Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
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- Sabine Baumgartner
- vor 7 Jahren
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1 Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Hörstörungen zählen in unserem Fachgebiet zu den häufigsten Krankheitsbildern und sind angesichts der großen Zahl betroffener Patienten und der überragenden Bedeutung des Gehörsinns für das soziale Zusammenleben von großer Relevanz. Aus diesem Grund haben wir die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters thematisch der Rehabilitation von Hörstörungen gewidmet. Insbesondere möchten wir Sie über Neuerungen auf dem Gebiet der Knochenleitungshörgeräte sowie der implantierbaren Hörsysteme und des Cochlea-Implantates informieren. Zur Zeit werden zu dem Thema Hörstörungen und Tinnitus auch einige Studien in unserer Klinik durchgeführt, die ich Ihnen ebenfalls vorstellen möchte. Neben den fachlichen Informationen möchte ich Sie über einige Neuerungen in der HNO-Klinik der Universitätsmedizin Göttingen informieren. Zusätzlich zur medizinischen Versorgung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen haben wir einen hohen Anspruch an die ganzheitliche persönliche und individuelle ärztliche Betreuung unserer Patienten. Hierzu haben wir unser Team auf Oberarztund Assistenten-Ebene verstärkt. Weitere wichtige Ereignisse und Entwicklungen haben wir Ihnen im aktuellen Newsletter übersichtlich zusammengestellt. Ich wünsche Ihnen eine anregende und spannende Lektüre. Ihr Professor Dr. Martin Canis HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 1
2 Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Wir freuen uns über personellen Zuwachs in unserer Abteilung und möchten Ihnen hiermit vier neue Kollegen vorstellen Dr. med. Christian Welz Oberarzt Herr Welz ist seit Mai neuer Oberarzt an unserer Klinik. Er absolvierte sein Studium an der LMU-München und war bis zuletzt als Facharzt am Klinikum der Universität München Großhadern tätig. Klinisch liegt sein Schwerpunkt in der Onkologie sowie der rekonstruktiven Chirurgie mit freien mikrovaskulären und gestielten Gewebetransplantaten. Durch die Übernahme der Tumorsprechstunde wird Herr Welz noch besser auf die speziellen Anforderungen sowohl in der Behandlung als auch in der Vor- bzw. Nachsorge unserer Tumorpatienten eingehen. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit der Karzinogenese und der Therapie von Kopf-Hals-Karzinomen, sowie der Infektiologie im Fachgebiet. Im speziellen werden von ihm die Wirksamkeit und Anwendungsmöglichkeiten der kalten atmosphärischen Plasmatechnologie in der HNO untersucht. Dr. med. Matthias Weidenmüller Assistenzarzt Herr Weidenmüller begann seine ärztliche Tätigkeit 2010 im Krankenhaus NeuBethlehem als Assistenzarzt in der allgemein- und gefäßchirurgischen Belegarztpraxis Dres. Loweg und Kollegen. Daran schloss sich eine dreijährige Weiterbildung als Assistenzarzt in der HNO-Klinik am städtischen Klinikum Kassel (Gesundheit Nordhessen Holding) unter Frau Prof. Dr. med. U. Bockmühl an. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigte sich Herr Weidenmüller mit dem Thema kathodale transkranielle Gleichstromstimulation bei Gitarristen mit fokaler Dystonie. Dies war eine Zusammenarbeit aus der hiesigen Abteilung für klinische Neurophysiologie (Prof. Dr. med. W. Paulus) und dem Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin (Prof. Dr. med. E. Altenmüller) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit Juni 2014 bereichert er das Team der Phoniatrie und Pädaudiologie. Dr. Iliya Botev Assistenzarzt Herr Botev ist seit Mai 2014 Mitglied des HNO-Teams. Sein Studium absolvierte er an der Universität in Sofia, Bulgarien, und begann dort 2007 seine Laufbahn als Assistenzarzt und Doktorand. