die «Deutsch-Schwedische Flüchtlingshilfe», die heimatvertriebenen und geflüchteten Bauern in Westdeutschland zur Wiederansiedlung verhalf. Der Nachfolger Forells in Berlin wurde Pfarrer Erik Perwe, der von 1942 bis 1944 das Werk seines Vorgängers fortsetzte. Erik Myrgren, der im letzten Kriegsjahr Pfarrer der Schwedischen Gemeinde war, beschreibt die beiden ihm vorangegangenen Pfarrer (1989) so: «Birger Forell war ein wunderbarer Mensch. Perwe war auch ein sehr guter Mann. Sie waren aber zwei ganz verschiedene Menschen, jedoch mit demselben Ziel. Birger Forell war mehr ein ernster Mann, ein Menschenfreund, der aber nicht gerne scherzte, wie ich z.b. gerne lache und froh bin; er war eher ruhig, aber er konnte gut reden und Menschen überzeugen. Man nahm ihn ernst. Er hatte eine grosse Arbeitskapazität, war mutig, sehr mutig, deshalb wurde er auch,persona non grata in Deutschland. Erik Perwe dagegen war geschmeidiger. Er suchte die Nazi-Bonzen auf, freundete sich mit einigen von ihnen an und hat ihr Vertrauen gewonnen». Birger Forell hatte mit Anteil daran gehabt, dass Erik Perwe seine Stelle in Berlin einnahm, da er wusste, dass sie bei ihm in guten Händen war. Er hatte auch noch für weitere Helfer gesorgt, denn allein konnte Perwe die Vielzahl der Aufgaben, die er sich gestellt hatte, nicht bewältigen, er brauchte Gleichgesinnte. Eine deutsche Helferin ist eng mit der Geschichte der Schwedischen Gemeinde in dieser Zeit verknüpft: Maria Gräfin von Maltzan (S. 157ff.). 151

154 Durch die Vermittlung eines evangelischen Geistlichen namens Sivkovicz kam sie 1940 in Kontakt mit Pfarrer Forell. Sie stellte sofort ihre Wohnung als Unterschlupf für Verfolgte zur Verfügung. Ihre Hilfe wurde mit der Zeit immer aktiver und risikoreicher. Am Anfang des Jahres 1942 kam Erik Wesselen in die Gemeinde. Erarbeitete dort inoffiziell als Gemeindehelfer. Er schaffte es immer wieder, von der SS bereits festgenommene Juden im Tausch gegen Kaffee, Zucker oder Zigaretten freizukaufen, sie zu verstecken und schliesslich ausser Landes zu schaffen. Ausserdem hatte Forell, bevor er nach Schweden gehen musste, zwei Gemeindeschwestern engagiert: Vide Andrea Ohmann und Meri Siöcrona. Schwester Vide erinnert sich (1987): «Wir waren uns der Vielzahl an Menschen bewusst, meistens Juden, die kamen, um Erik Perwe zu sprechen. Entweder fanden sie ihn in seinem Büro oder aber im Park auf dem Kirchenvorplatz, wo er oftmals das Auto reparierte oder reinigte. Wir hatten einen DKW zu unserer Verfügung. Er erwartete von uns, nicht zu fragen, nicht eigenmächtig zu handeln und nie etwas ausserhalb des Hauses zu verraten, von dem, was wir gehört oder gesehen, oder an dem wir teilgenommen hatten.» Familie Perwe Ein Teil der Aktivitäten Perwes bestand darin, den verfolgten Menschen zu einer neuen Identität zu verhelfen. Er stellte Juden falsche Taufscheine aus und dokumentierte die Daten rückwirkend in den Kirchenbüchern. Er besorgte Lebensmittelmarken und falsche Papiere für die Untergetauchten. 152

155 Schriftstücke, die vom illegalen Tun der Schwedischen Gemeinde zeugten, wurden sofort vernichtet oder aber an einem unauffälligen Ort aufbewahrt. Fast alle Beteiligten erhielten Tarnnamen, und es war notwendig, die Fakten nach Beendigung einer Aktion schnell wieder zu vergessen. Daher erinnert sich Vide Ohmann, die damals noch sehr jung war, nach so langer Zeit heute nur noch an sehr wenige Fälle, in denen sie mitgeholfen hat, Menschen zu retten: «,Eva warein 5jähriges jüdisches Waisenkind, dem Perwe die nötigen Dokumente verschaffte, um es als Pflegekind von Nils A. Källe und seiner Frau Käthe Heidersbach nach Schweden zu bringen. In den letzten Kriegsmonaten konnten alle drei noch Deutschland verlassen, um fortan in Schweden zu leben. Brigitte Krüger, damals etwa 20 Jahre alt und Halbjüdin, arbeitete über mehrere Monate für Perwe und auch für seinen Nachfolger Erik Myrgren als Sekretärin. Sie hatte zwei Brüder, Answald und Helmut. Helmut Krüger sollte in die Salpeterbergwerke nach Sachsen zur Zwangsarbeit verschleppt werden. Er hatte eine Tochter, deren Mutter.Arierin war. Sie hat offenbar nicht die Identität des Vaters ihres Kindes verraten. Um ein Dokument über den Ursprung des Kindes zu beschaffen, taufte Perwe es heimlich in einer Nacht. Brigitte Krüger konnte mit einem Transport schwedischer Flüchtlinge unter dem Schutz der Schwedischen Gesandtschaft in Berlin illegal nach Schweden gebracht werden». Vide Ohman erinnert sich ebenfalls an eine Ärztin, die in der Landhausklinik arbeitete. Sie war «schmal, blass, leichter Buckel, schweigsam und effektiv. Sie half uns manchmal ich weiss nicht mal ihren Namen!» Am 29. November 1944 wurde die rege Widerstandstätigkeit in der Schwedischen Gemeinde von einem schweren Schicksalsschlag erschüttert. Ein Kurierflugzeug, in dem Erik Perwe auf dem Flug nach Schweden war, wurde über der Ostsee abgeschossen. Pfarrer Erik Myrgren, ein Seemannspastor aus Stettin, der nur zufällig zu dem Zeitpunkt als Gast Perwes in der Landhausstrasse weilte, bekam die weitere Leitung der Schwedischen Gemeinde übertragen. Er hatte zunächst keine Ahnung von dem, was sich heimlich in der Kirche abspielte. Erik Wesselen, ein junger Gemeindehelfer, hatte bereits zwei Jahre mit Pfarrer Perwe zusammengearbeitet. Er kannte sich gut in der Gemeinde aus und weihte Myrgren langsam in seine schwierige Aufgabe ein. Er zeigte Myrgren die Juden, die im Souterrain wohnten. Erik Myrgren erinnert sich (1989):»lch ahnte davon schon früher etwas, aber jetzt habe ich sie gesehen. Es waren gute Leute, Margot Weissenberg und die Familie Jakob und viele, viele andere... Es kamen immer wieder neue, für kurze Zeit.» Erik Myrgren lernte von Erik Wesselen die reichen Lebensmittelvorräte der Schwedischen Gemeinde sinnvoll einzusetzen, um die Untergetauchten zu versorgen oder Verhaftete mit Kaffee, Zigaretten oder Schnaps freizukaufen. Das Gelände der Schwedischen Kirche genoss so etwas wie «exterritorialen» Schutz, so dass immer mehr Hilfesuchende sich dort einfanden. Etwa zehn Perso- 153

156 Vide Ohmann nen wohnten über mehrere Wochen, sogar für Monate ständig im Souterrain der Kirche. Hinzu kamen etwa nochmal so viele, die täglich odertageweise wechselten. Immer wieder musste Pfarrer Myrgren Menschen abweisen oder an andere Helfer, die ihre Wohnung zur Verfügung stellten, weiterleiten, da die räumlichen Kapazitäten in der Landhausstrasse erschöpft waren. Neben den rassisch oder politisch Verfolgten gab es aber auch zunehmend Schweden, die ausgebombt waren und sich deshalb hilfesuchend an Myrgren wandten. Wie Perwe, besorgte auch Myrgren Lebensmittelmarken und falsche Papiere für Illegale. Er verschaffte ihnen falsche Identitäten, indem er ihnen Taufscheine ausstellte und sie rückwirkend in die Taufregister der Schwedischen Kirche, die seit 1905 geführt wurden, eintrug. Während aller dieser illegalen Tätigkeiten bewährte sich immer wieder die enge Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Gemeinde und der Polizeidienststelle auf der gegenüberliegenden Seite in der Landhausstrasse. Vor allem zwei Polizisten bewiesen Zivilcourage: Oberwachtmeister Hoffmann und Wachtmeister Friedrich Mattick ( ). Mattick war gebürtiger Berliner und als überzeugter Sozialdemokrat oppositionell gegenüber dem NS-Regime eingestellt. Oft sagte er: «Die Groben da oben» 154

