Artikel 12 GG. Quelle: Dipl.-Oec. Alper Köklü
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- Michaela Vogt
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1 Artikel 12 GG Art. 12 I GG: Geschützt sind nach Art. 12 I 1 und 2 GG die freie Berufs- und Ausbildungswahl wie auch die Berufsausübung selbst. Als einheitliches Recht schützt Art. 12 GG die Berufsfreiheit im Ganzen. Art. 12 I GG ist nur ein Abwehrrecht; es wird kein subjektiv-öffentliches Recht auf Arbeit oder die Schaffung von Arbeitsplätzen gewährt. Art. 12 II GG: Art. 12 II GG verbietet den Arbeitszwang, die nicht für alle Personen allgemein gleich geregelt sind, wie z.b. gemeindliche Hand- und Spanndienste, die Pflicht zur Deichhilfe und die Feuerwehrpflicht als überkommene Pflichten; diese sind zulässig, bedürfen aber einer gesetzlichen Grundlage. Es geht nicht um staatsbürgerliche Pflichten (Pflicht zur Hilfeleistung, zur Zahlung von Steuern und Abgaben oder Beiträgen, als Zeuge oder Angeklagter vor Gericht zu erscheinen). Es geht auch nicht um die Indienstnahme im Bereich der beruflichen Betätigung a) Arbeitgeberpflichten bei Steuererhebungen oder Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen b) Mitwirkungspflichten an statistischen Erhebungen c) Beurkundungspflicht von Notaren Problem: mittelbar wirkender Arbeitszwang durch Entzug von Vergünstigungen (Sozialleistungen (Sozialhilfe): Ein Ausweichen muss möglich sein (so nicht bei Asylbewerbern) Art. 12 III GG: Art. 12 III GG schützt dagegen vor der Zwangsarbeit, d.h. vor der Inanspruchnahme der Arbeitskraft auf unbestimmte Zeit Arbeits-, Erziehungs- und Konzentrationslager liegen dem freiheitlichen Staat ohnehin fern, insbesondere mit Blick auf die historischen Erfahrungen im Dritten Reich (Arbeitsdienst für Deutsche; Arbeitszwang für Ausländer) 1
2 Merke: Art. 12 II und III sind Menschenrechte. Im Zusammenhang mit Art. 12 GG stellt Art. 12a GG die verfassungsmäßige Grundlage für die Wehrpflicht und den Zivildienst dar, der sonst unter den Arbeitszwang fallen würde. Artikel 12 I GG (Berufsfreiheit) Vorab: - Art. 12 I GG verdrängt Art. 2 I GG als spezielles Freiheitsrecht (lex specialis). - Die in Art. 12 I GG geschützte Freiheit beginnt schon bei der Entscheidung, überhaupt einen Beruf zu ergreifen, und schützt auch den, der ohne Beruf bleiben und z.b. von seinem Vermögen leben möchte (negative Berufsfreiheit). 1. Schutzbereich a) Personeller Schutzbereich: - Art. 12 I GG ist ein Deutschen-Grundrecht (Art. 116 GG), also kein Jedermanngrundrecht (wie Art. 2 II 1 und 2, Art. 4 I und II, Art. 5 I 1, Art. 14 I GG). Deutschengrundrechte sind Art. 8 I, 9 I, 11 I, 12 I 1 GG. - Nur Deutsche i.s. des Art.116 GG können sich darauf berufen. - Ausländer können sich nicht auf Deutschengrundrechte berufen. - Die Unanwendbarkeit des Art. 12 GG auf Ausländer bedeutet nicht, dass die Verfassung sie in diesem Bereich schutzlos lässt. - Denn für Ausländer kommt Art. 2 I GG als subsidiäres allgemeines Freiheitsrecht zur Anwendung. - Aber: Der Nicht-Deutsche, dem die Berufung auf Art. 12 GG verwehrt ist, kann nicht denselben Schutz über Art. 2 I GG beanspruchen (denn dann könnte man sie gleich unter den Schutz des Art. 12 GG stellen). 2
3 - Der Grundrechtsschutz nach Art. 2 I GG ist schwächer als der nach Art. 12 I GG. - EU-Ausländer können sich nach dem Wortlaut des GG nicht auf die Deutschengrundrechte (hier: Art. 12 I GG) berufen (str.), sondern nur auf Art. 2 I GG als subsidiäres allgemeines Freiheitsrecht. - Da Art. 12 I EG jegliche Diskriminierung von EU-Bürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, muss der Grundrechtsschutz des Art. 2 I GG jedenfalls für EG-Bürger ebenso effektiv sein wie der durch die Deutschen-Grundrechte gewährte Schutz. - Alle Tätigkeiten im öffentlichen Dienst (wie vor allem die Tätigkeit der Beamten, Richter und Soldaten) sind Berufe im Sinne von Art. 12 I; Art. 33 und bei Richtern Art. 92, 97 und 98 GG enthält lediglich hinzutretende Sonderregelungen. Nach einer Mindermeinung ist Art. 33 (ggf. i.v.m. Art. 92, 