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im Bereich der Immunologie der Tonsillen. Im Fokus seines klinischen Interesses stehen die schlafbezogene Atmungsstörung sowie die Behandlung von Tumorerkrankungen im HNO-Bereich. Julica Luger Assistenzärztin Frau Luger ist seit Juli 2014 unsere neueste Assistenzärztin. Zunächst begann sie ihr Medizinstudium in Szeged, Ungarn, und wechselte nach dem ersten Staatsexamen an die Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Im Dezember 2013 beendete sie erfolgreich ihr Studium mit dem Zweiten Staatsexamen. Frau Luger freut sich auf die lehrreiche und interessante Tätigkeit in der HNO-Heilkunde. HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 2
3 Die Phoniatrie und Pädaudiologie hat neue Gesichter Im Sekretariat nimmt nun Frau Carola Wallmann Ihre Anmeldungen entgegen. Das Telefon ist hierfür unverändert von 08:00 bis 12:30 Uhr und 14:00 bis 15:30 Uhr (Freitag bis 14:30 Uhr) unter der Nummer besetzt. Frau Daniela Raschke verstärkt seit kurzem unser Logopädinnen-Team. Seit Mai 2014 ist Herr Dr. med. Matthias Weidenmüller unser neuer ärztlicher Mitarbeiter. Wir sind weiterhin für Ihre großen und kleinen Patienten mit Schluck-, Sprech-, Sprach- und Stimmstörungen zur erweiterten Diagnostik sowohl im Rahmen der ambulanten als auch der stationären Versorgung zuständig. Gleiches gilt für Kinder mit Hörstörungen. Aufgrund der Entwicklungen in unserer HNO-Klinik hat sich hier in den letzten Jahren das Versorgungsspektrum von Hörgeräten um das Cochlea Implantat und alle anderen implantierbaren Systeme (BAHA, Mittelohrimplantate) erweitert. Die Erweiterung und Spezialisierung der Diagnostiken und Versorgungen hat die Einrichtung von Spezialsprechstunden sinnvoll gemacht: Mittwoch: Dysphagie-Sprechstunde inklusive endoskopischer Schluckdiagnostik (FEES) Donnerstag: Prämedikations-Sprechstunde (Phonochirurgie, Narkose-BERA) Freitag: Audiologisch-pädaudiologische Sprechstunde für apparative Versorgungen und Überprüfungen (Hörgeräte, Implantate). Besonders wichtig ist uns eine patientenorientierte Terminplanung, telefonische Erreichbarkeit und eine Minimierung der Wartezeiten. Für Anregungen und Fragen stehen wir jederzeit zur Verfügung. PD Dr. med. Arno Olthoff Leiter der Phoniatrie und Pädaudiologie Rehabilitation von Hörstörungen Versorgung mit knochenverankerten Hörgeräten Knochenleitungshörgeräte ermöglichen eine Hörgeräteversorgung unabhängig vom Schallleitungsapparat. Anders als konventionelle Hörgeräte geben sie ihr Signal nicht über einen Lautsprecher in den Gehörgang ab, sondern wandeln dieses in Schwingungen um, die auf den Schädel des Patienten übertragen werden. Hier erreichen sie in Form von Körperschall die Cochlea. Für eine gute Übertragung ist entweder ein möglichst hoher Anpressdruck des Knochenleitungshörgerätes an den Schädel (über ein Stirnband, einen Kopfbügel bzw. eine spezielle Brille) oder eine direkte Ankopplung an die Kalotte durch Verwendung eines implantierten Knochenankers (bone anchered hearing aid, BAHA, Fa. Cochlear und Oticon Medical) oder Implantation des Schwingers selber in das Mastoid (Bonebridge, Fa. MED-EL) notwendig. Während Knochenleitungshörgeräte per Stirnband, Kopfbügel oder Knochenleitungsbrille ohne Operation verwendet und auch getestet werden können, ist beim BAHA und der Bonebridge zuvor ein kleiner operativer Eingriff erforderlich. Hierdurch erhöht sich jedoch nicht nur der Tragekomfort sondern vor allem die Qualität der Übertragung und somit das audiologische Ergebnis. HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 3