157 und bezeichnete die Propagandareden Goebbels im Rundfunk als «Klumpfüsschens Märchenstunde». Vide Ohmann erinnert sich (1989): «Ich kannte ihn und wusste, dass er uns Hilfe leistete. Ein fröhlicher Mann, der mit seinem Chef öfter bei uns im Haus u.a. Auslandssender hörte!» Friedrich Mattick Die beiden Polizisten Hoffmann und Mattick informierten rechtzeitig die Schwedische Kirche, wenn Gestapo-Razzien bevorstanden. Entweder kamen sie unbemerkt durch den Park der Kirche von der Kaiserallee aus, oder aber sie liessen bei anstehender Gefahr das Rollo eines Fensters der Polizeiwache als sichtbares Zeichen herunter. Mattick half aber noch auf andere Art und Weise. Er besorgte für ein jüdisches Ehepaar, die Weissenbergs, im März 1945 eine falsche Ausreisegenehmigung mit echten Stempeln, die sogar bei der Polizei- und Zollkontrolle auf dem Flughafen Tempelhof standhielt. Vide Ohmann erinnert sich: «Margot und Martin Weissenberg lebten (seit Oktober) 1944 für etwa sechs Monate versteckt im Souterrain des Kirchengebäudes... Sie bekamen den Decknamen.Berg und halfen, wo sie nur konnten innerhalb des Hauses. Ihre Kinder Marion und Ursula waren bereits in England. Die Weissenbergs konnten mit einem der letzten Flugzeuge, die Berlin verliessen, nach Stockholm gebracht werden...» 155

158 Ehepaar Weissenberg Um das Ehepaar Weissenberg nach Schweden zu bringen, hatte Erik Wesselen mit Hilfe eines Botschaftsangehörigen der Schwedischen Gesandschaft falsche Pässe auf den Namen «Berg» ausstellen lassen. Mit Matticks gefälschter Ausreisegenehmigung brachten Erik Wesselen und Pfarrer Myrgren das Paarzum Flughafen. Nach bangen Stunden des Wartens ging schliesslich alles glatt, so dass sie im März 1945 auf einem der letzten Flüge Deutschland verliessen. So wie die Weissenbergs konnten nur wenige Bedrohte aus Deutschland gelangen. Eine effektivere Lösung brachten die sogenannten «Weissen Busse», eine Initiative des Grafen Folke Bernadotte, Vize-Präsident des Schwedischen Roten Kreuzes, im Februar Er konnte Himmler zu einer Genehmigung bewegendem Roten Kreuz die Evakuierung von in Konzentrationslagern festgehaltenen Skandinaviern zu gestatten sowie Personen schwedischer Abstammung, meist Frauen und Kinder, aus Deutschland heraus nach Schweden zu bringen. Die Flüchtlinge wurden in fünf zur Verfügung stehenden Rot-Kreuz-Bussen zunächst nach Lübeck gebracht. Der Berliner Sammelpunkt für diese Aktionen war die Schwedische Kirche in der Landhausstrasse. Erik Myrgren und Erik Wesselen schleusten immer wieder deutsche Juden mit gefälschten Papieren in die Busse. Die Gemeindeschwester Meri Siöcrona begleitete solche Fahrten nach Lübeck, wo die Menschen weiter nach Schweden eingeschifft wurden. Aber auch dieses Unternehmen war risikoreich, da die Gestapo stichprobenweise die Pässe kontrollierte. Hier erwies sich wieder Mattick der noch am 1. Mai 1945 ein Opfer des Krieges wurde als hilfreich, der Myrgren Bescheid gab, wenn keine Kontrollen zu erwarten waren. Die skandinavischen Häftlinge aus den KZ s, vor allem aus Ravensbrück, wurden unterdessen ebenfalls mit den «Weissen Bussen» in ein Lager bei Hamburg gebracht, von wo aus sie nach Schweden eingeschifft wurden. 156

159 Kurt Bolz war einer von denen, die Pfarrer Myrgren mit Hilfe der Aktion «Weisse Busse» nach Schweden schmuggelte. Er war Jude und bereits seit 1936 vor den Nazis auf der Flucht. Zwischendurch ist er immer wieder verhaftet worden, konnte aber auf abenteuerlicher Weise entfliehen, bis er schliesslich zu Pfarrer Myrgren kam. Aber noch an ein anderes Schicksal erinnert sich der schwedische Pfarrer: Die Familie Jakob, die schon längere Zeit versteckt bei ihm lebte, harrte aus bis zum Kriegsende. Sie erlebte von ihrem Versteck aus den Endkampf um Berlin, der auch den Park der Schwedischen Gemeinde nicht verschonte. Sie wurden von sowjetischen Soldaten entdeckt und als Spione verdächtigt nach Russland gebracht. Von dort kehrten sie erst ein Jahr später nach Berlin zurück. Maria Gräfin von Maltzan Maria Gräfin von Maltzan stammt aus einer alten Adelsfamilie, die ihren Sitz in Schlesien hatte. Sie machte, entgegen dem Willen ihrer Eltern, in Berlin das Abitur, für eine Frau in dieser Zeit noch aussergewöhnlich, und studierte in München Naturwissenschaften bereitete sie sich auf ihre Promotion vor. Nebenbei arbeitete sie in der Redaktion des katholischen Wochenblattes «Weltguck». Dabei lernte sie den Jesuitenpater Friedrich Muckermann kennen, einen entschlossenen Gegner der Nationalsozialisten. Frau von Maltzan half ihm bei seiner illegalen Arbeit, indem sie nachts Informationen für das Ausland in kodierter Form auf Matrizen tippte. Durch Pater Muckermann wurde Frau von Maltzan mit der Widerstandsarbeit vertraut. Der Gestapo blieben ihre Aktivitäten nicht verborgen, so dass sie 1933 bereits mehrfach verhört wurde. Ausserdem machte sich Frau von Maltzan verdächtig, da sie Kontakte zu jüdischen und kommunistischen Kreisen pflegte. Im Januar 1934 trat sie daher eine zwei Jahre dauernde Reise nach Afrika an und kehrte erst 1936 nach Deutschland zurück. In Berlin bezog sie zunächst am Breitenbachplatz eine Wohnung zog sie schliesslich in eine Ladenwohnung in der Detmolder Strasse 11. In ihren Erinnerungen schreibt sie: «Für mich war die im Parterre gelegene Wohnung mit ihren zwei Zimmern ideal, denn ich konnte in ihr unauffällig jüdische Freunde und Bekannte beherbergen, die sich aus Deutschland absetzen wollten und sich ängstigten, die letzten Tage vor ihrer Abreise in ihren eigenen vier Wänden zu verbringen.» Nach dem Judenpogrom im November 1938 gewährte Frau von Maltzan vielen untergetauchten Juden Unterschlupf in ihrer Wohnung. Zu ihrem weiten Freundeskreis gehörten u.a. die Schriftsteller Georg Zivier (S. 140) und Werner Keller. Zivier war Jude, lebte aber in einer sogenannten «privilegierten Mischehe», so dass er persönlich weitgehend geschützt war. Von seinen jüdischen Bekannten fanden viele Unterschlupf und Hilfe bei Maruska, wie Freunde Frau von Maltzan liebevoll nannten. Keller dagegen gehörte zu einer kleinen Widerstandsgruppe, die wichtige innenund aussenpolitische Informationen verbreitete. Mit einem transportablen Sender, der in ein Bügeleisen eingebaut war, sendeten sie Frau von Maltzan zufolge in der Nacht illegale Meldungen. Im September 1939 wurde Frau von Maltzan aufgrund ihrer Sprachkenntnisse zur Briefzensur eingezogen, einer, wie sie fand, höchst unangenehmen Arbeit. In eini- 157

160 Hans Hirschel Maria Gräfin von Maltzan gen Fällen konnte sie jedoch zu unvorsichtige Schreiber warnen bzw. deren Briefe beseitigen. Sie wurde eines Tages deswegen denunziert, von der Gestapo verhört und ihre Wohnung durchsucht. Daraufhin wurde sie fristlos aus der Briefzensur entlassen. Kurz zuvor hatte sie Hans Hirschel, einen Juden, kennengelernt und war bald sehr eng mit ihm befreundet. Hirschel war Literat und Geisteswissenschaftler erwartete Frau von Maltzan ein Kind von ihm. Erzog zu ihr in die Detmolder Strasse, um fortan illegal bei ihr zu leben. Zur Tarnung liess sie ihn einen Abschiedsbrief an seine Mutter schreiben und einen Selbstmord vortäuschen. Seine Bettcouch, ein massives Möbelstück mit stabilem Bettkasten, brachte er mit. Dies wurde das Versteck für ihn, wenn Frau von Maltzan ausser Haus war und Gefahr drohte. Zwei seiner jüdischen Bekannten, Dr. Holländer und Günter Hirschel, der nicht mit Hans Hirschel verwandt war, suchten ebenfalls Unterschlupf bei ihr. Sie war inzwischen im vierten Monat schwanger und täglich wegen ihres wieder aufgenommenen Studiums der Veterinärmedizin dreizehn Stunden ausser Haus. Die privaten, beengten Verhältnisse in der Zweizimmerwohnung wurden damals fast unerträglich für sie. Im September 1942 kam ihr Kind einen Monat zu früh zur Welt und musste in den Brutkasten. In der folgenden Nacht liessen starke Bombenangriffe auf Berlin den elektrischen Strom im Krankenhaus zusammenbrechen, so dass der zarte Junge keinerlei Überlebenschancen mehr hatte. Gegen Ende des Jahres 1943 erfolgte eine Wohnungsdurchsuchung der Gestapo bei Frau von Maltzan. Hans Hirschel hatte sich rechtzeitig in der Bettcouch verstecken können, so dass er unentdeckt blieb. Seine Kleidungsstücke gab sie als die ihres schwedischen Freundes Eric Svenson aus, den sie auch als Vater ihres Kindes angegeben hatte. Ihre Wohnung wurde jedoch von nun an streng von der Gestapo überwacht, auch nachts. Frau von Maltzan warnte so gut es ging alle ihre jüdischen Bekannten davor, sich ihrer Wohnung zu nähern, da sie dort z.z. hochgradig gefährdet waren. Über Pfarrer Sivkovicz, der in Stahnsdorf ihren Jungen beerdigt hatte, kam Gräfin von Maltzan 1940 in Kontakt zur Schwedischen Kirche in Berlin. Den Schweden 158