97,98 GG) generell vorrangig (lex specialis); Art. 12 I GG gelangt danach nicht zur Anwendung bzw. fällt aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG heraus. b) sachlicher Schutzbereich: Was ist der Schutzbereich? - Betrifft ein Gesetz ein grundrechtlich geschütztes Verhalten bzw. den geschützten Lebensbereich, ist der sachliche Schutzbereich des Grundrechts eröffnet. - Beispiel: Art. 5 I 1 GG schützt die Meinungsfreiheit und damit ein Verhalten, das die Meinungsäußerung i.s. dieses Grundrechts darstellt. Die Bekanntgabe von Statistiken ist grundsätzlich keine Meinungsäußerung. Deshalb ist der Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG nicht eröffnet, wenn ein Gesetz die Verbreitung von Statistiken untersagt oder behindert. Die Tätigkeit von Dieben, Zuhältern oder Rauschgifthändlern ist kein Beruf, auch wenn diese dauerhaft ausgeübt werden. Deshalb ist der Schutzbereich nicht eröffnet, wenn Gesetze diese Tätigkeiten verbieten und bestrafen. Art. 14 I GG schützt das Eigentum. Deshalb ist dessen Schutzbereich nicht eröffnet, wenn ein Gesetz bloße Erwerbs- und Gewinnchancen vereitelt. 3
4 - Der Schutzbereich der Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht wird weit ausgelegt. Definition Beruf: - Beruf ist jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung des Lebensunterhalt dient oder dazu beiträgt. - aber keine enge Auslegung: daher auch Berufe: Gelegenheits- oder Ferienjobs. - Es ist auch nicht relevant, ob die Tätigkeit den Lebensunterhalt voll finanzieren kann, auch Nebenjobs fallen unter Art. 12 GG. - Durch diese weite Auslegung fallen also auch atypische Berufe unter Art. 12 GG, die in kein fixiertes Berufsbild passen (neu entstandene und frei erfundene Berufe). - Dem Gesetzgeber steht allerdings die Befugnis zu, Berufsbilder festzulegen und damit die freie Berufswahl einzuengen. - Der Berufsbegriff soll nicht in die Disposition des Gesetzgebers gestellt werden. Dem Gesetzgeber soll nicht gestattet sein, durch ein Verbot einen Beruf einfach aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG herauszunehmen. - keine Berufe: Taschendiebe, Rauschgifthändler, Spione, Zuhälter, Hehler etc. - BVerfG: Eine Tätigkeit ist als Beruf anzusehen, wenn sie nicht schlechthin von der Gemeinschaft als sozialschädlich betrachtet wird. 2. Eingriff - Allgemein: Ein Gesetz greift in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, wenn es das grundrechtlich geschützte Verhalten erschwert oder unmöglich macht. - Beispiel: Ein Gesetz macht die Ausübung eines bestimmten Berufes vom Bestehen einer Prüfung abhängig (Eingriff in Art. 12 I GG). Ein Gesetz verbietet die Verbreitung bestimmter Meinungen (Eingriff in Art. 5 I 1 GG). - Grundrechtseingriffe sind nicht per se verfassungswidrig. Sie sind gerechtfertigt, sind sie verfassungsgemäß. - Vom Vorliegen eines Grundrechtseingriffs kann nicht gleich auf dessen Verfassungswidrigkeit geschlossen werden (ein schlimmer Fehler!) 4
5 - Ein grundrechtsrelevanter Eingriff ist anzunehmen, wenn der Staat die Grundrechtsverkürzung beabsichtigt (finaler Grundrechtseingriff). - Gleiches gilt aber auch für nicht beabsichtigte, aber unmittelbare Grundrechtseingriffe. - Beispiel: - Ein Gesetz verbietet aus Gründen des Verbraucherschutzes, ein bestimmtes Produkt in den Verkehr zu bringen. Das Produkt verbietet damit zwar nicht die Herstellung dieses Produktes. Da aber eine Produktion ohne eine Verkaufsmöglichkeit in der Regel sinnlos ist, wirkt sich das Verkehrsverbot auch auf die durch Art. 12 I GG geschützte Produktion unmittelbar aus. - Merke: Grundrechtseingriffe sind sowohl von den bloßen Ausgestaltungen und Konkretisierungen als auch von den Regelungen abzugrenzen: - Um bloße Ausgestaltungen oder Konkretisierungen handelt es sich, wenn ein Gesetz die Inanspruchnahme eines Grundrechts erst möglich macht. Sie sind anders als Grundrechte ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung zulässig. - Beispiel: - Im Vereinsgesetz ist der Begriff des Vereins definiert. Im GmbH-Gesetz ist der Begriff der