Peter Bartelheimer Für eine andere Grundsicherung Probleme und Gestaltungsfragen
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- Christoph Lenz
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1 Peter Bartelheimer Für eine andere Grundsicherung Probleme und Gestaltungsfragen Diskussionsveranstaltung «Grundeinkommen für alle» Göttingen, 6. März 2007
2 Warum wir eine andere Grundsicherung brauchen Problemfelder Unsichere Erwerbsbeteiligung kein Fall für die Versicherung Leistungen der Arbeitsmarktpolitik gespalten in zwei Rechtskreise Niedriglöhne nicht existenzsichernd Familienunterhalt umstritten Regelsätze sichern soziokulturelles Existenzminimum nicht
3 Unsichere Erwerbsbeteiligung kein Fall für die Versicherung Segmentierung des Beschäftigungssystems Sichere Beschäftigung In fünf Jahren durchgängig sv-beschäftigt (48% / 54%) davon: In fünf Jahren durchgängig in einem Betrieb (38% / 49%) Unterbrochene Beschäftigung In fünf Jahren zu mehr als 50% sv-beschäftigt (23% / 17%) Unsichere Erwerbsbeteiligung In fünf Jahren weniger als 50% sv-beschäftigt (20% / 19%) weitere 4% / 5% ohne Meldung im aktuellen Jahr Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt In fünf Jahren nie (< 3%) sv-beschäftigt (9% / 11%) weitere 14% / 17% ohne Meldung im aktuellen Jahr (Zahlen für Westdeutschland, 2004, Männer / Frauen, Personen mit Meldungen bei der Bundesagentur für Arbeit Berechnung: H. Alda)
4 Leistungen der Arbeitsmarktpolitik gespalten in zwei Rechtskreise 3/4 der Lohnersatzleistungen entfallen auf Grundsicherung 02/2007 Alg 1,4 Mio (21,3%), Alg II 5,2 Mio (78,3%) 2/3 der Arbeitslosen entfallen auf Grundsicherung 02/2007 SGB III 1,6 Mio. (37,3%), SGB II 2,6 Mio (62,7%) durchschnittliche Dauer 12/2006: SGB III 51 Wochen, SGB II 85 Verschärfte Zumutbarkeit nach SGB II: Alg II keine «Suchhilfe» Sonderinstrumente für Alg-II-Bezieher/innen überwiegen 02/2007 entfielen 57,8% aller Zugänge in Maßnahmen auf Arbeitsgelegenheiten, Einstiegsgeld, sonstige ( 16 Abs. 2 SGB III) Zugänge aus SGB II: Vermittlung durch Dritte: 40,4%, FbW 40,8%, geförderte Existenzgründung: 29,0%
5 Niedriglöhne nicht existenzsichernd, Grundsicherung als «Erwerbsfürsorge» Zusammensetzung verfügbarer Haushaltseinkommen Nettolöhne, -gehälter: ,1%, 2005: 40,9% Sozialtransfers: ,3%, 2005: 26,4% Niedriglohnbeschäftigte in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit 2004: 18,4% (3,6 Mio.), statistische Schwelle ( 9,78 Std.) ALG II als flächendeckender «Kombilohn» 19,3% der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (1,1 Mio.) beschäftigt darunter 10,0% (0,55 Mio.) sozialversicherungspflichtig (05/2006) Nichtinanspruchnahme ALG II («verdeckte Armut«), Erwerbstätige geschätzt 2006: 1,89 Erwerbstätige, 0,91 Mio. Kinder (<15J.) Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit und Alg-II-Bezug 41,5% der Arbeitslosen mit Alg II waren in den letzten drei Jahren svbeschäftigt, weitere 4,8% geringfügig 12/2005: 31,7% der Zugänge (BG) waren im lfd. Jahr bereits im Bezug