161 war es inzwischen erlaubt, ihre Möbel von Berlin in die Heimat zu schicken. Dafür waren Eisenbahnwaggons der Reichsbahn zur Verfügung gestellt worden. Erik Wesselen, der Gemeindehelfer der Schwedischen Kirche, hatte mit den Eisenbahnern eine mit Kaffee und Zigaretten honorierte Vereinbarung getroffen. Das schwedische Mobiliar sollte verladen und anschliessend plombiert werden, der Zug fahrplanmässig spätabends von Berlin abgehen, dann aber kurz ausserhalb der Stadt anhalten. Dort warteten Wesselens Leute, die die Waggons öffneten, die Möbel herauswarfen, stattdessen Menschen einsteigen liessen und die Wagen wieder verplombten. Diese Menschen an die verabredete Stelle zu bringen, war Frau von Maltzans Aufgabe gewesen. In der Nähe der Wuhlheide sollten die Leute heimlich zusteigen. Es gelang ihr, die Juden zum verabredeten Ort zu bringen, wohl SS-Suchtrupps in der Nähe waren. Auf dem Rückweg musste sie sich für einen Tag und zwei Nächte vor der SS in einem Baum verstecken, um unentdeckt zu bleiben. Frau von Maltzan war mit der Tochter Hanna Soifs befreundet. So entstand der Kontakt auch zu diesem Kreis von NS-Gegnern, für den Frau von Maltzan ebenfalls aktiv wurde. Im Hause Solf lernte sie den Mitbegründer des «Kreisauer Kreises» Peter Graf Yorck von Wartenburg kennen. (Siehe die Steglitz-/Zehlendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.) Über ein Mitglied des Solf-Kreises, Frau von Thadden, war unwissentlich ein Gestapo-Spitzel eingeschleust worden. Als am 10. September 1943 der Kreis aufflog und alle Anwesenden verhaftet wurden, war Frau von Maltzan nur durch einen Zufall nicht zugegen gewesen. Im Herbst 1944 nahm sie zwei Mädchen aus einem russischen Kinderlager bei sich auf. Die Geschwister wuchsen ihr ans Herz wie eigene Töchter. Nach dem Kriegsende, als die russischen Soldaten aus Wilmersdorf wieder abzogen, nahmen sie die beiden Mädchen mit. Ebenfalls im Herbst 1944 hatte Frau von Maltzan einen gefälschten Lichtbildausweis für Hans Hirschel besorgt, so dass er sich auch zeitweise ausserhalb der Wohnung in der Detmolder Strasse aufhalten konnte. Ausserdem hatte Frau von Maltzan immer wieder alte Ausweise oder Blankoformulare für die Schwedische Gemeinde besorgt, die diese dringend für die dort Hilfe suchenden Juden brauchte. Durch Frau von Maltzans engagiertes und mutiges Handeln überlebten viele Juden oder politisch Verfolgte das Nazi-Regime, so auch ihr Freund Hans Hirschel, den sie nach dem Krieg heiratete. 159

162 Unbesungene Helden Ungefähr Menschen von ca , die versuchten, sich zu verstecken haben durch die lebensgefährliche Hilfe mutiger Berliner die Zeit in der Illegalität überstanden. Von einigen Beispielen dieser «unbesungenen Helden» soll im Folgenden berichtet werden (siehe auch Seite 27 ff.). Frau Tony Schmidt aus Halensee (Halberstädter Strasse 3) nahm sich bereits im November/Dezember 1938 gefährdeter Juden an. So versteckte sie Julian Moser wochenlang in ihrer Wohnung und stand auch dessen nahen Angehörigen bei. Zusammen mit ihrer Mutter schickte Frau Schmidt Deportierten Lebensmittel ins Gefängnis Grosse Hamburger Strasse und unterstützte zahlreiche Menschen. Inge Deutschkron zog mit ihren Eltern 1933 in die Uhlandstrasse 168. Der Vater, Dr. Martin Deutschkron, Oberstudienrat und aktives SPD-Mitglied, wurde im April 1933 vom Schuldienst «beurlaubt». Grundlage hierfür war das «Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums». Wohnungsnachbar in der Uhlandstrasse war der ebenfalls aus politischen Gründen entlassene ehemalige Schuldirektor Walter Rieck (SPD). Nach dem Novemberpogrom gelang es Martin Deutschkron 1939 nach England zu emigrieren. Seine Frau Ella und Tochter Inge sollten sobald wie möglich nachkommen. Der Ausbruch des 2. Weltkrieg verhinderte diesen Plan. Der zunehmende Druck auf die Juden und der Beginn der Deportationen 1941 liessen Ella und Inge Deutschkron den Entschluss fassen unterzutauchen. Im Januar 1943 war es soweit. Inge Deutschkron, die bei dem Berliner Bürstenfabrikanten Otto Weidt im Bezirk Mitte in der Rosenthaler Strasse 39 beschäftigt war, erhielt von diesem eine neue Identität. Er stellte einen Werkausweis auf den Namen Inge Richter aus, der ihr das Leben in der Illegalität erleichterte. Die ersten vier Wochen als sogenannte «U-Boote» verbrachten Ella und Inge Deutschkron in der Knesebeckstrasse bei der Familie Gumz. Danach wohnten sie bei ihrer Bekannten Grete Sommer in der Westfälischen Strasse 64. Bis zum Herbst 1944 arbeitete Inge Deutschkron unter ihrem falschen Namen in der Leih- Ella und Inge Deutschkron 160

163 bücherei Grete Sommers. Weiteres Quartier fanden sie bei dem Ehepaar Garn in der Olivaer Strasse 3 und bei Lisa Holländer in der Sächsischen Strasse 26. Lisa Holländer war die Schwägerin Walter Riecks und verfügte über besonderen Mut, der manchmal geradezu gefährlich war. Da die Nazis ihren Mann im KZ ermordet hatten, hasste sie sie ohnegleichen. Als die Wohnung im Januar 1944 ausgebombt worden war, mieteten die Deutschkrons unter ihrem falschen Namen ein Behelfsquartier in einer Siedlung bei Potsdam. Gegen Kriegsende schlüpften sie in die Rolle schlesischer Flüchtlinge und erklärten den Berliner Behörden, dass sie Ausweise und Lebensmittelkarten bei einem Bombenangriff verloren hätten. In der allgemeinen Wirrnis der letzten Kriegstage verringerte sich die Gefahr, entdeckt zu werden, so dass Ella und Inge Deutschkron das Kriegsende erlebten und schliesslich zu Martin Deutschkron nach England auswandern konnten. Der Besenfabrikant Otto Weidt war inzwischen, 1943/44, nach Auschwitz gefahren, um seine Lebensgefährtin Alice Licht vor der Ermordung zu retten. Weidt, der bereits vielen Arbeitern seines Betriebes die Deportation erspart hatte, indem er sie untertauchen liess, gelang es schliesslich durch Bestechung in Auschwitz, Kontakt zu Alice Licht aufzunehmen und ein Versteck für sie vorzubereiten. Als die Auflösung des Lagers begann, konnte Alice Licht flüchten und überleben. Otto Weidt wandte sich nach seiner Rückkehr von Auschwitz Ende 1944 an Erik Myrgren, den Pfarrer der Schwedischen Gemeinde, um ein Wissen über das Vernichtungslager zuverbreiten starb Otto Weidt, denn seine anstrengende illegale Tätigkeit hatte ihm die Gesundheit fast restlos geraubt. Die Schriftstellerin Black E. Blochwitz (Jg.1899) wohnte am Kurfürstendamm 177 und half während der NS-Zeit verfolgten Juden. Unterstützt wurde sie in ihrer Tätigkeit durch Frau Margret Dietrich, die ab 1937 in derselben Wohnung lebte. Von Juli 1935 an nahm Frau Blochwitz die Jüdinnen Herta und Käthe Arndt als Untermieterinnen bei sich auf. Die Mutter, Rosalie Arndt, kam ebenfalls tagsüber zu Frau Blochwitz und wurde von ihr bis zur Deportation 1941 mit Lebensmitteln und Geld unterstützt konnte Käthe Arndt nach Nordborneo auswandern, da ihre Beschützerin Black E. Blochwitz die Emigration organisierte und mitfinanzierte. Herta Arndts geplante Auswanderung wurde durch die verschärften antijüdischen Massnahmen verhindert. Ausserdem erhielt Frau Arndt ihre Zwangsverpflichtung bei Siemens in Spandau. In dieser Zeit musste Frau Blochwitz den «Judenstern» an ihre Wohnungstür heften, was laufend von SA-Männern kontrolliert wurde, da sich die «Arierin» dagegen zunächst gewehrt hatte. Bis zur Deportation von Herta Arndt und ihrer Mutter Rosalie am 12. November 1941 erhielten Black E. Blochwitz und ihre Mitbewohnerin Margret Dietrich nur jüdische Lebensmittelkarten. Ausserdem fanden mehrere Haussuchungen und Verhöre durch die Gestapo statt. Durch die verschärfte Bewachung war ein Untertauchen für Herta Arndt unmöglich geworden. Frau Arndt kam zusammen mit ihrer Mutter nach Minsk. Selbst im Lager erhielten sie noch Unterstützung von Frau Blochwitz, die ihnen über hilfsbereite Soldaten Lebensmittelpakete, Geld, Wollsachen und Briefe zukommen liess. Rosalie Arndt wurde Ende Juli 1942 von der SS in Minsk erschossen, ihre Tochter Herta verschwand im Oktober 1943 in den Gaskammern von Lublin. Black E. Blochwitz bekämpfte die Nationalsozialisten nicht nur, indem sie Juden, politisch Verfolgte und ausländische Zwangsarbeiter illegal versorgte, sie verfasste auch Flugblätter gegen die Nazis und verbreitete sie, insbesondere während der Luftangriffe in der späten Kriegszeit. Sie liess sich ausserdem zum Luftschutzwart ausbilden und machte in dieser Funktion Verstecke für Verfolgte in Kellern im Bereich des Kurfürstendamms ausfindig. Die dort von ihr unterge- 161

