Vom Zappelphilipp und Träumerchen ins Erwachsenenalter - Folgen einer verpassten ADHS Diagnose
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- Hilke Rothbauer
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1 ADHS Vom Zappelphilipp und Träumerchen ins Erwachsenenalter - Folgen einer verpassten ADHS Diagnose Dr. med. Gregor Berger & Dr. phil. Nicole Rechsteiner gregor.berger@ipw.zh.ch nicole.rechsteiner@ipw.zh.ch Beginn in früher Kindheit signifikante Probleme in psychologischer Entwicklung sozialer Entwicklung schulischer Entwicklung kann, aber muss nicht zu Lernstörungen führen Mehr Buben (2-3 : 1) / 1 / 4 ADHS im Wandel der Zeit (Heinrich Hoffmann, Frankfurter Arzt, 1845) ADHS im Lebenszyklus 75% 50% Kinder mit ADHS Prevalaenz 6%-9% Adoleszente mit ADHS Erwachsene mit ADHS Prevaevalenz 3%-5% / 2 / 5 Nomenklatur Der ADHS-Teufelskreis >20J anerkannte psychiatrische Diagnose Deutsch HKS Hyperkinetisches Syndrom (D) ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssstörung ADS Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom 70er Jahre POS Psychoorganisches Syndrom (CH) English ADHD Attention Deficit Hyperactivity Disorder ADD Attention Deficit Disorder Erwachsene Legale Probleme (Autounfälle, Körperverletzung) Psychiatrische Komorbidität Kernsyndrom Ausbildungsprobleme ADHS Drogen Biopsychosoziale Fehlentwicklung Beziehungs- & Familiäre Probleme Mangelndes Selbstvertrauen Koerperliche & Psychische Verletzungen Kinder Adoleszenz / 3 / 6 Adaptiert nach Safren
2 Diagnostik vom Kind zum Erwachsenen Aufmerksamkeitsstörung Sorgfalts- / Flüchtigkeitsfehler Aufmerksamkeitspanne verkürzt Schwierigkeiten zuzuhören Schwierigkeiten Instruktionen zu folgen Schwierigkeiten mit Selbstorganisation Vermeiden geistiger Anstrengung Gegenstände verlieren und verlegen Leicht ablenkbar (äussere Reize) Vergesslichkeit im Alltag / 7 / 10 ADHS Diagnostik Klassische Trias Aufmerksamkeitsdefizit (motorische) Hyperaktivität Impulsivität Zusätzlich Chronische innere Unruhe Vergesslichkeit Volatile Stimmungsschwankungen Hyperaktivität/ Impulsivität Ständige Unruhe ( Zappelphilip ) Unfähigkeit, sitzen zu bleiben Ständiges Unruhegefühl Immer laut, selten leise Exzessive motorische Unruhe Antwortet, bevor Frage gestellt Nicht abwarten, bis er/sie an der Reihe ist Häufiges Stören/ Unterbrechen anderer Exzessives Reden / 8 / 11 DSM-IV & ICD-10 Subtypen Wandel zum Erwachsenen DSM-IV Mischtypus (314.01) vorwiegend unaufmerksamer Typus (314.00) vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus (314.01) ICD-10 einfache ADHS (F90.0) Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1) Phänomenologischer Wandel Motorische reift zur inneren Unruhe Nichterreichen von Zielen trotz Fähigkeiten Probleme, wenn Routine gefordert Mehr Abbrüche von Tätigkeiten Mehr Streit/ Trennungen/ Scheidungen Mehr Unfälle (Auto, Fahrrad)/ Verkehrsbussen gelerntes Vermeidungsverhalten kann Arbeitslosigkeit zur Folge haben / 9 / 12 2
