Eingriffe in die Ernährungsautonomie von Familien zur Bekämpfung der Adipositas-Epidemie bei Kindern. Friedrich Schorb Universität Bremen
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- Jacob Lichtenberg
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1 Eingriffe in die Ernährungsautonomie von Familien zur Bekämpfung der Adipositas-Epidemie bei Kindern Friedrich Schorb Universität Bremen
2 Gliederung Was ist Adipositas Die Adipositas-Epidemie Adipositas-Prävention bei Kindern Eingriffe in die Ernährungsautonomie von Familien Diskussion
3 Was ist Adipositas? Risikofaktor? Krankheit? Epidemie? Abweichendes Verhalten? Essstörung? Suchterkrankung? Gendefekt/Behinderung? Ästhetisches Phänomen?
4 Die Adipositas-Epidemie Die Bäuche haben sich in unseren Alltag gedrängt. Inzwischen verursacht die Fehlernährung mehr als 70 Milliarden Euro Folgekosten im Jahr. Was wäre wohl los, wenn ein Virus oder eine Tierkrankheit derartige Schäden anrichtete? (Künast 2004: 17)
5
6 Die Adipositas-Epidemie In dem Moment wo sie entdeckt wurde (Ende der 1990er Jahre) war die Adipositas-Epidemie schon wieder vorbei. In den meisten Industriestaaten ist der Anteil der adipösen Kinder und Jugendlichen seit der Jahrtausendwende nicht mehr signifikant angestiegen. In einigen Ländern wie der Schweiz ist er sogar rückläufig.
7 Übergewicht und Adipositas bei Schulanfängern in Deutschland (vgl. Moss et al. 2012)
8 Übergewicht und Adipositas bei Schweizer Kindern (vgl. Aeberli et al. 2010)
9 Epigenetisches Training Wichtig ist zu wissen, dass es sensible Phasen im Leben gibt, in denen die Epigenome besonders empfindlich auf äußere Reize reagieren. Die Zeit im Mutterleib und nach der Geburt sind solche Phasen. Schwangere sollten deshalb Zeit für genügend Schlaf und den Abbau ungesunden Dauerstress haben. Sie sollte niemals Alkohol trinken, sogar mit Kaffee oder Tee zurückhaltend sein, besonders viel frisches Obst und Gemüse und auch sonst sehr abwechslungsreich essen und sich frühzeitig auf Schwangerschaftsdiabetes testen lassen. ( ) Und beide Eltern sollten darauf achten, dass ihre Kinder nicht bereits in jungen Jahren übergewichtig werden. Natürlich sind auch dann die möglichst lange, gute Gesundheit sowie die ausgeglichene, einnehmende Persönlichkeit, nicht garantiert. Aber die Wahrscheinlichkeit, beides zu erlangen, steigt. (Spork 2009: 262)
10 Epigenetisches Training Wir entscheiden nun mal zu einem Großteil selbst darüber, in welcher Umwelt wir leben. Damit meine ich nicht, wie wohlhabend wir sind oder in welchem Stadtviertel wir aufwachsen. Es geht umso triviale Dinge wie: ob wir unsere Freizeit immer nur vor dem Fernseher und beim Brunchen und Kuchenessen verbringen oder häufig spazieren gehen und gesunde Mahlzeiten aus frischen hochwertigen Lebensmitteln zubereiten; ob wir uns Zeit für ausreichend Schlaf und Entspannung sowie für unsere un- oder neugeborenen Kinder nehmen oder rund um die Uhr schuften. (Spork 2009: 262)
11 Prävention Für die Politik sind auch bei sozial schwachen und Migrantenfamilien die Kinder nach meiner Meinung der entscheidende Schlüssel beim Kampf gegen die Volkskrankheit Adipositas. Die Zeiten, in denen Kleinkinder und Kinder geprägt werden in ihrem Geschmack, ihren Gewohnheiten und ihrem Lebensstil, sind am erfolgsversprechenden. Kinder jedoch bedürfen ab den ersten Jahren einer Anleitung (Künast 2004: 222).
12 Eingriffe in die Ernährungsautonomie von Familien Soziale Problem werden zu familiären Problemen umgedeutet. Keine Diskussion über Ernährungsarmut und unzureichende Hartz IV- Sätze etc., oder über ein qualitativ hochwertiges kostenloses Schulessen, stattdessen Diskussionen über mangelndes Ernährungswissen und mangelnde Compliance der Eltern. Fragen der medizinischen Compliance werden zur rechtlichen Frage nach Kindeswohlmissbrauchs umgedeutet Folge: Sorgerechtsentzug für stark adipöse Kinder
13 Kollateralschäden - Laut den Daten des KiGGS fühlt sich die Hälfte der Mädchen im Alter von elf bis 17 Jahren entweder ein bisschen zu dick oder sogar viel zu dick. Bei den Jungen sind es 35,5 Prozent. - Health Behaviour in School Children (HBSC 2012): 30 Prozent der normalgewichtigen Jungen und 50 Prozent der normalgewichtigen Mädchen empfinden sich als zu dick. - BM Kurth im SPIEGEL 2008: Dicke Kinder kommen oft aus dicken Familien, die in der Nachbarschaft dicker Familien leben. Die haben eine Familienkultur, die für die Psyche gar nicht schlecht ist
14 Diskussion Die komplexen Ursachen von Adipositas werden eingedampft auf den Faktor Ernährung (mit großem Abstand zum Faktor Bewegung) Die gesundheitlichen Folgen von Übergewicht werden zwangsläufig als negativ dargestellt. Die gesellschaftliche Stigmatisierung wird als Folge des Körpergewichts verstanden. Anstrengungen zum Abbau der Diskriminierung anders als bei anderen marginalisierten Gruppen daher gar nicht erst unternommen. Die Familien werden einseitig in die Verantwortung für das Gewicht und die Gesundheit ihrer Kinder genommen.
15 Diskussion Normativität und Public Health Im Namen der Gesundheit wird das westliche Schönheitsideal zum einzig gültigen Schönheitsideal erklärt Im Namen der Gesundheit wird eine eurozentrierte und mittelschichtsorientierte Ernährungsweise zur einzig legitimen Ernährungsweise erklärt. Im Namen der Gesundheit werden dicke Körper stigmatisiert und pathologisiert.
16 Literatur Aeberli, I. (2010): Decrease in the prevalence of paediatric adiposity in Switzerland from 2002 to In: Public Health Nutrition 13(6): Künast, R (2004): Die Dickmacher. Warum die Deutschen immer fetter werden und was wir dagegen tun müssen. München Kurth, B-M. /Ellert, U. (2008): Gefühltes oder tatsächliches Übergewicht: Worunter leiden Jugendliche mehr? In: Deutsches Ärzteblatt 105(23): Moss, A. et al. (2012): Declining prevalence rates for overweight and obesity in German children starting school. In: Eur J Pediatr 171: Schorb, F. (2009): Dick, Doof und Arm? Die große Lüge vom Übergewicht und wer von ihr profitiert. München Spork, P. (2009): Der zweite Code: EPIGENETIK oder: Wie wir unser Erbgut steuern können. Berlin Zwick, M. (2011): Die Ursachen der Adipositas im Kindes- und Jugendalter in der modernen Gesellschaft. In: Zwick, M./Deuschle, J./Renn, O. (Hrsg.) Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Wiesbaden: 71-90
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