164 Black E. Blochwitz Emilie Lange brachten Illegalen versorgte sie zudem mit Lebensmitteln. Sie schickte weiterhin Pakete an bereits Deportierte nach Theresienstadt und Auschwitz. Nachweislich unterstützte Frau Blochwitz Lucie und Hermann Löwenstein, Minna und Arthur Löwenstein, Arthur (Heinrich) Neuburger, der auch im Hause Kurfürstendamm 177 wohnte, das Ehepaar Ruschin, die Familie Levin, die in der Zähringerstrasse lebte, Walter Marx, ebenfalls aus dem Haus Kurfürstendamm 177 sowie Dora Kanner. Marga Nebel und Rita Grabowski. Ausserdem tauchten viele für Tage oder Wochen bei Frau Bloch witz unter, die sie nur mit einem Decknamen kannte. Frau Blochwitz war ein Begriff in illegalen Kreisen. Sie erinnerte sich später an diese Zeit: und die vielen, die gekommen sind unter dem Stichwort,Black und deren Namen ich nicht erfragt habe bzw. ich nicht mehr weiss, die eine bis mehrere Nächte und Tage bei mir untertauchten oder andere Hilfe bekamen, weil sie als Illegale keine Lebensmittelkarten hatten. Sie benötigten alle auch Kleiderhilfe, die ich erbettelte. Manchmal kamen sie auch nur, um sich ihre Wäsche, die sie trugen, zu waschen und sich selbst zu waschen.» Elsa Chotzen, die in der Johannisberger Strasse 3 wohnte, unterstützte von Januar 1943 an die untergetauchte Jüdin Ilse Rewald. Ausserdem fand Frau Rewald Unterschlupf bei Käthe und Ursula Pickard in der Bregenzer Strasse 10. Zur gleichen Zeit konnte Ilse Rewalds Mann Werner bei Elli und Paul Fromm in der Brandenburgischen Strasse für einige Zeit untertauchen. Paul Fromm arbeitete bei einer Hausverwaltung und war daher in der Lage, heimlich leerstehende Quartiere für illegal Lebende zu besorgen (Foto S. 163). Werner Goldberg erinnert sich, dass ein Fleischermeister Kunze aus Charlottenburg auf dem Wochenmarkt in Schmargendorf Kunden mit zusätzlichen Fleischrationen versorgte, da er wusste, dass sie Juden versteckten. 162

165 Elli und Paul Fromm Ruth Mock erinnert sich an ihre Nachbarn in der Düsseldorfer Strasse 76, Schneidermeister Rahr und seine Frau Hedwig, die Juden über Nacht in ihrer Wohnung versteckten. Einer der Hilfesuchenden blieb sogar drei bis vier Wochen auf dem Hängeboden versteckt und konnte auf diese Weise vor der Deportation bewahrt werden. Emilie Lange (Foto S. 162), der Mutter von Horst H. Lange, gehörte ein exklusives Blumengeschäft am Olivaer Platz 11. In der Umgebung wohnten sehr viele jüdische Künstler, Ärzte und Rechtsanwälte. Prominenz aus der Filmwelt gehörte zu Frau Langes Stammkundschaft. Sie kannte keine rassischen Vorurteile. Besonders in der späten Kriegszeit hat sie viele jüdische Kunden und Bekannte geschützt, die zu ihr kamen, wenn sie nicht mehr weiter wussten. Frau Lange unterstützte sie heimlich und versteckte sie für kurze Zeit in der an das Blumengeschäft angrenzenden, hinteren Ladenwohnung. Zu diesen Hilfesuchenden gehörte Katz-Carmer, der sich nach Südafrika retten konnte, Wolfgang Schwalbe aus der Giesebrechtstrasse.den Frau Lange sogar als Blumenausträger beschäftigte, und der Friseur Max Wolf aus der Mommsenstrasse 56. Wolf war bereits in einem Grossbetrieb zwangsverpflichtet. Dennoch unterhielt er illegale Beziehungen, um gefälschte Lebensmittelkarten zu erhalten. Eines Nachts ist er zusammen mit seiner jungen Frau von der Gestapo abgeholt und seine Wohnung versiegelt worden. Mutter und Sohn Lange haben nie wieder von ihnen gehört. Margarete Franke (Jg.1877) versteckte von Ende 1942 an den von der Deportation bedrohten Juden Fred Herzberg und dessen Schwester Minna Aigner in ihrer Ladenwohnung in der Prager Strasse 10. Die Verfolgten hielten sich oft wochenlang in dem Quartier auf. Fred Herzberg wurde 1944 verhaftet und deportiert. Minna Aigner konnte dank der Hilfe von Frau Franke das Kriegsende überleben. 163

166 Oskar Huth Dillenburger Strasse 58 Der Grafiker Oskar Huth ( ) lebte von März 1942 bis Kriegsende illegal in der Dillenburger Strasse 58. Er studierte von Freie Malerei und Druckgrafik. Bereits mit 17 Jahren konnte er hervorragend Gemälde kopieren und bestand 1935 das Begabten-Abitur, nachdem er eine Lehre als Mechaniker und Feinmechaniker absolviert hatte. Bei Kriegsausbruch, 1939, wurde er zur Wehrmacht eingezogen, konnte aber seine Freistellung erreichen, indem er Krankheiten vortäuschte bekam er einen neuen Gestellungsbefehl, dem er sich durch eine weitere List entzog. Von November 1941 bis März 1942 war Oskar Huth gezwungen, als «Fahnenflüchtiger» ohne Unterkunft durch Berlin zu ziehen. Er ruhte sich nur zeitweise bei guten Freunden aus. Oskar Huth war ein Individualist. Zum Dienst an der Waffe konnte ihn niemand zwingen. Ernannte die Nazis «die Bande», die er «auf s Kreuz legen» wollte. «Denn wir sind eigentlich intelligenter», äusserte er einmal. Als Oskar Huth 1942 illegal durch Berlin streifte, traf er bei seinen Freunden zufällig Käte Kausel, die Frau seines Freundes Walter Kausel, der gefallen war. Er schilderte Käte Kausel seine schwierige Lage, und sie bot ihm an, sich evakuieren zu lassen, damit er ihre Wohnung in der Dillenburger Strasse 58 übernehmen konnte. Oskar Huth erinnerte sich später daran: «Käte war sich über das Risiko völlig im Klaren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich früher oder später ja doch entlarvt wurde, ja, die lag, wenn man sowas so billig ausdrücken darf, so bei 90%; denn die Wohnung lag in der Nachbarschaft zum Breitenbachplatz und in einer Gegend, in der lauter kleine Angestellte lebten, die sich natürlich für jemanden, der da plötzlich auftauchte, lebhaft interessieren würden». Am 3. März 1942 übernahm Oskar Huth die Wohnung in der Dillenburger Strasse. Er richtete sich im Kellereine Druckwerkstatt ein, nachdem er sich in Kreuzberg eine lithographische Handpresse aus dem 1. Weltkrieg besorgt hatte. In der Nachbarschaft gab er sich als wissenschaftlicher Zeichner des Botanischen Instituts aus. Nach seinen eigenen Originalpapieren, dem Wehrpass und dem Arbeitsbuch, fertigte Oskar Huth für sich neue Papiere an. Er fälschte täuschend echt. Um auch von der Ernährung her unabhängig zu sein, kopierte er Lebensmittelmarken: Er erinnert sich: «Jetzt begann eine Zeit, die ich nicht projektiert hatte, in der ich aber doch anderen illegal Lebenden nützlich werden konnte. Es galt, einfach Wege zu finden, den Leuten mit kleinen Mengen Lebensmitteln zu helfen oder, wenn es möglich war, auch mit Papieren, um sich ortsverändern zu können.» Einen jüdischen Freund hielt Oskar Huth mit gefälschten Ausweisen und Buttermarken bis zum letzten Kriegstag am Leben. Für seinen Freund Heinz Trökes fälschte er 1942 einen Ausmusterungsschein. Trökes hatte ihm zwei Blanko-Wehrpässe besorgt, die das Leben von Ludwig und 164