4 BAHAs wurden seit der ersten Versorgung im Jahr 1977 weltweit tausendfach erfolgreich eingesetzt. Seit 2001 können Kleinkinder ihren Prozessor über ein elastisches Stirnband tragen, bevor sie im Vorschulalter implantiert werden und seit 2002 sind BAHAs in den USA zur Versorgung bei einseitiger Ertaubung zugelassen. In den vergangenen Jahren hat eine rasche Entwicklung sowohl bei den BAHA- Audioprozessoren als auch bei den Titan- Implantaten und der OP-Technik stattgefunden. Durch eine Hydroxylapatit-Beschichtung der Schnappkupplung kann bei der BAHA- Chirurgie seit kurzem auf eine Resektion von subkutanem Gewebe und auf die Durchführung einer Spalthautplastik verzichtet werden, so dass die Implantation in der Regel in örtlicher Betäubung und in weniger als 30 Minuten durchgeführt werden kann. Neuerdings steht in Form des BAHA-Attract-Systems auch ein Magnet-verankertes BAHA zur Verfügung. Hier wird auf dem herkömmlichen Titan-Implantat keine Schnappkupplung, sondern eine magnetische Platte befestigt und die Haut darüber verschlossen. Als Gegenstück kommt auch am BAHA-Prozessor eine Magnetplatte zur Anwendung. Bei der 2012 eingeführten Bonebridge (Fa. MED-EL) handelt es sich um ein aktives Knochenleitungs-Implantatsystem. Hier wird, von außen unsichtbar, der Schwinger selber über zwei Schrauben im Mastoid verankert. Sowohl das Signal als auch die notwendige Energie werden drahtlos über eine Spule vom äußeren Prozessor auf das Implantat übertragen. Eine Verwendung des Systems ist bereits mit Abschluss der Wundheilung ca. 14 Tage nach dem Eingriff möglich. Seit 2014 ist die Bonebridge auch für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. In unserer Klinik erfolgt eine routinemäßige Versorgung mit knochenverankerten Hörgeräten sowohl in Form der Bonebridge als auch in Form des BAHAs. Je nach Form und Ausmaß der vorliegenden Hörstörung sowie der zugrundeliegenden Erkrankung kann für jeden Patienten eine individuelle Versorgung ermöglicht werden. Dabei erfolgt im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgespräches die Demonstration der verschiedenen Systeme anhand von Mustern und Demo-Geräten. Weiterhin ist vor der Entscheidung für eine entsprechende Versorgung eine mehrtägige Trageprobe eines BAHAs mit Kopfbügel oder Stirnband in der häuslichen Umgebung und am Arbeitsplatz vorgesehen. Zur Anwendung kommen neben der Bonebridge (Fa. MED-EL) BAHA-Implantate der neuesten Generation (Fa. Cochlear und Fa. Oticon-Medical) mit den entsprechenden Prozessoren BAHA 4, BP 110 und Cordelle (Fa. Cochlear) sowie Ponto Pro und Ponto Pro Power (Fa. Oticon-Medical). Sowohl die Bonebridge als auch das magnetgetragene BAHA-Attract sind für einen Knochenleitungshörverlust bis ca. 45 db und 30 db respektive geeignet. Bei Verwendung der klassischen BAHA-Schnappkupplung ist eine Versorgung je nach verwendetem BAHA- Prozessor bis zu einem Knochenleitungshörverlust von 45 db, 55 db oder sogar 65 db möglich. Typische Indikationen zur Versorgung mit einem Knochenleitungshörgerät sind die Gehörgangsatresie oder hochgradige Gehörgangsstenose, die chronische Otitis externa, chronisch-sezernierende Radikalhöhlen und Mittelohrfehlbildungen sowie als CROS- Versorgung die einseitige Ertaubung. A Bridge Over Troubled Hearing Vibrant Soundbridge und Bonebridge im Vergleich Seit nunmehr rund 2 Jahren ist die Bonebridge für unsere schwerhörigen Patientinnen und Patienten verfügbar: ein neuartiges teilimplantierbares Knochenleitungs-Hörimplantat, bei dem die Vibrationen durch einen in das Mastoid eingebetteten Floating Mass Transducer erzeugt werden. Das System ähnelt der schon seit 2003 von MED-EL vertriebenen Vibrant Soundbridge (VSB), bei der ein erheblich kleinerer Floating Mass Transducer im Mittelohr befestigt wird entweder klassisch am langen Ambossschenkel oder als Vibroplasty im runden Fenster. Während also die Bonebridge im Grunde wie ein klassisches Knochenleitungs-Hörgerät die Schwingungen auf den gesamten Schädel überträgt werden die Vibrationen der VSB nur auf die Ossikelkette bzw. direkt auf das Innenohr übertragen. Hieraus ergeben sich Vorteile für die VSB im Indikationsspektrum, denn es kann zusätzlich auch eine leicht- bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit insbesondere im Hochtonbereich ausgeglichen werden. So haben wir beispielsweise gute Erfahrungen bei den schwierig zu rehabilitierenden Patienten mit kombinierter Schwerhörigkeit bei chronisch epitympanaler Otitis media, bei denen eine HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 4
