Computer und Internet erobern die Kindheit
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- Vincent Frank
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1 Jan Frölich Gerd Lehmkuhl Computer und Internet erobern die Kindheit Vom normalen Spielverhalten bis zur Sucht und deren Behandlung
2 1.2 Das Internet als Kommunikations-, Unterhaltungs- und Informationsmedium 5 Flucht aus dem Alltag Hierdurch wird noch ein anderes, gerade für die Entstehung eines Spielsuchtverhaltens wichtiges Phänomen angesprochen: Das gegenüber nichtmedialen Freizeitaktivitäten stärkere Eintauchen in eine F antasiewelt erleichtert eine Flucht aus den in der Realität bestehenden Alltagssorgen oder Problemen (Eskapismus) (Grodal 2000; S chlütz 2002). G erade der zuletzt g enannte Effekt verdeutlicht, dass C omputerspielaktivitäten eine hohe stimmungsregulatorische Funktion zukommt. Die Mood-Management-Theorie formuliert, dass Computerspiele dazu genutzt werden, um positive wie negative Stimmungen regulieren zu können. Zielsetzung ist es dabei, einen möglichst angenehmen emotionalen Zustand herzustellen (Zillmann 1988). 1.2 Das Internet als Kommunikations-, Unterhaltungsund Informationsmedium für die Generation Web 2.0 Betrachtet man die Internetnutzung, ohne auf Computerspiele zu fokussieren, verändert sich das Altersspektrum in den Jugendbereich hinein und es können andere Motive identifiziert werden. Tabelle 1-2 zeigt exemplarisch die Verschiebung der Mediennutzung bei Onlinenutzern ab 14 n an. Auch hier ist aber gegenüber den letzten n schon wieder eine neue Entwicklung zu erkennen. Zunehmend übernimmt neben dem festen Internetanschluss zu Hause oder sogar im eigenen Zimmer das Handy diese Funktion. Damit geht eine zusätzliche Ausweitung der Nutzungszeiten und -möglichkeiten einher. Tab. 1-2: Durchschnittliche Nutzungsdauer von Fernsehen, Radio und Internet (Personen ab 14 n, in min/tag) Nutzungsdauer Fernsehen (Mo So) Hörfunk (Mo So)² Internet (Mo So)³ Quelle: van Eimeren und Frees AGF/GfK: jeweils 1. Halbjahr. 2 MA 2000, MA 2001/I, MA 2002/I, ma 2003/I, ma 2004/I, ma 2005/I, ma 2005/II, ma 2006/II, ma /II, ma /I, ma 2009/I, ma 2010/I. 3 ARD/ZDF-Onlinestudien ; eigene Angaben der Nutzer
3 6 1 Bedeutung von Computerspielen und Internetnutzung für Kinder und Jugendliche Darüber hinaus lässt sich eine weitere Veränderung in der Motivation von Jugendlichen, das Internet zu nutzen, feststellen. Diese Entwicklung ist mit dem Begriff Web 2.0 verbunden. Zu Beginn des Internetzeitalters im Web 1.0 bestand das Netz im Wesentlichen aus einem Sender, der seine Botschaften über statische Internetseiten und Links an definierte Empfänger richtete. Der Empfänger war damit passiver Internetnutzer. Im Web 2.0 wird er dagegen zugleich zum Sender und auf diese Weise zum aktiven, kreativ gestaltenden Internetnutzer. Selbstdarstellung Das Internet ist, vor allem bei Jugendlichen, zu einem der wichtigsten Kommunikationsmedien geworden (s. Abb. 1-1). Bereits in der JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Media; mpfs a) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest beteiligte sich ein Viertel der Jugendlichen aktiv am Web 2.0 und produzierte mehrmals in der Woche eigene Inhalte. Dies geschah entweder durch das Ein stellen von Bildern, Videos oder Musikdateien oder durch das Verfassen von Beiträgen in Blogs oder Newsgroups. Bevölkerung insgesamt Es tauschen sich mindestens mehrmals in der Woche* mit anderen privat über das Internet aus Es tauschen sich mit anderen ausführlich und intensiv online aus 37 % täglich, fast täglich mehrmals in der Woche 6 10 insgesamt Alter () *= mehrmals täglich, täglich, fast täglich oder mehrmals in der Woche Abb. 1-1: Die Häufigkeit von Onlinekommunikation ist stark altersabhängig. Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 14 (Institut für Demoskopie Allensbach 2010)
4 1.2 Das Internet als Kommunikations-, Unterhaltungs- und Informationsmedium 7 Das Web 2.0 erlaubt somit in zunehmendem Maße neben der Nutzung von s und Instant Messaging die Selbstdarstellung des Jugendlichen in Online-Communitys oder sozialen Netzwerken wie schülervz oder Facebook. Tabelle 1-3 veranschaulicht eindrücklich, wie stark allein innerhalb eines s die Web-2.0-Nutzung bei Jugendlichen und Erwachsenen zugenommen hat. Identitätsbildung und -gestaltung Tab. 1-3: Web 2.0: Gelegentliche und regelmäßige Nutzung (%) Gelegentlich selten) Gelegentlich selten) Regelmäßig wöchentlich) Diese Form der Identitätsbildung und -gestaltung spielt natürlich gerade im Jugendalter entwicklungspsychologisch eine herausgehobene Rolle. Das Auftreten in Internetforen wird hierfür in zunehmendem Maß genutzt, und zwar auch zur Herausbildung fiktiver Onlineidentitäten, der sogenannten Second Lifes. Jugendliche können also mittlerweile mehrere Identitäten entwickeln, vereinfacht gesagt eine reale Identität und eine o der mehrere, parallel existierende Onlineidentitäten. Jan-Hinrik Schmidt et al. vom Hans-Bredow-Institut formulieren aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen für die L andesanstalt für Medien Nord- Videoportale (z.b. YouTube) Wikipedia Fotosammlungen, Communitys Lesezeichensammlungen berufliche Netzwerke und Communitys private Netzwerke und Communitys Weblog virtuelle Spielewelten Basis: Onlinenutzer ab 14 n in Deutschland (: n = 1142, : n = 1186). Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudien, zit. n. Fisch et al. Regelmäßig wöchentlich)