167 Kunrat von Hammerstein retten sollten. Diese beiden Offiziere hatten sich am gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 in der Bendlerstrasse beteiligt und waren danach untergetaucht. Oskar Huth fälschte die Wehrpässe für sie, um ihnen das Leben in der Illegalität zu erleichtern. Ludwig von Hammerstein erinnert sich an Oskar Huth: «Er war stets hilfsbereit, kannte alle Schwierigkeiten des illegalen Lebens, hat mich beraten,was man tun kann oder nicht, hat mir gewisse Tips gegeben. Oskar Huth warfroh, dass er auch einem anderen helfen konnte.» Oskar Huth dachte nicht nur an das eigene Überleben, sondern half während der Hitler-Diktatur vielen politisch und rassisch Verfolgten. Er blieb dabei immer Einzelkämpfer und schloss sich keiner Gruppierung an. Höchstwahrscheinlich war das sein Schutz, der ihn das Regime überleben liess, trotz seiner persönlichen Gefährdung. Oskar Huth: «Ich druckte während der Angriffe und im Beisein der Leute, die im Luftschutzkeller waren. Die Druckmaschine war so in einen Verschlag gestellt, dass die Leute von der einen Seite zwar sehen konnten, dass ich mich da als Drucker betätigte, aber was hinter dem Kopf der Maschine war, das konnten sie nicht sehen. Und dazwischen wurden dann Marken und Pässe gedruckt. Die Tatsache, dass man während der Angriffe und auch ausserhalb dieser, also öffentlich druckte, gab den Hausbewohnern einen so verlässlichen Eindruck von meiner Legalität, dass sie niemals angezweifelt wurde.» 165

168 Exil Egon Erwin Kisch Der international bekannte Schriftsteller und Journalist Egon Erwin Kisch ( ) wohnte seit 1927 in der Güntzelstrasse 3. Zwei Jahre zuvor war er in die KPD eingetreten und geriet somit 1933 in die Verfolgungsmaschinerie der Nazis. Als «rasender Reporter» ist Kisch bis heute bekannt Er schrieb spannende Reisereportagen über Amerika, China und die Sowjetunion. Seit 1928 engagierte er sich im «Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller» vernichteten die Nationalsozialisten Kischs Werke als die eines «Asphaltliteraten», ihn selbst verhafteten sie bereits am 28. Februar im Zuge der Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand. Der Kommunist jüdischer Abstammung war in der NS-Diktatur besonders gefährdet. Nach der Intervention tschechoslowakischer Behörden kam Egon Erwin Kisch im März 1933 wieder frei und wurde als «unerwünschter Ausländer» abgeschoben. In Prag, seiner ersten Exilstation, schrieb Kisch einen Bericht in der A.l.Z. (Arbeiter Illustrierten Zeitung) über die Verhörmethoden und Folterpraktiken, die er während seiner Inhaftierung erlebt hatte. Im Juni 1933 fuhr Kisch weiter nach Paris. Dort traf er u.a. seine ebenfalls emigrierten Kollegen Heinrich Mann, Anna Seghers, Alfred Kantorowicz, Ernst Bloch sowie Alfred Kerr nahm Kisch als Berichterstatter der Interbrigadisten am Spanischen Bürgerkrieg teil. Zu Beginn des 2. Weltkriegs emigrierte er über die USA nach Mexiko, wo er viele seiner aus Deutschland geflohenen Schriftstellerkollegen wiedertraf kehrte er nach Prag zurück. Anna Seghers Ebenso wie Egon Erwin Kisch floh Anna Seghers ( ) 1933 vor den Nationalsozialisten über Frankreich und Spanien nach Mexiko. Vorher, seit 1926, wohnte sie in der Helmstedter Strasse 24. Als Jüdin und «proletarisch-revolutionäre» Schriftstellerin war auch sie kurzzeitig verhaftet und von der Gestapo verhört worden. Ihre Bücher wurden verbrannt. In Paris lebte Anna Seghers seit der deutschen Besatzung 1940 illegal und in grosser materieller Not. In dieser Zeit schrieb sie den Roman «Das siebte Kreuz»,der die Unmenschlichkeit der NS-Diktatur anprangerte und Anna Seghers später weltberühmt machte führte sie ihr Weg weiter nach Mexiko-City, von wo sie 1947 nach Berlin (Ost) zurückkehrte. Zwischen 1950 und 1978 bekleidete sie dort das Amt der Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. (Ihre damalige Haltung blieb nicht unumstritten.) Heinrich Mann Von Dezember bis Februar 1933 wohnte Heinrich Mann ( ) in der Fasanenstrasse 61. In karikierenden Romanen («Professor Unrat», 1905) kritisierte er das Bürgertum. Am Wilhelminischen Obrigkeitsstaat übte er in seiner Trilogie «Das Kaiserreich» («Der Untertan», 1918) Sozialkritik und verteidigte damit den Republikgedanken. Die erste deutsche Demokratie hatte in ihm einen ihrer engagiertesten und angesehensten Verfechter. Am 15. Februar 1933 musste der international geachtete Schriftsteller und Essayist den Vorsitz der Sektion für Dichtung in der Preussischen Akademie niederlegen und diese verlassen, da er ebenso wie Albert Einstein und Käthe Kollwitz einen warnenden Aufruf gegen die Nationalsozialisten unterzeichnet hatte. Da sein Haus fortan bewacht wurde, ging er 166

169 am 21. Februar 1933 ohne irgendein Gepäckstück zur Strassenbahn, um zum Bahnhof zu gelangen und unbehelligt seine Reise ins Exil anzutreten. Der französische Botschafter François-Poncet hatte ihn gewarnt. Aus Frankreich, Heinrich Manns erster Exilstation, flüchtete er 1940 vor den deutschen Truppen zusammen mit seinem Neffen Golo Mann überdie Pyrenäen durch Spanien nach Portugal und mit dem Schiff von Lissabon aus in seinen kalifornischen Exilort Santa Monica. In seinem im Exil entstandenen Werk «Ein Zeitalter wird besichtigt» (1946) wird eine gewisse Annäherung an den Kommunismus spürbar. Heinrich Mann starb 1950 in Santa Monica, kurz bevor er nach Berlin (Ost) zurückkehren wollte. Klaus Mann Klaus Mann ( ), Sohn von Thomas Mann, kam im Herbst 1924 nach Berlin und wohnte in einer Pension in der Uhlandstrasse 78. Er arbeitete als Theaterkritiker und erhielt bereits mit zwanzig Jahren Anerkennung für sein schriftstellerisches Talent. Im März 1933 emigrierte er nach Paris und gab dort vom Herbst 1933 bis zum Sommer 1935 eine der wichtigsten Emigrationszeitschriften, «Die Sammlung», heraus. Im Sommer 1938 erlebte er als Reporter das Ende des Spanischen Bürgerkrieges und ging anschliessend in die USA. Dort liess er sich 1942 in die US-Armee einberufen und landete mit den amerikanischen Truppen in Italien. Seine Romane sind geprägt von der Unruhe der Zeit und der Rastlosigkeit des Autors, so z.b. «Mephisto», (1936), «Der Vulkan» (1939). Nach dem Krieg, 1949, nahm Klaus Mann sich im südfranzösischen Cannes das Leben, da ihn seine Drogenabhängigkeit, homoerotischen Neigungen und die Übermacht des berühmten Vaters wahrscheinlich seelisch zu sehr belastet hatten. 167