5 konventionelle Hörgeräteversorgung aufgrund rezidivierender Radikalhöhleninfektionen oft nicht erfolgreich ist (Ihler et al., Laryngoscope 2014). Hingegen ist die Bonebridge aufgrund der Ankopplung an den Schädelknochen auch für eine CROS-Versorgung bei einseitiger Taubheit geeignet als Alternative zur konventionellen CROS-Versorgung oder Cochlea- Implantation. Weiterhin bietet die Bonebridge den Vorteil, dass sie bis 1,5 Tesla MRTtauglich ist, während bei Trägern einer VSB MRTs generell kontraindiziert sind. Beide Systeme arbeiten mit dem gleichen Sprachprozessor (Amadé), der durch Magnetkraft über dem Implantat hinter dem Ohr gehalten wird und die Signale perkutan überträgt. Im überlappenden Indikationsbereich der Schallleitungsschwerhörigkeiten bis maximal 45 db pantonal sind nach unseren Erfahrungen die audiologischen Ergebnisse und die Patientenzufriedenheit vergleichbar. (Volbers et al., unpubliziert). Hier muss bei der Auswahl des Gerätes vor allem die größere Leistungsreserve des VSB gegen die MRT-Tauglichkeit und geringere Komplikationsrate bei der Bonebridge abgewogen werden. Übrigens: die Firma Cochlear schläft auch nicht und hat mit dem BAHA Attact eine neue Variante des bekannten Knochenleitungshörsystems auf den Markt gebracht, welches an Stelle der transkutanen Schraube eine Übertragung durch einen Magneten verwendet. Abb. 1: Indikationsbereiche für Bonebridge (rot) und VSB (blau) als Knochenleitungs- Hörschwellen (Quelle: MED-EL) Abb. 2: Bonebridge, VSB und Amadé Sprachprozessor (Quelle: MED-EL) Neues aus dem CI-Programm Seit Beginn des CI-Programms im Jahr 2008 die Zahl der Implantationen pro Jahr kontinuierlich gestiegen und liegt derzeit bei etwa 30. Damit haben wir die kritische Masse erreicht, die den technischen und logistischen Aufwand rechtfertigt, um neben den Implantaten des Herstellers MED-EL auch Geräte eines zweiten Herstellers (Fa. Cochlear) zu implantieren. Dies ermöglicht es, die CI-Versorgung noch individueller auf die speziellen Anforderungen des Patienten abzustimmen und so einen optimalen Rehabilitationserfolg zu erzielen. Die Zunahme in der Zahl der Patienten, die in unserer Klinik ein CI erhalten haben, gründet sich zu einem guten Teil auch auf der Erweiterung der Indikationen für eine entsprechende Versorgung. Paradebeispiel hierfür ist die Versorgung der einseitigen Ertaubung (singlesided deafness, SSD). Eine SSD tritt in den meisten Fällen als postlingual erworbener Hörverlust beispielsweise nach Hörsturz oder Trauma auf. Betroffene Patienten beklagen insbesondere einen Verlust des Richtungshörens und einen Verlust von Sprachdiskrimination unter schwierigen Hörbedingungen (Störschall). Außerdem kann die fehlende Ansprechbarkeit von der ertaubten Seite nicht nur im Beruf zu einem ernsthaften Problem werden. Nicht wenige Patienten fühlen sich darüber hinaus von einem lauten Tinnitus auf der betroffenen Seite erheblich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Die CROS (contralateral routing of signal)- Versorgung stellte bisher den Standard in der Behandlung einseitig ertaubter Patienten dar. Ziel dabei ist es, die Schallsignale von der ertaubten Seite auf die kontralaterale, gesunde HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 5