3 ADHS Erwachsene (Utah Kriterien, 1995) ADHS Erstdiagnose n. Alter Hauptkriterien Aufmerksamkeitsstörung Hyperaktivität Nebenkriterien (mindestens 2) Affektive Labilität Temperament Emotionale Überreagibilität (Stressintoleranz) Desorganisation Impulsivität Verschiedene Kombinationen möglich Keine diagnostischen Subtypen Source: Centers for Disease Control and Prevention. Prevalence of diagnosis and medication treatment for attention-deficit/hyperactivity disorder United States, MMWR 2005;54:[ ]. / 13 / 16 Dimensionales Störungsmodel ADHS Genetik Familienstudien (Joseph Biederman) 3-5x Geschwister > Nicht-Geschwister 18% biologischer Eltern ebenfalls betroffen. Zwillingsstudien (Florence Levy) 82% Konkordanz ID versus 38% in in non-id Adotionsstudien (Dennis Cantwell) Hyperaktivität bei ADHS Kinder ähnlicher wie biologische Eltern als Adoptiveltern DRD4, DAT1 (mehrfach repliziert) Sammler Jäger / 14 / 17 ADHS Epidemiologie Prävalenz bis Einschulungsalter 6% (Trott 1993, Wender 1995) 60% als Erwachsene symptomatisch (Weiss et al, 1985, Manuzza et al, 1993) Prävalenz Erwachsenenalter 1-4.4% (Murphy et al, 1996, Heiligenstein, 1998, Kessler et al 2005, Kooij et al 2005) AD(H)S als Genotyp Gesamtheit aller Erbanlagen relevant AD(H)S als Abweichung von der heutigen Norm Könnte AD(H)S irgendwann einmal im Sinne von Darwin einen Selektionsvorteil gehabt haben? Ausprägungsgrad AD(H)S Normalverteilt? heute früher / 15 / 18 3
4 ADHS Komorbidität beim Kind Komorbidität bei Erwachsenen ADHD alone 31% 40% ODD Oppositional defiant disorder Tic 11% N = 579 Conduct 14% 38% Angst/Mood Jensen P, et al. Archives of General Psychiatry, MTA study; December, 1999 / 19 / 22 ADHS Komorbidität bei Kindern ADHS mit affektiven Störungen Diagonse bei Kindern bei denen häufig ein ADHS zugrundeliegt: Störungen des Sozialverhaltens (Vorstufe PD) 70% Lernstörungen (z.b. Dyslexie) 50% Tics & Tourette Syndrom Autismus In der Kindheit beginnende Achse I Störungen Angststörungen Suchterkrankungen Depressionen Bipolar Psychosen Schizophreniforme Psychosen/ Prodrome mit Komorbidität ohne Komorbidität Odds Ratio Depression 9.4 % 3.7 % 2.7 Dysthymie 22.6 % 3.7 % 7.5 Bipolar 21.2 % 3.5 % 7.4 *eg, 1 von 5 Patienten mit einer Bipolaren Störung oder Dysthymie haben ADHS im Vergleich zu 3.5% die keine Bipolare affektive Störung oder Dysthymie haben! / 20 / 23 Kessler RC, et al. Am J Psychiatry. 2006;163: Komorbidität bei Erwachsenen Die Regel, nicht die Ausnahme ( Flöhe & Läuse ) Insgesamt ca. 80% Suchterkrankungen 50% Angststörungen 40% Unipolare Depressionen ca. 35% Bipolare affektive Störungen 15% Persönlichkeitsstörungen 10% Essstörungen (Bulimie)??? Schizophreniforme Psychosen??? Restless Legs Syndrom??? Psychiatrische Abklärung ist ein MUSS (z.b. MINI) ADHS-12-Monatsprävalenz affektiver Störungen mit ADHS ohne ADHS Depression 18.6 % 7.8 % Dysthymie 12.8 % 1.9 % Bipolar 19.4 % 3.1 % Während den letzten 12 Monaten erfüllten 19.4% der Patienten mit ADHS die Kriterien für eine bipolare Störung vergleichen mit 3.1%, die kein ADHS haben. / 21 Shekim WO et al. Compr Psychiatry. 1990;31: Biederman J et al. Am J Psychiatry. 1993;150: / 24 Kessler RC, et al. Am J Psychiatry. 2006;163:
5 ADHS und der Verlauf bipolarer Störungen ADHS Verlauf (Beiderman et al AJP 2000) % Komorbidität Kürzere euthyme Phasen Häufiger BP Typ I Symptomatisch > manische Episoden EtOH & ill. Drogen Seltener: Remission/ Heilung Lifetime ADHD Current ADHD N / = ; Nierenberg et al., Biol Psychiatry 2005;57: / 28 Häufigere Komplikationen ADHS: Segen oder Fluch? % > 20 Manic Episodes Lifetime suicide attempts Lifetime violence Lifetime legal problems ADHD No ADHD N / = ; Nierenberg et al., Biol Psychiatry 2005;57: / 29 Hallowell, M.D. Honos-Webb, Ph.D. ADHS & Persönlichkeitsstörungen Behandlung 40% 35% 35.2% 30% 29.8% 25% 27.2% 20% 15% 18.3% 16.9% 10% 14.0% 12.0% 5% 8.0% 5.7% 0% Paranoid Antisozial Borderline Histrionisch Narzißtisch Ängstlich Zwanghaft Passiv- aggressiv Depressiv