170 Bernhard von Brentano Der Schriftsteller Bernhard von Brentano ( ) lebte seit 1925 als Korrespondent der «Frankfurter Zeitung» in Berlin in der Schaperstrasse 8 und seit 1930 im Haus Nr. 22 in derselben Strasse. In dieser Wohnung (Nr. 22) trafen sich im Febraur 1933 Heinrich Mann, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Leonhard Frank, Hermann Kesten und Ernst Glaeser, um über möglichen Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu beraten. Mit seinen kämpferischen Schriften, wie der Sozialreportage «Der Beginn der Barbarei in Deutschland», zog sich Bernhard von Brentano den Hass der Nazis zu. Sie verboten und verbrannten seine Bücher und trieben ihn in die Emigration kehrte er nach Deutschland zurück. Walter Benjamin Dr. Walter Benjamin ( ), Literaturkritiker und Philosoph, bezog 1930 eine Atelierwohnung in der Prinzregentenstrasse 66 in unmittelbarer Nachbarschaft zur grossen Wilmersdorfer Synagoge. Benjamin schrieb bedeutende Kritiken für die «Frankfurter Zeitung» und die «Literarische Welt». Neben Rundfunkbeiträgen hielt er ausserdem Vorträge über Hebel, George, Brecht und Kafka. Er stand den kritischen Theorien Max Horkheimers ( ) nahe. Horkheimer war von Professor an der Universität in Frankfurt a. M. (und wieder seit 1949) und vertrat ein unabhängiges marxistisches Denken. Walter Benjamins scharfsinnige Analysen der modernen Gesellschaft, wie z.b. «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» (1936), geben bis heute Anstösse für die soziologische Forschung. Im März 1933 floh Walter Benjamin vor den Nationalsozialisten ins Exil. Er wohnte in Paris oder auf Ibiza überwiegend in materieller Not. Im August 1939 internierten ihn die französischen Behörden mehrere Monate lang in einem Lager bei Nevers. Walter Benjamin kam durch die Vermittlung französischer Freunde im Herbst 1940 wieder frei und versuchte, über die Pyrenäengrenze nach Spanien zu gelangen. Die spanischen Zöllner wiesen die kleine Emigranten-Gruppe unter der Leitung Lisa Fittkos jedoch entgegen der bisherigen Praxis ab. Die Flüchtlinge sollten am nächsten Tag, dem 27. September 1940, zur französischen Grenzstation zurückkehren. Der herzkranke Walter Benjamin war den physischen und psychischen Strapazen jedoch nicht mehrgewachsen. Ersetzte in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 mit einer Überdosis Morphium seinem Leben ein Ende. Der Bruder Walter Benjamins, Dr. Georg Benjamin, war KPD-Mitglied und ein im Wedding viel bekannter und respektierter Arzt, der sich an der illegalen Widerstandsarbeit beteiligte wurde er von der SA gefoltert, 1936 erneut verhaftet und nach Jahren qualvollen Leidens im KZ Mauthausen 1942 ermordet. Franz Pfemfert In der Nassauischen Strasse 17 lebte und arbeitete der Publizist Franz Pfemfert ( ). Er engagierte sich für expressionistische Kunst und Literatur und begründete 1911 die Zeitschrift «Die Aktion», die er bis 1932 herausgab. Zur Avantgarde und damaligen politischen Linken gehörend, machte Pfemfert seine Zeitschrift zum Sprachrohr gegen Militarismus und Nationalismus. Somit waren er und seine Frau, die Russin Alexandra Ramm, den Nazis besonders suspekt. Es fanden bereits vor dem Reichstagsbrand Durchsuchungen der Wohnung und Redaktionsräume statt. Am 28. Februar 1933 wurde Franz Pfemfert heimlich von einem Polizeibeamten gewarnt. Am nächsten Morgen traten er und seine Frau die Reise ins Exil an. Über die Tschechoslowakei, Italien, Frankreich, Spanien und Lissabon fanden die Pfemferts Asyl in Mexiko-City. Franz Pfemfert hat im Exil 168

171 nichts mehr veröffentlicht und lebte bis zum Tod von seiner Arbeit als Fotograf. Alexandra Ramm-Pfemfert kehrte 1954 nach Berlin zurück. Hellmut von Gerlach In der Halberstädter Strasse 2 lebte von 1930 bis 1933 der linksliberale Publizist Hellmut von Gerlach ( ).1901 hatte er die Redaktion der1895 gegründeten pazifistischen «Welt am Montag» übernommen und entwickelte sich bald zum scharfen Kritiker des deutschen Obrigkeitsstaates. Nach 1918 wurde er einer der führenden Pazifisten in Deutschland. Ergründete die «Deutsche Friedensgesellschaft» und die «Liga für Menschenrechte», deren Vorsitz er seit 1926 bis zu ihrer Auflösung durch die Nationalsozialisten innehatte. Hellmut von Gerlach hatte 1892 seine juristische Karriere zugunsten der Journalistik und Politik aufgegeben. Dennoch vertrat der Jurist Gerlach 1932 Carl von Ossietzky, den inhaftierten Chefredakteur der «Weltbühne», vor Gericht. Im März 1933 flüchtete von Gerlach vor den Nationalsozialisten nach Paris. Er wurde aus Deutschland ausgebürgert, und seine Veröffentlichungen fielen der Bücherverbrennung zum Opfer. Im August 1935 starb Hellmut von Gerlach im Exil. Arnold Zweig Arnold Zweig Der Schriftsteller Arnold Zweig ( ), dessen erschütternder Antikriegsroman «Der Streit um den Sergeanten Grischa» (1928) Weltberühmtheit erlangte, lebte bis zu seiner Emigration in Eichkamp, Zikadenweg 59. Hier kam er wiederholt mit prominenten Kollegen wie Feuchtwanger und Brecht zusammen. Als bekannter Pazifist und Sozialist jüdischer Herkunft war auch Zweig gezwungen, im März 1933 zu fliehen. Im Exil setzte er sein mit dem «Grischa» begonnenes Romanwerk über den Ersten Weltkrieg fort. Mit dem Buch «Das Beil von Wandsbek» gelang ihm darüber hinaus ein einfühlsames Portrait der psychologischen und moralischen Konflikte von Menschen im Deutschland Hitlers. Nach dem Krieg kehrte A. Zweig aus Palästina nach Deutschland (Ost) zurück. In der DDR (wo er manche Entwicklung mit Sorge verfolgte) war er hochgeehrt, im Westen Deutschlands dagegen weitgehend vergessen. Eine ihn ehrende Gedenkstätte in Pankow wurde kürzlich aufgelöst. 169

172 Gedenktafeln / Gräber / Ehrungen Julius Bab Bundesallee 10 (Schriftsteller, Dramaturg, Theaterkritiker; emigrierte 1939 in die USA) Walter Benjamin Prinzregentenstr. 66 (Literaturkritiker, Essayist, Philosoph; Freitod an der französich-spanischen Grenze wegen drohender Auslieferung an die Gestapo) Ernst Bloch Kreuznacher Str. 52 (Philosoph; emigrierte 1933 in die USA) Dietrich Bonhoeffer Wangenheimstrasse 14 (Evangelischer Theologe; aktiv im Widerstand, am im KZ Flossenbürg ermordert) Bertolt Brecht Spichernstr. 16 (Schriftsteller; emigrierte 1933 in die USA) Hermann Brill Karlsruher Str. 13 (Jurist; 1933 Entlassung aus dem Staatsdienst, aktiv im Widerstand, von inhaftiert, u.a. KZ-Haft) Ernst Busch Bonner Str. 11 (Schauspieler, Regisseur, Sänger politischer Lieder; emigrierte 1933, in Haft) Lion Feuchtwanger Regerstr. 9 (Schriftsteller; emigrierte 1933 in die USA) Samuel Fischer Erdener Str. 8 (Verleger; starb 1934 aus Altersgründen) Birger Forell Landhausstr (schwedischer Pfarrer; rettete von viele rassisch und politisch Verfolgte) Salomo Friedlaender Johann-Georg-Str. 20 (Philosoph, Satiriker; kämpfte gegen Militarismus und Obrigkeitsstaat, emigrierte 1933 in die USA) George Grosz Trautenaustr. 12 (Maler, Graphiker, Satiriker; kämpfte gegen Militarismus und Obrigkeitsstaat, emigrierte 1933 in die USA) Maximilian Harden Wernerstrasse 16 (Publizist; kämpfte gegen Nationalismus und Militarismus, überlebte 1922 ein Attentat, starb an den Spätfolgen 1927 in der Schweiz) Walter Hasenclever Ludwig-Barnay-Platz 3 (Lyriker, Dramatiker; emigrierte Ende 1932,1940 Freitod im Internierungslager Les Milles in Frankreich wegen drohender Auslieferung an die Gestapo) Georg Hermann Kreuznacher Str. 28 (Schriftsteller; emigrierte 1933,1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet) Erich Hoepner und Bundesallee Henning von Tresckow (Dienststelle der beiden im militärischen Widerstand aktiven Offiziere während des Zweiten Weltkriegs) 170