GmbH definiert. Ohne diese gesetzlichen Bestimmungen könnten keine Vereine und GmbH gegründet werden. Von Art. 9 I GG (Vereinigungsfreiheit) könnte insoweit nicht Gebrauch gemacht werden. - Um Regelungen handelt es sich, wenn der Staat durch ein Gesetz ein Grundrecht handhabbar macht, ohne den Grundrechtsschutz zu verkürzen: - Beispiel: - Das Kriegsdienstverweigerungsgesetz macht das Grundrecht des Art. 4 III 1 GG nur handhabbar, schränkt es nicht ein. - Eingriffe sind alle staatlichen Maßnahmen (insbesondere Gesetze), die gezielt eine berufliche Tätigkeit oder ein Verhalten, das zur Berufsausübung gehört, unterbinden oder erschweren. 5
6 - Kurz: Alle verbindlichen Vorgaben für das Ob und Wie einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder betreffend die freie Wahl der Ausbildungsstätte. 3. Rechtfertigung Seit dem Apotheker-Urteil bestimmt die Drei-Stufen-Theorie die Interpretation des Art. 12 GG. Die Stufentheorie setzt sich über die Unterscheidung zwischen der freien, nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegenden Berufswahl (Einschränkung unzulässig, Art. 12 I 1 GG) und der Berufsausübung (Einschränkung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig Art. 12 I 1 GG) hinweg. Die Begriffe Berufswahl und Berufsausübung lassen sich nicht so trennen, dass jeder von ihnen nur einen bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, die sich mit der anderen nicht überschnitte. Namentlich stellt die Aufnahme der Berufstätigkeit sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin sich äußernde Betätigung der Berufswahl. Ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe Berufswahl und Berufsausübung erfassen den einheitlichen Komplex berufliche Betätigung von verschiedenen Blickpunkten her. Daher liegt auch ein einheitliches Grundrecht vor. Infolgedessen erstreckt sich der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG auf den gesamten Anwendungsbereich. die Schranke des Art. 12 GG nicht nur auf die Berufsausübung bezieht (Art. 12 I 2 GG), sondern auch auf die Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte, also auch auf Art. 12 I 1 GG. KURZ: Weil die Berufsaufnahme oder aus anderer Sicht die Berufszulassung sowohl zur Berufswahl als auch zur Berufsausübung gehöre, sei Schutzgut des Grundrechts ein einheitlicher Komplex berufliche Betätigung. M.a.W.: Mit der Berufswahl beginnt die Berufsausübung und in der Berufsausübung wird die Berufswahl immer wieder neu bestätigt. Dann ist schon mit der Berufswahl auch die Berufsausübung gewährleistet und mit der Berufsausübung auch die Berufswahl vom Regelungsvorbehalt des Art. 12 I 2 GG betroffen. 6
7 - Seit der Apotheken-Entscheidung unterscheidet das BVerfG zwischen drei verschiedenen Arten (=Stufen) von Eingriffen. - Diese Unterscheidung beruht auf der Erkenntnis, dass es bei generalisierender Betrachtungsweise drei Arten von Eingriffen gibt, die sich in ihrer Belastungsintensität unterscheiden und für deren Zulässigkeit je nachdem, um welche Stufe es sich handelt unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten. - Oder anders ausgedrückt: Weil sich ein Eingriff in die Berufsausübung oder in die Berufswahl unterschiedlich stark auf den Betroffenen auswirken kann, wurde speziell für Art. 12 I GG ein eigener Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entwickelt (sog. Drei-Stufen-Theorie). Drei-Stufen-Theorie 1. Stufe Ausübungsregeln 2. Stufe subjektive Zulassungsregeln 3. Stufe objektive Zulassungsregeln B E R R U F Drei Stufen zunehmender Eingriffsintensität 1. Stufe. Berufsausübungsregelung Ausübungsregelungen müssen bei vernünftiger Betrachtungsweise zweckmäßig erscheinen. Dabei kann es mal um die Allgemeinheit gehen, der Gefahren oder Schäden drohen (hinreichende Gründe des Gemeinwohls), mal um den Berufsstand, der gesichert und gefördert werden soll. Es kann sich auch um ein gemeinschaftsnützliches Verhalten handeln (siehe Fall: Mineralölbevorratung). Es liegt keine direkte Einschränkung der Berufsfreiheit vor, da es sich hier um einen Eingriff in das Wie und nicht um das Ob der Berufswahl handelt. Es geht um Modalitäten der Berufsausübung. 7