6 Seite überzuleiten. Technisch kann dies als konventionelle Lösung mit Übertragung via Kabel oder Funk realisiert werden. Ist die erhaltene Seite außerdem von einem Hörverlust betroffen, bietet es sich an, die CROS- Übertragung mit einem entsprechenden Verstärker auf der Zielseite (sog. Bi-CROS) anzulegen. Alternative Möglichkeiten einer CROS- Versorung lassen sich darüber hinaus mit einer knochenverankerten Technik (z.b. BAHA oder Bonebridge) etablieren. Es hat sich gezeigt, dass von einer CROS- Versorgung vor allem Patienten profitieren, die auf eine gute Ansprechbarkeit von allen Seiten angewiesen sind (z.b. Taxifahrer, Mitarbeiter im Verkauf etc.). Die Ergebnisse bezüglich des Hörgewinns im Störschall sind jedoch uneinheitlich. Hier kann die Situation eintreten, dass bei einer ungünstigen Konstellation von Störund Nutzschallquelle das Sprachverstehen mit einer CROS-Versorgung abnimmt. Auch das Richtungshören wird mit einer CROS-Lösung nicht wesentlich verbessert. Praktisch keinen Einfluss hat eine CROS-Versorgung auf einen chronischen Tinnitus der ertaubten Seite. Van de Heyning und Kollegen stellten 2008 erstmals Patienten mit einseitiger Ertaubung vor, deren betroffene Seite sie bei normalen Hörvermögen der kontralateralen Seite mit einem CI versorgt hatten. Primäres Ziel war es dabei, über die elektrische Stimulation des Hörnervs den chronischen Tinnitus dieser Patienten zu bessern. Nach ersten ermutigenden Ergebnissen sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Studien zur CI-Versorgung bei Patienten mit SSD publiziert worden (Metaanalyse in Vlastarakos et al., 2013). Übereinstimmend wird dabei über positive Effekte auf den ertaubungsbedingten chronischen Tinnitus berichtet. Ebenso können eine Verbesserung des räumlichen Hörens und des Sprachverständnisses im Störschall nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite bewerten viele Patienten mit einem CI bei einseitiger Ertaubung die Klangqualität als unzureichend. In der Summe kann man bereits jetzt davon ausgehen, dass das CI bei denjenigen Patienten mit SSD, bei denen chronische Tinnitusbeschwerden und Defizite im räumlichen Hören im Vordergrund stehen, die überlegene Versorgungsmöglichkeit darstellt. In den Veröffentlichungen zu diesem Thema wird oft die Problematik der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen angesprochen. Hier sind Anträge auf Kostenübernahme vom MDK teilweise mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt worden, so dass die betroffenen Patienten eine Versorgung auf dem Rechtsweg erstreiten mussten. Erfreulicherweise haben die Sozialgerichte jedoch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Sinne des Patienten entschieden. Wir sind an unserer Klinik in der glücklichen Situation, die Kostenübernahme einer CI- Implantation nicht für jeden Einzelfall durch die Krankenkassen genehmigen lassen zu müssen. So konnten wir bei entsprechender Indikation einige Implantationen bei Patienten mit einseitiger Ertaubung durchführen. Als erstes Fazit sehen wir die positiven Ergebnisse bezüglich des Hörens im Störschall, des Richtungshörens und der Besserung eines chronischen Tinnitus bestätigt. Allerdings benötigen die Patienten eine längere Trainingsphase bis das CI wirklich als nützlich empfunden wird und der zunächst ungewohnte Klangeindruck akzeptiert wird. Entscheidend ist daher, Patienten mit einer entsprechenden Indikation vor Implantation eine realistische Erwartungshaltung zu vermitteln. Referenzen Van de Heyning P, Vermeire K, Diebl M et al.: Incapacitating unilateral tinnitus in single- sided deafness treated by cochlear implan- tation. Ann Otol Rhinol Laryngol 2008; 117: Vlastarakos PV, Nazos K, Tavoulari EF, Nikolopoulos TP: Cochlear implantation for single-sided deafness: the outcomes. An evidence-based approach. Eur Arch Otorhinolaryngol Aug;271(8): Entwicklung einer Trainings-CD zur Verbesserung des Sprachverständnisses am Telefon bei Patienten mit Cochlea Implantat Das Wiedererlangen einer alltagstauglichen Kommunikationsfähigkeit ist das Ziel der Versorgung von tauben und hochgradig schwerhörigen Patienten mit einem Cochlea Implantat. Die Indikation für eine Cochlea Implantation besteht für Erwachsene bei Vorliegen einer beiderseitigen Innenohrtaubheit oder bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit, die nur ein maximales Sprachverständnis mit Hörgerät von 30-40% im standardisierten Einsilbertest zulässt. HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 6