173 Leon Jessel Düsseldorfer Str. 47 Regerstr. 12 (Komponist; starb 1942 an den Folgen der NS-Haft) Erich Kästner Prager Str. 10 (Schriftsteller, Journalist; 1933 wurden seine Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt) Alfred Kantorowicz Kreuznacher Str. 48 (Literaturwissenschaftler, Schriftsteller; emigrierte 1933 in die USA) Alfred Kerr Douglasstr. 10 (Theaterkritiker, Schriftsteller, Dichter; emigrierte 1933 nach London, seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt) Egon Erwin Kisch Güntzelstr.3 (Schriftsteller, Journalist; emigrierte 1933, seine Bücher wurden verboten und verbrannt) Else Lasker-Schüler Katharinenstr. 5 (Schriftstellerin, Lyrikerin; 1933 aus Deutschland vertrieben, starb 1945 verarmt in Jerusalem) Rosa Luxemburg und Mannheimer Str. 27 Karl Liebknecht (Letzter Zufluchtsort der beiden deutschen Revolutionäre vor ihrer Ermordung am ) Heinrich Mann Fasanenstr. 61 (Schriftsteller, Essayist; kämpfte gegen Nationalismus und Militarismus, emigrierte 1933 in die USA, seine Bücher wurden verboten und verbrannt) Felix Nussbaum Xantener Str. 23 (Maler; emigrierte 1933,1944 von der Gestapo in Brüssel verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet) Hans Paul Oster Bayerische Str. 9 (Offizier; aktiv im militärischen Widerstand, 1944 verhaftet und im KZ Flossenbürg ermordet) Franz Pfemfert Nassauische Str. 17 (Publizist; kämpfte gegen Nationalismus und Militarismus, emigrierte 1933 nach Mexico- City) Walther Rathenau Koenigsallee 65 (Reichsaussenminister in der Weimarer Republik; fiel einem Attentat von Rechtsradikalen 1922 zum Opfer) Walther Rathenau Max Reinhardt (Regisseur, Schauspieler) Erich Maria Remarque (Schriftsteller, Pazifist) Ferdinand Sauerbruch Koenigsallee/Ecke Erdener und Wallotstr. (Gedenkstein) Fontanestr. 8 Wittelsbacherstr. 5 Richard-Strauss-Str./Delbrückstr. (Bronzebüste) (Chirurg; hatte Verbindung zum bürgerlich-militärischen Widerstand, blieb von den Nationalsozialisten unbehelligt) Anna Seghers Helmstedter Str. 24 (Schriftstellerin; emigrierte 1933 nach Mexiko, ihre Bücher wurden verboten und verbrannt) 171

174 Adam Stegerwald Zoppoter Str. 62 (Preussischer Minister und Minister in der Weimarer Republik, führender christlicher Gewerkschafter) Hans Ullstein Bettinastr. 4 (Verleger; 1933 von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben und seines Vermögens beraubt) Centralverein deutscher Staatsbürger Pariser Str. 44 jüdischen Glaubens (C.-V), Philo.-Verlag (grösste jüdische Organisation in Deutschland; kämpfte seit 1893 gegen Antisemitismus und Nationalismus, 1938 von den Nationalsozialisten verboten) Goldschmidt-Schule Hohenzollerndamm 110 a (jüdische Privatschule, 1939 von den Nationalsozialisten geschlossen) Bahnhof Grünewald Mahnmal, Gedenktafel (von Oktober 1941 bis Febraur 1945 wurden von diesem Güterbahnhof aus Zehntausende jüdischer Mitbürger in die Todeslager deportiert) Jüdisches Altersheim Berkaer Str (1941 von der SS beschlagnahmt) Künstlerkolonie Ludwig-Barnay-Platz Findling mit Bronzetafel (hier lebten bis zu ihrer Emigration viele politisch Verfolgte) Synagoge «Friedenstempel» Markgraf-Albrecht-Str (im Novemberpogrom von den Nationalsozialisten zerstört) Synagoge Grünewald (im Novemberpogrom 1938 zerstört) Synagoge Wilmersdorf (im Novemberpogrom 1938 zerstört) Walther-Rathenau-Gymnasium (für die ehemaligen jüdischen Mitschüler, Rundhof im Rathaus Wilmersdorf Adam-Kuckhoff-Platz Birger-Forell-Platz Birger-Forell-Schule (Grundschule) Friedrich-Ebert-Oberschule (Gymnasium) Fritz-Wildung-Strasse Wallenbergstrasse Hildegard-Wegscheider-Oberschule (Gymnasium) Franzensbader Str. 7-8 Prinzregentenstr Herbertstr. 2-6 Gedenktafel im Schulhof die der NS-Verfolgung zum Opferfielen) Gedenkstein für die Opfer des NS-Terrors Zur Erinnerung an den von den Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfer. Zur Erinnerung an den schwedischen Pfarrer in Berlin, der von vielen politisch und rassisch Verfolgten half. Zur Erinnerung an den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Zur Erinnerung an den Mitbegründer der Arbeitersportbewegung. Zur Erinnerung an den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der in Budapest viele Juden vor der NS-Verfolgung bewahrte. Zur Erinnerung an die erste Frau in Preussen mit Abitur und Promotion. Die überzeugte Sozialdemokratin half rassisch und politisch Verfolgten.

175 Leon-Jessel-Platz Walther-Rathenau-Oberschule (Gymnasium) Zur Erinnerung an den Komponisten, der 1942 an den Folgen der NS-Haft starb. Zur Erinnerung an den von Rechtsradikalen 1922 ermordeten Reichsaussenminister der Weimarer Republik. Gräber Ilse Demme Joachim Gottschalk George Grosz Siegfried Nestriepke Ferdinand Sauerbruch Hans Scharoun Heinrich Spiero Otto Suhr Hildegard Wegscheider Hanno Günther Ernst Reuter Willy Brandt Friedhof an der Schmargendorfer Dorfkirche Südwestfriedhof Stahnsdorf (Gbl. Ill, Gst ) Friedhof Heerstrasse Waldfriedhof Zehlendorf Neuer Friedhof Wannsee Waldfriedhof Zehlendorf Ehrengrab auf dem Zwölf-Apostel-Friedhof Waldfriedhof Zehlendorf Wilmersdorfer Friedhof Südwestfriedhof Stahnsdorf (F.10, Wst.39) Waldfriedhof Zehlendorf Waldfriedhof Zehlendorf Bildnachweise Archiv der Schwedischen Gemeinde 6 Archiv der sozialen Demokratie 1 Archiv der Walther-Rathenau-Schule 4 Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz 2 Bundesarchiv 1 Evangelisches Zentralarchiv 1 Friedrich, Dr. Volker 1 Landesbildstelle 10 Lange, Horst H. (Privatarchiv) 5 Liebe, Ulrich 2 Münzer, Holger 3 Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz Ullstein Bilderdienst 4 173

176 Literatur Almanach Arbeitsgruppe der Friedensinitiative Wilmersdorf im Kulturhaus Wilmersdorf und der VVN Westberlin Verband der Antifaschisten (Hrsg.) Ball-Kaduri, Kurt Jakob Baumann, Heidrun Behnke, Kristina Bendix, Reinhard Berkholz, Stefan Bethge, Eberhard Bezirksamt Wilmersdorf, Pressestelle Bindrich, Oswald; Römer, Susanne; Braun, Herbert Brecht, Karen; Friedrich, Volker u.a. (Hrsg.) zum 60. Geburtstag von Oskar Huth, hrsg. von der Oskar-Huth-Gesellschaft, Berlin 1978 Wilmersdorf. Alltag und Widerstand im Faschismus, Berlin 1983 Berlin wird judenfrei. Die Juden in den Jahren 1942/1943, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 22. Jg. (1973) Oppositionelle Haltung in der Jugend gegen den NS-Staat, Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, München 1981 Juden im Grünewald, Ausstellung im Evangelischen Gemeindehaus von Oktober bis Dezember 1987 Von Berlin nach Berkeley, Frankfurt/M Die rote Fahne auf der Tintenburg die Entstehung und Zerschlagung einer Künstlerkolonie in Berlin, Feature, gesendet am 24. Februar 1990 im Deutschlandfunk Dietrich Bonhoeffer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Hamburg 1976 Rundfahrt zu den Gedenkstätten des Bezirks Wilmersdorf am 8. November 1988 anlässlich des 50. Jahrestages der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 Beppo Römer.Ein Leben zwischen Revolution und Nation, Berlin 1991 Fahrt an die Gedächtnisstätten des Naziterrors und des Widerstandes von (Archiv G DW) «Hier geht das Leben auf eine sehr merkwürdige Weise weiter.. Zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland, Hamburg

177 Breuer, Hasso Brill, Hermann Büsch, Otto; Hans, Wolfgang Burkert, Hans-Norbert; Matussek, Klaus; Wippermann, Wolfgang Cartarius, Ulrich Christoffel, Udo (Hrsg.) Christoffel, Udo (Hrsg.) Dehn, Günther Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.v. (Hrsg.) Deutscher Werkbund e.v. und Württembergischer Kunstverein Stuttgart (Hrsg.) Deutsches Kabarett Archiv (Hrsg.) Deutschkron, Inge Ebermayer, Erich Ebermayer, Erich Eggebrecht, Axel Autoren als Zeitzeugen: Dinah Nelken, Skript für den Sender Freies Berlin in der Reihe: Zeitgeschichte und Literatur, Berlin 1989 Gegen den Strom, Wege zum Sozialismus, Hefti, Offenbach a.m.1946 Berlin als Hauptstadt der Weimarer Republik , Berlin, New York 1987 «Machtergreifung» Berlin 1933, Berlin 1982 Opposition gegen Hitler. Ein erzählender Bildband, Berlin 1984 Berlin Wilmersdorf. Die Jahre 1920 bis 1945, Kunstamt Wilmersdorf, Berlin 1985 Berlin Wilmersdorf. Die Juden. Leben und Leiden, Kunstamt Wilmersdorf, Berlin 1987 Die alte Zeit. Die vorigen Jahre. Lebenserinnerungen, München 1964 Widerstehen zur rechten Zeit, Frankfurt a.m.1983 Schock und Schöpfung, Jugendästhetik im 20. Jahrhundert, Darmstadt, Neuwied 1986 «Sich fügen heisst lügen.» 80 Jahre deutsches Kabarett, Mainz 1981 Ich trug den gelben Stern, München 1986 Denn heute gehört uns Deutschland... Persönliches und politisches Tagebuch. Von der Machtergreifung bis zum 31. Dezember 1935, Hamburg, Wien 1959 «... und morgen die ganze Welt.» Erinnerungen an Deutschlands dunkle Zeit, Bayreuth 1966 Der halbe Weg, Zwischenbilanz einer Epoche, Reinbek bei Hamburg 1975