8 Der Grundrechtsschutz besteht nur für den Fall, dass ein Eingriff eine übermäßige Belastung und Unzumutbarkeit darstellt. Beispiel: Talarzwang bei Rechtsanwälten (Würde des Gerichts, sich von der Allgemeinheit abzuheben, soll gewahrt sein) Ladenschlusszeiten (Arbeitnehmerschutz) Mitbestimmungsregelungen Werbeverbote für bestimmte Berufe oder Produkte Anforderungen an Verpackungs- und Lagerungshygiene etc. Nachtbackverbot für Bäcker: Schutzgut: - Gesundheit der Beschäftigten (Arbeitnehmerschutz) - bei Großbäckereien mit Schichtbetrieb: Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen handwerklichen Bäckereien. 2. Stufe: Subjektive Zulassungsbeschränkung An die persönlichen Eigenschaften dessen, der eine berufliche Tätigkeit aufnehmen will, wird ein bestimmtes Qualifikationserfordernis angeknüpft. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen sind nur dann zulässig, wenn die Ausübung des Berufs ohne die Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich oder unsachgemäß wäre und oder wenn sie Gefahren oder Schäden für die Allgemeinheit (Verletzung wichtiger Gemeinschaftsgüter) mit sich brächte. Ziel und Mittel dürfen nicht außer Verhältnis stehen: Die Einschränkung der Berufswahl darf zu dem Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen. Beispiel: Für die Zulassung zum Beruf des Rechtsanwalts benötigt man zwei juristische Staatsexamina. Merke: - Allerdings hat der Gesetzgeber bei der Auswahl und Bestimmung der wichtigen Gemeinschaftsgüter ein weites Ermessen. 8
9 - Fast alle vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls haben einen Bezug zu wichtigen Gemeinschaftsgütern: Beispiel: Leistungsfähigkeit des Handwerks Mittelstandsförderung Verkehrssicherheit Geordnete Steuerrechtspflege Persönliche Zuverlässigkeit und Integrität der Rechtsanwälte 3. Stufe: Objektive Zulassungsbeschränkung sind von den persönlichen Eigenschaften und Einflussmöglichkeiten des Einzelnen unabhängig. schwerste Einschränkung des Berufszugangs Eingriff ist nur zulässig, wenn die Regelung zur Abwehr (tatsächlich und nicht nur abstrakt) nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erforderlich ist und wenn das mildeste im Rahmen der Erforderlichkeit zumutbare Mittel gewählt wurde. Beispiel: - Volksgesundheit - Effektivität der Gesundheitsvorsorge - Sicherheit im Straßenverkehr - Geordneter Ausbildungsbetrieb an den Universitäten - Sicherung der Volksernährung - Reduzierung der Arbeitslosigkeit - Merke: Der Gesetzgeber kann bestimmen, was ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut ist (Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers) 9
10 Regelungen müssen stets auf der Stufe vorgenommen werden, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt. Die nächste Stufe darf der Gesetzgeber nur dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, dass die befürchteten Gefahren mit verfassungsmäßigen Mitteln der vorausgehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden können (BVerfGE 7, 377, Ls.6). Das die Berufsfreiheit einschränkende Gesetz muss verhältnismäßig sein bzw. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen (dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip). 3-Stufentheorie Was bedeutet freie Berufswahl i.s.d. Art. 12 GG? Der Staat muss sich an bestimmte Kriterien halten, anhand deren er die Berufszulassung einschränken kann oder nicht. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Eingriffen in Art. 12 I GG - Die Drei-Stufen-Theorie ist Ergebnis strikter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der sich als Leitregel allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ergibt und deshalb Verfassungsrang hat. - Stufenlehre (bezogen auf jede Stufe) bzw. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangen, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit: 1) einen legitimen Zweck 1 verfolgt; Ein Eingriff in ein Grundrecht muss mit sachgerechten Erwägungen des Gemeinwohls begründet werden. a) bezogen auf die Berufsausübungsregelung bedeutet dies, dass diese durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt sein muss. b) bezogen auf die subjektive Zulassungsbeschränkung bedeutet dies, dass sie dem Schutz (besonders) wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen muss, die det Freiheit des Einzelnen vorgehen. c) bezogen auf objektive Zulassungsbeschränkungen bedeutet dies, dass diese nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschftsgut zulässig ist 10