7 Die Erfolgsaussichten sind umso besser, je kürzer die Phase zwischen vollständiger Ertaubung und Implantation war. Daneben hängt der Erfolg der Hörrehabilitation mit einem Cochlea Implantat sehr von der individuellen Möglichkeit und Motivation ab, sich an die neuen Sinneseindrücke nach Cochlea Implantation zu gewöhnen und das Hören neu zu trainieren. Eine große Bedeutung kommt einer umfassenden Hörrehabilitation nach der Implantation zu. Dazu benötigen die Patienten Geduld es kann von einigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren dauern, bis sich ein befriedigendes Sprachverständnis einstellt. Zur Unterstützung der Rehabilitation und für das eigenständige Üben zu Hause hat die Heidelberger Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik zusammen mit der Firma MED-EL eine CI- Trainings-CD herausgegeben: Das Übungsprogramm wird von geübten Sprechern in verschiedenen Schwierigkeitsgraden vorgetragen und ist speziell auf die Bedürfnisse von CI- Trägern zugeschnitten. Wieder telefonieren zu können ist ein häufiger Wunsch von Patienten nach Cochlea- Implantation, jedoch ist diese Form der Kommunikation besonders schwierig. Viele Menschen mit Hörstörungen trauen sich das telefonieren nicht mehr zu, weil sie oft schon negative Erfahrungen mit der Sprachverständlichkeit gemacht haben. Selbst moderne Telefonanlagen haben ein sehr eingeschränktes Frequenzspektrum von 500 Hz bis 2 khz. Die Grundtöne der männlichen und der weiblichen Stimme liegt jedoch bei 125 Hz und 250 Hz. Da das Sprechen am Telefon auch häufig zu schnell und schlecht artikuliert ist, ist die fernmündliche Sprachverständlichkeit von CI- Trägern meist sehr einschränkt. Ziel einer neuen Studie an der Hals-Nasen- Ohrenklinik der Universitätsmedizin Göttingen ist es nun, ein neuartiges Hörtraining zur Verbesserung der fernmündlichen Sprachverständlichkeit bei Patienten mit einem Cochlea Implantat zu entwickeln und klinisch zu implementieren. Dies soll mittels einer entsprechend dem Frequenzgang heutiger Telefonanalagen gefilterten Heidelberger CI-Trainings-CD durchgeführt werden. Der Trainingserfolg wird mittels des ebenfalls gefilterten Oldenburger Satztestes überprüft. Es handelt sich um eine offene, prospektive klinische Prüfung an voraussichtlich 58 Patienten mit einem Cochlea Implantat. Die Studie läuft bereits seit einem Jahr. Die Patienten werden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt die das Hören mit zwei Versionen der Heidelberger Hörtrainings-CD trainieren. Die CDs sind jeweils verblindet. Nach einem Trainingszeitraum von 4 Wochen wird bei allen Probanden eine erneute Hörtestung mittels des gefilterten Oldenburger-Satztests durchgeführt. Wir hoffen mit dieser Studie nachweisen zu können, dass diese spezielle Form des Hörtrainings den Patienten hilft mit dem Telefonieren besser zurecht zu kommen. In Zukunft wäre anschließend eine besondere Form der Hörtrainings-CD denkbar die speziell auf das Sprachverständnis am Telefon zugeschnitten ist. Klinische Multicenterstudie zur Behandlung des peripheren Tinnitus nach einer traumatischen cochleären Schädigung oder Otitis media Langanhaltendes Tinnitusempfinden ist für Patienten häufig mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden. Die Therapie gestaltet sich nicht nur bei der meist vorliegenden idiopathischen Form schwierig, auch die Behandlung von Tinnitus als Folge eines cochleären Traumas oder einer Otitis media verläuft für Patienten wie Ärzte häufig frustran. Eine etablierte medikamentöse Therapie bei chronischem Tinnitusempfinden existiert bisher nicht. Die Gabe von Glukokortikoiden zeitnah nach Auftreten des Symptoms ist wie auch bei der Behandlung des Hörsturzes lediglich als Behandlungsversuch zu werten, der tatsächliche Nutzen wird trotz der weltweiten Anwendung in Metanalysen als noch unklar eingeschätzt (Wei et al. Cochrane Database Syst Rev. 2006; Conlin et al. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2007). Diese Situation unterstreicht die Notwenigkeit neuer Therapieansätze. Mit der Beteiligung an einer Multicenterstudie zur Behandlung von Tinnitus nach einem cochleären Trauma oder einer Otitis media mit Esketaminhydrochlorid-Gel (AM-101) haben wir jetzt die Möglichkeit unseren Patienten eine aussichtsreiche Alternativtherapie anzubieten. Denn bereits in einer Phase-II-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapieoption nachgewiesen. Patienten mit persistierendem subjektivem periphererem Tinnitus (unilateral oder bilateral) als Folge HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 7
8 einer traumatischen cochleären Schädigung (akutes akustisches Trauma, Knalltrauma, Mittelohroperation, Barotrauma des Innenohrs, Trommelfelltrauma) oder einer Otitis media können in die Studie eingeschlossen werden. Dabei können sowohl Patienten mit akutem Tinnitusempfinden (Beginn vor weniger als drei Monaten) sowie einer chronischen Erkrankung (drei bis zwölf Monate nach auslösendem Ereignis) im Rahmen der Studie behandelt werden. Die gelartige Prüfsubstanz wird hierbei insgesamt dreimal mittels intratympanaler Injektion verabreicht um ihre Wirkung nach Diffusion in die Cochlea unmittelbar am Ort des Geschehens entfalten zu können. Die Studie ist nach höchsten Standards des Studiendesigns entworfen. Als randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelgruppenstudie der Phase III zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Esketaminhydrochlorid-Gel (AM-101) ist es daher möglich, dass Patienten initial nicht mit der Prüfsubstanz sondern einem Placebo behandelt werden. Sofern bestimmte Voraussetzungen jedoch erfüllt sind, können alle Studienteilnehmer nach Abschluss der Studie an einer Folgestudie teilnehmen, in der sie dann auf jeden Fall AM-101 erhalten werden. Im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs werden unsere Patienten vor Beginn der Behandlung über die Erkrankung und die Einzelheiten der Studie aufgeklärt. Zur Erfassung der subjektiven Ausprägung ihrer Erkrankung erfolgt in einer Screeningphase von zwei Wochen Dauer regelmäßig ein strukturiertes Interview, das die Patienten bequem von zuhause aus mithilfe eines zur Verfügung gestellten Smartphones erledigen können. Im Anschluss folgt die ambulant durchgeführte Behandlungsphase mit 3 intratympanalen Injektionen innerhalb von 5 Tagen. Zu jeder Zeit werden die Patienten sorgfältig untersucht. In einer Nachbeobachtungsphase kommen die Patienten noch insgesamt dreimal zu Kontrolluntersuchungen. Die Betreuung erfolgt zu individuell eingerichteten Sprechzeiten stets durch einen Prüfarzt unseres Zentrums für Klinische Studien (CSC). Unsere Patienten haben zu jeder Zeit einen direkten Ansprechpartner, sodass bisher ausschließlich sehr positive Rückmeldungen zu Behandlungen im Rahmen von klinischen Studien geäußert wurden. Weitere Informationen zur klinischen Studie erhalten unsere Patienten auch online unter Darüber hinaus können betroffene Patienten direkt an uns überwiesen werden. Eine Anmeldung hierzu ist u. a. über unser Oberarztelefon möglich. Gerne besprechen wir mit den Patienten in einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme noch vor der Anreise die ersten aufkommenden Fragen. Impressum: Herausgeber: Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Autoren: Universitätsmedizin Göttingen Prof. Dr. med. Martin Canis Robert-Koch-Str. 40 Dr. med. Lisa Groß D Göttingen PD Dr. med. Arno Olthoff Briefpost: Göttingen PD Dr. med. Alexander Meyer Telefon: / Dr. med. Bernhard Weiß sekretariat.hno@med.uni-goettingen.de Dr. med. Fritz Ihler Dr. med. Nicola Strenzke Dr. med. Andreas Brandt HNOtiz Ausgabe 2 07/2014 8
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