178 «...ein ungeheures Erlebnis». Die Geschichte des Peter Weiss Eliasberg, George Finck, Werner Fischer, Lothar Fischer-Defoy, Christine Foitzik Jan 75 Jahre Walther-Rathenau- Oberschule (Gymnasium) , in: Ran, das Politische Jugendmagazin, Mai 1985,15. Jg., Heft 5 Der Ruhrkrieg von Mit einer Einführung von Richard Löwenthal, Bonn-Bad Godesberg Alter Narr was nun?, Frankfurt a.m., Berlin 1992 George Grosz Otto Dix. Eine Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Berlin vom Kunst Macht Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin, Hochschule der Künste Berlin (Hrsg.)., Berlin (o.j.) Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40 unter besonderer Berücksichtigung des Exils, Bonn 1986 Berlin Jahre Kreuzkirche Schmargendorf Funk, Kurt Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin (Hrsg.) Gemeindekirchenrat der Grunewaldgemeinde (Hrsg.) Hrsg, im Auftrag der Ev.. Kreuzkirchengemeinde, Berlin-Schmargendorf 1979 Gedanken zurzeit 1919 bis 1968, Berlin 1968 Raumblätter: Widerstehen aus christlichem Glauben bis 1939, Material 5.2, Widerstehen in Kunst und Wissenschaft, Material 6.1, Exil und Widerstand, Material 7.1, Widerstehen aus liberalem und konservativem Denken, Material 8.3, Anfänge der militärischen Verschwörung, Material 9.1, Von der Kritik zum Umsturzplan, Material 10.1, Jugendopposition. Die Gruppen um Hanno Günther und Helmuth Hübener, Material 18.3, Bündische Jugend und Edelweisspiraten, Material 18.4, Widerstand im Kriegsalltag, Material 19.5, Kampf aus der Kriegsgefangenschaft, Material 20.2, Hilfen für Verfolgte, Material 22.2, Widerstand aus der Arbeiterschaft nach 1939, Material 25.2 Grunewaldgemeinde, Sonderdruck mit Veröffentlichungen aus dem Gemeindeblatt, Berlin

179 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Gläser, Helga; Metzger, Karl-Heinz u.a. Grebing, Helga (Hrsg.) unter Mitarbeit von Bernd Klemm, Eva Kochen, Rainer Schulze u. Lucinde Sternberg Grellert, Frank Griebel, Regina; Coburger, Marlies; Scheel, Heinrich Grips Theater Berlin (Hrsg.) Gross, Leonhard Grüber, Heinrich Günther-Kaminski, Michael; Weiss, Michael Hallig, Christian Hammer, Walter Hanauske-Abel, Hartmut Harenberg, Bodo (Hrsg.) Haupt, Klaus; Wessel, Harald Hildegard-Wegscheider-Oberschule (Gymnasium) (Hrsg.) Rundfahrt gegen Faschismus und Krieg, Bezirk Wilmersdorf, Berlin Jahre Villenkolonie Grünewald , Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin 1988 Lehrstücke in Solidarität, Briefe und Biographien deutscher Sozialisten , Stuttgart 1983 Das Grunewald-Gymnasium im Nationalsozialismus, Besprechung einer Ausstellung (Ich bin kein Berliner, Minderheiten in der Schule), Berlin 1987 Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle, hrsg. in Verbindung mit der GDW, Halle/S Ab heute heisst du Sara, 33 Bilder aus dem Leben einer Berlinerin, Volker Ludwig, Detlef Michel (Programmheft) Versteckt. Wie Juden in Berlin die Nazi-Zeit überlebten, Hamburg 1983 Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Köln, Berlin 1968 «...als wäre es nie gewesen.» Juden am Ku damm, Berliner Geschichtswerkstatt e.v, Berlin 1989 Festung Alpen Hitlers letzter Wahn, Freiburg i. Br Hohes Haus in Henkers Hand. Rückschau auf die Hitlerzeit, auf Leidensweg und Opfergang Deutscher Parlamentarier, Frankfurt a.m.1956 Medizin als Politik, in: «Die Zeit», Nr. 46, 6. November 1987 Die Chronik Berlins, Dortmund 1986 Kisch war hier. Reportagen über den «Rasenden Reporter», Berlin (DDR) 1988 Festschrift , Berlin

180 Hoffmann, Peter Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.) Jäger, Gabriele Klemke, Rainer E. (Hrsg.) Klug, Ulrich Koenigswald, Harald von Koenigswald, Harald von Kommission für Zeitgeschichte, Quellen, Band 37 Kühne, Günther Künstler Kolonie Berlin (Hrsg.) Künstler Kolonie Berlin e.v. (Hrsg.) Lange, Annemarie Leber, Annedore; Moltke, Freya Gräfin von Liebe, Ulrich Löwenthal, Richard Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, München 1969 Deutsche Widerstandskämpfer Biographien und Briefe, Berlin (Ost) 1970 Wilmersdorfer Portraits. Spurensuche in einem Berliner Bezirk, Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin Jahre Kleingartenverein Kissingen e.v., Berlin-Schmargendorf 1989 Das Gedenken an Hans Paul Oster, Rede anlässlich einer Gedenktafelenthüllung für Hans Paul Oster am 14. August 1990 Der Auftrag Birger Forells, Esslingen 1959 Birger Forell, Leben und Wirken in den Jahren , Witten und Berlin 1962 Priester unter Hitlers Terror, Mainz 1984 Max Taut, Versuch, einen Baumeister darzustellen, in: Max Taut , Zeichnungen, Bauten, Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin 1984 «Mit Witz und Würde». 1. Sommerfest, Künstler Kolonie Berlin 1985 Künstlerkolonie Kurieri, Berlin 1988 sowie Kurier 2, Berlin 1989 Berlin in der Weimarer Republik, Berlin (DDR) 1987 Für und wider, Entscheidungen in Deutschland , Berlin 1965 Verehrt, verfolgt, vergessen Schauspieler als Naziopfer, Weinheim, Berlin 1992 Die Widerstandsgruppe «Neu beginnen!», Beiträge zum Widerstand , Heft 20, Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.), Berlin

181 Ludwig, Hartmut Luft, Friedrich Maltzan, Maria Gräfin von Mattenklott, Gert; Mattenklott, Gundel Meier, Kurt Metzger, Karl-Heinz Metzger, Karl-Heinz; Schmidt, Monika; Wehe, Herbert; Wiemers, Martina Metzger, Karl-Heinz Metzger, Karl-Heinz; Dunker, Ulrich Metzger, Karl-Heinz Die Opfer unter dem Rad verbinden, Vor- und Entstehungsgeschichte, Arbeit und Mitarbeiter des «Büro Pfarrer Grüber», Dissertation, Berlin 1988 Hundert Jahre Volksbühne. Wie Dr. Goebbels das Theater beherrschte, in: Berliner Morgenpost, 30. März 1990 Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, Erinnerungen, Frankfurt a.m., Berlin 1988 Berlin Transit. Eine Stadt als Station, Reinbek bei Hamburg 1987 Der evangelische Kirchenkampf, Gesamtdarstellung in drei Bänden, Göttingen 1984 Kirchen, Moschee und Synagogen in Wilmersdorf, Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin 1986 Kommunalverwaltung unterm Hakenkreuz, Berlin-Wilmersdorf , Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin 1992 Künstler-Kolonie Berlin-Wilmersdorf. Ein zusammenfassender Bericht, Berlin 1985 Der Kurfürstendamm, Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte, Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin 1986 Wilmersdorf im Spiegel literarischer Texte vom 19. Jahrhundert bis 1933, Bezirksamt Wilmersdorf (Hrsg.), Berlin 1985 Nebgen, Elfriede Niesel,Wilhelm Oschilewski, Walter G. Oschilewski, Walther G. (Hrsg.) Jakob Kaiser, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1967 Kirche unter dem Wort. Der Kampf der Bekennenden Kirche der altpreussischen Union , Göttingen 1978 Freie Volksbühne Berlin, Berlin 1965 Siegfried Nestriepke, Leben und Leistung, Berlin-Grunewald

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