5 8 1 Bedeutung von Computerspielen und Internetnutzung für Kinder und Jugendliche rhein-westfalen (2009) die Hypothese, dass es f ür Jugendliche, die sich in einer Gesellschaft mit hohem Individualisierungsanspruch sozialisieren, schwierig ist zu einem stabilen Selbstkonzept zu gelangen. Aufwachsen heute bedeute auch, mit Identitäten zu spielen. Die Anwendungen des Web 2.0 halten in der Tat auf verschiedenen Ebenen symbolische wie reale Spielräume hierfür bereit. Anerkennung Viele Jugendliche verbinden anscheinend mit der aktiven Web-Gestaltung auch das Bedürfnis nach Anerkennung in derselben Nutzergruppe. Auch ist ihnen offenbar wichtig, etwas Kreatives selbst zu gestalten, wozu das Internet mannigfaltige Möglichkeiten bietet. Erfüllt sich dieser Wunsch, wird hieraus ein Erfolgsgefühl, welches sich zu Spaß weiterentwickelt. Besonders schulisch höher gebildete und engagierte Jugendliche erweisen sich in dieser Hinsicht als besonders kreativ. Dabei wird fast immer im vorgegebenen Rahmen gehandelt (z.b. Videos in YouTube stellen). Seltener werden dagegen wirklich innovative Umgangsweisen entwickelt (Schmidt et al. 2009). Tabelle 1-4 zeigt, dass gerade in der Altersgruppe der 14- b is 19-Jährigen ein hohes Interesse gegenüber den anderen Altersgruppen besteht, aktiv Beiträge zu verfassen und in das Internet zu stellen. Interpersonelle Kommunikation Eine weitere wichtige Motivation für die Nutzung der Online-Kommunikation stellt mit Sicherheit die Erleic hterung der interpersonellen Kommunikation dar, die mit einer Absenkung von Schamgrenzen im Rahmen dieses Mediums Tab. 1-4: Interesse an der Möglichkeit, aktiv Beiträge zu verfassen und ins Internet zu stellen, 2006 (%) 2006 gesamt gesamt gesamt Frauen Männer sehr etwas weniger gar nicht Basis: Onlinenutzer ab 14 n in Deutschland (: n = 1186, : n = 1142, 2006 n = 1084). Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudien 2006, zit. n. Fisch et al.
6 1.2 Das Internet als Kommunikations-, Unterhaltungs- und Informationsmedium 9 einhergeht. Es fällt leichter, persönliche Botschaften und Informationen über das Internet zu kommunizieren, weil kein direkter, persönlicher Kontakt zum Adressaten besteht und a uch die Re aktion zeitverzögert erfolgt. Über Second-Life- Identitäten ist es s ogar möglich, anonym zu kommunizieren, wodurch sich die Schamgrenzen nochmals verringern können. So legen gegenüber Erwachsenen weniger als die Hälfte der Jugendlichen Wert darauf, ihr Gegenüber im direkten Augenkontakt vor sich zu ha ben. Ein Dr ittel der 14- b is 17-Jährigen begrüßt umgekehrt die M öglichkeit der a nonymen Internetkommunikation und sieh t keinen Unterschied mehr zwis chen persönlicher Unterhaltung und Austausch durch oder Instant Messaging (mpfs 2009). Aus Tabelle 1-5 und Abbildung 1-2 wird ersichtlich, welch große Rolle soziale Netzwerkverbindungen für Jugendliche spielen. Für Jugendliche hat diese Form der Verbindung und des A ustausches mit Gleichaltrigen nichts Anonymes, Oberflächliches an sich, wie es die gr oße Mehrheit der äl teren Erwachsenen wahrnimmt. Im Gegenteil bejaht bereits ein Drittel der 14- bis 17-Jährigen die Aussage: Das Internet gibt mir das G efühl nicht allein zu s ein, wie a us der Gesprächskultur -Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (2010) hervorgeht. Diese repräsentative Untersuchung zur Nutzung und B ewertung von Onlinekommunikation bei Jugendlichen und Er wachsenen belegt aber auch, dass den Nutzern überwiegend der Unterschied zwischen echten und virtuellen Freunden klar ist. Die I nternetplattformen werden im Wesentlichen dazu g e- nutzt, um bereits bestehende Kontakte aufrechtzuerhalten oder zu intensivieren. Auch für Jugendliche ist der r eale Kontakt weiterhin unerlässlich, um Freundschaften aufzubauen. Tab. 1-5: Mindestens einmal wöchentliche Nutzung von , Chat, Foren, Instant Messaging (%) Gesamt Frauen Männer s senden oder empfangen an Gesprächsforen bzw. Newsgroups teilnehmen oder chatten Instant Messaging, z.b. mit ICQ, MSN, Skype Basis: Onlinenutzer ab 14 n in Deutschland (: n = 1186). Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudie, zit. n. Fisch et al.
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