Integrative psychiatrische Behandlung Medikation Psychoeduktion (Einzel- & Gruppen) Familien- und Umfeldbegleitung/ Therapie (Umgang mit Widerstand) Keine kurzfristige, sondern langfristige Behandlung (Jahre) Medikation ist nicht wie ein Antibiotikum, dass eine Infektion behandelt, sondern eher wie eine komplexe langfristige Diabetesbehandlung mit Medikamenten und Lifestyle. Medikation ist der Eckpfeiler der Behandlung nicht nur Additiv, sondern Interaktion (Psychoedukation und Familientherapie mit IP erst wirklich effektiv, wenn IP medikamentös behandelt ist) / 27 Jacob CP et al, Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci Sep;257(6): Epub 2007 Apr 1. / 30 5
6 Behandlungs-Algorithmus Diagnostik ADHS und psychiatrische Komorbidität 1. Indikation Medikation in Altersgruppe? (Off label) 2. Familiengeschichte & Therapieresponse? 3. Dringlichkeit? = Concerta oder Ritalin LA 4. Umgebungsfaktoren (Zeit)? Wirkung abends = Strattera / Ritalin LA / Concerta Ritalin 4PM 5. Psychiatrische Komorbidität oft zuerst behandeln Substanzmissbrauch? = Rehab/ Seroquel? Angst/Unipolare Depression? = SNRI/ Strattera Bipoar affektive Störung? = Stimmungsstabilisator (Lithium, Valproat, Risperidon, Seroquel, Abilify, Olanzapin) Tics? = Strattera persistierende ADHS Symptome Zusammenfassung I Häufig im Erwachsenenalter (1-4.4%) Etwa 80% mit ADHS im Erwachsenenalter haben eine komorbide Störung Substanzmissbrauch, Depressionen, Angststrg., Persönlichkeitsstörungen und Psychosen Screening (zb. MINI) ist ein MUSS!!! > 80% sprechen (sympomatisch) auf 1st Line Behandlung an (funktionelle unklar). > 90% in Kombination mit 2nd Line Behandlung Kombinationsbehandlungen bei persistierender Aggression/ Hyperaktivität + Clonidin bei psychotischen Begleitsymptomen: + atypisches AP / 34 Therapieanpassung Schweregrad der Zielsymptome erfassen ADHS-DC Q und ADHS-SB, Conners, DISYPS-KJ Agenda Frage besonders nach Konzentrationsfähigkeit Innere Unruhe Aggressivität Impulsivität Beziehungsgestaltung Arbeitsleistung Strukturierung der Arbeit/ Schule (Aufschieben) Adaptiere Dosis langsam (Wochenschritte) Erhöhe Dosis so lange Symptome sich ohne NW verbessern Einpendeln der optimalen Dosis, dann beibehalten Cave: besonders am WE sollte MHP nicht abgesetzt werden (365 Tage) Zusammenfassung II MPH (Concerta/Ritalin L A) and Atomoxetin (Strattera) 1st Line Komorbidität Reihenfolge der Behandlung Behandle zuerst Achse I Störung Manie + Psychose Depression Angststörung Akuter Entzug (jedoch wichtig für Erhaltungsth.) Kombinationsbehandlung häufig (wenig kontrollierte Studien!!!) Pharmakotherapie ist ein Dialog mit Patient, dessen Familie und dessen Umfeld / 32 / 35 Augmentationsstrategien MPH + Atomoxetine Keine drug-drug Interaktion Keine Kardiovaskulären Risiken bekannt (limitierte Evidenz) MPH + Bupropion: Keine Risiken bekannt (limitierte Evidenz) MPH + SNRI/ TCA Serum TCA-levels bleiben gleich unklares kardiovasculares Risiko bei Erwachsenen Besonders bei Komorbidität mit unipolarer Depression Venlafaxin solle mind. >225mg pro Tag dosiert werden, um NA Effekt zu erhalten Duloxetin hat auch bei niedrigen Dosen bereits NA Effekt Webseiten (ein gutes ebook für Betroffene und Laien) (eine gute Webseite auf Deutsch) (eine gute Webseite auf Englisch) (viel ADHS Material auf Englisch) gesucht/themenliste.thema.b60b8d8b-cdfb-4cfe-a1dd- 32cfbf63b378.html (Selbsthilfegruppen allgemein) / 33 / 36 6
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