6 Familienunterhalt umstritten «Bedarfsgemeinschaft» (BG) im SGB II Familie als kollektiver Adressat des»forderns«wer wird aktiviert? Lohnabstandsgebot ( 28 Abs. 4 SGB XII) für Familienernährer Änderungen 2006: Unterhaltspflicht für Kinder u25 im Haushalt, Auszug nur mit Genehmigung; eheähnliche Gemeinschaft als BG BG nach Erwerbsfähigen und Familientyp (10/2006) In 32,1% der BG leben zwei oder mehr Erwerbsfähige 27,0% der BG sind Paarhaushalte (darunter 17,5% mit Kindern) Bei 5,7% der BG änderte sich in 2005 die Zusammensetzung Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen (u25) mit Alg II lebt im Haushalt der Eltern
7 Regelsätze sichern soziokulturelles Existenzminimum nicht Steigendes Risiko relativer Einkommensarmut 2. Armuts- und Reichtumsbericht: 2003 West 12,2 %, Ost 19,3% Verschlechterte relative Einkommensposition (Sozialhilfe <50%) Ersetzung der Arbeitslosenhilfe durch Alg II 34,7% Verlierer trotz Alg II, 19,6% Verlierer ohne Alg-II-Anspruch Pauschalierung einmaliger Leistungen zu Durchschnittssätzen Erhöhung des Eckregelsatzes um ca. 17% (West) Keine Regelsatzerhöhung bis 2008 DPWV-Expertise: Erhöhung des Eckregelsatzes von 345 auf 415 Tatsächliche Leistungen unterschreiten Existenzminimum, insbesondere Nicht anerkannte Wohnkosten (12,7%), Nebenkosten, Heizkosten (54,7%) Sanktionen, Rückzahlungen, Aufrechnungen unterbrochener Kindergeldbezug
8 Substanzverlust sozialer Rechte in der «Erwerbsfürsorge««Ich bin Hartz IV» Erwerbsfürsorge am Rand sozialstaatlicher Normalität Individuelle Defizite, «richtiges» Verhalten als Leistungsvoraussetzung Adressat/inn/en als Objekte der Aktivierung Indienstnahme der Grundsicherung für andere Ziele Grundsicherung nicht als soziales Recht abhängig von Gegenleistung Existenzsicherung wird ökonomisiert («Fehlanreiz vermeiden») Pflicht zur Arbeitsaufnahme»teilhabeverzehrende«Arbeit Versicherung oder Fürsorge zu schmales Sozialrechts-»Repertoire«Versicherung als Maßstab sozialer Rechte im deutschen Modell Arbeitsmarktpolitik zählt nicht als Aufgabe sozialen Ausgleichs
9 Warum wir eine andere Grundsicherung brauchen vier Gestaltungsfelder Niveau, Sicherheit des Leistungsanspruchs Ableitung der Regelsätze (des Existenzminimums)? Grad der Individualisierung, Grenzen der Pauschalierung? Trägerschaft, institutionelle Ausgestaltung Eigenes Leistungssystem? Wenn ja: Fünf Systeme oder eins? Alternativ: Integration in Sozialversicherungen? Ins Steuersystem? Leistungsvoraussetzungen Bedürftigkeitsprüfung, Einkommensanrechnung, Schonvermögen) Individueller Anspruch, Unterhaltsregelungen Verhältnis zum Erwerbssystem Erwerbsstatus? Zugang zu Arbeitsförderung Erwerbseinkommen vorrangig / nachrangig? Anrechnungsregel («Transferentzug»); Begrenzung der Lohnergänzungsfunktion (»Kombilohn«) durch (individuell) existenzsichernden Mindestlohn
10 Das Recht auf bedarfsgerechte Grundsicherung ist ein Minimalziel sozialer Sicherung im Umbruch von Sozialmodell und Erwerbsgesellschaft... respektiert die unterschiedlichen Aufgaben von sozialer Sicherung und Arbeitsmarktpolitik... bedarf als Teil emanzipatorischer Politik passender Initiativen im Beschäftigungssystem insbesondere Mindestlohn, Beschäftigungsalternativen
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