11 2) zur Erreichung des erstrebten Zwecks geeignet 2 und 3) erforderlich 3 Gibt es ein milderes Mittel, d.h. kann dasselbe Ergebnis nicht auch in einer weniger einschneidenden Weise auf einer weniger intensiven Regelungsstufe erreicht werden (unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen darf nur diejenige gewählt werden, die die geringst einschneidenden Folgen nach sich zieht). Die Maßnahme darf also nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (Übermaßverbot). 4) sowie für den Betroffenen zumutbar ist. Die Maßnahme muss angemessen sein (stimmiges Ziel-/Mittel-Verhältnis) (=Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) Das heißt: Der Zweck, dem der Eingriff dient, muss um so wertvoller sein, je intensiver der Eingriff auf der Regelungsstufe ist (es ist m.a.w. eine Güterabwägung vorzunehmen: Abwägung der Interessen des Einzelnen am Vorhandensein und der Ausübung des individuellen Rechts und dem Interesse der Gemeinschaft an der Beschränkung dieses Rechts). Bei der Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein, d.h. Zweck und Mittel dürfen nicht außer Verhältnis stehen. Probleme der 3-Stufen-Theorie Gefahr bei Berufsausübungsregelungen: Ein Eingriff in die Berufsausübung kann sich faktisch wie ein Eingriff in die Berufswahl auswirken. Die Auswirkungen einer Berufsausübungsregelung können so gravierend sein, dass sie im Ergebnis einer Einschränkung der freien Berufswahl gleichkommen. Das heißt: Werden Berufsmodalitäten so gewählt, dass bei einem Nichterfüllen die Weiterführung des Berufs verboten wird, liegt ein Eingriff in die Berufswahl vor, weil das Zugelassenbleiben im Beruf unmöglich gemacht wird. 1 Konkurrenzschutz z.b. ist kein legitimer Zweck. Es darf auch niemand an der Ausübung eines Berufes deshalb gehindert werden, weil zweifelhaft ist, ob er darin ein Auskommen finden wird. 2 geeignet = Zwecktauglichkeit der staatlichen Maßnahme (grundsätzlich kann der Staat unter mehreren Möglichkeiten zur Erreichung seiner Ziele wählen; die verfassungsrechtliche Kontrolle setzt erst ein, wenn von vornherein eine Maßnahme untauglich ist). 3 Die verfassungsrechtliche Kontrolle richtet sich auf eine nur relative Erforderlichkeit und nicht darauf, ob die Maßnahme überhaupt erforderlich (also notwendig) ist. 11
12 Beispiele: Ladenschlusszeiten für Warenautomaten: zwar nur Berufsausübungsregelung, aber trotzdem sehr starker Eingriff, da Automatengeschäft nur bei ganztätigem (nächtlichem) Betrieb rentabel ist. Apothekenfall Nur der Wettbewerb entscheidet, ab wann eine Apotheke rentabel arbeitet. Die Zahl für das Einzugsgebiet ist willkürlich. Die 3-Stufen-Theorie ist keine Theorie im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern eine juristische Plausibilitätsüberlegung. Der Staat muss im Rahmen des Angemessenen Zugang zu den freien Berufen offen halten. Pro: objektive Zulassungsbeschränkung: Materielle Sicherheit als Voraussetzung dafür, dass der Apotheker nicht am Rande der Legalität arbeitet (Volksgesundheit als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut). freie Konkurrenz führt zu Vernachlässigung der gesetzlichen Verpflichtungen leichtfertiger Medikamentenverkauf verführerische Medikamentenwerbung schädliche Tablettensucht Contra: Konkurrenzschutz für bereits bestehende Apotheken? keine Gefahr für Volksgesundheit wegen Konkurrenzdrucks! staatliche Kontrolle der Medikamentenherstellung Beschränkungen der freien Werbung und des freien Verkaufs 12
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